Indonesien-Information Nr. 2 2002 (Osttimor)

 

Buchbesprechung:

Ruy Cinatti: Lieder für Timor

von Antje Mißbach

Die "Lieder für Timor" sind das bisher erste Werk des portugiesischen Dichters und Anthropologen Ruy Cinatti, das ins Deutsche übersetzt wurde. Das Buch besteht aus einem beinah fragmentarischen Prosateil, in dem die persönliche Annäherung des Autors an sein geliebtes Timor nachvollziehbar ist. Diese Auszüge stammen aus diversen anderen seiner Publikationen und handeln von den Lebensweisen und Traditionen der Menschen auf Timor. Außerdem geben sie Auskunft über die Entstehung der eigentlichen Liedersammlung, die den zweiten Teil des Buches bildet. Cinattis poetische Verse beschreiben die Beziehungen der Timoresen zu ihrem Lebensumfeld und zur Welt der mythologischen Wesen. Unterbrochen werden diese lyrische Beschreibungen nur von kurzen unheilvollen Sequenzen, die von Schmerz und vom Tod handeln. Ruy Cinatti lebte von 1915 bis 1986. Nach seinem Studium der Agrarwissenschaften in Lissabon ging er nach Oxford, um dort Ethnologie zu studieren. Zwischen 1946 und 1966 hielt er sich mehrmals, teilweise auch für längere Zeit in Ost-Timor auf. In den ersten Jahren war er der persönliche Sekretär des Gouverneurs, später arbeitete er als Agrarbeamter und als Forscher für das Salazar-Regime, an dessen Rechtmäßigkeit er noch bis zum Ende der 1950er glaubte. Erst nachdem der Kolonialkrieg ausgebrochen war, distanzierte er sich allmählich von der Junta. Cinattis Verbundenheit zu Timor rührt vor allem von der innigen Geborgenheit, die er dort fand und die ihm seine eigentliche Heimat vor-enthalten hatte. Der frühe Tod der Mutter erschütterte seine zarte Seele sehr, insbesondere weil seine Bezie-hung zum Vater äußerst proble-matisch war. Mit eigenen Worten beschreibt er den Grund für seine Hingezogenheit zu Timor wie folgt: "Die Insel liebte ich aus Stolz - weil ich das Bild vom jungen Mann verwirklichen konnte, der ich einst geträumt hatte zu werden..." (aus "Lieder für Timor", S. 19) Zugang zu der "timoresischen Familie" erhielt Cinatti durch die Blutsbrüderschaft mit zwei einheimischen Fürsten. Unübersehbar ist in diesem Zusammenhang auch sein homoerotischer Blick, mit dem er die Timoresen betrachtet. Als gläubigem Katholiken fiel es ihm jedoch schwer, sich diese Neigung einzugestehen, zumal die äußeren Umstände nichts anderes zuließen. Bis zu seinem Lebensende blieb Timor Cinattis große Leidenschaft. Die indonesische Invasion 1975 stürzte ihn in eine schwere psychische Krise. Sein sehnlichster Wunsch, Timor vor seinem Tod noch einmal zu besuchen, erfüllte sich wegen der politischen Umstände leider nicht. Cinattis "Lieder für Timor", die 1968 vollendet wurden, gewannen noch im selben Jahr beim Literaturwettbewerb der Behörde für Überseeprovinzen den "Camilo Pessanha-Preis". Bis zur Veröffentlichung vergingen letztlich aber etliche Jahre. Nach mehreren Anläufen erschienen sie 1996 posthum. Heute gehören die "Lieder für Timor" zu den bekanntesten Werken von Ruy Cinatti.

"Lieder für Timor" Aus dem Portugiesischen von Elfriede Engelmayer 195 Seiten, mit 40 Fotografien aus Ost-Timor von Ruy Cinatti Erschienen beim Verlag Walter Frey ISBN 3-925867-61-9 Preis: € 22,-

zu beziehen bei: Verlag Walter Frey, Edition Tranvia Düsseldorfer Straße 49 10707 Berlin Tel./Fax: 030 - 883 25 61 e-mail: Tranvia@aol.com

 
 

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