Indonesien-Information Februar 1993 (Menschenrechte)

 

Erklärung von Pramoedya Ananta Toer

 

Pramoedya Ananta Toer, von seinen Freunden schlicht Pram genannt, ist Indonesiens bekanntester Romanautor. Er war von 1965 bis 1979 als politischer Gefangener auf der Insel Buru. Seither steht er unter ständiger Kontrolle und darf Jakarta nicht verlassen. Jeden Monat hat er sich bei den Behörden zu melden. Nach der Veröffentlichung dieses Briefes, der Watch Indonesia! im Original vorliegt und am 10. Dezember vergangenen Jahres in englischer Übersetzung in der New York Times erschien, erklärt Pram, daß er nicht länger gewillt sei, der Anordnung der Regierung, sich regelmäßig zu melden, Folge zu leisten.
 

Anläßlich des Tages der Menschenrechte am 10. Dezember 1992. Mir wurde als einem von einer ganzen Reihe von Leuten, die das selbe Schicksal erdulden mußten, 1965 bis 1979 von den Machthabern der Republik Indonesien gestohlen:
a) die persönliche Freiheit
b) die Arbeit
c) die eigene Existenz und die der Familie
d) das Recht, sich selbst gegen Verleumdung und Anklagen zu verteidigen, sei es amtlich oder nicht, schriftlich oder mündlich
e) das Recht auf einen fairen Prozeß
f) das Recht auf Besitz eines Grundstücks, eines Hauses und der gesamten Einrichtung darin
g) die besten, produktivsten und kreativsten Jahre des Lebens.

Nach meiner Entlassung im Dezember '79, weil „nach dem Gesetz nicht erwiesen war, daß ich in den 'kommunistischen Putschversuch 1965' verwickelt war“, mußte ich mich über 13 Jahre lang ebenfalls ohne Gerichtsurteil mindestens einmal im Monat bei der Militärbehörde melden, bis zu diesem Dezember 1992. Darüberhinaus litt ich, wie die anderen, unter
a) der Beschneidung der Berufsausübung und dem Verbot aller meiner Bücher
b) der Beschneidung der Freiheit, meine persönlichen Meinungen und Gefühle zu äußern
c) der Beschneidung des Rechts, an Versammlungen teilzunehmen und in Organisationen einzutreten,
d) der Beschneidung des aktiven und passiven Wahlrechts
e) der Beschneidung der Reisefreiheit ins Ausland wie auch im eigenen Land
f) der Diskriminierung durch einen besonderen Code in meinem Personalausweis, der sich von dem anderer Menschen unterscheidet.

Ich glaube folgendes sagen zu müssen: Daß der Entzug der Rechte einer Person ohne ein echtes und unparteiisches Gerichtsurteil das gleiche ist, wie den betreffenden Menschen durch das Gericht für tot zu erklären, indem man ihn zum Pariah erniedrigt oder genauer: zum Vieh. Ich erinnere daran, daß es eine menschliche Verpflichtung ist, menschlich zu werden, wie Multatuli es beschrieb. Das heißt, sowohl diejenigen, die Menschenrechte entziehen, als auch diejenigen, denen sie entzogen werden, leiden bereits unter einem Verlust an Menschlichkeit.

Daher erkläre ich: 27 Jahre sind mehr als genug Zeit für die Machthaber der Republik Indonesien, wie für die Machthaber aller anderen Staaten dieser Welt, um als menschliche Wesen die Menschenrechte wieder herzustellen für diejenigen, die moralisch oder materiell beraubt wurden. 27 Jahre sind auch zu lange für diejenigen, die diese Beraubung erleiden mußten, als daß sie mit Kraft und Entschlossenheit ihre Rechte als Menschen aufrechterhalten und verteidigen könnten. Und wenn die Mächtigen des Staates tatsächlich nicht die Kraft und den Mut besitzen für diese Wiederherstellung, so heißt das, daß wir durch die Verteidigung unserer Rechte als Menschen den Mächtigen des Staates helfen, Menschen zu werden, die den Namen „Mensch“ verdienen.

Die Annahme, daß ein starker Staat sich mit Hilfe eines starken Apparates kaltblütig auf die Schmähung und Enteignung der Rechte des eigenen Volkes stützen müsse, ist nicht mehr zeitgemäß. Die starken Staaten sind deshalb stark, weil jeder einzelne Bürger stark und mutig ist. Daher reagiert auch das gesamte Volk, wenn der Staat in Gefahr ist.

Es ist auch bereits abgedroschen, immer und immer wieder herunterzubeten, daß die Weltmeinung glauben müsse, die Menschenrechte in Indonesien werden „entsprechend der kulturellen Eigenheiten des Volkes gewürdigt“, obwohl das alles nur eine Verdrehung der Politik ist, die nichts anderes bedeutet als die Verletzung der Menschenrechte gegenüber den eigenen Staatsbürgern, um die eigene Macht und einiges andere zu erhalten.

Bei dieser Gelegenheit appellieren wir auch an die Staatsführer von wo auch immer, von der unlöblichen Mentalität abzukommen, mit der sie Härte gegen Demonstranten und Streikende walten lassen, weil diese eigentlich nur den Dialog wünschen über die sozio-ökonomischen Probleme, unter denen sie leiden. Wir sollten froh sein, daß es Gruppen in der Bevölkerung gibt, die den Mut haben zu demonstrieren und zu streiken. Die Geschichte lehrt uns, daß die Kämpfer für die nationale Freiheit während der Kolonialzeit das Volk erzogen haben, mutig zu sein, nicht nur mutig, offen oder verdeckt gegen den Kolonialismus und den Imperialismus zu argumentieren, sondern auch diesen zu bekämpfen, womit auf dem Höhepunkt des Mutes die Revolution erreicht wurde. Daher ist es unethisch, wenn jetzt, nachdem wir ein Volk in Freiheit sind, Leute durch Schläge und Gewehre zur Angst, ihre Meinungen und Gefühle zu äußern, erzogen werden. Von allen Formen der Gewalt muß insbesondere die Gewalt in Ost-Timor beendet werden, im Gedanken an die Rede „To Build the World Anew“ des ersten Präsidenten der Republik Indonesien vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen, in der er sagte, daß Indonesien keine territorialen Ambitionen habe.

Es ist nicht mehr an der Zeit, um die Beraubung der Menschenrechte wo auch immer auf der Welt zu betreiben oder zu erleiden; die Menschenrechte sind die Krone des Lebens eines jeden Individuums. Das ist übrigens auch der Sinn, warum es Recht gibt (und man sagt Indonesien sei ein Rechtsstaat), nämlich damit es nicht zur Kollision von Interessen zwischen Individuen mit ihren Rechten als Menschen gibt. <>
 
 

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