Indonesien-Information Nr. 1 1995 (Landkonflikte)

Kedung Ombo:

Sie haben gegeben und sie haben weggenommen

Das Drama um Kedung Ombo will kein Ende nehmen. Das Urteil des Obersten Gerichtshofes (Mahkamah Agung), das der Bevölkerung von Kedung Ombo vor einigen Monaten zum Sieg verhalf (s. Indonesien-Information, Nov. 94), schien als ein kleines Wunder. Doch dann hat - wie nicht anders erwartet - der Oberste Gerichtshof am 8.10.1994 sein eigenes Urteil annulliert, bis zur Entscheidung über eine nochmalige Prüfung des Sachverhaltes, wie es hieß /Forum Keadilan, 10.11.94/.

Der Gouverneur Mittel-Javas, Soewardi, hatte eine nochmalige Prüfung beantragt, mit der Begründung, die Abfindung, die der Oberste Gerichtshof den Bewohnern zugestand, übersteige deren Forderung. Außerdem problematisierte der Gouverneur das Urteil über die Zahlung einer Abfindung für nicht materielle Verluste in Höhe von 2 Milliarden Rupiah (DM 1,43 mio) /Forum Keadilan, 10.11.94/. In einem Schreiben des Gerichts von Semarang an den Obersten Gerichtshof vom 6.10.1994 wurde erklärt, wie schwierig es sei, das Urteil zu vollstrecken. Denn, da das umstrittene Objekt schon unter dem Wasser stehe, sei es fast unmöglich, die Größe der betroffenen Flächen nachzuvermessen /Jawa Pos, 16.10.94 u. Republika, 18.10.94/.

Zu den Gründen für die Aufhebung des Urteils erklärte der Präsident am Obersten Gerichtshof, Poerwoto: "Während des Prozeßverlaufes wurde eine neue Richtlinie erlassen." Der Oberste Gerichtshof habe nur auf Grundlage einer Verordnung von 1975 (Permendagri No. 15/1975) geurteilt und eine neuere Präsidialverordnung von 1993 (Keppres No. 55/1993) unberücksichtigt gelassen. Diese Verordnung war einen Monat vor dem Urteil des Obersten Gerichtes erlassen worden. Die neue Verordnung erlaubt Landenteignungen auch ohne Entschädigungszahlungen, wenn sie für Projekte, an denen öffentliches Interesse besteht, vorgenommen werden /The Australian, 9.11.94/. Wenn bei Landkonflikten keine Lösung gefunden werden könne, solle der Gouverneur die Beschlagnahme des Landes vorschlagen. Bei Unterlassung droht dem Gouverneur eine Anklage beim Verwaltungsgericht. Der Vorschlag des Gouverneurs muß an den Agrarminister eingereicht werden, mit Durchlag für den Justizminister. Der Agrarminister gibt den Vorschlag dann weiter an den Präsidenten /Republika, 10.11.94/.

Vor seinem Ruhestand hatte der Vorsitzende Richter am Obersten Gerichtshof, Asikin Kusuma Atmadja, ein Urteil zugunsten der Bevölkerung von Kedung Ombo gefällt. Er sprach den Dorfbewohnern sogar höhere Abfindungen zu als diese gefordert hatten, da die Bevölkerung von Kedungombo viel Leid ertragen habe, als die Provinzregierung von Mittel-Java ihr Land in dem Stausee habe versinken lassen. Die Provinzregierung von Mittel-Java sollte eine Abfindung für 34 Familien des Dorfes Kedungpiring in Höhe von 9,1 Milliarden Rupiah (DM 6,5 mio) erstatten. Der Oberste Gerichtshof bestimmte eine Abfindung in Höhe von 50.000 Rupiah für 1 2 m , während die Forderung der Bewohner nur 10.000 Rupiah betragen hatte /Forum Keadilan, 10.11.94/.

Neben den Bauern von Kedung Ombo erlitt durch die Revision des Urteils auch die indonesische Justiz erneut eine empfindliche Niederlage. NGO-Vertreter kommentierten, das neuerliche Urteil zeige, daß es in Indonesien keinerlei Rechtssicherheit gebe. Die Unabhängigkeit der Justiz sei durch die Einflußnahme der Regierung auf das empfindlichste verletzt worden. Auch die nationale Menschenrechtskommission KOMNAS HAM erklärte sich in einer Stellungnahme "erschrocken und traurig" über das Urteil /Republika, 10.11.94/.

____________________ Irren ist menschlich ____________________

Der Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Diponegoro, Muladi, sagte, die Annullierung des Urteils müsse richtig begründet werden, es gebe tatsächlich etwas zu korrigieren. Eine einfache Erklärung, das Urteil sei aufgehoben, sei nicht ausreichend /Kompas, 18.10.94/. Das Institut für Rechtshilfe (LBH) Semarang erklärte, das Urteil sei unverständlich, insbesondere was die Begründung über die Schwierigkeiten der Landvermessung und die Bewertung der Gebäude und Pflanzen angehe /Suara Merdeka, 17.10.94/.

LBH Yogyakarta kommentierte die Entscheidung als Selbstmord des Obersten Gerichtes. Der indonesische Anwaltsverband IKADIN erklärte in einer Presseerklärung, zum ersten Mal in der Geschichte sei eine Entscheidung des Obersten Gerichtes über die nochmalige Überprüfung eines Urteils sehr schnell verlaufen. In der Regel dauere ein solches Verfahren 2 bis 3 Jahre. Es werde außerdem der Eindruck hinterlassen, daß ein Plansoll erfüllt werden mußte, bevor der Präsident am Obersten Gerichtshof, Poerwoto, in den Ruhestand ging und durch Soejono ersetzt wurde. IKADIN sieht politische Motive hinter der Aufhebung des Urteils /Republika, 9.11.94/.

Daß mit der Annullierung des Urteils auch grundlegende Prinzipien der Rechtsprechung verletzt wurden, wurde bislang von keinem der Kritiker angesprochen: Mit der Präsidialverordnung von 1993 wurde ein Gesetz angewandt, das zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens noch gar nicht existierte.

The Australian schrieb, der Oberste Gerichtshof stand unter schwerem Druck von seiten der Zentralregierung als auch der Provinzregierung. Präsident Suharto selbst wünschte eine nochmalige Überprüfung /9.11.94/. Die Bevölkerung, die seit nunmehr 6 Jahren versucht, ihre Landrechte zu verteidigen, nahm die Annulierung mit Gleichgültigkeit auf: "Sie haben unseren Sieg verkündet, sie haben auch diesen Sieg einkassiert. Sollen sie uns doch weiter so betrügen," sagte Mbah Wito (65) /Forum Keadilan, 10.11.94/.

Auf die Frage, wie es kommen konnte, daß das Oberste Gericht einen Fehler bei der Festsetzung der Abfindung machte, antwortete Gerichtspräsident Poerwoto: "Irren ist menschlich" /Jawa Pos, 16.10.94/. <>
   
 

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