Indonesien-Information, März 1993 (Umwelt)

Quelle: Greenpeace Magazin 1/93

 

Grüne Minus-Punkte

 

Schmutzige Geschäfte

 

Indonesiens Müllsammler kämpfen um ihr Überleben, seit das Land von fremdem Abfall überflutet wird. Neuer Großdealer: das Duale System.


„Wir, die Scavenger, bitten höflich den Herrn Präsidenten, uns zu helfen. Wir erwarten weder Geld noch andere Unterstützung. Wir erwarten nur untertänigst, Herr Präsident, daß Sie die Einfuhr von gebrauchter Ware und von Müll stoppen. Der Import dieser Materialien bedroht unseren Lebensunterhalt“.

Mit diesem unterwürfigen Brief hat sich die Organisation der indonesischen Müllsammler an ihr Regierungsoberhaupt gewandt. Die sogenannten Scavenger fischen Glas. Papier und Kunststoff aus städtischen Müllhalden, um sie ansässigen Recyclingbetrieben gegen ein geringes Entgelt zu verkaufen. Jetzt bedrohen Abfallimporte die karge Existenz der rund 200.000 indonesischen Müllsortierer: Kein Betrieb zahlt ihnen eine Rupie, wenn den Unternehmen das gleiche Material schiffsladungsweise aufgedrängt und die Abnahme zusätzlich mit rund 600 Mark je Tonne belohnt wird.

US-Müllimporte von 14.500 Tonnen im vergangenen Jahr haben den durchschnittlichen Tageslohn der Scavenger bereits auf etwa 1,50 Mark gedrückt. Für dieses Jahr erwartet Indonesien zusätzliche, mit Geldbeigaben versehene Importe in noch unbekannter Größenordnung. Lieferant: Die „Duales System Deutschland GmbH“ (DSD). Lizenzgeberin des „Grünen Punkt“.

Bis jetzt hatte das Müllsammeln, 1988 von Präsident Suharto persönlich als Beruf anerkannt, in den Slums als Sprungbrett aus totaler Armut gegolten. Die Regierung hat Gesundheits- und Bildungsprogramme in Gang gesetzt, um die Müllmenschen aus dem Dreck zu ziehen.

Auf den Überlebenskampf der Scavenger aber kann die DSD keine Rücksicht nehmen. Rund 230.000 Tonnen Plastikmüll, ausgestattet mit dem Grünen Punkt, wird die Gesellschaft in diesem Jahr sammeln. Dem stehen in Deutschland Recyclingkapazitäten von höchstens 100.000 Tonnen gegenüber. Mehr als die Hälfte des Recyclingmaterials muß also außer Landes geschafft werden, will die DSD ihr Wiederverwertungsversprechen formell einhalten.

Im Auftrag der DSD und der mit ihr kooperierenden „Verwertungsgesellschaft für gebrauchte Kunststoffverpackungen“ (VGK) in Bad Homburg waren Mitarbeiter des TÜV im vergangenen Jahr weltweit unterwegs, um angepeilte Betriebe zu untersuchen. In Spanien, Frankreich, Belgien, Bulgarien, China und Indonesien wurden die TÜV-Tester fündig. Allein in Indonesien machte die Singapur-Dependance des TÜV Rheinland drei Betriebe mit Kapazitäten von 4.800 Tonnen, 7.200 Tonnen und 10.000 Tonnen aus. Insgesamt hat die DSD ausländische Recycler mit einer Müllkapazität von rund 120.000 Tonnen aufgetan.

Die TÜV-Inspektoren werden bald erneut die von ihnen begutachteten Betriebe aufsuchen und forschen, ob der Müll ordnungsgemäß zu Regranulat zerkleinert wird. Ist dies geschehen und liegt eine Abnahmeerklärung vor, erhalten die ausländischen Recycler ein TÜV-Zertifikat. Ob das Zeug daraufhin im nächsten Müllofen verheizt wird, entzieht sich der Aufsicht der Kontrolleure.

MATTHIAS BRENDEL
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