Indonesien-Information Nr. 2 2002 (Umwelt)

Der Countdown läuft

Zur Lage des Waldes in Indonesien

von Marianne Klute

Fern von den Augen der Weltöffentlichkeit haben die Krisengewinnler zugeschlagen und innerhalb von vier Jahren die einst großen und reichhaltigen Regenwälder Indonesiens auf ein Minimum reduziert. Schon seit dreißig Jahren nimmt das bewaldete Areal kontinuierlich ab, doch seit Beginn der Krise und des politischen Chaos´ ist die Entwaldungsrate dramatisch gestiegen. Bald wird Indonesien regenwaldfrei sein, da sind sich die Kenner einig. Uneinigkeit herrscht nur noch über den Zeitpunkt: wird der letzte Baum im Jahre 2020 fallen oder 2015? Oder noch eher, wenn der Weltbank zu glauben ist, die den Wäldern der Insel Sumatra nur noch 3 (in Worten: DREI) Jahre Zeit gibt?

Das einst dicht bewaldete Sumatra hat den größten Teil seiner Wälder, nämlich 67%, schon zwischen 1985 und 1997 verloren und startete ziemlich chancenlos in den Countdown. Seither hat die Entwaldungsrate bisher unbekannte Ausmaße angenommen und steigert sich jährlich. Mit heute 18% waldbedeckter Fläche steht die Provinz Jambi etwas besser da als die anderen Provinzen, vor allem als Süd-Sumatra, das den Spitzenplatz auf der Kahlschlagliste anführt. Bäume mit Durchmessern größer als 60 cm sind in den Restforsten Sumatras nirgends mehr zu finden. Kaum besser sieht es in den Nationalparks und Naturschutzgebieten aus, die für ihre Schönheit und ihren Artenreichtum bekannt waren. Mit den Wäldern verschwinden zuerst Lebensraum und Lebensgrundlage vieler Lebewesen, auch der Menschen, die im und vom Wald leben und nicht zuletzt die unter Schutz stehenden bedrohten Pflanzen und Tiere. Die Weltbank schätzt, dass der Wald in Sumatra zwischen 2005 und 2010 vollständig verschwunden sein wird. Kalimantan hat nur wenig mehr Zeit; dort wird es zwischen 2010 und 2015 keinen Wald mehr geben. Süd-Kalimantan stand 1997 mit 44% Verlust auf Rang zwei der oben genannten Liste - damals doppelt soviel wie der Durchschnitt in Indonesien. Nationalparks und Naturschutzgebiete in Süd-Kalimantan waren 1998 nur noch zu 37,5% mit Wald bedeckt. Bei einem angenommenen Verlust von 67.000 ha pro Jahr ist Süd-Kalimantan in genau zehn Jahren kahl, eher früher. Zentral- und West-Kalimantan könnten den Süden überholen, denn seit 1998 wird dort, auch wegen der günstigen Fluss- oder Seeverbindungen nach Sarawak in Malaysia, brutalster Raubbau betrieben. Die Wälder und Bäume anderer Inseln haben in den vergangenen vier Jahren ebenfalls unter der politisch und sozial miserablen Lage in Indonesien gelitten und sind zu Opfern von Privat- und Gruppeninteressen geworden. Darunter fallen nicht nur ökologisch einmalige Biotope wie in Sulawesi oder die lange als dicht und undurchdringlich beschriebenen Regenwälder Papuas, sondern auch die Rest- und Teakwälder Javas und Balis.

Seit 1998 hat sich die Entwaldungsrate von jährlich 1,8 Mio. ha auf 3,6 Mio. ha verdoppelt, schätzt Forest Watch Indonesia. /DtE No. 52, Februar 2002/ Auch das Umweltministerium spricht von steigenden Tendenzen und gibt die Entwaldungsrate für 2001 mit 2,4 Mio. ha an. Optimistischer zeigt sich das Forstministerium, das von jährlichen Verlusten an Waldfläche von 1,6 Mio. ha ausgeht. Die Weltbank errechnete, dass Indonesien im Jahr 2000 etwa 2 Mio. ha Wald verloren hat, die Umweltbehörde Bapedal spricht von 2,4 Mio. ha für das Jahr 2001, und die Umweltorganisation WALHI gibt, je nach Quelle, die Entwaldung für 2001 mit 2,4 Mio. bis 3 Mio. ha Fläche an. 30% der Flächen sowohl der noch verbliebenen 320 Konzessionsforste als auch der geschützten Wälder sind vollständig abgeholzt und nie wieder aufgeforstet worden. Bisher hat Indonesien laut WALHI schon über 70% der ursprünglichen Waldfläche verbraucht und verfügt nur noch über einen traurigen Rest von 40 Mio. ha tropischen Regenwaldes. Trotz der divergierenden Zahlen wird deutlich, dass die letzten - einstmals vor nicht so langer Zeit die "grüne Lunge der Welt" genannten - Regenwälder Indonesiens bald verschwunden sein werden.

IWF fördert Entwaldung

Die Warnungen sind nicht neu. Nur scheint die Weltöffentlichkeit angesichts der konfliktbeladenen Situation in Indonesien und der globalen Entwicklungen das Interesse an der Umweltproblematik der Region verloren zu haben. Dass die unter dem ehemaligen Präsidenten Suharto übliche gezielte Ausbeutung der Naturreichtümer zu Gunsten einer privilegierten Schicht sogleich nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik in anarchisches Verhalten der Räuber umschlagen konnte, ist auch der fehlenden Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit anzulasten. Nicht zuletzt sind die vorsichtig taktierenden Regierungen und die Politik von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) mit Schuld am unkontrollierten Schwund des Regenwaldes. Der World Wildlife Fund und WALHI stellen fest, dass die vom IWF Indonesien zur Eindämmung der Finanzkrise von 1997 auferlegten Reformen und die daraus resultierende Rezession zur Entwaldung beigetragen haben. Die Liberalisierungspolitik des IWF veranlasste zu Investitionen in Holz-, Papier- und Palmölindustrie, sie stimulierte den Export von Rohholz und die Umwandlung von Wald in Plantagen und landwirtschaftliche Flächen, ohne dass gleichzeitig wieder aufgeforstet wurde. Sofort nach Unterzeichnen des Letter of Intent zwischen dem Internationalen Währungsfonds und der indonesischen Regierung am 15. Januar 1998, in dem der IWF von Indonesien verlangte, Holz zu exportieren, - obwohl die Kapazitäten der Holz verarbeitenden Industrie nicht ausgelastet waren, - stieg der illegale Holzeinschlag, der auch vorher schon riesige Schäden verursacht hatte.

Die verschlungenen Wege des Holzschmuggels

Die Forderung des IWF hatte fatale Folgen für den tropischen Regenwald. Ohne Rückhalt durch die Justiz und die Forstbehörden war der Wald den Holzfällern hilflos ausgeliefert. Wie eine alles überschwemmende Welle tauchten die illegalen Fäller auf und brachten die unverarbeiteten Stämme direkt ins Ausland. Eine Ahnung vom Ausmaß der Exporte illegal geschlagener unverarbeiteter Holzstämme geben die Daten zu Holzexporten bzw. -importen von Indonesien nach Malaysia. Die Angaben widersprechen sich dramatisch. Indonesien gibt an, im Jahr 2000 7.860 m3 Holz nach Malaysia exportiert zu haben, während Malaysia im gleichen Zeitraum 578.390 m3 Holz aus Indonesien importiert hat, das 72-fache der offiziellen indonesischen Exportmenge! /Kompas, 5.8.2001/ Der Transport erfolgt auf zwei Wegen: über See und über Land. Allein aus dem Nationalpark Gunung Palung im Bezirk Ketapang, West-Kalimantan, kommen auf dem Seeweg über die Natuna-See monatlich 10.000 m3 Holz direkt nach Kuching, Malaysia. Nach Begleichung der Zollgebühren von 15 Ringgit pro m3 ist das Holz legalisiert. Fast zehn Mal so viel Holz stammt aus dem Nationalpark Betung Kerihun im Bezirk Kapuas Hulu, ebenfalls in der Provinz West-Kalimantan, in dem allein 3.000 illegale Holzfäller beschäftigt sind. Grob geschätzt sind seit Februar 2001 innerhalb eines Jahres 100.000 Bäume im Einzugsgebiet der Flüsse Sibau, Bungan und Mendalam gefällt worden, entsprechend 10 Mio. m3. Das in Betung Kerihun an der Grenze zu Malaysia gefällte Holz wird zum Teil über den Kapuas nach Pontianak geflößt und auf Schiffe verladen, zum Teil mit Lastwagen über die Grenze gebracht und dort durch den Importzoll legalisiert. Ein Kubikmeter Holz kostet in West-Kalimantan maximal 320.000 Rupiah, in Sarawak, Malaysia, das Zwanzigfache, nämlich 6,5 Mio. Rupiah. Jeden Tag entgehen Indonesien durch den illegalen Holzhandel nach Malaysia 5 Mrd. Rupiah. Malaysias Provinz Sarawak ist zur Zeit der größte Holzexporteur der Welt, 70 % des in Sarawak verarbeiteten Holzes stammt aus West-Kalimantan. /Kompas, 5.8.2001, Seite 26/

Der Holzschmuggel nutzt nicht nur die günstige Nähe Kalimantans zu den Fabriken in Malaysia, die den Möbelhunger Europas decken, sondern er nutzt auch die Abgelegenheit Papuas. Von Sorong aus transportieren fünfzehn Schiffe unter fremder Flagge regelmäßig illegal geschlagenes Holz ab, gedeckt von lokalen Politikern, von Polizei und Militär. Fünfzehn ausländische Unternehmen hocken auf den Raja-Empat-Inseln und den Waigeo-Inseln, ohne Genehmigung, ohne Büro, ohne Postanschrift. Sie ziehen von einem Hotel ins andere, und manchmal verschwinden sie in Richtung Manado auf Sulawesi. Sie arbeiten mit einer Kooperative zusammen, die den schönen Namen Kooperative des traditionellen Papuavolkes trägt, der aber außer den Ehefrauen einiger lokaler Politiker keine Papua angehören. Von Februar bis August 2001 entgingen so, nach Berechnungen von Lembaga Informasi Kepedulian Masyarakat Papua in Zusammenarbeit mit der Universität Cenderawasih und führenden Persönlichkeiten der Papua, dem indonesischen Staat bzw. der Provinzregierung von Papua Einnahmen in Höhe von 265 Mrd. Rupiah. /Kompas, 18.9.2001/

Ein anderer inoffizieller Weg der Schmuggler verläuft auf verschlungenen Pfaden von Indonesien über China zurück nach Jakarta. Illegal geschlagenes Holz wird in China zu Bauholz verarbeitet und in dieser Form nach Jakarta reimportiert. Chinesisches Bauholz aus indonesischen Baumstämmen ist in Jakarta viel billiger als legales indonesisches Bauholz. Es kostet pro m3 nur 200 US$, während indonesisches Bauholz 320 US$ kostet. Mit Holz aus Indonesien wird also die verarbeitende Industrie anderer Länder subventioniert. Die Produkte, z.B. aus Chinas Bauindustrie, verdrängen die einheimischen Produkte vom Markt, während gleichzeitig die indonesische Holz verarbeitende Industrie über zu hohe Kapazitäten klagt. Die Holznachfrage muss irgendwie befriedigt werden, genehmigtes Holz reicht längst nicht mehr aus. Man muss es sich illegal beschaffen, egal wo, auch in den geschützten Wäldern: So wird immer mehr Druck auf den Wald ausübt.

Illegaler Einschlag dominiert die Branche

Inzwischen werden jährlich schätzungsweise 1,8 Mio. ha illegal abgeholzt, drei Viertel der insgesamt entwaldeten Fläche. Damit ist der illegale Holzeinschlag der Hauptverantwortliche für den dramatischen Verlust an tropischem Regenwald und gleichzeitig ein Maßstab für die Wirkungslosigkeit des Rechtssystems bzw. ein Parameter für den nicht vorhandenen Rechtsstaat.

Etwa 70 % des geschlagenen Holzes wird illegal gefällt, zum größten Teil von den großen Holzunternehmen. Dabei sind die absoluten Mengen seit 1998 kontinuierlich gestiegen. Waren es laut WALHI 1998 noch 16,4 Mio. m3, so stieg die Menge 1999 auf 20,2 Mio. m3, und das Umweltministerium musste für 2001 Verluste an Holz in Höhe von 56 Mio. m3 verbuchen, was einem Verlust an Einnahmen in Höhe von 8,4 Mrd. US$ entspricht, wenn 1 m3 mit 150 US$ angesetzt wird. /Kompas, 2001; DtE No. 52, Februar 2002/ Ein Großteil des illegalen Holzes kommt inzwischen aus den Nationalparks und den Wäldern unter Naturschutz. In Jambi ist es die Hälfte.

In das Geschäft mit illegal gefälltem Holz sind viele Seiten verwickelt, Zivilpersonen, Regierungsbeamte und Sicherheitskräfte. Wirtschaftliche Not treibt die Bevölkerung dazu, Jobs als illegale Holzfäller anzunehmen. Die oben erwähnten 3.000 Holzfäller im Nationalpark Betung Kerihun verteilen sich auf 116 illegale Trupps, die zu einer Kooperative zusammengeschlossen sind, hinter der gewisse Politiker der Provinzregierung und Abgeordnete stehen. Das frisch geschlagene Holz wird von Zwischenhändlern aufgekauft. Sie fungieren als Bindeglied zwischen den vor Ort tätigen Trupps, den lokalen Bürgermeistern, den Behörden und den Aufkäufern. Die Bürgermeister und andere lokale Größen haben sich korrumpieren lassen; ihr Tarif beträgt zur Zeit 6 Mio. Rupiah pro Monat pro Bürgermeister. Der Transport des Holzes wird von der Polizei kontrolliert, gegen Bezahlung, versteht sich. Für eine Summe von 100 bis 200 Mio. Rupiah für Flöße größer als 1.000 m3 drückt die Polizei beide Augen zu. Ein Zeuge, der einen Transport auf dem Kapuas begleitete, sagte gegenüber der Tageszeitung Kompas, die Polizei hätte für diesen Transport sogar 300 Mio. Rupiah gefordert und bekommen /Kompas, 31. Juli 2001/. In Pontianak kaufen die Zwischenhändler das Holz für 100.000 bis 320.000 Rupiah pro m3, besorgen eine Genehmigung und verkaufen den Kubikmeter für 1,2 Mio. Rupiah weiter. Für 1.000 m3 illegales Holz müssen 10 Mio. Rupiah an die Forstbehörde der Provinz West-Kalimantan bezahlt werden, was die Behörde natürlich dementiert. Eine zweite Instanz der gleichen Behörde kann für die Erneuerung angeblich abgelaufener Genehmigungen 20 Mio. Rupiah verlangen. Die Bestechungsgelder begleicht im Allgemeinen der Käufer, ein Unternehmen, das über eine Genehmigung zur Holzverarbeitung (Hak Pengusahaan Hutan, HPH) verfügt, d.h. ein Holz verarbeitendes Unter-nehmen oder eine Zellstofffabrik. So wird das in Betung Kerihun illegal gefällte Holz schon innerhalb Indonesiens auf dem Papier legalisiert.

Der Direktor des Nationalparks Betung Kerihun, Soewartono, ist gegenüber der Allianz von Macht und Geld, von Hunger und Gier hilflos. Bis Ende 1999 hatte sein Nationalpark kaum unter Holzeinschlag zu leiden, noch reichten die Bäume in den nicht geschützten Wäldern West-Kalimantans. Anfang 2000 kamen dann die ersten Banden von illegalen Holzfällern. Seit März 2001 wird intensiv und extensiv gefällt. Innerhalb von drei Monaten waren mindestens 20.000 Bäume weg, inzwischen sind es 100.000. Manche Baumart ist gefährdet, nach einem Jahr schon ist der Wald nicht mehr zu retten. Im Kampf gegen die Vernichtung des Nationalparks gibt sich der Direktor geschlagen. Der Schutz des Waldes vor der unter der Schirmherrschaft unbekannter Abgeordneter operierenden Kooperative ist hoffnungslos, auch, weil die lokalen Größen sich haben korrumpieren lassen, sodass das traditionelle Adatsystem nicht mehr funktioniert. Die Maßnahmen der Umweltbehörde, die für Betung Kerihun nur 28 Ranger einsetzt, greifen nicht, weil die Ranger gegen die mit Messern und Schusswaffen ausgerüsteten Trupps nichts ausrichten können. "Ich schäme mich," sagte Soewartono gegenüber Journalisten einer Tageszeitung. /Kompas, 23.8.2001/

Kontrollen führen zu noch mehr Korruption

Indonesien weiß sehr wohl, dass den ökonomischen Verlusten und den ökologischen Schäden Einhalt geboten werden muss und hat ein, wenn auch halbherziges und nicht durchsetzungsfähiges Programm gegen illegalen Holzeinschlag (Logging) gestartet. Doch die Operationen gegen illegalen Einschlag sind nur Schau, denn seit langem ist illegaler Einschlag eine wichtige Einnahmequelle hoher Politiker und lokaler Beamter. Schlimmer noch, jeder festgenommene Holzfäller, jeder konfiszierte Kubikmeter Holz und jeder Beweis dient der Polizei dazu, weiteres Geld zu erpressen. Ebenso handeln die lokalen und regionalen Forstbehörden. Wenn einmal Strafgelder erhoben werden, weil illegal gefälltes Holz aufgegriffen wurde, so kommt die Bezahlung einer Freigabe gleich. Alles bisher konfiszierte illegale Holz kam nach kurzer Unterbrechung wieder in den Handel. Nie erfolgte nach einer Beschlagnahmung eine Verhaftung, eine Untersuchung oder gar ein Prozess. Die Behörden, die mit den Operationen gegen den illegalen Holzeinschlag betraut sind, wagen es nicht, sich gegen die politisch Mächtigen zu stellen, die im Hintergrund als die wahren Akteure wirken, während für Außenstehende nur die Holzfäller sichtbar sind, arme Leute, die oft der lokalen Bevölkerung entstammen. Die Tatsache, dass die Marine im Dezember 2001 zum ersten Mal drei Schiffe voll beladen mit Tropenholz, auch aus dem Nationalpark Tanjung Puting in Zentral-Kalimantan, im Hafen von Jakarta festhalten konnte, verbuchten Umwelt- und Forstministerium als großen Erfolg ihrer Operation gegen den illegalen Einschlag. Die wahren Akteure sind fantasievoll, wenn es darum geht, den polizeilichen Maßnahmen gegen illegalen Einschlag zu entgehen. Jede Lücke im Paragrafenwirrwarr wird ausgenutzt, jede Schwachstelle gefunden. Ein Beispiel: die Politik hat sich davon abgewendet, Einschlaggenehmigungen an große Unternehmen und für große Flächen zu erteilen, sie bevorzugt Kleinunternehmen und Lizenzen für Flächen kleiner als 100 ha. Clevere Köpfe gründen nun Kleinunternehmen ohne Eigenkapital, die nur auf dem Papier existieren, und setzen gegen Entgelt einfache Bauern als Strohmänner ein. Diese Kleinunternehmen bekommen eine Genehmigung zum Holzfällen in Konzessionsgebieten, oft für solche, für die Großunternehmen schon eine haben. Dass dies einer Doppelbelegung gleichkommt, spielt keine Rolle, denn Sinn und Zweck des neuen Unternehmens ist nur die Sicherung der Lizenz. Sie wird zum Startschuss für eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den Holzhändlern und den illegalen Fällern. Mit ihr gelingt die Beschaffung entsprechender Dokumente, mit denen illegales Holz umgetauft werden kann. Ein anderes Beispiel: ein Holz verarbeitendes Unternehmen im Nationalpark Gunung Palung gehört dem lokalen Polizeipräsidenten. Kommentar von Rousdy Said von der juristischen Fakultät der Universität Tanjungpura: "Unter solchen Bedingungen kann der illegale Einschlag nie gestoppt werden." Nichts davon, dass die Beamten ihrer Aufgabe, den Wald zu schützen und illegalen Einschlag einzudämmen, nicht nachkommen, vielmehr bereichern sie sich an der Zerstörung und treiben die Bevölkerung dazu an weiterzuschlagen.

Unklare Zuständigkeiten aufgrund der regionalenAutonomie

Die neue Regionalautonomie erleichtert den Kampf gegen den illegalen Holzeinschlag keineswegs; vielmehr führen sich widersprechende Forst- und Umweltgesetze vielerorts zu Gerangel um die Ressourcen. Die Frage, ob der Bezirk, die Provinz oder das nationale Ministerium die Genehmigungen erteilen darf, kann oft nur im Streit entschieden werden. Der Gouverneur von Süd-Kalimantan, Sjachriel Darham, fühlte sich befugt, der koreanischen Firma Kodeco Timber die Genehmigung zum Holzeinschlag im Meratusgebirge zu erteilen. Im Provinzparlament paukte er einen Beschluss durch, der einer Genehmigung gleichkommt. Das Meratusgebirge ist ein Schutzgebiet mit dem letzten Wald, den Süd-Kalimantan noch besitzt. Der Widerstand gegen die Parlamentsentscheidung war daher groß, wobei sich die Naturschützer wegen der Einzigartigkeit der Meratuswälder auf die Regionalverordnung Nr. 3/1993 stützen können. Wieso sollte es PT Kodeco Timber und auch PT Karimer Inti Mulia erlaubt sein, den geschützten Wald abzuholzen?

Die Kodecogruppe kam schon 1968 nach Süd-Kalimantan. Mit zwei Tochterfirmen, PT Hutan Kintap und PT Emil Timber, hatte sie 25 Jahre Zeit, Hunderttausende Hektar im Bezirk Kotabaru zu nutzen. Danach, so rechnete man richtig, sei von dem Wald in Kotabaru nichts mehr übrig. 1993 war es so weit. Da kein Wald mehr vorhanden war, war es schwierig, eine Verlängerung der Kahlschlaggenehmigung zu bekommen, aber auch das gelang. Etwa zur gleichen Zeit, 1996, entschied die Suharto-Regierung, dreizehn neue Industriegebiete zu kreieren, eines davon sollte Batulicin im Bezirk Kotabaru sein. Eine der Bedingungen für ein Industriegebiet, die Nähe von Wald als Wasserreservoir und zur Regulierung des Wasserhaushalts, konnte Kotabaru schon längst nicht mehr erfüllen, außerdem war das Gebiet in der Hand von PT Kodeco Timber. Die Lösung: das ehemalige Waldgebiet wurde kurzerhand zum Wasserschutzgebiet erklärt, und eiligst begann man mit der Wiederaufforstung. Kodeco Timber bekam als Ersatz Wald im Meratusgebirge. Diese Entscheidung zog sofort Proteste nach sich. Dutzende von Malen demon-strierte die Bevölkerung gegen die Umwandlung des geschützten Waldes in einem Holzfällerlager. Doch ohne Resonanz, die Proteste stießen wie gegen eine Betonmauer. Gehört wurden sie nur von NGOs. 33 NGOs schlossen sich daraufhin zu einer Allianz für Meratus zusammen. Ihr Einsatz wurde mit den bekannten Methoden der neuen Ordnung belohnt: der Koordinator der Allianz wurde wegen Anstiftung zu einer Demonstration polizeilich vorgeladen. Inzwischen ist der Ersatzwald vollständig abgeholzt, doch die Genehmigung läuft erst 2010 ab. PT Kodeco Timber und PT Karimer Inti Mulia fordern daher neuen Wald. Die beiden Bupatis (Distriktregenten) von Kotabaru und von Hulu Sungai Utara zögern, einer Genehmigung zuzustimmen. Das ist ihr gutes Recht, wenn nicht die Bestimmung des Forstministeriums (2000) entscheidend ist, dass der Gouverneur über Genehmigungen entscheidet, wenn ein Unternehmen in mehr als einem Bezirk tätig ist. Der Gouverneur ist auch nach dem Gesetz zur Regionalautonomie (22/1999) berechtigt, Genehmigungen zu erteilen, wenn man sich nicht auf Abschnitt 7 berufen kann, der die Naturressourcen in der Entscheidungsgewalt der Zentralregierung belässt. Noch mehr Zündstoff liefert das Gesetz zur Nutzung der Forste (41/1999). Diesem Gesetz zufolge darf die Provinzregierung entscheiden, ob im Wald traditionelle Landrechte gelten, doch nicht, wie der Wald genutzt werden darf. Keiner weiß, wie die Zusammenarbeit zwischen National- und Provinz- bzw. Bezirksregierung funktionieren soll. Die Unstimmigkeiten führen dazu, dass meist nur kurzfristig und profitorientiert gehandelt wird. Im Fall Kodeco sprach Jakarta ein Machtwort und untersagte dem Gouverneur, weiteren Wald im Meratusgebirge an das Holzschlagunternehmen zu verteilen. (PT Kodeco Timber hat sich übrigens flexibel gezeigt und schon vorher versucht, die NGOs und die Bevölkerung vertraglich einzubinden.) Jakarta ist nur am Geld interessiert

Doch sonst fährt Jakarta den alten Schlendrian, ohne dass ein Umdenken erfolgt wäre. Der Wald wird nur in seiner Funktion als Holzlieferant und als Devisenquelle gesehen, seine wichtigen ökologischen und sozialen Funktionen werden weiterhin vernachlässigt. Alle Nase lang wechselten in den letzten vier Jahren die Minister, ohne dass damit ein Wechsel der Forstpolitik von einem ökonomischen Ansatz hin zu einem sozialen und umweltverträglichen erfolgt wäre. Der neue Forstminister Prakosa, Nachfolger von Marzuki Usman, erklärte gleich zu Beginn seiner Amtperiode im September 2001, er beabsichtige keine radikalen Änderungen. Sein Hauptinteresse gilt der Frage, wie die Gelder eingenommen werden könnten, die der Regierung durch den illegalen Einschlag und durch den Holzschmuggel entgehen. An sozialen Problemen, die auch Teil der Waldproblematik sind, scheint er nicht sonderlich interessiert zu sein. Er beabsichtigt, die Holzindustrie und den Handel mit Hilfe großer Aufforstungskampagnen wieder aufzubauen und verlor kein Wort über die Überkapazitäten der Holz verarbeitenden Industrie und über die verschuldeten Papier- und Zellstoffunternehmen, die seit Jahren vom illegalen Einschlag abhängig sind. Das Forstministerium gibt zur Zeit sogar dem Druck internationaler Bergbauunternehmen nach und plant, wieder Tagebergbau in geschützten Wäldern zu erlauben, wofür einige Regulierungen des neuen Forstgesetzes von 1999 aufgehoben werden müssen.

Mal wird versucht, den Schmuggel durch Exportverbote einzudämmen, dann werden die Verbote wieder aufgehoben oder von den Provinzen und Bezirken unterlaufen. So hob Prakosa das kurz vorher ausgesprochene Verbot seines Vorgängers, Raminrohholz zu exportieren, für November und Dezember 2001 wieder auf, fast gleichzeitig verhängte er selbst ein Exportverbot für Rohholz, das ein halbes Jahr gelten sollte. Bezirksbeamte aus Kapuas in Kalimantan erklärten sogleich offen, sie würden sich nicht an die Anweisungen von Jakarta halten, sondern nur an ihre lokalen Verordnungen zum Schutz der Rechte der einheimischen Holzindustrie. So wie Provinzgrößen ihr eigenes Süppchen kochen, so mauschelt auch die nationale Forstpolitik herum, schmiegt sich pro forma an Auflagen und internationale Regeln und verdreht ihre Bedeutung ins Gegenteil. Wenn im nächsten Jahr die Unternehmen mit Konzessionen zum Holzeinschlag ein Zertifikat für nachhaltiges Waldmanagement der International Tropical Timber Organization (ITTO) benötigen, so werden sie es bekommen. Über 375 Konzessionen, so kündigte Prakosa im Dezember an, wird gänzlich neu entschieden. Die Konzessionsinhaber brauchen sich nicht den strengeren Auflagen des Forest Stewardship Council (FSC) zu unterwerfen, umgehen so den Stress mit dem Ökolabel und den Ärger mit dem Export von Tropenholz. Sowieso, so urteilen NGOs, kann keines der Großunternehmen die Prinzipien des Ökolabels erfüllen, die auch formale Mechanismen zur Anerkennung traditioneller Landrechte und zur Lösung sozialer Konflikte beinhalten. (Ein Gutachten von WALHI über diese Problematik steht noch aus und wird Mitte 2002 erscheinen.)

Ein Moratorium als letzte Chance?

Sowohl offizielle Stellen als auch NGOs führen das Schlagwort vom Paradigmenwechsel im Forstmanagement im Munde. Nötig sei ein Schwenk von einer Politik zum Schutz und zum Nutzen der Wirtschaft zu einer Politik der nachhaltigen Waldnutzung, die auch die Lebensgrundlage der indigenen Völker schützt. Doch selbst das Entwicklungshilfegeberkonsortium für Indonesien, die Consultative Group on Indonesia (CGI), stellte bei seinem 11. Treffen im November 2001 in Jakarta fest, dass keinerlei Fortschritte im Forstmanagement zu verzeichnen sind. Besonders die fehlende Koordination zwischen den Ministerien wurde beklagt. Die CGI verlangte ausdrücklich Aktionen gegen illegalen Einschlag - eine bemerkenswerte Einsicht, denn Investitionen mit Krediten aus den Geberländern und die Auflagen des IWF sind mitverantwortlich für den rasanten Verfall des indonesischen Waldes. In den 90er Jahren erlebte Indonesien eine Erhöhung der Papierproduktion und eine Ausweitung der Holz verarbeitenden Industrie. Ohne Rücksicht auf die Folgen für Natur und Menschen und ohne Berücksichtigung der realen wirtschaftlichen und politischen Strukturen, wurde die Erhöhung der indonesischen Papierproduktion durch die Exportkreditversicherungen (Export Credit Agencies, ECA) der Industrieländer, darunter auch Deutschland, gefördert. Drei der größten Papierfabriken Indonesiens sind mit Kreditbürgschaften der deutschen Hermes AG finanzierte Projekte: die inzwischen dem Bankrott nahe Indah Kiat, Riau Andalan und Tanjung Enim Lestari, alle auf Sumatra. Der Export von technischen Anlagen fördert die eigene Wirtschaft auf Kosten des indonesischen Waldes.

Die CGI will angeblich die Freigabe von Geldern von dem Zustand der Wälder abhängig machen. Doch fehlender politischer Wille auf allen Seiten lässt die schönen Reden und die gelegentlichen Operationen wirkungslos im Sande verrinnen. Abgeholzt wird wie gehabt, stellten die indonesischen NGOs in ihrem Statement zu dem genannten CGI-Treffen fest. Sie fordern daher, zusammen mit der Umweltgruppe Down to Earth in London, ein sofortiges Verbot für jeden kommerziellen Holzeinschlag. Longgena Ginting, Leiterin der Abteilung für Kampagnen und Lobbying von WALHI, glaubt, dass ein Waldmoratorium die einzige Chance sei, den wenigen noch verbliebenen Wald zu retten. Sie hält ein sofortiges Verbot aller Abholzungen, nicht nur der illegalen, für die einzige Möglichkeit, dass sich der indonesische Wald vielleicht noch einmal erholen könnte. Ein Moratorium eröffnet Möglichkeiten: das Holzgeschäft kann kontrolliert werden, nur Holz mit Ökolabel kann verkauft werden, der Ursprung des Holzes kann zurückverfolgt werden (logging audit).

Ein Waldmoratorium würde aber auch den Verlust von (bis zu) sechs Millionen Arbeitsplätzen in Wald- und Holzindustrie bedeuten, die beim Aufforsten oder im Waldschutz Unterschlupf finden könnten. Etliche weitere Millionen Menschen, die indirekt mit Holz und Holzhandel beschäftigt sind, würden auf der Straße (oder in der Steppe) stehen. Arbeitslosigkeit ist neben dem Verlust an Einnahmen durch Lizenzgebühren, Steuern und Zölle das Haupthindernis, das die Regierung davon abhält, ein vollständiges Einschlagsverbot auszusprechen. Indonesien hat zwar begriffen, dass der Wald mehr ist als nur Holzlieferant, dass er ein Sozial- und Ökosystem ist, verantwortlich für die Regulierung des Wasserhaushaltes und vor Erosionen schützt. Die Aufgabe der NGOs ist es, dafür zu kämpfen, dass dieses Wissen in die Tat umgesetzt wird und nicht nur großartige Reden geschwungen werden. <>

 
 

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