Indonesien-Information Nr. 2 2002 (Kultur)

Buchbesprechung:

Ein Freibrief für dreckige Geschäfte

Thomas Prinz: Abschied von Jakarta

von Marianne Klute

Kann ein Krimi köstlich sein? Zumindest die Vorbemerkung zu diesem Buch ist es. Da schreibt der Autor: "Personen und Handlungen sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit Lebenden oder Verstorbenen wäre rein zufällig und nicht beabsichtigt." Doch ob Zufall oder Absicht - das größte Vergnügen bei der Lektüre dieses Diplomaten- und Städtekrimis bereiten die angeblich erfundenen Personen, die der Jakarta-gestählte Leser trotz künstlicher Verfremdung mühelos wiedererkennt. Da ist der deutsche Botschafter, der sich, als listiger Hesse verkleidet, durch die wortgetreue Wiedergabe seiner Ansprachen und durch sein Engagement für die in langen Jahrhunderten zementierte deutsch-indonesische Freundschaft verrät. Da sind der leuchtturmlange Militärattache aus Friesland und der Herausgeber der ehemals verbotenen Wochenzeitschrift "Pantulan" (Der Spiegel), mutiert zum balinesischen Lebenskünstler, aber durch seinen Eifer multinationalen Korruptionsnetzen nachzuspüren identifizierbar. Dazu noch ein paar andere Personen aus dem Umfeld der Deutschen Botschaft in Jakarta, gewürzt mit umgetauften Militärs, mit ein paar preman (Mafioso) und einer Prise Slumkindern - schon hat der Autor, ehemaliger Botschaftsangehöriger mit Kontakten zur indonesischen Elite, sein Figurenkabinett zusammen. Erfinden musste er niemanden, nur der einen oder anderen Person eine neue Nase geben.

Ort des Geschehens ist das Biotop Deutsche Botschaft inmitten der Realität des Stau erprobten, Smog verseuchten Molochs Jakarta von 1999, als our German boy versuchte, die Regierungsgeschäfte zu führen. Die Örtlichkeiten wollte der Autor bewusst nicht dem Zufall überlassen, und so kann der Leser, vielleicht noch mit Hilfe eines Stadtplans, den Bewegungen der Protagonistin von der für verzweifelte Ost-Timoresen uneinnehmbaren Hochsicherheitszone ihres Arbeitsplatzes mit Blick auf die Glaspaläste zu ihrem Haus mit Swimmingpool oder in ausgedehnte Slumsiedlungen folgen, die jedes Jahr zwei Monate unter Wasser stehen oder im Matsch versinken, so kann der Kenner sich mit der Stoppuhr in der Hand an der Beschreibung der Lokalitäten ergötzen. Da der Krimi auch dem Unkundigen Jakarta heimelig macht, wurde er in das Genre der so genannten, seit einigen Jahren beliebten Städtekrimis aufgenommen. Ganz nebenbei erhält der Leser eine Einführung in die Zeitgeschichte Indonesiens, besser als die meisten Zeitungsberichte über Indonesien, denn die Redaktionen sind "in den seltensten Fällen an ausführlichen Hintergrundberichten interessiert. Das war der Grund dafür, warum man in Deutschland seit Jahren nur dann etwas über Indonesien erfuhr, wenn der Regenwald brannte oder es irgendwo auf Ambon oder einer anderen fernen Insel ein Blutbad gegeben hatte. Ansonsten war das Land auf Osttimor mit seinen 600.000 Einwohnern reduziert. Und wenn tatsächlich einmal etwas Positives in einer deutschen Zeitung stand, dann wurden zumeist romantische Vorurteile vom Inselparadies am Äquator bedient." (Seite 32) Genau das ist auch der Grund dafür, dass der Krimi sich für eine Watch Indonesia!-Buchbesprechung profiliert.

Vor dem Hintergrund der Authentizität von leibhaftigen Personen, des Ortes der Handlung und der politischen Rahmenbedingungen wird der Mordfall, den es aufzuklären gilt, fast zur Nebensächlichkeit verdammt. Die Geschichte ist schnell erzählt. Kranitz, Chef eines deutschen Unternehmens, einer Mischung aus MBB und Siemens, ist mitten im trubeligen Jakarta vom Penthouse eines Wolkenkratzers zu Tode gestürzt. Charlotte Valentin, Taekwondo erprobte Pressereferentin der deutschen Botschaft, und ihr Journalistenfreund Alexander Timoreit untersuchen den "unerfreulichen" (so der Botschafter) Tod von Kranitz auf eigene Faust. Sie finden heraus, dass Kranitz Bestechungsgelder auf sein eigenes Konto umgeleitet hat, die eigentlich für den indonesischen Präsidenten bestimmt waren, und dadurch einem Netz von Geldwäschern auf höchster Ebene in die Quere kam. Auf der Suche nach den Belegen für den Transfer der Korruptionsgelder jagen die beiden quer durch den üblen Gestank Jakartas, geraten unter gefährliche Bösewichter, die Charlotte mit einem "Ap-chagi"-Schlag überwältigt, werden mit dem Tode bedroht, bis sie schließlich mit Hilfe eines an Krätze leidenden Slumkindes entkommen und, zwar leicht lädiert aber erfolgreich, ihren Abschied von Jakarta nehmen können. Die Protagonistin ist die einzige Kunstfigur des Werkes, versehen mit einem unrealistischen Gefühls- und Liebesleben. Sie selbst und ihre Jagd nach den Beweisen wirken wie aufgesetzt auf die kenntnisreiche Darstellung der Verhältnisse. Das sind die Schwächen des Krimis, kleine Schwächen gegenüber dem Rundumschlag auf die komplexen Probleme Indonesiens. Dem Autor gelingt fast ein Einführungskurs in eine fremde Welt. Er entführt den Leser in einen Staat im Zerfall, in dem das Militär mit blutiger Hand agiert, in dem Polizei und Justiz ineffizient und korrupt sind und die Presse, die über dreißig Jahre durch Zensur mundtot gemacht wurde, jetzt zwar frei, aber unglaubwürdig ist. In ein Land mit großem Einkommensgefälle, wo die meisten fortwährend gegen Hunger und Armut kämpfen, während eine Hand voll Leute den Staat als Selbstbedienungsladen betrachtet, während die Wirtschaft in Trümmern liegt. Ein Land, das mit Krediten, für die die Steuerzahler gerade stehen müssen, seine Urwaldriesen zu Spanplatten zersägt. Ein Land der Gerüchte, in dem niemand so tun kann, "als ob wir hier in einem Rechtsstaat leben" (Seite 199). Und wenn Deutsche und Indonesier sich in diesem Chaos begegnen, stoßen Welten aufeinander.

Der Krimi spielt 1999 kurz vor der Wahl. Ein Jahr vorher musste Suharto nach 32 Jahren Herrschaft abdanken. Der Demokratisierungsbewegung ist es nicht gelungen, grundlegende Reformen durchzusetzen. Immer noch hat die "bigotte und korrupte Menteng-Clique" (Seite 192), sich jetzt demokratisch oder moslemisch gebärdend, die Macht. Immer noch gibt das Militär den Ausschlag. Der neue Präsident (dessen Namen der Autor lieber nicht nennt, wer weiß, ob sonst jemand ihn erkennen würde), muss um seine Wiederwahl fürchten, besonders, wenn seine Verwicklung in den handfesten Korruptionsskandal bekannt wird. Seine Verbindung zur deutschen Wirtschaft, "zu Lasten des indonesischen Staates" (Seite 171), weckt Erinnerungen an die Zeit, als Männerfreundschaften als moderne deutsche Außenpolitik und der Verkauf der schrottreifen NVA-Schiffe als Zeichen der ‚Solidarität des deutschen Volkes mit Indonesien'" galten. (Seite 74) Doch nichts hat sich geändert; wie immer wird die Nähe zum Präsidenten als Freibrief für dreckige Geschäfte genutzt. "Jeder erwartet, dass Politiker korrupt sind" (Seite 57), und "als Manager kann man nicht ständig durch die moralische Brille schauen." (Seite 34)

Indonesien bietet Stoff für noch viele weitere Krimis, für die keinerlei Fantasie notwendig ist. Im Gegenteil, kein Krimi kann so spannend sein wie die Wirklichkeit. Korrespondenten wie Alexander Timoreit (und Beobachter von Watch Indonesia!) werden noch lange Zeit Arbeit haben, denn "Indonesien ist als letztes großes Kolonialreich des 20. Jahrhunderts in einem Auflösungsprozess … Das Land zerfällt und bis daraus etwas Neues entsteht, werden über Jahre hinaus Guerillakriege, Bürgerkriege und Anarchie herrschen." (Seite 152) <>

Thomas Prinz: Abschied von Jakarta, Köln: Dittrich 2001 Preis: € 18,- zzgl. Porto zu beziehen bei: zu beziehen bei Watch Indonesia! (Link zur Bestellliste), Planufer 92 d, 10967 Berlin Fax: 030/698 17 938 e-mail: watchindonesia@snafu.de

 
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