Indonesien-Information Nr. 2 2002 (Politik)

Promis vor Gericht

von Alex Flor

Es tut sich was in Indonesiens Justiz. Jedenfalls soll der Anschein erweckt werden, es wäre so. Gleich mehrere prominente und hochrangige Personen stehen derzeit in Jakarta vor Gericht. Nach monatelanger Verzögerung wurden wenige Tage vor Eröffnung der UN-Menschenrechtskonferenz in Genf die ersten Verfahren gegen mutmaßliche Verantwortliche für die Gräueltaten, die 1999 in Ost-Timor begangen wurden, eröffnet. Angeklagt sind unter anderem der ehemalige Gouverneur Ost-Timors, Abilio Soares, sowie der damalige Polizeichef der Provinz, Timbul Silaen.

Fast gleichzeitig begann der Prozess gegen Tommy Mandala Putra, dem jüngsten Sohn des 1998 abgetretenen Diktators Suharto. Der nicht zuletzt wegen seines Playboygehabes weithin unbeliebte Multimillionär war im September 2000 wegen eines Korruptionsfalles schon einmal zu 18 Monaten Haft verurteilt worden, trat seine Strafe aber nicht an, sondern flüchtete in den Untergrund. Während er die Polizeifahnder medienwirksam mit Katz- und Mausspielen vorführte, erwirkten seine Anwälte vor Gericht eine Annullierung des Urteils. Zuvor war im Juli 2001 der Richter, der das Urteil gesprochen hatte, auf offener Straße erschossen worden. Nachdem er im November letzten Jahres schließlich gefasst wurde, muss sich Tommy nun wegen Mordes, Entzuges vor der Justiz und illegalen Waffenbesitzes verantworten. Weitere Anklagepunkte in Zusammenhang mit mehreren Bombenanschlägen, unter anderem auf die Jakartaer Börse, wurden fallen gelassen.

Ein weiteres Verfahren wurde Ende März gegen den amtierenden Parlamentspräsidenten und Vorsitzenden der ehemaligen Regierungspartei Golkar, Akbar Tandjung, eröffnet. Ihm wird die Veruntreuung von umgerechnet ca. 3,6 Mio. Euro vorgeworfen, die für Lebensmittelhilfen an die von der Wirtschaftskrise besonders getroffene arme Bevölkerung bestimmt waren. Vermutlich wurde das Geld 1999 zur Finanzierung des Wahlkampfes von Golkar verwendet. Die Festnahme Tandjungs nach einem Verhör Anfang März war geeignet, auch notorische Zweifler davon zu überzeugen, dass es die Staatsanwaltschaft ernst meint.

Deutet sich in Indonesien tatsächlich eine neue Epoche an, in der dem Recht Geltung verschafft wird? Die Vehemenz, mit der sich Indonesien auf der UN-Menschenrechtskonferenz dagegen wehrte, dass in einem Konsenspapier zu Ost-Timor bezüglich der in Jakarta anhängigen Prozesse die Anwendung internationaler Rechtsstandards festgeschrieben wird, spricht eine andere Sprache. Aufschlussreich ist ein Blick auf die Liste derer, die nicht vor Gericht stehen. Der Bericht eines Untersuchungsteams der Regierung nannte 33 Personen, gegen die Ermittlungen wegen der in Ost-Timor begangenen Menschenrechtsverletzungen aufgenommen werden sollten, darunter der damalige Militäroberbefehlshaber und Verteidigungsminister, General Wiranto. Die Staatsanwaltschaft nahm jedoch nur gegen 19 Personen ein Verfahren auf, von denen nun sieben vor Gericht stehen. Wiranto zählt nicht dazu. Obwohl ihnen im Höchstfall die Todesstrafe droht, befindet sich keiner der Angeklagten in Untersuchungshaft; einige der Militärs wurden zwischenzeitlich sogar befördert. Gegenstand der Verhandlung sind lediglich die Gewaltexzesse in den Monaten April und September 1999. Die hinter diesen Einzelereignissen verborgene Systematik lässt sich damit nicht aufdecken. Schon gar nicht werden die Ursachen der Gewalt und die seit der indonesischen Besetzung der Inselhälfte 1975 begangenen Verbrechen behandelt. Dann nämlich müssten noch ganz andere Personen auf die Anklagebank - bis hin zu Ex-Diktator Suharto.

Dessen in 37 Jahren Amtszeit begangene zahllose Verbrechen bleiben wohl für immer ungesühnt. Lediglich wegen Korruption war ein Verfahren gegen Suharto eröffnet worden, das aber wegen seiner angeschlagenen Gesundheit niedergeschlagen wurde. Somit hat beispielsweise auch die Schweiz keine rechtliche Handhabe, nach möglicherweise vorhandenen Auslandskonten Suhartos zu suchen. Voraussetzung dafür wäre, dass in dieser Sache ein Verfahren in Indonesien selbst im Gange ist. Von Suhartos Familie und seinen Cronies, die sich über Jahre hinweg illegitim bereichert haben, wurden nur die wenigsten rechtlich belangt. Einzig Tropenholzkönig Bob Hasan wurde zu einer längeren Haftstrafe verurteilt. Wie die Zeitschrift Tempo unlängst berichtete, lässt Hasan derzeit die Gefängnisinsel Nusakambangan, die indonesische Version von Alcatraz, in eine Ferieninsel umgestalten. Hasan finanzierte Renovierungsarbeiten, baute eine Moschee und Sportanlagen für das Gefängnis.

Auch Suharto-Sohn Tommy investierte nach seiner Gefangennahme als erstes in Schöner Wohnen-Maßnahmen. In seiner Zelle wurden Fliesen gelegt, Wände gestrichen und eine Klimaanlage eingebaut. Während sich andere Gefangene zu mehreren eine Zelle teilen, schläft Tommy nebenan bequem auf einer Federkernmatratze. Angst vor der Todesstrafe ist dem ehemaligen Besitzer des Sportwagenherstellers Lamborghini nicht anzumerken.

Ebenso ungebrochen scheint auch das Selbstbewusstsein Akbar Tandjungs zu sein, der trotz Untersuchungshaft keinen Anlass sah, sein Amt als Parlamentspräsident niederzulegen. Der dem Staat zugefügte Schaden wurde inzwischen beglichen, da irgendwoher die veruntreute Summe plötzlich wieder auftauchte und zurück gezahlt wurde. Allerdings können sich die Armen davon noch immer keinen Reis kaufen, weshalb dem Prozess gegen Akbar Tandjung in der indonesischen Öffentlichkeit derzeit wohl die größte Aufmerksamkeit zukommt. Tandjungs Parteifreunde waren dagegen eher darum besorgt, einen zusätzlichen parlamentarischen Untersuchungsausschuss abzuwenden. Das Bauernopfer einer strafrechtlichen Verurteilung ihres Vorsitzenden wäre hinnehmbar, aber ein Untersuchungsausschuss könnte der Partei insgesamt Schaden zufügen. Im Extremfall droht die Auflösung Golkars, sollte sich herausstellen, dass die veruntreuten Gelder tatsächlich für den Wahlkampf verwendet wurden. Doch soweit wird es nicht kommen, denn auch andere hätten dann Anlass zur Sorge. Alle zur Wahl angetretenen Parteien, mit Ausnahme der linken PRD (Volksdemokratische Partei), sollen aus dem fraglichen Geldtopf beglückt worden sein, schrieb die Jakarta Post am 6. Februar 2002. Da keine Fluchtgefahr bestand, wurde Akbar Tandjung nach einem Monat Untersuchungshaft Anfang April wieder auf freien Fuß gesetzt. Seither führt er wieder seine Amtsgeschäfte als Parlamentspräsident.

Die Gepflogenheit des Rücktritts hat noch keinen Eingang in die politische Kultur Indonesiens gefunden. Auch Zentralbankchef Syahril Sabirin, kürzlich in erster Instanz zu drei Jahren Haft wegen Korruption verurteilt, befindet sich auf freiem Fuß und sieht keinen Anlass, seinen Posten niederzulegen. Es ist noch ein weiter Weg, bis in Indonesien Recht und Gesetz Bedeutung haben werden. Ungleich länger ist jedoch der Weg, bis Täter aus den Reihen der politischen und wirtschaftlichen Elite des Landes ein Schuldbewusstsein entwickeln. Dennoch sind die Prozesse ein wichtiger Anfang, der zumindest eines zeigt: das Volk ist keineswegs darüber bestürzt, wenn die einst unantastbaren Mächtigen von ihrem Sockel gestürzt werden und wie gewöhnliche Kriminelle hinter Gittern landen. <>
 
 
 

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