Indonesien-Information, März 1993 (Religion)

Quelle: Frankfurter Rundschau, 09.02.1993

Im Blickpunkt: Protestanten in Indonesien

 

Militärs setzen Bischof ab

 
Ende des Monats wird Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) auf seiner Asienreise auch Indonesien besuchen. Reiner Groth, Direktor der Vereinigten Evangelischen Mission (VEM) in Wuppertal, hat dem Kanzler jetzt via Bundesaußenministerium einen Auftrag mit auf den Weg gegeben: Kohl möge bei der Regierung in Jakarta doch darauf drängen, daß die schweren Eingriffe des Militärs in innerkirchliche Angelegenheilen sofort aufhören. Anlaß für die Bitte ist die Absetzung des Bischofs der Toba-Batak-Kirche, Soritua Nababan, durch den Militärkommandeur von Nordsumatra. •

Die Toba-Batak-Kirche gilt mit ihren 2,5 Millionen Mitgliedern als die größte protestantische Kirche der sogenannten Dritten Welt Einen Tag vor Heiligabend, am 23. Dezember, griffen die Militärs in Nordsumatra zu. Sie erklärten den von der Synode der Toba-Batak-Kirche gewählten Ephorus (Leiter) kurzerhand für abgesetzt Sie begründeten ihren Schritt mit der „Aufrechterhaltung von Sicherheit, Ruhe und Ordnung“ und verstießen damit gegen Artikel 29 der indonesischen Verfassung, die allen Religionsgemeinschaften im Inselreich Religionsfreiheit und Nichteinmischung in ihre Angelegenheiten garantiert. Das aber scherte die Militärs wenig. Die obersten Behörden des militärischen Geheimdienstes setzten „in Widerspruch zur Kirchenordnung und Mißachtung der Synode“, wie VEM berichtet, den Dozenten an der Theologischen Hochschule in Pematangsiantar. Sountilon M. Siahaan, an die Stelle Nababans.

Das Verwaltungsgericht in Medan setzte am 12. Januar per einstweiliger Verfügung den Militärbeschluß außer Kraft. Zum gerichtlichen Anhörungstermin am 18. Januar erschien der zuständige General nicht, aber der Richter, der die einstweilige Verfügung erlassen hatte, wurde versetzt. Die englischsprachige Zeitung Jakarta Post berichtete am 21. Januar, daß zahlreiche Mitglieder der Toba-Batak-Kirche verhaftet worden seien. Das Asien-Referat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erfuhr, daß die Festgenommen auch grausam gefoltert worden seien. „Inzwischen sind die meisten von ihnen wieder auf freiem Fuß, jedoch mit der Maßgabe, daß sie das Vorgehen der staatlichen Behörden als rechtmäßig akzeptieren“, berichtet die EKD. Gleichzeitig hätten sie sich verpflichten müssen, eine vom Militär für Februar angesetzte Synode nicht zu stören. Inzwischen ist der Oberste Gerichtshof in Jakarta mit der Absetzung des Bischofs befaßt Freunde Nabans erzählen von sozialethischem Engagement des Vizepräsidenten des Weltkirchenrates: Er habe die Sorgen und Nöte der Menschen in der Provinz Nordsumatra in Predigten und Fürbitten angesprochen. Insbesondere habe er immer wieder verlangt, daß die Produktion einer Papierfabrik so umgestaltet werden solle, daß sie nicht mehr die ganze Umgebung verpestet und damit die Lebensgrundlage der Bauern zerstört. Direkt habe er die Eigner der Firma, die gute Beziehungen zum Militär unterhalten, nie angegriffen, aber deren soziale Verantwortung herausgefordert.

Der Sozialethiker Karl-Wilhelm Dahm warnt davor, den Theologen Nababan ins Schwarz-Weiß-Schema einer Gesellschaftstheorie von Ausbeutern und Ausgebeuteten zu stellen. „Er hat darauf hingewiesen. daß das in der indonesischen Politik weit verbreitete Sicherheilsdenken, dem er im Prinzip durchaus Verständnis entgegenbringe, nicht zum Selbstzweck werden dürfe“, sagte Dahm in seiner Laudatio, als Nababan am 19. Januar die Ehrendoktorwürde der Universität Münster erhielt Nababan bewege sich in den Beziehungsfeldern Kirche-Staat, Kirche — Islam (88 Prozent der Indonesier sind Muslime), Kirche-Wirtschaft und Kirche — kulturelle Tradition (sogenannte Adat). „Offensichtlich sind viele kirchlich-gesellschaftliche Beziehungen gegenwärtig so labil, daß sie jederzeit und unkalkulierbar von Partnerschaft in Gegnerschaft, von Kooperation in Konflikt umschlagen können — und eben auch umgekehrt“, sagt Dahm. „Jedenfalls muß die Kirche mit Sanktionen rechnen, wenn sie gegen Menschenrechtsverletzungen oder gegen Zerstörung von natürlichen Lebensgrundlagen ihre Stimme in christlicher Verantwortung erhebt.“

KATHARINA SPERBER 
 
 

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