Indonesien-Information Juni 1992 (Umwelt)

 

Tropische Regenwälder am Vorabend der UNCED


Regenwaldzerstörung, der größte Artentod seit 65 Millionen Jahren

Mit dem Regenwald wird die größte Ressource dieses Planeten vernichtet, jedes Jahr 11 Millionen ha, doch jedes Jahr auch, so schätzt der Ökologe Edward Wilson, sterben 100.000 Arten einen endgültigen Tod. Gibt es in Deutschland insgesamt nur 65 Baumarten, so wachsen in Borneo 650 auf einem einzigen Hektar. Ursache des Artensterbens ist unsere Gier nach Rohstoffen - Holz, Bodenschätze und landwirtschaftliche Exportprodukte. Die verarmte Landbevölkerung der "Dritten Welt" vollendet das Zerstörungswerk. Das Artensterben ist längst nicht mehr nur ein Thema für basisbewegte Umweltgruppen, sondern auch auf der Tagesordnung internationaler Großkonzerne. Mit dem Fortschritt in der Biotechnologie ist der Regenwald wichtiger geworden. 30 Milliarden Mark beträgt bereits jetzt der Jahresumsatz mit Arzneimitteln aus der Apotheke Regenwald - Tendenz steigend.

Der Regenwald - ein Selbstbedienungsladen?

Bisher ist der Genpool der "Dritten Welt" in den Industrieländern des Nordens versilbert worden. Der Süden ging dabei leer aus. Der Pharmakonzern Merck hat nun als erster einen Vertrag mit einem Regenwaldland, Costa Rica, über die Nutzung der genetischen Ressourcen abgeschlossen. Merck zahlte an das costaricanische Institut für biologische Vielfalt 1 Million US-$ für die ausschließliche Nutzung und sagte eine Beteiligung an den Gewinnen zu, falls ein Medikament entdeckt und vermarktet wird. Streit um die Genressourcen steht auch in Rio auf der Tagesordnung, wo auf dem UNCED-Gipfel über die Konvention zur Erhaltung der biologischen Artenvielfalt verhandelt wird. Der Norden erwartet von den Ländern der "Dritten Welt" den Schutz der genetischen Artenvielfalt aus Gründen des Naturschutzes, aber vor allem zur Erhaltung eines für die Industrieländer wichtigen wirtschaftlichen Potentials. Die Position des Südens ist eindeutig: "Die biologischen Ressourcen der Entwicklungsländer sind kein gemeinsames Erbe der Menschheit, sie sind ein integraler Bestandteil der natürlichen Ressourcen von Ländern über die sie volle Souveränität genießen", so die Malaysierin Chee Yoke Ling. Die Entwicklungsländer verlangen finanzielle Kompensationen für den Schutz der Artenvielfalt und eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung. Ohne die, so der Peruaner Daniel Querol, Biochemiker und Regierungsberater für Peru, Mexiko und Nicaragua, kann ein Schutz der Biodiversität nicht erreicht werden. Indien und Brasilien gehen weiter. Sie verlangen, daß Verhandlungen zur biologischen Vielfalt auch die Biotechnologie miteinschließen, und erwarten vor allem einen Technologietransfer. Indonesien geht mit den sehr bedrohlichen Ergebnissen einer wissenschaftlichen Untersuchung der UNESCO in die Verhandlung. Demnach erwartet der insulare Archipel nicht nur riesige Überschwemmungen durch den Meeresspiegelanstieg, der bedingt wird durch die globale Erwärmung, sondern auch eine Verlagerung des Optimums der Biomasseproduktion von den inneren Tropen hin zu den Randtropen, was langfristig einen Verlust an Artenvielfalt in einem Land der inneren Tropen wie Indonesien bewirkt.

Schutz der biologischen Vielfalt durch zukünftige biotechnologische Nutzung?

Deutsche Umweltgruppen wie Robin Wood bezweifeln das, denn nach einer Bestandsaufnahme von verwertbaren Genen liegt das Interesse der Konzerne an einer ex-situ Erhaltung des genetischen Potentials in Genbanken. Auch gentechnologische Methoden in der Pflanzenzüchtung führen eher zum Verlust genetischer Artenvielfalt und zum Anbau von monoformen Pflanzen mit identischem Erbgut. Langfristig ist ein Schutz der biologischen Vielfalt vor Ort im Regenwald nicht zwingend ableitbar. Die UNCED-Projektstelle vom Deutschen Naturschutzring und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kommt daher zu dem Schluß, daß im Konventionsentwurf jede Aussage zu einem positiven Zusammenhang zwischen moderner Biotechnologie und biologischer Vielfalt gestrichen werden sollte.

Wem gehört der Regenwald?

Die Nutzung der genetischen Ressourcen wird im UNCED-Prozeß nur auf internationaler Ebene und auf Ebene der Nationalstaaten diskutiert. Die rechte lokaler Gemeinschaften sind im Konventionsentwurf nicht vorgesehen. Die indische Ökologin Vandana Shiva führt dazu an, daß die Biodiversität in Form von Nutzpflanzenarten und -sorten in "Dritte-Welt"-Ländern vor allem durch Bauern und Regenwaldvölker erhalten wird, weil ihre Überlebensstrategie auf Nutzungsdiversität beruht. Dieses intellektuelle Wissen sollte einen Rechtsstatus bekommen. Ein Beispiel wie biologische Diversität in-situ (an Ort und Stelle, d. Säzzer) erhalten wird, zeigen die Waldgärten der Dayaks in Borneo, Indonesien, wo vier genutzte Baumarten kombiniert angepflanzt werden, wobei die Struktur des Regenwaldes mit seinem Stockwerksbau nachgeahmt wird und auch zahllosen Wildarten, die nicht genutzt werden, das Überleben gesichert wird. Regenwald ist per se kein rechtsfreier Raum. Traditionelle Nutzungs- und Besitzrechte existieren fast überall. Doch in Indonesien wie in den meisten Regenwaldländern ist der Wald Staatsland und die Landrechte der Ureinwohner werden ignoriert.

Ohne Regenwald kein Lebensraum

Ungefähr 300 Millionen Menschen dient der Wald als Lebensgrundlage. Für diese Stammesvölker bedeutet die Zerstörung der Regenwälder die Vernichtung ihrer kulturellen oder gar physischen Existenz. Im Februar dieses Jahres haben sich die Stammesvölker der tropischen Regenwälder der Erde erstmalig zu einer Allianz zusammengefunden um ihre Rechte gemeinsam zu formulieren. Völker aus Amazonien, Afrika und Asien verabschiedeten am Ende einer viertägigen Konferenz in Penang, Malaysia, eine Charta der Ureinwohner der tropischen Wälder, die Forderungen, Ziele und Prinzipien für einen neuen Ansatz in der Entwicklungs- und Umweltpolitik für die tropischen Regenwälder umfaßt. Zentraler Bestandteil ist die Forderung nach einer Entwicklung, die fundamentale Rechte der Regenwaldvölker respektiert.

Konvention zum Schutz der Wälder im Vorfeld gestorben

Die Länder des Nordens dachten an einen Schutz der tropischen Regenwälder. Die Entwicklungsländer verlangten jedoch eine Einbeziehung aller Wälder, also auch der temperierten Wälder und borealen Nadelwälder, und wollten sich die Souveränität über ihre eigenen Waldressourcen nicht einschränken lassen. Denn erst hatten die Industrieländer ihre eigenen Wälder zerstört. Mit welchem Recht klagen sie nun die Entwicklungsländer an für die Zerstörung der tropischen Regenwälder? Vor allem die Lobby US-amerikanischer und kanadischer Holzunternehmen ließ alsbald auch den Ruf des Nordens nach Schutz der Wälder verstummen. Die beiden größten Exportländer von Tropenholz, Malaysia und Indonesien, verwahrten sich von vornherein gegen jegliche Einschränkung des Holzeinschlages in Primärwäldern. Auch wenn es im Rahmen der UNCED zu keiner umfassenden Wälderkonvention kommt, sollten wichtige Forderungen zum Schutz der Primärwälder zumindest Eingang in die Charta der Erde und die Agenda 21 (Aktionsprogramm der Staaten) finden, wobei wiederum nicht nur ökologische, sondern auch soziale Aspekte Berücksichtigung finden sollten.

Hat Klaus Töpfer sich in der Adresse geirrt?

Der deutsche Umweltminister traf im Februar diesen Jahres seinen indonesischen Amtskollegen Emil Salim in Indonesien. Beide diskutierten einvernehmlich über eine mögliche Kooperation auf dem Gebiet der CO2-Reduktion. Mit deutschen Kompensationsgeldern könnten Aufforstungsprogramme in Indonesien zur Absorption von CO2 durchgeführt werden. Dies sei schließlich wesentlich billiger als die Reduktion von CO2 mit technischen Mitteln in der Bundesrepublik. Umweltgruppen aus Nord wie Süd haben dies stark kritisiert, da die Ursache damit nicht behoben wird. Denn nur mit einer starken Reduzierung des CO2-Ausstoßes in den Industrieländern sowie mit weitreichenden Zugeständnissen des Nordens wie Kompensationen, Technologietransfer, Entschuldung und einer fairen Weltwirtschaftsordnung sind Fortschritte in der globalen Umweltpolitik erreichbar. In Rio besteht jedoch die Gefahr, daß lediglich ein weiterer ergebnisloser Mammutkongreß, das größte Umweltspektakel in der Geschichte der Menschheit, erneut nutzlose Absichtserklärungen hervorbringt.
 
 
 
 

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