Indonesien-Information Dez. 1992 (Osttimor)

 

Ost-Timors neuer Gouverneur: „Zu wenig Tote“


Das politische Klima in Ost-Timor verschlechtert sich weiter. Die Amtszeit des bisherigen zivilen Gouverneurs Mario Carrascalao, ging im September zu Ende. Vertreter der Militärs, die sich aus ehemaligen Mitgliedern des Geheimdienstes APODETI rekrutieren, wurden bei Präsident Suharto vorstellig, um die Ablösung Carrascalaos zum Ende seiner Amtszeit einzufordern. Ost-Timors Golkar-Vorsitzender Guilherme dos Santos führte ebenfalls eine Delegation zu Suharto, um für den Fortbestand einer Zivil-Regierung in Ost-Timor zu sprechen. Er wurde inzwischen zum einfachen Abgeordneten des Provinzparlaments degradiert, während der Hardliner Abilio Jose Osorio Soares zum Gouverneur ernannt wurde. Am 29. Oktober gab Osorio der Zeitschrift Forum Keadilan ein Interview am Rande der Konstituierung des neugewählten Parlaments in Jakarta. Die markigen Sprüche Osorios lassen aufhorchen. Unter anderem äußerte er, es wäre besser gewesen, noch mehr Leute wären am 12. November letzten Jahres in Dili erschossen worden. Angesichts solcher Äußerungen erscheint Osorios Amtsvorgänger Carrascalao im Nachhinein fast wie ein Friedensengel. Carrascalao beklagte oft seine Machtlosigkeit und ging auf vorsichtige Distanz zum Militär.

Im Folgenden Auszüge des Interviews mit Osorio Soares:

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Forum Keadilan: Ist es wahr, daß der Grund für die Vorkommnisse am 12. November der Mangel an Jobs für die jüngere Generation war?

Osorio Soares: Es gibt Mittel und Wege, so etwas zu fordern. Sie können selbst sehen, daß der Vorfall von bestimmten Elementen koordiniert wurde. Sie taten es nur, weil die Menschenrechtskommission und ausländische Journalisten gekommen waren. Die Absicht war etwas anderes, nicht die Forderung nach Jobs.

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Was suchen Schüler auf einer Demonstration?

FK: Es wird gesagt, daß seit Ost-Timor 1988 geöffnet wurde, die lokale Bevölkerung von Neuankömmlingen zur Seite gedrängt werden.

OS: Das ist sicherlich wahr. Es ist wahr, daß die Straßenverkäufer aus Java stammen. Die Stände werden von Javanern geführt. Die Timoresen wollen nicht dasselbe tun, was andere Leute machen. Ha..ha..ha.. ...

FK: Was also möchten die jungen Leute dort tun?

OS: Sie gehen noch zur Schule, also was suchen sie auf einer Demonstration? Das waren nicht Leute auf der Suche nach Jobs, sondern Schulkinder, die Ärger machten. Wenn es eine Demonstration von Leuten, die Jobs wollen, gewesen wäre, hätten wir das akzeptiert. Aber wie soll man denen Jobs geben, wenn sie noch zur Schule gehen?

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FK: Also ist es die Erziehung, die schuld ist?

OS: Nein, sie wurden von anderen manipuliert, während wir untätig waren. Es gab keinerlei Orientierung, Führung oder was auch immer für die jüngere Generation. Wir haben viele Bereiche aufgebaut, aber wir haben nichts getan, um die jüngere Generation anzuleiten.

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Suharto verehrt wie Jesus

FK: Wie ist Ihre Einstellung gegenüber Präsident Suharto?

OS: Er wurde zum „Vater der Entwicklung“ ernannt. Aber für mich ist das nicht der Punkt in Ost-Timor. Für uns ist er der „Vater der Integration“. Ich habe im DPRD (Parlamentskammer der regionalen Vertreter) die Initiative übernommen, ihm diesen Titel zu verleihen.

FK: Sehen die Menschen in Ost-Timor das auch so?

OS: Ich habe einmal Dorfbewohnern ein Foto von Suharto und seiner Frau Ibu Tien gezeigt. Sie betrachteten es mit dem selben Respekt, mit dem sie ein Foto von Jesus betrachteten. (wahrscheinlich ist APODETI der einzige Geheimdienst, der solche Fotos besitzt, d. säzzer)

Weit mehr hätten sterben sollen. Warum nicht alle tausend?

FK: Was war die Folge des Vorfalls vom 12. November für die Menschen in Ost-Timor?

OS: Dili hat 120.000 Einwohner. Wieviele waren in die Demonstration verwickelt?

FK: Ungefähr tausend.

OS: Tausend. Und wieviele starben?

FK: Hundert.

OS: Hundert oder mehr. Lassen Sie uns sagen zweihundert. Welcher Prozentsatz ist das?

Sie werden eines Tages einsehen, daß es richtig war

FK: Aber diese Toten müssen einen negativen psychologischen Effekt für die Gemeinschaft haben.

OS: Das mag sein, was die Leute außerhalb denken. Was mich betrifft, so denke ich, weit mehr hätten sterben sollen. Warum starb nur eine solche Anzahl? Warum nicht alle tausend? Wir sollten realistisch sein, wenn wir die Situation in Ost-Timor betrachten. Sind wir nicht demokratisch genug? Das gesamte Volk ist für die Integration, aber es gibt immer noch diejenigen, die Ärger machen.

FK: Jedes Opfer hat eine Familie und Freunde. Wird das nicht zu Rachgefühlen führen?

OS: Wenn eines Ihrer Kinder stirbt, was werden Sie empfinden? Es ist so, wenn eines meiner Kinder stirbt, werde ich sicherlich einen Verlust empfinden. Wenn ich herausbekomme, wer den Tod meines Kindes verursacht hat, werde ich negative Gefühle gegenüber dieser Person haben. Aber wenn wir die Sache genauer betrachten, unseren Blick darauf richten, warum diese Leute starben, dann werden sie es vielleicht verstehen. Tatsache ist, daß viele Menschen ihr Leben ließen, weil sie Ärger machten. Ferner brauchen wir Grundsätze. Was geschah war ein Zwischenfall. Es war nicht etwas, was wir gewollt haben. Es wird die Zeit kommen, wenn die Leute überzeugt sein werden, daß es ein Zwischenfall war, und daß es nur verständlich war.
 
 

Wenige Tage nach Veröffentlichung des Interviews versuchte Osorio Soares die internationale Entrüstung mit einem fadenscheinigen Dementi zu beschwichtigen. Die Äußerung, noch mehr Menschen hätten sterben sollen, sei eine Fehlinterpretation. In Wirklichkeit habe er sagen wollen, es bleibe den Journalisten überlassen, die Zahl der Todesopfer zu bestimmen, so hoch sie wollen. /Reuter/ <>
 
 
 
 

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