Indonesien-Information Dez. 1992 (Menschenrechte)

Rheinischer Merkur, 04.09.1992

Gipfelkonferenz der Dritten Welt in Indonesien

Falscher Glanz von gestern

VON FRITZ SCHATTEN


Pracht und Protz in Djakarta: Die Blockfreien wissen zwar nicht mehr, wie sie sich in einer Welt ohne Blöcke und ohne den kalten Krieg noch ideologisch behaupten und definieren sollen. Aber sie sind es gewohnt, ihre selten gewordenen Großereignisse kräftig zu feiern. Zu ihrer zehnten Gipfelkonferenz ist Indonesiens Hauptstadt erst mal piekfein herausgeputzt worden. Barsche Polizisten haben Bettler und Dirnen ruck, zuck von den großen Verbindungsstraßen verjagt. Plakate verkünden: „Indonesien weiß, was es seinen Gästen schuldig ist.“

Planiert wurden auch wilde Slums, durch die mit Tempo 100 die großen Kavalkaden zweimal täglich zum Kongreßzentrum preschen, BMW- und Yamaha-Krads vornweg, dann die hohen Gäste mit eigens in Stuttgart/Germany georderten Luxuskarossen, allesamt Sonderanfertigungen mit schwerer Panzerung. Die strammen Männer in der Entourage des indonesischen Präsidentengenerals Suharto sehen aus, als hätten sie längst ausgemacht, wer welchen Schlitten nach dem Gipfel kostenlos übernehmen darf, kleine Gegendienste für die Privatkonzerne des Suharto-Clans nicht ausgeschlossen.

Unliebsame Berichterstatter des Westens hat man sich vom Leib gehalten. Die Botschaften, auch die in Bonn, hatten vorher „schwarze Listen“ aus Djakarta erhalten und zusätzlich selbst zu erstellen, um allzu kritischen Indonesien- und Blockfreienexperten zu bescheiden: Kein Visum. Sie können sich trösten. Der politische Glanz der Bewegung der Blockfreien ist lange verblaßt.

Auf dem ersten Gipfel des Non-aligned movement 1961 in Belgrad gaben Männer wie Nehru und Nasser, Haile Selassie, Nkrumah, Makarios, der pfauenhaft auftretende Sukarno und - natürlich - Tito dem waghalsigen Unternehmen noch Gepräge und Gepränge. Deren Zeit ist längst vorbei. In Djakarta sind jetzt vornehmlich Männer ohne Image und mit zweifelhartem politischem Leumund zugegen. Obendrein: Nicht einmal sechzig Länder von den 108 geladenen haben ihre Staats- und Regierungschefs entsandt. Vor allem aus der islamischen Welt sind nur zweitrangige Minister gekommen. Allein Yassir Arafat umgibt (noch) die Aura des selbsternannten Helden im Befreiungskampf.

Ferngeblieben sind die großen Dampfmacher: Castro, Saddam Hussein, Gaddafi - die stets für Furor und Furore sorgten. Lasten zu Hauf halten sie zuhause fest, da verbietet sich einfach die Sause nach Djakarta.

Auch ohne Prominente gibt es Zoff und Krach. Myanmar, gemeinhin Burma genannt, der Paria unter den Asiatenstaaten,. ist wieder zugelassen. Menschenrechte hin oder her, in Djakarta gelten andere Qualifikationen. Das hat der präsidierende General Suharto gleich den „islamischen Brüdern“ eingebleut. Die wollten „die serbischen Massenmörder an den Muslimen Bosniens“ kurzerhand ausschließen. Belgrad, so wetterten sie vor dem Beginn der Hauptkonferenz, habe zwar die Blockfreien-Bewegung mitbegründet, aber es verhalte sich jetzt wie ein „Imperialistenregime vor hundert Jahren“, so schneidend-scharf der Herrscher von Malaysia, ein frommer und gerechter Mann. Er ließ sich umstimmen. Jetzt wollen die Blockfreien, ganz unfrei, den Spruch der in wenigen Wochen beginnenden Uno-Vollversammlung in der Jugoslawienfrage abwarten und dann entscheiden.

Dann? Die Bewegung besteht nur noch aus den Gipfeltreffen. Zwischendurch tritt mal hier, mal dort ein Ausschuß zusammen, oder es treffen sich ein paar Außenminister, jeweils ohne Beschlüsse. Djakarta wird wenigstens Deklarationen produzieren. So liegt der Entwurf für das Schlußdokument schon vor, der „äußerstes Missfallen“ und Widerstand gegen die von Washington gesteuerte „unipolare Weltordnung“ ausdrückt. Verbitten wollen sich die Blockfreien die heimtückische westliche „Vermischung von Menschenrechtsfragen mit humanitärer und wirtschaftlicher Hilfe“. Sie wollen zugleich einen generellen Schuldenerlaß für die ärmeren Entwicklungsländer und überhaupt „ein neues gerechtes Weltwirtschaftssystem“ fordern. Für den Kampf gegen die Armut, „das Hauptproblem“, soll der Westen alle Mittel einsetzen und nicht länger „Osteuropa bevorzugt helfen“.

Wehmütig, so hat man den Eindruck, erinnern sich die Blockfreien an die goldene Zeit, als es noch die festen antagonistischen Blöcke in Ost und West gab, die man gegeneinander zu eigenem Nutzen ausspielen konnte. Da war Blockfreiheit noch eine interessante Sache, wie heuchlerisch sie auch gehandhabt wurde. Jetzt ist es damit vorbei. Die Blockfreien sind am Ende.
 
 

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