Indonesien-Information Dez. 1992 (Demokratie)

 

Nur eine Familienangelegenheit


Eintausend neugewählte Volksvertreter aus allen Regionen Indonesiens kamen am 1. Oktober nach Jakarta. Vierhundert von ihnen gelangten durch die im Juni abgehaltenen Wahlen ins Amt, die restlichen 600 durch Berufung seitens der Regierung. So sieht es das demokratische Konzept der Pancasila (Die Fünf Säulen) vor.

Die eintausend 'Volksvertreter' stammen aus fünf verschiedenen Organisationen: der Regierungspartei Golkar, dem Militär, den Vertretungen der Provinzen, der zusammengewürfelten islamischen Partei PPP und der aus nationalistischen und christlichen Politikern zusammengepreßten PDI. Daß die Mehrheit durch das Militärregime gestellt wird ist offensichtlich; die Nicht- Regierungsparteien PPP und PDI halten nur insgesamt 177 Sitze bzw. 17,7 % der Wählerstimmen.

Völlig neu an dieser 'Volksvertretung' ist die Tatsache, daß nun auch viele Familienmitglieder der Regierung im Parlament sitzen: 3 Kinder und 2 Brüder von Präsident General Suharto, die Frau und der Sohn des Vize-Präsidenten General-Leutnant Sudharmono sowie die Ehefrauen und Kinder einiger Minister. Die zweite Neuigkeit war die Berufung einiger der reichsten Geschäftsleute, wie Probosutedjo und Sudwikatmono (beide sind Brüder Suhartos) sowie des Sohnes von Indonesiens reichstem Unternehmer Sudono Salim und des Königs des Tropenwaldes Bob Hassan (beides enge Freunde Suhartos) usw.. Die dritte Neuigkeit ist die Ernennung vieler islamischer Intellektueller, die Mitglieder des von der Regierung neugegründeten islamischen Dachverbandes der Intellektuellen (ICMI) sind. Gleichzeitig wurden Störfaktoren des Regimes, wie Marzuki Darusman, Mitglied der Regierungspartei, ausgestoßen.

Darusman, der im Juni 1991 mit Vertretern der Deutsch-Indonesischen Gesellschaft in Berlin zusammentraf, ist bekannt für seine kritische Stimme. Er scheute sich nicht, der bekannten Oppositionsgruppe Petisi 50 zu helfen, deren Mitglieder nicht ins Ausland reisen dürfen. Die Regierung war über ein Interview Darusmans verärgert, das er der Monatszeitschrift Matra gab. Nach seinem Lebensziel gefragt, gab er als Antwort: den Präsidentensessel.

Die Wochenzeitschrift Editor vom 10. Oktober bemerkte, die Vertreter der Wahlperiode 1992-1997 bestehe nur aus „orang-orang manis“ (süße Menschen). Dies war eine offene Provokation gegen General Suharto, der im nächsten Jahr durch das Parlament als Präsident wiedergewählt werden muß, wozu die Zusammensetzung der neuen 'Volksvertretung' dienlich sein soll. Die Wahl des Vize-Präsidenten wird als Barometer für die politische Machtverteilung und zugleich für die Stärke der Position Suhartos gewertet. Habibie, der Bundesverdienstkreuzträger der BRD, derzeit Indonesiens Technologieminister und zugleich Vorsitzender der ICMI, wird als Vize-Präsident gehandelt. Er ist der Wunschkandidat Suhartos.

Politische Beobachter interpretieren die Sicherung der Wahl von Habibie durch eine Reihe von nicht-militärischen Volksvertretern wie den islamischen Intellektuellen, den Familienmitgliedern und den Geschäftsleuten, als den Versuch Suhartos, die Position der Zivilisten (vor allem der Moslems) zu stärken. Denn innerhalb der militärischen Führung war der Unmut in letzter Zeit sehr groß, weil alleine Suhartos Familie die Wirtschaft beherrscht. Nicht zuletzt auch wegen der Ohrfeige Suhartos gegen das Militär nach dem Dili-Massaker vom 12. November vergangenen Jahres, wo 200 Ost-Timoresen ermordet wurden. Aufgrund internationalen Druckes sah sich Suharto gezwungen, die militärischen Führungskräfte zu bestrafen.

Gelingt es dem Militär, sich Suhartos Versuch zu widersetzen, dann wird Genera l Try Sutrisno, der derzeitige militärische Oberbefehlshaber, der nächste Vize-Präsident sein. Seine Wahl ins Amt des künftigen Vize-Präsidenten wird von Parlamentspräsident General Wahono unter stützt, der erklärte, daß der Vize-Präsident aus den Reihen des Militärs, Jahrgang nach 1945, sein müsse.

Seit dem Flugzeugunglück am 18.10.92, das 27 Menschenleben kostete, wird die Ernennung von Habibie, Absolvent der Luft- und Raumfahrttechnik an der RWTH Aachen, zum Vize-Präsidenten in Frage gestellt. Der Absturz des von Habibie gebauten und entwickelten Flugzeuges schadet der Reputation des Ministers. Die Zeitschrift TEMPO druckte gleich zwei Artikel über das Unglück, in der Ausgabe vom 30.10.92 war es Thema eines neunseitigen Leitartikels. Darin wurde nicht nur der Unfall selbst, sondern auch die von Habibie geleitete Flugzeugindustrie insgesamt, kritisch betrachtet. Das Vorzeigeprojekt wurde vor 16 Jahren gegründet und hat seither Gesamtinvestitionen in Höhe von 1,6 Milliarden US-$ verschlungen, wirft aber bis heute noch immer keinen Gewinn ab.

Bislang bestand die Position des Vize-Präsidenten nur in der treuen Gefolgschaft von Suharto und galt als Maßstab für dessen Stärke. Die Wahl des kommenden Vize-Präsidenten hat größere Bedeutung. Editor vom 17.10.92 sprach von Ban-Serep (Reserverad), denn der neue Vize muß vielleicht plötzlich das Land führen, wenn General Suharto wegen seines Alters inmitten seiner Amtsperiode ohne Voranmeldung von Engel-Gabriel gestürzt wird. Die Zeitung Merdeka vom 17.9.92 bemerkte ironisch, daß die Kandidaten für das Amt des Vize-Präsidenten 'komischerweise' von den Bürokraten anstatt von den Volksvertretern benannt werden.

Eine Gruppe von Studenten und die oppositionelle Vereinigung Petisi 50 verkündeten, daß sie gegen die nochmalige Ernennung von General Suharto als Präsident sind. (Reuter 30.10.1992)

Trotz dem Machtkampf hinter den Kulissen, der 1. Oktober soll alle Indonesier mahnen, daß an diesem Tag vor 27 Jahren die Kommunisten 7 Generäle ermordet haben. Es war allein Suhartos Verdienst, daß sich die Neue Ordnung etablierte und weiter bestehen konnte. Dazu schreibt der Kommentator von Merdeka: In Indonesien kann alles geregelt werden. Sogar die Spielregel selbst wird ja geregelt. <>
 
 

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