Indonesien-Information - Dezember 1993 (Demokratie)

Stellt Suharto vor Gericht!

Eine Demonstration von 200 Menschen, darunter auch Frauen, Alte und Kinder, vor dem Parlamentsgebäude in Jakarta wurde am 14. Dezember von Sicherheitskräften mit brutaler Gewalt beendet. Es kam zu mehr als 20 Verhaftungen, die genaue Zahl ist zur Zeit noch unsicher.

Der Protest, der einer ähnlichen Aktion am Vortag vor dem Innenministerium folgte, richtete sich in erster Linie gegen Präsident Suharto persönlich. In Sprechchören und auf Transparenten klagten die DemonstrantInnen ihn wegen einer Vielzahl von Delikten an. Er wird verantwortlich gemacht für eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen, unter anderem in Zusammenhang mit dem geplanten Nipah-Staudamm, dem Golf- und real estate-Komplex Rancamaya, der Gruppe Haur Koneng und der Militärherrschaft in Aceh und Ost-Timor (s. Berichte zu allen genannten Themen in diesem Heft). Auch die Ermordung der Arbeiteraktivistin Marsinah und die Einmischung in die Wahl des PDI-Parteivorstands wurden zu Anklagepunkten gegen Suharto. Ein zusammenfassendes Motto der Demonstration hätte heißen können: "Es reicht". Die DemonstrantInnen forderten daher, Suharto abzusetzen und ihn für seine Vergehen vor Gericht zu stellen.

Es gelang den DemonstrantInnen bis in die Lobby des Parlamentsgebäudes vorzudringen. Einige Leute versuchten Parlamentspräsident Wahono zu einem Gespräch zu bewegen. Wahono sagte zu, vertröstete die Menge aber zunächst auf drei Stunden später. Die DemonstrantInnen versuchten sich die Wartezeit so gut wie möglich zu verkürzen. Es kam zu spontanen Aufführungen von Theaterstücken, Gedichten und Liedern, die alle gespickt waren von Kritik an der Regierung. INTEL-Agenten beobachteten die seltene Darbietung in den heiligen Hallen des Parlaments zunächst ebenfalls abwartend.

Kurz bevor das Gespräch mit Wahono stattfinden sollte, stürmten Militärs das Gebäude. Die Menge verhielt sich ruhig und versuchte den Gummiknüppeln, Stößen und Tritten der Soldaten standzuhalten - vergeblich. Wie Watch Indonesia von Informanten aus Jakarta erfuhr, sollen die Einsatzkräfte zuvor unter Drogen gesetzt worden sein, um ihre Hemmungen zu verlieren. Sie knüppelten auf alles was ihnen im Weg war, ohne Rücksicht auf Frauen und Kinder. Mehr als 20 Leute wurden festgenommen und an einen bislang unbekannten Ort abtransportiert.

Nachdem in den letzten Wochen zahlreiche Demonstrationen in verschiedenen Städten Indonesiens stattgefunden haben, die sich auch nach Aussage von Regierung und Militär in akzeptablen Grenzen bewegt haben, überrascht die brutale Überreaktion des Militärs, die in diesem Fall zu vermerken war. Äußerungen von offizieller Seite klingen nun wieder wesentlich bedenklicher. Generalmajor Hendropriyono, Oberkommandierender der Streitkräfte in Jakarta, erklärte, er werde keine weiteren Demonstrationen dulden, insbesondere nicht solche, die gegen das indonesische Staatsoberhaupt gerichtet seien. Auch der Oberkommandierende des Heeres, General Faisal Tanjung, sagte in einer Parlamentssitzung, das Militär müsse die zunehmenden gegen die Regierung gerichteten Proteste stoppen, "damit sie nicht die nationale Entwicklung stören." /UPI, 16.12.1993/ Es würde nun eine Qualität erreicht, "die nah an der Grenze unserer politischen Kultur liegt." Es sei notwendig, eine gesetzliche Regelung für Demonstrationen zu schaffen, wie es sie auch in anderen Ländern gebe /Jakarta Post, 15.12.1993/.

Ob Herr Tanjung bei diesem Blick über die Staatsgrenzen eher an eine wie in Deutschland verfassungsmäßig verankerte Demonstrationsfreiheit oder an das ebenfalls deutsche Demonstrations-"Straf"recht denkt? <>
 
 
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