Indonesien-Information - Dezember 1993 (ArbeiterInnen)

Die Mörder von Marsinah existieren doch

Fünf Monate rührte sich fast nichts. Erst jetzt - kurz vor dem Besuch einer amerikanischen Delegation - wurden die Mörder der Arbeiterin Marsinah plötzlich doch gefunden.

Der Mord an Marsinah, einer jungen Arbeiterin, die sich lautstark für die Rechte ihrer KollegInnen eingesetzt hatte (s. Indonesien-Information, September 1993), ist scheinbar geklärt. Sechs MitarbeiterInnen der Firma PT Catur Putra Surya in Porong (Ost-Java) wurden von der Polizei verhaftet. Unter ihnen befinden sich zwei Direktoren, die Personalabteilungsleiterin und der Produktionsabteilungsleiter. Bei zwei weiteren Personen handelt es sich um den Leiter der Kontrollabteilung und den Werkschutzleiter (Kepala Satpam).

Marsinah war am 5. Mai dieses Jahres verschwunden und vier Tage später tot aufgefunden worden. Man entdeckte ihre Leiche nahe ihrer Heimatstadt, 200 Kilometer von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Offensichtlich war sie vor ihrem Tod schwer mißhandelt und vergewaltigt worden. Man vermutet, daß sie sterben mußte, weil sie sich 'zu laut' für die Rechte ihrer KollegInnen eingesetzt hatte. Daraufhin wurde ein "Solidaritätskommittee für Marsinah" (Komite Solidaritas untuk Marsinah) von 27 Nichtregierungsorganisationen (NRO) gegründet, das eine rasche Aufklärung des Falles forderte. Außerdem brachte das Kommittee Marsinahs Fall während der Menschenrechtskonferenz in Wien zur Sprache.

Mitte August wollten unter anderen das Solidaritätskommittee und das Kulturgremium Surabaya (Dewan Kesenian Surabaya) eine Ausstellung mit Kunstwerken zum Tod von Marsinah veranstalten. Die Ausstellung wurde jedoch von der Polizei mit der Begründung verboten, daß die Veranstalter über keine Genehmigung verfügten.

Mysteriös ist, daß die sechs des Mordes Verdächtigen zuvor von einer "Gruppe Unbekannter" verschleppt worden waren. Am 1. Oktober hatten diese "Unbekannten", die als "kurzhaarig" und "mit Funkgeräten ausgerüstet" beschrieben wurden, die sechs Verdächtigen entführt /Tempo 30.10.93/. Sie waren aus Jakarta gekommen, nachdem auch in der ausländischen Presse die Forderungen der NROs nach einer Untersuchung des Falls Marsinah veröffentlicht worden waren.

Die Personalabteilungsleiterin wurde an den Haaren aus ihrem Büro gezerrt, geschlagen und in einen Wagen gestoßen. Den Produktionsabteilungsleiter schlug man mit einer Pistole /Tempo, 16.10.93/. 18 Tage später wurden sie der Polizei übergeben /Tempo, 30.10.93/. Auch in Polizeigewahrsam wurden die sechs Verdächtigen mißhandelt. Nach Mißhandlungen mit Elektroschocks gestanden sie, an der Ermordung Marsinahs beteiligt gewesen zu sein. Der Direktor Yudi Sasonto berichtete seinem Anwalt, daß er während des Verhörs mit Elektroschocks gefoltert wurde und man ihn gezwungen hatte, den dreckigen Boden zu lecken. "Das ist der Grund für sein Geständnis", erklärte der Anwalt. Er glaube nicht an die Schuld seines Mandanten, weil dieser zur Zeit des Mordes in seinem Büro war. Er vermute, daß die Verhaftung politisch motiviert war.

"Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Verhaftung und der Ankunft der amerikanischen GSP-Delegation", sagte er.

(Anmerkung: Die USA erheben den schweren Vorwurf gegen das Suharto-Regime, daß durch massive Beschränkungen der Gewerkschaften die Preise indonesischer Produkte gedrückt werden und dadurch in den USA konkurrenzfähig blieben. Wenn in Indonesien keine freien Gewerkschaften zugelassen werden, wollen die USA die niedrigen Einfuhrzölle für indonesische Waren GSP; Generalized System of Preferences streichen).

"Marsinahs Name ist durch die Wiener Konferenz zu einem Begriff geworden. Nicht verwunderlich also, wenn die amerikanische Delegation sich darum bemühte, Informationen über Marsinah zu sammeln", schrieb der Menschenrechtsanwalt Mulya Lubis, ehemaliger Chef von LBH /Tempo, 30.10.1993/.

Die Eile, mit der nach fünfmonatigem Bemühen, Marsinahs Ermordung zu vertuschen, jetzt plötzlich der Fall "gelöst" wurde, läßt Beobachter darin den Versuch sehen, Indonesiens Ruf als Menschenrechtsverletzer zu revidieren. Anlaß dafür war die Wirtschaftskonferenz des Pazifikraums APEC Ende November in Seattle, USA.

Man vermutet, daß das Militär selbst hinter der Ermordung Marsinahs stand. Denn, "wenn eine Firma solche Taten unternimmt, braucht sie dessen Rückendeckung". Aus diesem Grund sucht man nach "anderen" Verdächtigen. <>

   
 
 
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