Indonesien-Information Nr. 1 2002 (Lexikon)

Jihad, 1.)

Von Wolfram Lorenz

Jihad - ein Begriff, der im Zusammenhang mit Indonesien am häufigsten in Verbindung mit dem gewaltsamen Konflikt auf den Molukken in Erscheinung trat. Eine fanatisches  muslimisches Freiwilligenheer mit dem Namen „Laskar Jihad“, kämpft seit nunmehr fast zwei Jahren gegen die Christen der Molukken. Doch was steckt eigentlich hinter dem Begriff „Jihad“, der so oft mit „Heiligem Krieg“ in Verbindung gebracht wird und welche Bedeutung hat das Auftauchen von „Heiligen Kriegern“ in Indonesien?

Am nächsten kommt die Übersetzung mit Begriffen wie „bemühen“, „streben“ oder „ringen“. Gemeint ist die Aufrechterhaltung des Glaubens und des Lebenswandels in Übereinstimmung mit dem Islam /The Hutchinson Dictionary of Ideas, Helicon Publishing Ltd 1994/. Dieses Ringen kann in drei verschiedene Formen unterschieden werden. Erstens hat der Jihad eine Richtung. Er ist in erster Linie nach innen gerichtet, auf die eigene Persönlichkeit. Dieser „Innere Jihad“ bezeichnet das eigene Streben um die inneren Übel zu überwinden, um Kontinuität und Ausdauer auf dem Weg zu einer höheren Moral zu erreichen. Das Streben nach der Befreiung von Übeln innerhalb der islamischen Gemeinschaft, der „ummah“, wird auch als „Äußerer Jihad“ bezeichnet. Zweitens meint Jihad „Kampf“ und zwar den Kampf gegen das Übel an sich, einmal in Form des „Großen Jihad“ gegen das innere Übel und andererseits als „Kleiner Jihad“ gegen das äußere Übel. Drittens kann der Jihad in zwei Formen ausgetragen werden, sowohl mit friedlichen Mitteln, als auch mit Mitteln der Gewalt. Dabei ist das Mittel Gewalt durch den Koran selbst streng reglementiert und darf nur im äußersten Fall angewendet werden, wenn keine andere Lösung mehr möglich ist. Auch Aggression ist im Koran klar und deutlich verboten und der Gläubige ist erst dann aufgefordert mit Mitteln der Gewalt zu kämpfen, wenn er selbst angegriffen wurde /siehe Sure 2:190 oder 49:9/. Doch auch dann darf er nur gegen denjenigen kämpfen, der ihn angegriffen hat. Ebenso ist eine gewaltsame Verbreitung des Islam verboten. Diese Auffassung wird von einer Reihe von intellektuellen Islamisten vertreten (siehe: www.moslem.org/jihad.htm; www.muslim.org/islam/jihad.htm).

Doch die populäre Übersetzung von Jihad als „Heiliger Krieg“  findet nun seinen Niederschlag sogar in modernen Nachschlagewerken und hat die ursprüngliche Bedeutung als Selbstdisziplinierung verdrängt. Webster's Third New International Dictionary bedient die populistische Interpretation: Jihad is „a holy war waged on behalf of Islam as a religious duty; broadly: a bitter strife or crusade undertaken in the spirit of a holy war“. Das Große Indonesische Wörterbuch gibt sicherheitshalber gleich drei verschiedene Interpretationen von Jihad an:
1.: usaha dengan segala daya upaya untuk mencapai kebaikan (Bemühung mit aller Kraft um Tugendhaftigkeit)
2.: usaha sungguh-sungguh membela Islam dengan mengkorbankan harta benda, jiwa dan raga (die wahrhaftige Verteidigung des Islam auf Kosten von Besitz, Leib und Seele) und
3.: perang suci melawan orang kafir untuk mempertahankan Islam (Heiliger Krieg gegen Ungläubige um den Islam aufrechtzuerhalten) /Kamus Besar Bahasa Indonesia, Balai Pustaka 1991/.

Wenn gegenwärtige Interpretationen des Begriffs „Jihad“ die gewaltsame Komponente betonen, verwundert das nicht, angesichts der Schlagzeilen die „Jihad“ immer wieder macht. So zum Beispiel in Indonesien im Zusammenhang mit den Molukken. Im Januar 2000 versammelten sich radikale Muslime am Nationalen Monument mitten in Jakarta um lautstark zum „Heiligen Krieg“ gegen die Christen auf Ambon (Molukken) aufzurufen. Die dort versammelten Muslime stammen überwiegend aus einer neo-wahhabitischen Bewegung, die sich unter anderem die Gründung eines islamischen Staates zum Ziel gesetzt haben. Der Gründer und Geistige Vater der auf den Molukken den „Heiligen Krieg“ führenden Laskar Jihad, Ja'far Umar Thalib, der schon in den 70er Jahren in Yogyakarta das Islam Forum Ahlu Sunnah wal Jamaah gründete, kommt auch aus dieser neo-wahhabitischen Bewegung. Ja'far Umar Thalib hat die Lehren islamischer Sekten in Saudi Arabien studiert und kämpfte eine Zeit lang in den Reihen der afghanischen Taliban /SiaR, 28.01.2000; G.J. Aditjondro - Notes on the Jihad Forces in Maluku, apakabar.net 05.10.2000/.

Die Laskar Jihad verstehen sich als freiwillige „Heilige Krieger“, die auf den Molukken gegen die Christen kämpfen, weil diese angeblich den Islam dort beseitigen und einen Christlichen Molukkenstaat (RMS - Republik Maluku Serani, außerhalb des Laskar-Jihad-Sprachgebrauchs steht S nicht für Serani [christlich], sondern für Selatan [Süden]) errichten wollen. Die Laskar Jihad organisieren von Java aus den Kampf gegen Christen auf den Molukken. Sie rekrutieren Freiwillige aus allen Teilen des Landes, sammeln Gelder für Waffen, Training, den Transport und den Unterhalt des inzwischen auf mehrere Tausend Kämpfer gewachsene Freiwilligenheeres auf den Molukken.

Die Kämpfer wurden in einem Camp in der Nähe von Bogor, West-Java, militärisch ausgebildet. Dieses Camp befindet sich auf dem Land einer Stiftung namens Al-Irsyad, die eine Reihe von Pesantren (islamischen Schulen) im ganzen Land unterhält und überwiegend von indonesischen Unternehmern arabischer Abstammung finanziert wird /siehe ebenda; BBC - Who are the Laskar Jihad?, apakabar.net, 20.06.2000/. Ein großer Teil der Gelder und starke politische Unterstützung der Laskar Jihad kommt von hochrangigen Politikern und Militärs aus dem Dunstkreis Suhartos, die unter der Neuen Ordnung groß geworden sind und sich seit dem politischen Wechsel in Jakarta auf andere Weise Macht und Einfluss verschaffen wollen. Sie bemühen dazu ihre engen wirtschaftlichen und geistigen Verbindungen mit arabischen Muslimen. Die Instrumentalisierung religiöser Institutionen hat sich spätestens seit 1990 mit der Gründung der elitären und auf höchster Ebene angesiedelten Organisation Muslimischer Intellektueller (ICMI) als sehr erfolgreich erwiesen. Mit der Entsendung von Jihad-Kämpfern wurde ein neues Kapitel indonesischer Geschichte aufgeschlagen. Dadurch, dass es die Regierung verpasst hat, die Aktivitäten der Laskar Jihad zu unterbinden, hat der Islam arabischer Prägung eine für die weitere Entwicklung Indonesiens folgenschwere Dimension angenommen. Indonesien steht mit 210 Mio Einwohnern an der vierten Stelle der bevölkerungsreichsten Länder der Erde und ist mit 87,2% sich formal zum Islam bekennenden Muslimen sogar das Land mit den meisten Muslimen. Das vormals säkulare Land ist dabei sich immer stärker auch politisch am Islam auszurichten. Der Ruf nach der Etablierung der Scharia, dem islamischen Gesetz, wird immer lauter und wir werden es erleben, dass in den anstehenden Reformen von Gesetzen in Indonesien eben diese Scharia häufig Pate stehen wird. <>  
 

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