Indonesien-Information, März 1993 (Religion)

 

Der Haifischsegen

 
Welch eine Überraschung erlebte Wandor, ein Fischer aus Mitteljava, als er sein Netz einholen wollte. Seine Kraft reichte nicht aus und 70 Fischer mußten ihm behilflich sein, sein Netz ans Land zu bringen. Einen Haifisch, 6 Meter lang und 1,4 Meter dick hat Wandor gefangen.

Zunächst wußten die Fischer nicht, was sie mit dem Fisch anfangen sollten. Aber, „kümmere dich um den Haifisch“, flüsterte eine magische Stimme in Wandors Ohren. Seine Freunde waren einverstanden. Damit der Hai heil aus dem Netz befreit werden konnte, mußte das Netz zerschnitten werden.

Wandor, 45, versuchte den Haifisch, der nach Atem rang, zu pflegen. Vergeblich. Um 3.00 morgens starb der Hai. Die Fischer glaubten, der Hai sei kein gewöhnlicher Fisch sondern der Herrscher des Meeres gewesen. Daher mußte ihm Achtung gezollt werden.

Sein Körper wurde gewaschen und anschließend mit weißem Stoff umwickelt - wie beim Ritual eines islamischen Begräbnises. Selbst der geeignete Tag mußte bestimmt werden: Nicht Donnerstag mittag, sondern erst am Abend sollte die Zeremonie stattfinden. Am Mittag würde es Unglück bringen. Um das Unheil zu vertreiben wurde ein Gebetsabend nach dem Begräbnis des Hais abgehalten (Tahlil'an).

Um die 15 Meter Stoff zu kaufen und das kleine Fest zu veranstalten, haben Leute aus verschiedenen Städten gespendet. Insgesamt betrugen die Spenden 200.000 Rupiah (etwa 160 DM). Wandor lehnte es ab, dieses Geld auszugeben, um sein kaputtes Netz zu ersetzen.

Die Fischer haben auch abgelehnt, als einige Leute den Haifisch für 300.000 Rupiah kaufen wollten oder 250 Rupiah für ein Kilo Flosse und Rücken boten. „Wir haben alle abgelehnt“, erzählte Sakyad, ein Freund von Wandor. Seiner Meinung nach würde sich jedes Stück Haifisch später in einen neuen Haifisch verwandeln. „Das wäre ja für uns eine Gefahr. Wir werden von ihnen verfolgt“, argumentierte er.

Nach dem Haifischbegräbnis ging Wandor sieben Tage nicht ins Meer. So besagte es das Ritual für das Wohlergehen seiner Familie und der Dorfbevölkerung (keselamatan keluarga dan penduduk setempat). „Bevor ich fischen gehe, muß ich ein selametan (zeremonielle Mahlzeit) veranstalten“, sagte Wandor und erzählte von einem Segen durch den Haifisch. „Meine Freunde, die jetzt am Meer fischen, machen bessere Fänge als vorher“, erzählte er.

Außerdem gab es welche, die Vorteile aus dem Haifischselametan zogen. Besonders natürlich diejenigen, die Lotto spielten. Man notierte einfach um wieviel Uhr der Hai an Land gebracht wurde, wann der Hai gestorben war oder wie oft solche Ereignisse schon in der Vergangenheit passiert sind. Die Lottospieler haben dann die entsprechenden Zahlen kombiniert.

Es blieb im Dunkeln, welche Geister ihnen geholfen haben, denn, siehe da, die Zahl 7163 war die richtige. „Aber der Gewinner stammt nicht von hier. Wir selbst haben nicht gewonnen“, sagte Wandor. /Tempo 6.2.93/ <>
 
 

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