Indonesien-Information Nr. 1 2002 (Lexikon)

Jihad, 2.) (zu Doitz: Dschihad)

Von Pipit Kartawidjaja

Olalala.... eine Superpower wird von „Supermie“-Nudelfressern herausgefordert: Der auf Suhartos Wunsch gegründete Höchste Moslemrat (MUI - Majelis Ulama Indonesia) hat Ende September 2001 den U$A mit Jihad (Dschihad) bzw. „Holy War“ gedroht, falls sie mit ihren Guns Afghanistan in Afgha-Nischen verwandeln sollten. Ein Angriff auf Afghanistan werde als Zeichen der Feindschaft gegenüber dem Islam und den Anhängern islamischen Glaubens gewertet, heißt es in einer Erklärung der Ulama. Die MUI war es auch, die zum Beispiel im März 1981 im Namen Gottes eine dubiose Erklärung herausgab, wonach es für Muslime verboten sei, an Weihnachtsfeiern teilzunehmen.

Mit der Erklärung der MUI fühlten sich die Gotteskrieger im Lande natürlich gestärkt. Zwei Tage zuvor zog eine  100 Mann starke Truppe der „Laskar Islam“ alias islamische Krieger als Sweeping-Pioniere mit Motorrädern und offenen Wagen durch die Stadt Solo in Mitteljava. Ihr Ziel waren ein paar Fünf-Sterne Hotels und der Flughafen, denn dort wurden US-Touristen sowie deren Verbündete vermutet, die ihre Sleeping Night in Solo verbrachten.

Sie fanden dort aber keine US-Sleeper oder Verbündete – auch nicht am Flughafen. Als Trost fanden sie nur einen einzigen japanischen Touristen, aus dessen Land US-Kriegschiffe voll beladen mit Guns und Munition in Richtung Af-Gun-Nistan durch indonesische Gewässer unterwegs waren. Und olalala... was machte man mit dem Japaner? Siehe da: die Gotteskrieger und Uncle-Sam-Nachfahren haben das gleiche Schicksal. Die Gotteskrieger fuhren zu ihrem Holy War mit japanischen Motorrädern und Wagen, die Amis benutzen japanische Häfen. Also wurde der japanische Tourist verschont – vielleicht auch deshalb, weil die Kamikaze ein nicht zu unterschätzendes Gegengewicht zum Jihad ist. Um trotzdem ihren Drohungen Nachdruck zu verleihen, hängten die „Islamischen Krieger“ Warnplakate auf: „Wenn Afghanistan gestürmt wird, müssen die Amerikaner und ihre Verbündeten raus aus Solo“.

Osama sei Dank, dass die Sweeping-Operationen nicht konsequent durchgeführt wurden. In den Hotels wurden nur die Gästelisten darauf kontrolliert, ob John oder Pattrick verzeichnet waren. Hätten die Gotteskrieger die Pässe der Hotel-Sleeper kontrolliert, hätten sie vielleicht einige US-Bürger und deren Verbündete finden können. Denn nicht wenige Kinder ehemaliger Regierungsmitglieder und andere Indonesier besitzen die US- bzw. Euro-Staatsbürgerschaft trotz ihrer Namen Joni oder Petruk.
 
Zwar äußerte sich der Vize-Präsident, Hamzah Haz, gegen die Sweepings und WTC-Spektakel, er sagte aber auch: „hoffentlich reinigt diese Tragödie die Sünden der Vereinigten Staaten“. George Pfui-Deibel-You Bush soll in dieser schweren Stunden also erst seinen eigenen Sau-Laden von Sünden reinigen und den Dow-Jones-Index wieder in Ordnung bringen, bevor seine Operation „infinitive justice“ auf Bin Laden zugreift. Hamzah Haz, zugleich Chef der von Suharto gegründeten islamischen Entwicklungspartei PPP, habe nichts gegen eine Verhaftung Osamas. Aaberrrrrrrrrrrrrrrrrrr..., sagte Hamzah Haz, „wenn man Ratten fangen will, muss man nicht gleich das Haus abbrennen“ – ein unglaublicher Vergleich: Osama als eine Ratte. Wie man aber Ratten fangen will, wenn der Hausbesitzer die Ratten nicht herausgeben will, weiß ich als Indonesier nicht, da mein Kopf durch das Getrommel für den „Holy-War“ hohl geworden ist. Nur eins ist klar: eine bekehrte Ratte wird man natürlich verteidigen.
Nachdem die MUI ihre Erklärung abgegeben hatte, haben sich Hunderte indonesische Muslime in kurzer Zeit als freiwillige Soldaten für den Jihad gemeldet. Die Jihad-Krieger waren bereit, nach Afghanistan verlegt zu werden, falls bei der Suche nach   Outlaw Bin Laden die Guns der George Pfui-Deibel-You Bush-Administration-Forces Af-Gun-nistan bedrohen sollten. Die indonesische islamische Jugendbewegung GPII (Gerakan Pemuda Islam Indonesia) beispielsweise hat sogar Jihad-Krieger zum Haus der Ratten geschickt. Die Tageszeitung Jawa Pos vom 30.09.2001 entdeckte in der pakistanischen Stadt Peshawar, die an der Grenze zu Afghanistan liegt, fünf indonesische Jihad-Kämpfer.

Pssst... pssst... nicht weiter sagen, sonst komme ich noch in die Rasterfahndung von eurem Otto. Als ich hörte und sah, dass die WTC Towers mitsamt WC durch die Flugzeuge in Schutt und Asche gelegt worden waren,  habe ich mich instinktiv gefreut – genauso wie viele meiner Landsleute in Berlin. Zu dieser Zeit gehörten wir eigentlich zu den „Sleepern“. Erst als wir von den Opfern erfuhren (darunter sollten auch einige Indonesier sein), korrigierten wir unsere Meinung ein bisschen ab: „Ach, wenn das Ziel nur das Pentagon wäre und die Tat ohne Beteiligung der unschuldigen Passagiere begangen worden wäre“. Ich gehörte nicht zu den Jihad-Kriegern, aber mein Instinkt war gegen die Amerikaner. Die „heimliche“ Freude entstand durch unseren Minderwertigkeitskomplex. Bitte versteht doch, zum ersten Mal konnte eine Supermacht, die überall als Polizist auftritt, die immer auf der Gewinnerseite stand und sich öfter mal in unser politisches Leben einmischte, durch List und Tücke verwundet werden. Wäre mein Kopf von einer entsprechender Ideologie und meine Seele von Fanatismus vollgestopft gewesen, wäre auch ich ein Jihad-Krieger geworden.

Welch eine Energie besitzen diese Jihad-Krieger. Selbst nur mit Super-Mie Nudelsuppe im Bauch sind sie entschlossen, gegen die hochgerüstete und mit T-Bone-Steaks vollgestopften infinitive-justice Super-Power-Elitetruppen zu kämpfen. Selbst der mächtige amerikanische Öl- und Erdgasmulti Exxon und die ebenfalls     amerikanische Goldmine Freeport spürten den ungebrochenen Willen der Jihad-Krieger. Durch den Holy War verwandelte sich das bei US-Touristen für seine hospitality bekannte Land Indonesien zur Hölle. Sie fühlten sich bedroht. Viele brachen ihren holiday ab und verließen das Land, bevor sie ins Hospital eingeliefert werden mussten. Die in der Regel zu 60-70 Prozent besetzten Hotels auf Bali waren wegen der Vorfälle auf Java plötzlich nur noch zu 30 Prozent besetzt. Geblieben sind nur die echten US-Patrioten: McDonald´s, Kentucky Fried Chicken, Pizza Hut und die US-Filme. Prompt wurde ein Rückgang der US-Dollar-Einnahmen vermeldet, der ein weiteres Loch in der Staatskasse entstehen ließ.

Jihad ist bei uns ein Phänomen besonderer Art. In den traditionellen Wayang-Erzählungen (Schattenspiel) auf Java findet man diese Art des Kampfes nicht. Ich habe tagelang meine Wayang-Comics durchgeblättert, und habe nichts gefunden. Jihad ist offensichtlich ein anderes Produkt, das nicht in die Wayang-Erzählungen passt. Dort heißt es immer, man solle sich doch als „Ksatria“, als „edler Mann“ (leider müssen die Weiber draußen bleiben!), als „gentleman“ verhalten, auch noch im Kampf gegen seine Feinde. Jihad-Taten sind daher nur schwer mit diesem Verhaltenskodex in Einklang zu bringen.

Über Jihad-Krieger hörte man in Indonesien zum ersten Mal im Jahre 1994 – noch unter Suharto –, als Slobodan Milosevic und Co. in Sequester-Manier den Muslimen in Bosnien den Boden heiß gemacht hatte. Zu dieser Zeit war Jihad eine Delikatesse. Aber jetzt?

Nach Suhartos Sturz und seit den Unruhen auf den Molukken trat eine neue Gruppe mit dem Namen Laskar Jihad (Jihad-Soldaten) an die Öffentlichkeit, die zum Heiligen Krieg gegen die Christen auf den Molukken aufrief. Seitdem hört man von vielen islamischen Organisationen, die sich als Jihad-Krieger bezeichnen. Sie treten aber nicht als Partei an, die an Wahlen teilnimmt. An den Mautstellen der Autobahn um Jakarta herum sammeln junge Männer in weiten Gewändern Geld für die Laskar Jihad.  Aufgrund der Vielzahl von Jihad-Organisationen ist die Delikatesse zum Eintopf geworden.

Sie tauchen auf immer auf, um Recht und Ordnung in ihrem Sinne durchzusetzen. Die Sweepings in den großen Städten richteten sich gegen die sündhaften Vergnügungsviertel und westliche Elemente. Puffs, Cafes, Pubs, Glückspielhallen und Diskotheken wurden Opfer von Razzien der islamischen Jugendfront FPI (Front Pemuda Islam). In Solo wurde im Dezember 2000 der bekannte Vergnügungspark Taman Sriwedari von 500 mit Schwertern bewaffneten Jihad-Truppen in eine Hölle verwandelt. In Subang, West-Java, drangen Jihad-Soldaten in die sündhaften Gemächer von Prostituierten und schnitten ihnen vor der Öffentlichkeit mit dem Schwert die Haare ab – die Männer aber blieben verschont, vielleicht weil sie immerhin Kondome benutzt hatten. Im Namen des Jihad wurden auch Bücherverbrennungen und Sweepings gegen Geschäfte, die linke Bücher im Angebot hatten, durchgeführt. Die spektakulärste Aktion – weil so etwas in Indonesien zum ersten Mal passierte – war Ende März 2001 in Ambon die Exekution der Todesstrafe durch Steinigung gegen ein Mitglied der Laskar Jihad selbst. Der Beschuldigte, Vater von drei Kindern, wurde auf frischer Tat erwischt, als er statt sich mit den Kindern Marias zu bekriegen, nicht ordnungsgemäß mit einer fremden Frau verkehrte.

Da die Wege des Herrn unergründlich sind, wurde auch eine Sporthalle zum Opfer des Heiligen Krieges, weil die Gotteskrieger fest davon überzeugt waren, dort müsse ein Glückspielhalle gewesen sein. Gegen ein Restaurant in Jakarta und seine Gäste wurde im Dezember 2000 eine Sweeping-Operation der Front Hizbullah (Hisbollah) durchgeführt. Nach Ende der Holy-Wirrwaraktion sahen sich viele Gäste um ihre Geldbeutel und Handphones erleichtert. Man konnte nicht feststellen, ob die Diebe sich mit weiten Gewändern wie zum Halloween-Fest verkleidet unter die Heiligen Krieger gemischt hatten, um die gute Gelegenheit auszunutzen.

Die Gotteskrieger fühlen sich stark, wenn sie in der Mehrheit und die Feinde schwach sind: z.B. gegen Minderheiten wie Christen oder ausländische Bürger. Da die Wege des Herrn unergründlich sind, rufen die Jihad-Krieger aber nicht zum Heiligen Krieg für Aceh auf, obwohl sie wissen, dass ihre Glaubensbrüder und -schwestern dort willkürlich gefoltert und ermordet werden. Die Jihad-Krieger waren auch nicht zur Stelle, als die Maduresen, die überwiegend Muslime sind, von eingeborenen Dayak auf Borneo abgeschlachtet bzw. von der Insel verjagt wurden. Ein Einsatz der Jihad-Krieger auf Borneo will gut überlegt sein. Zu erwarten stünde ihnen möglicherweise ein ‚herzlicher’ Empfang, da diese Eingeborenen gierig nach Schädeln ihrer Feinde sein sollen, die sie als kraftspendende Beutestücke betrachten. Im Jihad zu sterben ist o.k., aber es muss vorschriftsmäßig sein. Verwaltungsvorschriften über Leichen ohne Schädel sind in diesem Glauben nicht geregelt.
 
Indonesiens höchster Moslemrat (MUI) rief seinerzeit auch nicht zum Jihad gegen die Ungerechtigkeit auf, mit der Suharto die Muslime in Indonesien behandelte, obwohl der Rat selbstverständlich darum wusste, dass Jihad auch die Aufforderung bedeutet, nach dem Weg Gottes zu trachten und beispielsweise gegen Ungerechtigkeit und Willkürherrschaft zu kämpfen. Ebenso wenig war die Stimme der indonesischen Jihad-Krieger zu vernehmen, als im August 1998 bekannt wurde, dass die Taliban im afghanischen Masar-i-Scharif mehrere Tausend Schiiten sowie neun iranische Diplomaten ermordet hatten.

Der Jihad wird offensichtlich nur dann ausgerufen, wenn Ungerechtigkeit und Willkürherrschaft von Nicht-Muslimen begangen wurden – es sei den, es handelt sich dabei um Kopfjäger. Für die Jihad-Krieger gibt es nur eine vereinfachte Welt, Islam und Nicht-Islam bzw. Westen und Nicht-Westen – genauso wie für George Pfui-Deibel-You Bush, wenn er von evil und good und öfter mal von goods spricht. Ich habe das Gefühl, Jihad-Krieger bekämpfen nur die Wirkung einer Entwicklung. Sie vermeiden den offenen Kampf gegen die Ursache dieser Entwicklung, machen sich den Kampf einfach und meiden die Konfrontationen innerhalb des eigenen Lagers.

Der Fanatismus führt auch dazu, dass im Namen nach dem Prinzip der Sippenhaft gehandelt wird. So werden alle Blondinen blindlings mit Ungläubigen gleichgesetzt und alle begangene Ungerechtigkeit der eigenen Sippe wird absichtlich übersehen. Statt die Ratten aus dem Haus zu verjagen, verteidigt man das Haus, in dem die Ratten versteckt sind, obwohl man genau gewusst hat, dass die Rattenfänger das Haus stürmen werden. Nachdem die Fronten dadurch undurchsichtiger geworden sind, sieht  man sich dann veranlasst, den Jihad auszurufen. Mein Instinkt sagt mir, dass dieser Fanatismus nur die Minderwertigkeitskomplexe gegenüber der Übermacht und der Überlegenheit der Ungläubigen zu verdecken sucht. Daher rührt auch die Rechtfertigung, dass die Amis als Supermacht arrogant seien – während gleichzeitig     übersehen wird, dass unsere sozial und politisch starken Landsleute sich gegenüber den sozial und politisch schwächeren Brüdern und Schwestern genauso wie die Amis verhalten. Ein Krieg gegen die Ungläubigen ist ein gefundenes Fressen in Zeiten, wo Arbeitsplätze und Beschäftigungsmöglichkeiten bei uns Mangelware sind und die Mehrheit sich ohnmächtig gegenüber den Mächtigen unter den Gläubigen fühlt. Der Holy War verspricht seinen Teilnehmern ein Leben in der Hölle zu ersparen.

Aber trotz dieser Blindheit bin ich als Indonesier froh. Denn unsere Jihad-Krieger bestehen doch aus rein indonesischem und nicht von westlichen Einflüssen verseuchtem Fleisch und Blut. In Jakarta beispielsweise waren die Jihad-Forces gnädig und zeigten hospitality. Sie hörten mit ihren Sweepings in den Vergnügungsvierteln auf und niemand musste ins Hospital geschickt werden. Die Wege des Herrn sind doch unergründlich. Aber ist das nicht geil? <>  
 

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