Indonesien-Information - Dezember 1993 (Studenten)

Demonstrationen gegen Lotto

Demonstrationen mit hunderten und tausenden TeilnehmerInnen überziehen derzeit Indonesien. Sie richten sich gegen das Lottospiel SDSB (Sumbangan Dana Dermawan Berhadiah; Soziale Spende mit Gewinn), das von islamischen Gruppen als verbotenes Glücksspiel angesehen wird, aber auch von seiten nicht-islamischer Gruppen unter Beschuß geriet, da vor allem ärmere Leute in der Hoffnung auf das große Los viel Geld ausgeben, das ihnen dann an anderer Stelle fehlt. Schon vor längerer Zeit sah sich Suharto genötigt, klarzustellen, daß es sich beim indonesischen Lotto eigentlich nicht um ein Glücksspiel, sondern um eine humanitäre Aktion handele. Die Gewinnmöglichkeit im Lotto sei nur ein Mittel zum Zweck, die Spende für eine gute Sache attraktiver zu machen.

Zu den Demonstrationen, die in Bandung begannen, hatte die islamische Jugend- und Studentenorganisation Pemuda dan Mahasiswa Islam Bandung aufgerufen. Der Höhepunkt war ein ein Kilometer langer Demonstrationszug Ende Oktober mit über 10.000 Leuten. Die DemonstrantInnen versuchten mit dem Gouvernour zu sprechen, was ihnen aber nicht gelang, obwohl sie hartnäckig zwei Stunden lang mit den Sicherheitskräften darum verhandelt hatten. Ein Zusammenstoß mit dem Militär war nicht zu vermeiden, als sich die Massen dem Gouverneurssitz näherten /Tempo, 30.10.93/. Es gab zehn Verletzte. Die DemonstrantInnen überfüllten die Hauptstraßen, zerstörten Lottokioske und verbrannten Lottoscheine. Die Aktion wurde von über zehntausend AnhängerInnen islamischer Gruppen in Cirebon, West Java, unterstützt.

Da der Dialog mit dem Gouverneur West-Javas nicht zustande gekommen war, gingen hunderte von DemonstrantInnen im Namen von StudentInnen aus Bandung, Jakarta, Cirebon, Cianjur, Yogyakarta und Malang direkt zum Bundesparlament (DPR Pusat) in Jakarta. Dort forderteten sie neben der Aufhebung des Lottospieles auch die Abdankung der Sozialministerin Inten Suweno.

Interessant an den Demonstrationen in Jakarta war, daß auch nichtislamische StudentInnen daran teilnahmen, so beispielsweise christliche StudentInnen von der Universität Salatiga und der Hochschule für Theologie in Ujung Pandang sowie buddhistische StudentInnen. Auch Sritua Arief - nicht unbedingt die Stimme der Moslems - übt scharfe Kritik am Lottospiel. Gegenüber Watch Indonesia erklärte er, daß das Lottospiel eine Art Geldtransfer von den Armen zu den Reichen sei. Denn die Armen seien dem Lottospiel tief verfallen.

Bis Mitte November fanden Demonstrationen in 21 Städten statt - auch vor dem Palast von General Haji Muhammad Suharto. Auch 13 staatliche Universitäten in Java haben ihre StudentInnen mobilisiert. Außerhalb Javas haben sich nur 7 staatliche Universitäten beteiligt. An den Aktionen nahmen auch Universitäten teil, an denen es bislang keine Demonstrationstradition gab - so die Unis in Palembang, Lampung, Palu, Bangkalan, Banjarmasin und Purwokerto. In Städten, in denen es keine Universitäten gibt, demonstrierten die Schüler. Die Hochschulen für islamische Religion (Institut Agama Islam Negeri) machten in der Regel ebenfalls mit. Aus Kreisen der größten islamischen Organisation Nadhatul Ulama (NU) sollen sich kleinere Pesantren (Islamschulen) an den Demonstrationen beteiligt haben. Die größeren Pesantren warteten derweil auf ein Kommando des NU-Vorsitzenden Abdurrachman Wahid /Radio Niederlande, 18.11.93/.

Die Aktionen liefen auch im November weiter, obwohl der Militärkommandant von Jakarta, Generalmajor Hendropriyono bereits im Oktober mit härteren Maßnahmen gedroht hatte. Die Demonstrationen seien nicht mehr echt, sagte er, sondern würden von dalangs (Marionettenspielern) gesteuert /Radio Niederlande, Hilversum, 18.11.93/. Nicht nur der Militärkommandant von Jakarta drohte den DemonstrantInnen. Der Minister für Staatsangelegenheiten General Moerdiono überlegte, ob die Regierung die Elitesoldaten der 'Kopasus' schicken sollte /Radio Hilversum, 18.11.93/.

Die Versuche der Regierung, die Lotto-Gegner zu beruhigen, waren gescheitert. Nach zwei Treffen mit General Suharto behaupteten die Sozialministerin und der Generalstaatsanwalt, daß Lottospiel kein Judi (Wette; im Islam verboten), sondern eine Spende mit einem Geschenk als Gegenleistung sei. Mit dem Lottospiel verhalte es sich ähnlich wie mit Schweinefleisch. Man darf anraten, kein Schweinefleisch zu essen, weil das im Islam verboten (haram) ist, aber deswegen sollten nicht die Schweine getötet werden. Wegen dieser Erklärung schoß der islamische Gelehrte Kiayi Haji Hasan Basri scharf zurück: "Lottospiel ist keine Spende und auch nicht vergleichbar mit Schweinen!" /Tempo, 30.10.1993/

Offensichtlich stellen die Lotto-Gegner eine Bedrohung für den Staatsapparat und das Militär dar. Der Umsatz durch den Verkauf von Lottoscheinen an die Armen steigt stetig. In diesem Jahr belief der Umsatz schon 162,5 Milliarden Rupiah (ca. 135 mio DM). Im Jahre 1992 waren es noch 150 Milliarden Rupiah und 1991 nur 130 Milliarden Rupiah /Tempo, 30.10.93/. Durch die Demonstrationen der letzten 6 Wochen sind die Umsätze drastisch gesunken - bis zu 50 % /Radio Hilversum, 18.11.93/.

Es ist kein Geheimnis, daß u.a. das Militär und Präsident Suharto einen Gewinnanteil an den Lotterieerlösen bekommen. Dennoch wich Suharto zuletzt dem Druck der Straße und setzte die Lotterie aus. <>

      
 
 
Zurück zur Hauptseite Watch Indonesia! e.V. Back to Mainpage