Indonesien-Information Nr. 1 1995 (Ost-Timor)

Kritischer Dialog und kritische Menschenrechtssituation

Außenminister Kinkel nimmt Stellung

Der Bundesminister
Des Auswärtigen
Bonn, den 14.10.1994
An Frau Juliane Hansen
Watch Indonesia! Reuterstraße 50
12047 Berlin


Sehr geehrte Frau Hansen!

Besten Dank für Ihr Schreiben vom 1. Oktober 1994!

Sie sprechen darin den auch von einigen Medien aufgegriffenen Vorwurf an, ich hätte bei der von mir veranstalteten Konferenz der EU- und ASEAN-Staaten eine Menschenrechtsdemonstration verhindert. Diese Meldung ist schlichtweg falsch und erlogen!

Gerade als liberaler Außenminister schätze ich das vom Grundgesetz garantierte Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ausgesprochen hoch ein. Über die Zulässigkeit einer Demonstration haben allein die dafür zuständigen Behörden und Gerichte zu entscheiden - niemand sonst. Ich habe in keiner Weise Einfluß auf Gegenveranstaltungen zu dem Kongreß genommen, geschweige denn Druck ausgeübt. Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, daß kein einziger Zeuge genannt wird. Bei meinen wenigen Besprechungen mit der Stadt Karlsruhe, der Polizei und den mitbeteiligten Organisationen waren jedoch viele Zeugen dabei. Die beteiligten Polizeibeamten haben gegenüber dem Vorwurf lapidar erklärt: "Blödsinn!"

Ich finde es wichtig und richtig, daß Sie und die übrigen Teilnehmer der Ost-Timor-Tagung sich so engagiert für die Menschenrechte einsetzen. Gerade wir Deutschen haben aufgrund unserer Vergangenheit eine besondere Pflicht, auf die Einhaltung der grundlegenden Menschen- und Bürgerrechte überall auf der Welt zu drängen. Der weltweite Schutz der Menschenrechte ist ein Kernanliegen meiner Außenpolitik!

Deshalb ist es auch nicht richtig, daß ich bei der EU-ASEAN-Konferenz das Thema Menschenrechte ausgeklammert hätte, im Gegenteil! Ich habe bereits in der Vergangenheit jede Gelegenheit genutzt, gegenüber Indonesien nachdrücklich auf eine Verbesserung der menschenrechtlichen Situation hinzuwirken. Es war für mich auch gar keine Frage, daß ich im Namen der Europäischen Union die Menschenrechte bei der besagten EU-ASEAN-Tagung in Karlsruhe offen und deutlich angesprochen habe - in den internen Beratungen, aber auch öffentlich.

Schon zuvor hatte der Menschenrechtsbeauftragte der Auswärtigen Amts in meinem Auftrag im November 1993 mit der indonesischen Regierung Gespräche über die Menschenrechtslage in Indonesien und Ost-Timor geführt. Auch bei bilateralen Verhandlungen, etwa über Entwicklungshilfe, und internationalen Konferenzen wie bei EU-ASEAN oder bei der Geber-Konferenz der Weltbank für Indonesien im Juli 1994 hat die Bundesregierung Indonesien zur Respektierung der Menschenrechte aufgefordert.

In Teilbereichen hat dieser kritische Dialog bereits etwas bewirkt, auch wenn die Situation nach wie vor kritisch ist. So hat das internationale Komitee des Roten Kreuzes bestätigt, daß die Arbeitsbedingungen und Besuchsmöglichkeiten bei politischen Gefangenen für ihre in Ost-Timor tätigen Mitarbeiter sich eindeutig verbessert haben. Fortschritte hat auch Bundesminister a.D. Gerhart Baum festgestellt, der als Leiter der deutschen Delegation bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen im August 1994 in Indonesien und Ost-Timor Gespräche sowohl mit offiziellen Regierungsvertretern als auch mit unabhängigen Persönlichkeiten führte.

Die Verteidigung der Grundrechte ist und bleibt ein zentrales Anliegen meiner Außenpolitik! Ich selber werde nicht nachlassen, mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln auf weitere Verbesserungen in diesem Bereich zu drängen.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dieses Schreiben auch den anderen Teilnehmern der Osttimor-Tagung zur Kenntnis bringen könnten.

Mit freundlichen Grüssen

Klaus Kinkel
   
 

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