Indonesien-Information Nr. 1 1995 (Ost-Timor)

Alle reden über Ost-Timor

Zu den Ergebnissen der jüngsten Gesprächsrunde über Ost-Timor, die zwischen dem indonesischen Außenminister Ali Alatas und seinem portugiesischen Amtskollegen Durao Barroso am 9. Januar in New York stattfanden, lagen uns bei Drucklegung noch keine Nachrichten vor. Umwerfende Neuigkeiten sind von diesem Treffen unter UN-Aufsicht allerdings nicht zu erwarten.

The Boston Globe wertet die Gespräche zwischen Indonesien und Portugal als "pro forma-Gespräche". "Bislang haben diese Gespräche zu nichts geführt. Außer wenn sie eine echte Verpflichtung für einen Rückzug Indonesiens aus Ost-Timor zustande bringen, werden sie nicht viel mehr sein als hinhaltendes Gerede zwischen den jetzigen und den früheren Kolonisatoren eines Volkes, dem nicht erlaubt wird, über sein eigenes Schicksal zu bestimmen," /The Boston Globe, 12.11.94/.

____________________ Alatas trifft Ramos Horta ... ____________________

Immerhin wurde während des letzten dieser Treffen, das im Mai 1994 in Genf stattfand, die Idee zu einer direkten Zusammenkunft zwischen dem indonesischen Außenminister Ali Alatas und den im Exil lebenden Führern des ost-timoresischen Widerstandes geboren. So traf sich Alatas am 6. Oktober 1994 mit Jose Ramos Horta vom Nationalrat des Maubere-Volkes, CNRM, und den Vertretern der beiden Parteien UDT (Jose Carrascalao) und Fretilin (Louis Guterres) in New York. Ramos Horta betonte noch wenige Tage vor dem Treffen, er werde nur nach New York reisen, wenn er das Einverständnis von Xanana Gusmao, dem in Jakarta inhaftierten Vorsitzenden des CNRM, erhalte. Im übrigen sei es eigentlich widersinnig, daß sowohl er - im Auftrag von Xanana Gusmao - als auch Ali Alatas nach New York reisten, um miteinander zu reden, wo es doch viel einfacher wäre, Alatas und Xanana würden direkt miteinander verhandeln; beide weilten bekanntlich in Jakarta...

In Sachfragen brachte das Gespräch keinerlei Annäherung. Weder die Entlassung politischer Gefangener, noch ein Truppenrückzug, nicht einmal eine Übereinkunft der Gesprächspartner, sich erneut zu treffen, wurde in New York erzielt. Der Erfolg des Treffens lag einzig und allein darin, der Öffentlichkeit zu zeigen, daß man miteinander spricht. Einen Monat vor Beginn des APEC-Gipfels in Jakarta bedeutete die gezeigte Gesprächsbereitschaft einen nicht unwichtigen Punktgewinn für Indonesiens internationales Ansehen. Ali Alatas zog als Resumee: "diese Gespräche waren eine gute Erfahrung, nützlich und produktiv," und auch Francesc Vendrell, Sonderbeauftragter der UN für Ost-Timor, der nach der Gesprächsrunde bereits zum zweiten Mal als UN-Beobachter nach Ost-Timor entsandt wurde, meinte: "Wir sind sehr glücklich, weil es die beiden Seiten nach 19 Jahren endlich geschafft haben, sich an einen Tisch zu setzen und zu reden," /Expresso, 8.10.94/.

Ramos Horta wertete das Ergebnis des Gespräches in einer Pressekonferenz eher zurückhaltend: "Unsere Positionen stehen sich weiterhin diametral entgegen ... aber wir hoffen, daß dies nur ein erstes Treffen war, ein erster Schritt ... weder wir noch der Minister hatten erwartet, bei dieser Gelegenheit zu irgendeiner Übereinkunft zu kommen."

Auf die Forderung Ramos Hortas nach Freilassung von Xanana Gusmao erklärte Alatas, dies sei alleine Angelegenheit der indonesischen Justiz, eine baldige Freilassung sei aber eher unwahrscheinlich. Francisco Lopez da Cruz, Sonderbotschafter Suhartos für Ost-Timor, sprach im Auftrag von Alatas noch bevor das Treffen zu Ende gegangen war mit der Presse und erklärte: "Mir wurde gesagt, das Treffen sei Zeitverschwendung, denn die Integration Ost-Timors ist längst beschlossene Sache."

____________________ ... und Abilio Araujo ____________________

Vor dem Zusammentreffen hatte Alatas auch die Teilnehmer der Londoner "Aussöhnungsgespräche", Abilio Araujo, Costa Belo, Rogerio Lobato und Fr. Constancio Gusmao, empfangen. Abilio Araujo hielt sich allem Anschein nach auf Kosten indonesischer Stellen in New York auf - was er selbstverständlich umgehend dementierte /Expresso, 22.10.94/. Die indonesischen Medien stellten seine Anwesenheit gegenüber der Delegation um Ramos Horta in den Vordergrund. Auf eine Frage des in Portugal erscheinenden Magazins Expresso, ob Abilio Araujo nicht glaube, von den Indonesiern als Marionette mißbraucht zu werden, um von Ramos Horta abzulenken, antwortete Araujo: "Ja, das kann sein. Unglücklicherweise muß aber Alatas nicht künstlich beweisen, daß wir gespalten sind, denn wir (gem. ist der timoresische Widerstand) sind in der Tat gespalten." /Expresso, 8.10.94/

____________________ Ein halbrunder Tisch in London ... ____________________

Abilio Araujo war im August 1993 aus der Fretilin ausgeschlossen worden, nachdem er sich bereit erklärt hatte, an einer ersten Runde von "Aussöhnungsgesprächen" teilzunehmen, die auf die Initiative von Suhartos Tochter Mbak Tutut und Sonderbotschafter Lopez da Cruz zurückgingen. Gastgeber der Gespräche war der indonesische Botschafter in London, Fani Habibie, Bruder des einflußreichen Forschungs- und Technologieministers. Die "Aussöhnungsgespräche" sollten Ost-Timoresen, die die "Integration" befürworten, mit Ost-Timoresen im Ausland zusammenführen, die die Vereinnahmung durch Indonesien ablehnen. Die Gespräche werden von Kritikern als Versuch Indonesiens gewertet, an internationalen Gremien vorbei Außenpolitik zu betreiben und damit einen Keil in die Reihen der Exil-Timoresen zu treiben. Ramos Horta, Xanana Gusmao und Bischof Belo verurteilten von Anfang an Abilios Bereitschaft, an diesen Gesprächen teilzunehmen. Seit Abilios Parteiausschluß verschärfte sich diese Kritik noch, da Abilio - in den eigenen Reihen isoliert - weiterhin als Sprecher des ost-timoresischen Widerstandes auftrat und von seiten Indonesien dankbar als solcher angenommen wurde.

Die zweite Runde der "Aussöhnungsgespräche" hatte erst kurz vor dem Treffen in New York stattgefunden. Vom 29. September bis 1. Oktober 1994 traf sich die Runde erneut in London. Ungeachtet des Protests von Ramos Horta ("a non-event"), Xanana Gusmao und Bischof Belo erfuhr der halbrunde Tisch von London eine Aufwertung durch die Entsendung eines UN-Beobachters, der im Auftrag von Generalsekretär Boutros-Boutros Ghali den Gesprächen beiwohnte. Der UN-Generalsekretär ließ allerdings beschwichtigend verbreiten, er halte das Treffen nicht für die ideale Form, die Anforderungen einer Annäherung, wie sie aus dem Abkommen zwischen Alatas und Barroso hervorgeht, zu erfüllen. Er sei im übrigen auch an Kontakten mit Ost-Timoresen interessiert, die nicht an der Londoner Gesprächsrunde teilnahmen /Timor Leste, Sep. 94/.

____________________ ... ist noch kein runder Tisch in Dili ____________________

Ost-Timoresen im In- und Ausland an einen Tisch zu bringen, ist auch Jose Ramos Hortas erklärtes Interesse. Im Unterschied zu den "Aussöhnungsgesprächen", wie sie von Abilio Araujo praktiziert werden, sollen an solchen Gesprächen aber auf Seite der Exil-Timoresen, neben Ramos Horta selbst, auch Vertreter von UDT und Fretilin teilnehmen. Auf Seite der in Ost-Timor lebenden Teilnehmer soll unter anderem Bischof Belo vertreten sein. Eine derart zusammengesetzte Gesprächsrunde fände auch die Anerkennung von Xanana Gusmao /Publico, 8.10.94/.

Dieser Vorschlag wird im Prinzip auch unterstützt von Salvador Ximenes, ost-timoresischer Abgeordneter im indonesischen Parlament, der als Teilnehmer der "Aussöhnungsgespräche" durch seine Zurückhaltung aufgefallen ist. Auch Abilio Araujo hat keine Einwände gegen eine Fortführung der Gespräche auf breiterer Basis, wendet sich aber gegen die Einbeziehung von Ramos Horta und seinen Mitstreitern, da er meint, diese "haben sich selbst ausgeschlossen". Selbiges gelte für Bischof Belo, der die Einladung zur ersten Londoner Gesprächsrunde im Dezember 1993 ausgeschlagen habe, daher nicht als Gastgeber für zukünftige Runden geeignet sei, wie von Ramos Horta vorgeschlagen wurde /Publico, 29.9.94/.

____________________ Suharto gesprächsbereit ____________________

Anfang November verlautbarte Suhartos Sonderbotschafter für Ost-Timor, Lopez da Cruz, der Chef persönlich sei bereit, sich mit "ost-timoresischen Widerstandsführern in Übersee" zu treffen, wobei er namentlich Abilio Araujo nannte /tapol Bulletin, Dez. 94/.

Ein solches Treffen würde Abilio Araujo persönlich, aber auch die Institution der Londoner "Aussöhnungsgespräche" aufwerten. Radio Niederlande sieht darin auch einen Punktgewinn der Kräfte um Technologieminister Habibie in deren seit langem anhaltenden Auseinandersetzung mit dem Militär. Bisherige Höhepunkte dieses Machtkampfes waren:

- die Brüskierung Habibies durch die Ernennung von Try Sutrisno (ABRI) zum Vizepräsidenten der Republik (1:0), - die Ernennung zahlreicher Gefolgsleute Habibies zu Ministern im neuen Kabinett Suharto (1:1), - die Wahl des Zivilisten und Habibie-Vertrauten Harmoko zum Vorsitzenden der Regierungspartei GOLKAR (1:2), - möglicherweise vom Militär lancierte Presseberichte über die mangelnde Effizienz und den drohenden Bankrott von Habibies High-Tech-Industrie (2:2), - die Kritik an Habibies eigenmächtigem Vorgehen beim Kauf der deutschen Kriegsschiffe (3:2) und - das Verbot der Zeitschriften, die über diesen Streit berichtet hatten, durch Minister Harmoko (3:3).

Durch die Aufwertung, die die Londoner "Aussöhnungsgespräche" - an deren Zustandekommen Minister Habibies Bruder Fani maßgeblich beteiligt war - durch ein direktes Treffen Präsident Suhartos mit Abilio Araujo erfahren, hat Habibie nach Ansicht von Radio Niederlande erneut die Führung im Streit mit dem Militär übernommen (4:3). Während sich das Militär bezüglich der Ost-Timor-Problematik unbeweglich zeigt und noch immer mit seinem durch das Massaker von Santa Cruz angekratzten Image zu kämpfen hat, gibt die Gruppe um Habibie neue Impulse. /Radio Niederlande, 5.1.94/.

____________________ Riskantes Spiel ____________________

Radio Niederlande kommentiert weiter, sowohl das Militär als auch die Gruppe um Habibie machten den Fehler, weder zwischen Personen wie Abilio Araujo, Joao Carrascalao, Xanana Gusmao, Jose Guterres, Jose Ramos Horta und Mari Alkatiri, noch zwischen Organisationen wie Fretilin, CNRM und UDT zu differenzieren. Die von indonesischen Offiziellen ohne nachzufragen erfolgte spontane Verurteilung der Botschaftsbesetzung in Jakarta als "Provokation der Fretilin" könne nicht mehr mit mangelnder Sachkenntnis, sondern nur noch mit Starrköpfigkeit erklärt werden. Das Außerachtlassen der wichtigsten ost-timoresischen Schlüsselfiguren und die einseitige Konzentration auf Abilio Araujo sei jedoch eine riskante Strategie, "denn was kann Abilio Araujo bewirken, nachdem er sich mit Präsident Suharto getroffen hat?". Was Araujo versuche, zu erreichen, sei in erster Linie, die Möglichkeit, geschäftlich in Ost-Timor Fuß zu fassen.

Es sei zudem zu erwarten, daß sich die Front des Widerstandes im Ausland umso stabiler formiert, je mehr sie von seiten der indonesischen Diplomatie ignoriert wird. Zweck des Gesprächsangebots Suhartos an Araujo sei vor allem die Veröffentlichung in den indonesischen Medien, "damit das indonesische Volk eingeladen werden kann, zuzuschauen, wie die Offiziellen sich selbt befriedigen (beronani): 'Wir haben die Fretilin im Griff'". In der gezähmten Presselandschaft Indonesiens gebe es keinen, der zu hinterfragen wagte, wer Abilio Araujo ist und welche Rolle er spielt. Forum Keadilan druckte gar in der Ausgabe vom 22. Dezember 1994 ein Interview mit Araujo unter dem Titel "Ich bin der Führer der Fretilin". Mit keiner Silbe habe die Zeitschrift erwähnt, daß Araujo längst aus der Fretilin ausgeschlossen wurde.

Es sei spannend, welche Schritte Habibie und das Militär in ihrer Auseinandersetzung als nächstes unternehmen - eine Auseinandersetzung, die möglicherweise die Zukunft Indonesiens bestimme, meint Radio Niederlande. /Radio Niederlande, 5.1.95/ <>  
 

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