Indonesien-Information, März 1993 (Präsidentenwahl)

Quelle: Frankfurter Rundschau, 12.03.93

 

Im Blickpunkt: Indonesien

Der General läßt Leine

 

Zum sechsten Mal wurde der „lächelnde General“ Suharto von der indonesischen Volksversammlung einstimmig zum Präsidenten des 170 Millionen-Volkes gewählt. Auf Suhartos Vorschlag wurde der ehemalige Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General Try Sutrisno, sein Vizepräsident. Diese Wahl deutet an, daß das Militär auch in einer Ära nach Suharto nicht auf seinen dominanten Einfluß in der Politik verzichten wird.

Da Suharto erneut der einzige Kandidat war, dauerte seine Wahl ganze 35 Minuten, das Ergebnis stand bereits seit Monaten fest Selbst wenn sich ein Gegenkandidat hätte finden lassen — was einem politischen Selbstmord gleichkäme —, hätte Suharto nicht um eine Mehrheit fürchten müssen. Hat er doch 600 Delegierte der Volksversammlung handverlesen und selbst ernannt, von den übrigen 400 ist der größte Teil ebenfalls Amtsinhaber von Suhartos Gnaden.

Gemäß den Erwartungen, entschied sich Suharto für den ehemaligen Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General Try Sutrisno, als seinen Vizepräsidenten. Die Wahl Sutrisnos hat über das im wesentlichen zeremonielle Amt hinaus Gewicht. Suharto ist 71 Jahre alt und hat bislang keinen Kronprinzen ernannt. Eine weitere Amtsperiode dürfte für den Präsidenten nicht in Frage kommen. Sutrisno, 57, gilt vorerst als der Erbe des Präsidenten.

Sutrisno ist dem Präsidenten loyal ergeben. Seine militärische Laufbahn begann in einem Pionierregiment 1972 wurde er von Suharto als sein persönlicher Adjutant in das Präsidentenpalais geholt Vier Jahre später stieg er zum Generalstabschef des Regionalkommandeurs von Ost-Timor auf, befehligte danach die Truppen auf Sumatra und die Garnison von Jakarta. 1988 rückte er für den erst jüngst in Pension geschickten Verteidigungsminister L. B. Murdani zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte auf.

Sutrisno ist ein hartnäckiger Anhänger der „Zwifungsi“. der uneingeschränkten Verantwortung der Militärs für die äußere Sicherheit sowie ihrer Mitverantwortung in der Politik. Mit diesem politischen Kredo tritt er in die Fußstapfen des Präsidenten.

Seine militärische Laufbahn ist achtunggebietend, in der Politik ist Sutrisno bisher noch ein unbeschriebenes Blatt Sutrisnos impulsive Verteidigung des völkerrechtlich umstrittenen indonesischen Regiments über Ost-Timor nach dem Massaker von 1991 gegenüber dem Parlament lässt die Frage offen, ob er wie Suharto der verbindliche Mann an der Spitze des Staates sein könnte, der diesen Archipel der sozialen und politischen Gegensätze zum Konsens führen kann. Sutrisno gilt als eigenwillig und selbstgerecht als jemand, der nicht gerne zuhört und Kritik kaum erträgt.

Die nächsten Jahre an der Seite Suhartos mögen seine Lehrjahre sein, die aus dem Soldaten einen Politiker machen. Zunächst aber ist gewiß, daß mit Sutrisno als dem potentiellen Nachfolger Suhartos der Weg zu einer zivilen Demokratie in Indonesien beschwerlicher geworden ist.

Zwar hat Suharto selbst in jüngster Zeit auffällig die muslimischen Kräfte im Staat umworben, mit Sutrisno als Vizepräsidenten entschied er sich jedoch für einen Mann, der als uneingeschränkter Verfechter von Pancasila gilt, der säkularen, auf Konsens abgestimmten Staatsphilosophie. Sutrisno ist zwar Muslim mit guten Beziehungen zu diesen muslimischen Kräften, er hat jedoch wiederholt einer Islamisierung der Politik eine Absage erteilt Mit der gleichen Unbeugsamkeit ist er auch jenen Kräften gegenübergetreten, die eine basisorientierte Demokratisierung Indonesiens anstreben.

Sutrisno wird die Nachfolge Suhartos nicht automatisch antreten, es sei denn, daß der Präsident seine Amtsperiode nicht durchzustehen vermag. Suharto hat bislang seinen Vizepräsidenten wenig Spielraum zum selbständigen Handeln gelassen. Sollte er Sutrisno ernsthaft als Nachfolger ansehen, wird er seinem neuen Vize eine aktivere Rolle zuteilen müssen. Dennoch muß sich Sutrisno in fünf Jahren zur Wahl stellen, und bis dahin muß er vor allem die nominelle Opposition in der indonesischen Politik, die muslimisch orientierte Vereinigte Entwicklungspartei und die Christlich-Nationalen Demokraten, überzeugen. Zu diesem Zweck, so prophezeit ein führender Politiker in der Regierungsfraktion GOLKAR, wird ihm Suharto genügend Leine lassen — selbst auf die Gefahr hin, daß er sich damit erhängt.

JÜRGEN DAUTH (Singapur)
 
 

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