Indonesien-Information Nr. 1 1995 (Ost-Timor)

Santa Cruz wirft dunkle Schatten auf APEC-Gipfel

'Indonesien tendiert dazu, sich selbst in den Fuß zu schießen. Jedesmal, wenn es kurz davor steht, internationale Statur zu gewinnen, die seiner Größe und seinen wirtschaftlichen Fähigkeiten angemessen wäre, bringt es das Kunststück fertig, die Aufmerksamkeit der Welt auf die Menschenrechtslage zurückzulenken,' schrieb Sidney Jones kürzlich in der International Herald Tribune /12.-13.11.94/. Der alternde Präsident Suharto hatte seinen ganzen Ehrgeiz daran gesetzt, sich als Gastgeber einer wegweisenden internationalen Konferenz selbst ein Denkmal zu setzen. Nichts geringeres als die Bildung des weltgrößten Wirtschaftsraumes stand auf dem Programm, einer Region, die die gegenwärtigen Wirtschaftsriesen USA und Japan mit den Giganten der Zukunft - Südostasien, Korea und China - verbindet. Anscheinend ganz benommen, sich im Schloß zu Bogor zwischen Staatsgästen wie Präsident Clinton, Ministerpräsident Murayama und wie sie alle heißen, dem Blitzlichtgewitter der internationalen Presse stellen zu können, war Suharto leichtsinnig genug, seine außenpolitische Achillesferse zu verdrängen. Ausgerechnet am 3. Jahrestag des Massakers von Santa Cruz in Dili, Ost-Timor, sollte der APEC-Gipfel stattfinden. Noch immer ist Indonesien der internationalen Gemeinschaft eine befriedigende Erklärung über die Umstände schuldig, die damals zum Tod von mindestens 273 Menschen führten. Noch immer gibt Indonesien nur eine Zahl von "um die 50" Toten zu, die das Militär seinerzeit erschossen hat, und noch immer werden täglich neue Beweise für die blutige Unterdrückung des Volkes von Ost-Timor bekannt.

Jakarta wurde herausgeputzt, die Hauptstadt sollte sich von ihrer besten Seite zeigen, wenn die internationale Prominenz, gefolgt von mehreren tausend JournalistInnen, ihr Stelldichein gibt. StraßenhändlerInnen und BettlerInnen hatten das Nachsehen, und Kleinkriminelle wurden im Rahmen der "Säuberungsaktion 94" gleich im Dutzend erschossen. Zur Verbesserung des Ansehens führte dieses brutale Durchgreifen allerdings nicht. Human Rights Watch/Asia und amnesty international veröffentlichten kurz vor Beginn des APEC-Treffens umfangreiche Dokumentationen über die Menschenrechtsverletzungen, die ihre Wirkung auf PolitikerInnen und Presseleute aus dem Ausland nicht verfehlten. Viele JournalistInnen erklärten, die Gelegenheit der Reise nach Indonesien auch zu einem Abstecher nach Ost-Timor nutzen zu wollen, um sich selbst ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. "Bitteschön, wenn Sie meine Region besuchen möchten, steht dem nichts entgegen," erklärte daraufhin Ost-Timors Gouverneur Abilio Soares. "Ich habe keine Ängste und Sorgen, denn in meiner Region gibt es keinerlei Probleme" /Merdeka, 3.11.94/.

____________________ Timoresen besetzen US-Botschaft ____________________

Am 12.11.94 kletterten 29 ost-timoresische Studenten über den Zaun der US-Botschaft in Jakarta und besetzten das Botschaftsgelände. Die meisten waren zu schnell, um von den indonesischen Sicherheitskräften an der Erstürmung des Geländes gehindert werden zu können. Nur ein Ost-Timorese geriet vor den Objektiven eines Kameramannes von Reuters in die Fänge von Uniformierten. Noch während er abgeführt wurde gab er Antwort auf einige Fragen des Reporters - die Szene wurde weltweit von vielen Fernsehstationen gesendet. Botschaftsangehörige machten den indonesischen Sicherheitskräften höflich aber bestimmt deutlich, daß ihre Anwesenheit auf dem Gelände der US-Botschaft unerwünscht sei und verhinderten somit weitere Festnahmen /Reuter, 12.11.94/.

Mindestens 35 Demonstranten wurden jedoch festgenommen, bevor sie die Botschaft erreichen konnten. Einige davon wurden nach Verhören wieder freigelassen, über das Schicksal der anderen ist nichts bekannt. Ein Sprecher des militärischen Sicherheitsdienstes BAKORSTANASDA gab bekannt, 69 Festgenommene seien nach Ost-Java gefahren und dort auf freien Fuß gesetzt worden. Zwölf Tage später hatte amnesty international allerdings erst Nachricht von 10 Freigelassenen, die in Malang untergetaucht waren, von den anderen fehlt jede Spur /amnesty international, 24.11.94/. Mindestens 11 nicht direkt an der Aktion Beteiligte sollen darüberhinaus in Jakarta verhaftet worden sein. In anderen Städten, darunter Bandung und Denpasar, wurden dort lebende Ost-TimoresInnen zu Verhören vorgeladen und versucht, ihnen die Unterschrift unter Erklärungen abzupressen, in denen sie sich von der Botschaftsbesetzung distanzierten. Bis heute sind weder die genaue Zahl, das Schicksal oder der Aufenthaltsort der Verhafteten geklärt. Der Versuch einer Aufklärung wird erschwert durch die von den Sicherheitskräften geübte Praxis der auf eine Freilassung von Gefangenen erfolgenden erneuten Verhaftung. amnesty international äußerte die Sorge, daß ein Teil der Festgenommenen sich in Gewahrsam von BAKORSTANASDA befindet und dort möglicherweise gefoltert wird /amnesty international, 17.11.94/.

Doch das Augenmerk der Presse richtete sich in erster Linie auf die 29 Botschaftsbesetzer. Diese hatten Transparente enthüllt, auf denen sie den Völkermord in ihrer Heimat verurteilten und die Freiheit des inhaftierten Führers des Widerstandes, Xanana Gusmao, forderten /amnesty international, 17.11.94/. US-Außenminister Warren Christopher äußerte noch am Tag der Besetzung "Verständnis für die Aktion," und erklärte, die USA haben nicht die Absicht, die Leute vom Gelände der Botschaft zu vertreiben. Man habe allerdings bereits die Zusicherung der indonesischen Seite eingeholt, den Demonstranten freien Abzug zu gewähren. Dem schenkten die Botschaftsbesetzer angesichts des Ringes von Polizeikräften, der um die Botschaft gelegt war, jedoch wenig Glauben /Voice of America, 12.11.94/.

____________________ Petition an Clinton ____________________

Die Besetzer forderten ein Gespräch mit US-Präsident Clinton und Außenminister Christopher. Dem wurde nicht entsprochen, stattdessen boten die USA ein Gespräch mit Botschafter Barry an, was die Timoresen aber ihrerseits ausschlugen /amnesty international, 17.11.94/.

In einer Petition an Präsident Clinton wiederholten die Besetzer ihre Forderung nach Freilassung von Xanana Gusmao und drängten Clinton, sich in seinem bevorstehenden Gespräch mit Präsident Suharto dafür einzusetzen. Desweiteren solle Clinton dem indonesischen Präsidenten die Zustimmung für eine Teilnahme des ost-timoresischen Widerstandes, vertreten durch die Kirche Ost-Timors, den Nationalrat des Maubere-Volkes (CNRM) sowie der beiden Parteien UDT und Fretilin, an zukünftigen Friedensgesprächen abringen. Als drittes sollte Clinton sich für eine unabhängige Untersuchungskommission zum Massaker von Santa Cruz stark machen.

Bemerkenswert war, daß neben diesen spezifisch auf die Situation in Ost-Timor ausgerichteten Forderungen auch einige Punkte in der Petition enthalten waren, die sich mit den Menschenrechten in Indonesien befassen. So hieß es zum einen, Clinton solle sich bei Suharto für eine Amnestie für die alten und gebrechlichen politischen Gefangenen einsetzen, die seit fast 30 Jahren zum Teil in Todeszellen verharren müssen. Zum anderen wurde Clinton aufgefordert, Druck auf Jakarta auszuüben, um die Rechte von ArbeiterInnen, das Recht auf freie Versammlung und auf freie Meinungsäußerung anzuerkennen. Auch die Freilassung der inhaftierten Gewerkschafter Muchtar Pakpahan und Amosi Telaumbanua wurde gefordert. Durch diese Forderungen wird deutlich, daß sich die Ost-Timor-AktivistInnen auf eine Linie stellen mit der indonesischen Demokratie- und Arbeiterbewegung. Der gemeinsame Kampf von Ost-TimoresInnen und indonesischen Oppositionellen gegen das von beiden Bewegungen verhaßte Suharto-Regime war bis vor kurzem keine Selbstverständlichkeit. Der Durchbruch gelang erst im Mai 1994 auf der APCET-Konferenz (Asia-Pacific Conference on East Timor) in Manila und wurde auf den Konferenzen in Iserlohn und Porto Anfang Oktober bestätigt.

____________________ Reaktion Indonesiens ____________________

Jakartas in Folge der jüngsten Vorkommnisse vorzeitig abberufener Militärkommandant Hendropriyono äußerte sich verärgert über die Botschaftsbesetzer: "Sie ... haben keinerlei Patriotismus und kennen keinerlei Schamgefühl wenn ihr Land Schauplatz eines internationalen Ereignisses ist," /Reuters, 13.11.94/. Hendropriyonos Äußerung birgt Rätsel: Was für ein internationales Ereignis soll in Ost-Timor stattgefunden haben?

Präsident Suharto erklärte Clinton in einem bilateralen Treffen, die Botschaftsbesetzer seien "noch Kinder, um die 20 Jahre alt," und nicht in der Lage, die Erfolge des Aufbaus in Ost-Timor anzuerkennen, da ihnen die Vergleichsmöglichkeit mit der portugiesischen Kolonialzeit fehle /Kompas, 17.11.94/. Suharto, der mit Clinton gerne über die Aussichten der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung in Asien geredet hätte, mußte hinnehmen, daß Clinton etwa die Hälfte der Zeit der Lage in Ost-Timor, den Menschenrechten, der Pressezensur, Arbeiterrechten und ähnlich unangenehmen Themen widmete. Die Unterredung gipfelte in der Bemerkung Clintons, das Verhältnis der USA zu Indonesien könne sich nicht voll entwickeln, solange Indonesien die Menschenrechte nicht voll respektiere.

____________________ Portugal bietet Asyl ____________________

Indonesien bekräftigte mehrfach, keine Einwände gegen eine mögliche Ausreise der Botschaftsbesetzer zu haben, es aber andererseits auch keinen Anlaß für einen solchen Schritt gebe, da man freien Abzug vom Botschaftsgelände gewähren wolle. Gleichzeitig wurde einem der Besetzer vorgeworfen, 1993 in einen Mordfall verwickelt gewesen zu sein, ohne daß nähere Einzelheiten genannt wurden /Merdeka, 22.11.94/. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Verdächtigung waren jedenfalls Zweifel erlaubt, ob tatsächlich alle Besetzer frei hätten abziehen können.

Nach zehn Tagen des Ausharrens auf dem Parkplatz der Botschaft, ungeschützt vor der Hitze und ohne Möglichkeit die Kleider zu wechseln, waren die Besetzer ermattet. Einige hatten mit Krankheiten zu kämpfen, zwei der Timoresen mußten gar vorübergehend ins Krankenhaus eingeliefert werden. Vom Botschaftspersonal wurde nur eine tägliche Minimalration an Nahrungsmitteln zur Verfügung gestellt. So nahmen die Besetzer schließlich das Angebot Portugals an, sie als Flüchtlinge aufzunehmen /Radio Niederlande, 22.11.94/. Das Internationale Kommitee vom Roten Kreuz geleitete die 29 zum Flughafen. Wenige Tage zuvor hatte ein Sprecher der Gruppe noch gesagt: "Wir sind nicht hierhergekommen, um Asyl zu suchen, sondern um die Freilassung Xanana Gusmaos zu fordern," /AFP, 18.11.94/. Keines der erklärten Ziele der Gruppe war erreicht, aber dennoch war die Aktion ein großer Erfolg für Ost-Timor. Noch nie zuvor hatte Ost-Timor ein vergleichbares Echo in der internationalen Presse gefunden.

____________________ Proteste in Dili ____________________

Abseits des Geschehens in Jakarta kam es auch in Ost-Timors Hauptstadt Dili zu tagelang anhaltenden Protesten. Der Streit zwischen einem buginesischen Transmigranten und einem einheimischen Händler auf Dilis Becora-Markt, der mit dem Tod des Timoresen endete, war nur der Auslöser. Was verschiedene Presseagenturen als ethnischen Konflikt beschrieben, hatte in Wirklichkeit andere Ursachen. Schon lange keimt der Haß der Einheimischen auf die im Rahmen des staatlichen Transmigrasi-Programms aus verschiedenen Teilen Indonesiens Zugewanderten. Das Motiv ist weniger im Rassenhaß der TimoresInnen zu suchen als vielmehr in ihrer sozialen und politischen Benachteiligung gegenüber den TransmigrantInnen. Diese bestimmen das wirtschaftliche Leben in Handwerk und Handel oder finden Jobs in der Verwaltung, während das Militär die Wirtschaft im großen kontrolliert. Für die TimoresInnen bleibt wenig vom Kuchen übrig.

Die Auseinandersetzungen vom vergangenen Sommer (s. Indonesien-Information, August 94) wurden in Indonesien offiziell auf Religionsstreitigkeiten zurückgeführt. Kurz darauf verkündete die Regierung, 1.000 katholische Familien nach Ost-Timor umzusiedeln, um den Konflikt nicht weiter zu schüren /Reuter, 4.9.94/. Ein wohl eher untaugliches Mittel, denn es geht weder darum, ob TransmigrantInnen islamischen oder katholischen Glaubens sind, noch darum, welcher Ethnie sie angehören. Es geht schlicht und ergreifend darum, daß Ost-TimoresInnen sich durch die große Zahl von TransmigrantInnen inzwischen als AusländerInnen im eigenen Land fühlen.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß die Nachricht vom Tod des Händlers Mario Vicente am 12.11.94, dem Jahrestag des Massakers von Santa Cruz, binnen kürzester Zeit mehrere hundert Ost-TimoresInnen auf die Straße rief, um zu demonstrieren. Daß es den DemonstrantInnen um mehr ging als um den Mord an Vicente, zeigten mitgeführte Transparente mit der Aufschrift "Free East Timor". Im Verlaufe der Proteste wurden zahlreiche Häuser, Geschäfte und Fahrzeuge, vornehmlich von TransmigrantInnen, in Mitleidenschaft gezogen /Voice of America, 13.11.94/. Aus Furcht vor einer Neuauflage der Ereignisse, die nach dem Tode von Sebastiao Gomes 1991 zum Massaker von Santa Cruz geführt hatten, untersagten die indonesischen Behörden die Beisetzung von Vicentes Leichnam auf dem Friedhof von Santa Cruz.

Die Proteste zogen sich über mehrere Tage hin. Höhepunkte waren eine Demonstration mit ca. 600 TeilnehmerInnen an der Universität am 15. November und eine Protestaktion von mehreren hundert Leuten am 18. November vor der Kathedrale von Dili, wo es zu blutigen Auseinandersetzungen mit Polizei und Zivilagenten kam.

300-400 Ost-TimoresInnen hatten sich am Nachmittag zu einer Messe versammelt, die unerwartetermaßen von der Polizei verboten worden war. Sicherheitskräfte hatten die Kathedrale umringt als einige Ost-Timoresen vor den Augen ausländischer JournalistInnen Transparente enthüllten und Slogans für die Unabhängigkeit Ost-Timors skandierten. Innerhalb von Minuten brachen Kämpfe aus, nachdem die Protestierer von Leuten in Zivil angegriffen wurden, die ihnen die Transparente entrissen. Zwei der pro-indonesischen Angreifer sollen schwer verletzt worden sein /amnesty international, 24.11.94/. Polizei und Militär versprühten mehrere Kanister Tränengas in die Menge, um der Lage Herr zu werden /Reuter, 18.11.94/

____________________ Zusammengeschlagen vor den Augen deutscher Journalisten ____________________

Ein deutsches Fernsehteam, das Aufnahmen für das Magazin Weltspiegel machte, sprach von eindeutiger Provokation seitens der Agenten in Zivil. Diese haben begonnen, Steine in die Menge zu werfen, wodurch mehrere Leute verletzt wurden. Kurz darauf habe die Polizei mit Tränengas geschossen und damit Panik ausgelöst, die zu weiteren Verletzten führte. Daraufhin seien alle noch nicht freiwillig geflohenen JournalistInnen aufgefordert worden, den Ort umgehend zu verlassen. Nachdem einige Aufnahmen im Kasten waren, versuchte das deutsche Team verzweifelt, in Sicherheit zu gelangen. Dies erschien aber unmöglich, da sie sich durch einen Zaun und einen Ring von Soldaten daran gehindert sahen. Ein junger Ost-Timorese, Domingos da Silva, bot seine Hilfe an und geleitete das Team sicher zurück ins Hotel. Seine einzige Bitte: "Lassen Sie uns, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist, zusammen zum Militärhauptquartier gehen, um den Offizieren erklären, daß ich Ihnen aus reiner Menschlichkeit und nicht aus politischen Gründen geholfen habe." Die Fernsehleute kamen der Bitte nach, da sie merkten, daß Domingos da Silva große Angst davor hatte, daß die Geheimpolizei Fotos von ihm gemacht haben könnte.

"Wir kamen im Hauptquartier an und der junge Mann versuchte mit unserer Hilfe den Fall zu erklären. Aber vom ersten Moment an hatte er nicht die geringste Chance. Nach aggressiven verbalen Attacken seitens der Soldaten wurde er von Zivilagenten gepackt und von diesen schrecklichen Menschen, in wirklich faschistischer Manier, schwer zusammengeschlagen und getreten. Nach acht oder zehn Minuten gelang es uns, unseren blutübertströmten Freund aus der Schlägerei herauszuziehen und ihn, gefolgt von einer Menge Steine werfender Agenten, in unser Hotel zu bringen. Dort informierten wir einen Schweizer Arzt vom Roten Kreuz, der sich jetzt um ihn kümmert." Nach Behandlung des Patienten meinte der Arzt, weitere Schläge hätten Domingos da Silva wohl das Leben gekostet /amnesty international, 24.11.94/.

Im Zuge der Proteste und Ausschreitungen in Dili wurden nach Schätzung von amnesty international allein in den ersten drei Tagen ca. 250 Verhaftungen vorgenommen, die genaue Zahl ist unbekannt. Auch hier werden Beobachtungen durch die Praxis von Freilassung und erneuter Verhaftung erschwert. Die Angaben der Polizei schwankten. Je nach dem wer sich zu welchem Zeitpunkt dazu äußerte, hieß es, daß sich noch 11, 16, 22, 27 oder 30 Leute in Haft befänden. amnesty international liegt eine Liste mit Namen von 125 Verhafteten vor, von denen aber ein Großteil möglicherweise nach einem Verhör wieder freigelassen wurde /amnesty international, 24.11.94/. Sicherheitskräfte durchkämmten ganze Wohnviertel, wobei ca. 120 Festnahmen erfolgt sein sollen /Voice of America, 17. u. 21.11.94/.

Angeblich sollen auch 3 Tote zu beklagen sein, einige Quellen sprechen sogar von 4 oder 5 Toten (Radio Portugal, 13.11.94, spricht von 4 Toten und beruft sich auf eine zuverlässige Quelle; GreenLeft, 20.11.94, schreibt, 5 Tote gelten als gesichert, darunter sei ein 14 jähriger Junge). Gesichert ist die Nachricht von einem Todesopfer namens Fernando aus Kuluhun, Dili. Von zwei weiteren Toten sind keine Namen bekannt, die Angabe gilt aber als relativ sicher /amnesty international, 17.11.94/.

Die Protestwelle beschränkte sich nicht nur auf Dili. Auch aus anderen Städten Ost-Timors wurden Demonstrationen gemeldet /amnesty international, 17.11.94/. Jüngsten Meldungen zufolge wiederholten sich die Ereignisse von Dili Anfang Januar in Baucau. Ein eingewanderter Händler stach einen Timoresen nieder, was gewalttätige Proteste hunderter Einheimischer nach sich zog /taz, 4.1.94/. Einzelheiten liegen Watch Indonesia! derzeit noch nicht vor.

____________________ Die Presse als Sündenbock ____________________

Die Ursachen für die Proteste und Ausschreitungen liegen nach Ansicht indonesischer Stellen keineswegs in der Situation Ost-Timors begründet. Schuld ist vielmehr die internationale Presse. Staatssekretär Moerdiono meinte zu dem Vorfall vor der Kathedrale in Dili: "Es ist die Frage, wie es möglich ist, daß genau dieser Moment - ich kann es präzisieren in Minuten oder Sekunden - nicht nur von Journalisten der Presse, sondern sogar von elektronischen Medien eingefangen werden kann. Woher wissen sie so gut Bescheid, was zu genau welchem Zeitpunkt passieren wird?" Moerdiono behauptet auch, Informationen darüber erhalten zu haben, daß die Transparente, die vor der Kathedrale gezeigt wurden, von ausländischen Medienleuten stammen /Kompas, 22.11.94/.

Fünf Journalisten wurden daraufhin des Landes verwiesen: Zwei Fotographen der Nachrichtenagentur Associated Press, je ein Fotoreporter der Agentur Reuters und des australischen Fernsehsenders WTN sowie ein französischer Reporter von Associated Press-TV /AFP, 22.11.94/. Als Begründung hieß es, die ausgewiesenen Journalisten seien nicht ordnungsgemäß akkreditiert gewesen. Anderen ReporterInnen wurde der Aufenthalt in Ost-Timor auf zwei Tage begrenzt /Voice of America, 21.11.94/ und zwei JournalistInnen aus New York, die 1991 Augenzeugen des Massakers waren, wurde die Einreise ganz verwehrt /tapol Bulletin, Dez. 1994/. <>  
 

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