Indonesien-Information Nr. 3 2000 (West-Papua)

West-Papua - Bühne für ein Schattenspiel?

von Siegfried Zöllner

Ein versöhnlicher Anfang im neuen Millennium

Das Jahr 2000 begann für die Papua mit einigen guten Nachrichten: Der neugewählte indonesische Präsident Abdurrahman Wahid, erst drei Monate im Amt, besuchte die östlichste Provinz Irian Jaya am ersten Tag des neuen Millenniums und gab verschiedene positive Signale: (1) Er führte mit Stammesvertretern, Kirchenführern und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sehr offene Gespräche und zeigte damit seine Bereitschaft, den Dialog mit der Papuabevölkerung über die Gräuel der Vergangenheit und die politische Zukunft fortzusetzen. (2) Er entschuldigte sich offiziell für die Menschenrechtsverletzungen der vergangenen Jahre. (3) Er erklärte sich einverstanden mit einer Umbenennung der Provinz. Der bei der Bevölkerung verhasste Name Irian Jaya sollte durch den neuen "alten" Namen Papua ersetzt werden. (4) Er erlaubte, die Morgensternflagge zu hissen, sofern daneben auch die indonesische Flagge in gleicher Größe und Höhe gehisst würde. (5) Er gestattete die Durchführung von Volksversammlungen (Kongressen) und sagte auch finanzielle Unterstützung zu. (6) Er gestattete die offene Diskussion über die politische Zukunft, auch über die Frage der Unabhängigkeit, solange keine konkreten separatistischen Aktionen vorgenommen würden. Allerdings ließ er keinen Zweifel daran, dass eine Unabhängigkeit wie in Ost-Timor für West-Papua nicht in Frage kommen würde.

Die präsidial gewährten Freiheiten wurden von der Papuabevölkerung intensiv genutzt. Im Februar 2000 fand eine große Volksversammlung mit Hunderten von Vertretern aus allen Landesteilen statt. Die Volksversammlung bereitete einen Kongress vor, der Ende Mai 2000 mit Tausenden von Teilnehmern stattfand. Aus Anlass des Kongresses kamen über 20.000 Menschen aus allen Landesteilen nach Jayapura und begleiteten mit Begeisterung das Kongressgeschehen. Der Kongress wählte den Papuarat und ein Präsidium, das beauftragt wurde, den "Fall West-Papua" im In- und Ausland auf die Tagesordnung zu bringen. Das Thema des Kongresses war "Korrektur der Geschichte". Dabei ging es um das Referendum, den sog. Act of Free Choice von 1969. Obwohl sich Indonesien, die Niederlande, die USA und die UN im Agreement von New York 1962 verpflichtet hatten, ein Referendum in Freiheit durchzuführen, fand 1969 kein Referendum statt. Ein von indonesischen Militärs völlig eingeschüchtertes und bestochenes Wahlmännergremium musste dem Anschluss West-Papuas an Indonesien durch Akklamation zustimmen. Die Vollversammlung der UN akzeptierte dies betrügerische Ränkespiel in ihrem Beschluss 2504 vom 19. November 1969. Kann die Vollversammlung der UN dahingehend beeinflusst werden, einen unter falschen Voraussetzungen gefassten Beschluss wieder aufzuheben? Das Präsidium wurde verpflichtet, am 1. Dezember 2000 über seine bisherige Arbeit zu berichten. Längst war allen klar geworden, dass die Wünsche und die Hoffnungen der Papuabevölkerung nur noch in eine Richtung gingen: die Unabhängigkeit von Indonesien. Die Kongressteilnehmer kehrten in ihre Regionen zurück und veranlassten, dass selbst in den entferntesten Dörfern die Papuaflagge gehisst wurde, längst nicht immer neben der indonesischen Flagge. Zum Schutz der Flagge wurde eine Papuamiliz, die sog. Satgas Papua, gebildet. Hatte die Bevölkerung bisher unter der Knute des indonesischen Militärs schweigend gelitten, so ließ man sich jetzt längst nicht mehr alles gefallen. Die Satgas Papua übernahm Ordnungsaufgaben und verjagte gelegentlich auch Polizisten und Militärs aus kleineren, entlegenen Posten.

Währenddessen tourte das Präsidium durch die Welt. Es gab verschiedene Treffen mit dem Präsidenten und Regierungsvertretern in Jakarta. Man begab sich aber auch zur Vollversammlung der Vereinten Nationen nach New York und besuchte Regierungen der kleinen südpazifischen Staaten. Überall versuchte man, für den Gedanken eines unabhängigen West-Papua Sympathie zu wecken und Bundesgenossen zu finden.

Repressive Reaktion der indonesischen Regierung

Eine harte Reaktion der indonesischen Regierung und der Sicherheitskräfte konnte nicht ausbleiben.. Fast jeden Monat wurden jeweils aus einem anderen Teil der Provinz blutige Zusammenstöße gemeldet: im Januar aus Merauke, im Februar und März aus Nabire, im Juni aus Fakfak, im Juli und August aus Sorong, im September aus Manokwari, im Oktober aus Wamena, im November aus Jayapura und wieder aus Merauke. Meistens ging es um die Flagge, die von Polizeikräften gewaltsam entfernt werden sollte. Überall gab es Verletzte, in Merauke, Nabire, Sorong und Wamena auch Tote. Höhepunkt der Tragödie war Wamena: Am 6. Oktober kam es hier zu einem Blutbad. Nachdem die Polizei die Flagge gewaltsam entfernt und dabei zwei Satgasangehörige erschossen hatte, reagierten die Dani wie in ihren früheren Stammeskriegen nach dem Gesetz der Blutrache und töteten ca. 20 indonesische Zivilisten, unter ihnen auch Frauen und Kinder. Dies führte zu einem Exodus von zugewanderten Indonesiern, nicht nur aus Wamena, sondern aus allen Landesteilen. Es gab auch andere Konfliktmuster: verschiedene Quellen berichteten, dass überall im Land pro-indonesische Milizen gebildet wurden. Selbst der Polizeipräsident von West-Papua rief im Radio die indonesischen Zuwanderer, Transmigranten und Siedler dazu auf, sich zu bewaffnen und zu organisieren, die Polizei werden auf ihrer Seite stehen.

Der konziliante und demokratisch gesinnte Präsident hatte in den ersten Monaten des Jahres Ansehen und Einfluss verloren. Die wirtschaftliche Situation Indonesiens hatte sich nicht gebessert, die Konflikte in Aceh und den Molukken - und auch in West-Papua - waren ungelöst. Die Suhartofamilie spielte mit den Gerichten Katze und Maus. Eine Reform und Säuberung des Militärs von Suharto-treuen antidemokratischen Elementen blieb in den Anfängen stecken. Die Korruption im Lande blieb ungebrochen. Die Beratende Volksversammlung (MPR) mit ihrem Vorsitzenden Amien Rais tagte im August in Jakarta und übte heftige Kritik an der Amtsführung des Präsidenten. Es hätte nicht viel gefehlt und man hätte Abdurrahman Wahid wieder abgesetzt. Seine konziliante Haltung gegenüber der Papuabevölkerung wurde als Schwäche gedeutet, seine Zusagen wurden zurückgenommen bzw. auf Eis gelegt - so die Namensänderung der Provinz. Am 11. Oktober verbot das Kabinett in Jakarta sowohl das Hissen der Papuaflagge wie auch alle internationalen Aktivitäten des Präsidiums. Verschiedene Maßnahmen, die von der Regierung in Jakarta zur Lösung der West-Papua-Frage ergriffen wurden, zeugen von völliger Ahnungslosigkeit hinsichtlich der wahren Probleme. Papua-Minister mussten her, zunächst Freddy Numberi, dann Manuel Kasiepo - natürlich auf unbedeutenden Positionen - aber die Papua sollten sich aufgewertet fühlen. Weiter hoffte man darauf, dass das - leider noch unausgereifte - Gesetz über regionale Autonomie die Probleme West Papuas lösen könnte. Aber niemand erklärte den Papua, was regionale Autonomie für sie bedeuten würde. Die Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri initiierte ein Crash-Programm, um eine Initialzündung für wirtschaftliche Entwicklung auszulösen und ließ viele Milliarden Rupiah ausschütten. Sie machte sich dadurch vor allem bei den äußerst professionellen Korruptionsspezialisten beliebt, die es auch in West-Papua zur Genüge gibt. Ein Regierungsmitglied meinte sogar, man sollte nun endlich die Aufteilung West-Papuas in drei Provinzen durchsetzen - divide et impera, ein System, welches nicht nur in Indonesien immer gut funktionierte. Doch niemand kam auf die Idee, den von den Papua immer wieder geforderten Dialog nun endlich ernsthaft einzuleiten, mit ihnen statt über sie zu sprechen, mit ihnen gemeinsam die Probleme anzugehen, mit ihnen ein Programm regionaler Autonomie zu entwickeln und ihre Wünsche zu berücksichtigen.

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit begann inzwischen ein gewaltiger Aufmarsch von Streitkräften in West-Papua. Zunächst wurde beschwichtigt, es handele sich nur um die routinemäßige Ablösung von Truppen. Dann erfand man andere Ausflüchte: Manöver der Australier und Amerikaner - Invasionsgelüste des Auslandes. In Wahrheit ging es um massive Repression der Papuabevölkerung, um Einschüchterung durch Demonstration von Macht. Mit den von Deutschland gelieferten ehemaligen NVA-Schiffen wurden immer neue Bataillone nach West-Papua verlegt. Ein ganzes Bataillon wurde an der Grenze zu Papua-Neuguinea stationiert. Drei in England gekaufte Hawk Fighter wurden in Biak stationiert und schüchterten die Bevölkerung mit Tiefflügen ein. Allerdings wurden sie auf Druck der britischen Regierung bald abgezogen, aber sofort durch in den USA erworbene Skyhawks ersetzt. Die Armeeeinheiten in den größeren Städten - z.B. Jayapura und Timika - wurden mit Panzerwagen (z.T. deutschen Fabrikaten!) ausgerüstet oder nachgerüstet.

Abgekartetes Spiel?

Was für ein Spiel wird hier gespielt? Javanisches Schattenspiel, bei dem der dalang (der Puppenspieler) versteckt hinter der Leinwand sitzt? Leider verdichten sich die Anzeichen, dass einige Präsidiumsmitglieder von Anfang an mit dem Militär zusammengearbeitet haben. Es ging ihnen nicht um die Freiheit und Unabhängigkeit der Papua, sondern um ihre eigenen Interessen. Bestimmte Militärkreise verfolgten ebenfalls ihre eigenen Interessen: Stärkung und finanzielle Ausstattung ihrer Einheiten, Schwächung der zivilen Militärführung, Eindämmung von Demokratisierung in der Armee und vielleicht im ganzen Lande, schnelle Beförderung durch Bewährung in gefährlicher Situation. Wenn die gefährliche Situation nicht gegeben ist, muss man sie eben schaffen: durch Provokationen, durch Stiftung von Unruhe, durch Missbrauch der ehrlichen Wünsche und Hoffnungen einer ahnungslosen Bevölkerung, durch die Bildung von pro-indonesischen und Pro-Unabhängigkeits-Milizen. Die indonesische Armee hat eine lange Erfahrung auf diesem Gebiet.

Man darf sich fragen, ob der Präsident überhaupt wusste, welche Maßnahmen in der Armeeführung ergriffen wurden. Spätestens seit den jüngsten Massakern in Aceh am 10. und 11. November 2000 weiß man, dass die Befehlskette von oben nach unten nicht funktioniert.1

Der erste Dezember

Am ersten Dezember denken die Papua daran, dass am 1. Dezember 1961 das erste Parlament, der Neuguinea-Rat, eingesetzt wurde. Dies war der erste Schritt in die Richtung der Unabhängigkeit, die von der holländischen Kolonialmacht vor vierzig Jahren versprochen und 1970 verwirklicht werden sollte. "Wir sind seit 1961 unabhängig" bekräftigte daher der Kongress im Juni 2000 in seiner Schlussresolution. Eine erneute Erklärung der Unabhängigkeit erübrigt sich daher.2 Trotzdem wurde in einigen Zeitungen wiederholt behauptet, am 1. Dezember 2000 werde das Präsidium des Kongresses die Unabhängigkeit ausrufen3. Jeder kann in der Resolution des Kongresses nachlesen, dass das Präsidium beauftragt wurde, am 1.12.2000 Rechenschaft über die bisher geleistete Arbeit abzulegen. Warum also die Falschmeldungen über eine bevorstehende Ausrufung der Unabhängigkeit? Auch diese Falschmeldungen nützen dem Militär und rechtfertigen den massiven Truppenaufmarsch. Natürlich besteht bei der Bevölkerung eine hohe Erwartung im Blick auf den 1. Dezember, natürlich gehen die Emotionen an diesem Tag hoch. Aber nicht erst im Jahr 2000. Vor einem Jahr wurde in vielen Städten die Morgensternflagge gehisst, auf eifriges Betreiben von den jetzigen Präsidiumsmitgliedern Theys Eluay, Yorris Raweyai und Willy Mandowen. Damals schlugen Polizei und Militär eine Demonstration in Timika nieder, es gab einen Toten und zahlreiche Verwundete. Wenn wirklich Provokateure eine Gelegenheit suchen, bietet sich ihnen der 1. Dezember in hervorragender Weise an. Laut einigen Zeitungsmeldungen hat Präsident Wahid einen Demonstrationszug in Jayapura zur Erinnerung an den historischen 1. Dezember 1961 gestattet, sofern keine Forderung nach Unabhängigkeit erhoben würde - eine merkwürdige Widersprüchlichkeit.4

Seit der Kabinettssitzung vom 20. November 2000 wird in vielen Zeitungen über die Verhängung des zivilen und/oder des militärischen Ausnahmezustandes über Aceh und West-Papua gesprochen.5 Wahrscheinlich sind auf Vorschlag der Militärführung entsprechende Beschlüsse gefasst worden. Dies ist ein erheblicher Anlass zur Sorge.

West-Papua - Goldesel Indonesiens

In den Bergen und an den Küsten West-Papuas lagern unermessliche Bodenschätze. Seit 1970 betreibt das US-amerikanische Unternehmen Freeport eine Gold- und Kupfermine im zentralen Bergland. Freeport hatte sich bereits unter der Suhartoregierung ein Konzessionsgebiet von 2,6 Mio. ha (die Größe der Schweiz) gesichert. Die Gold- und Kupfervorräte West-Papuas sollen größer sein als die Südafrikas. An der Westküste wird Erdöl gefördert, dort sollen auch die größten Erdgaslager der Welt entdeckt worden sein. Außerdem hat das Land einen enormen Holzreichtum und in den Küstengewässern gibt es Fische. Die Gold- und Kupfermine Freeport ist einer der größten Steuerzahler Indonesiens, und wenn erst die Erdgasfelder erschlossen sind, verdoppelt sich wahrscheinlich der Geldfluss in die Staatskasse. Schon aus diesen Gründen wird Indonesien niemals freiwillig einer politischen Unabhängigkeit der Provinz zustimmen.

Freeport ist in den letzten Monaten in die Kritik geraten. Nicht nur die seit 1995 bekannt gewordenen Verletzungen von Menschenrechten im Zusammenwirken von Freeport-Wachmannschaften und indonesischer Armee (Morde und Folter) haben das Image der Firma ruiniert. Offensichtlich wurde auch bei den Aufschüttungen von Abraumhalden so schlampig gearbeitet, dass im Mai 2000 bei einem Erdrutsch an einer Halde neun Arbeiter zu Tode kamen (offiziell wird bisher immer nur von vier Toten gesprochen!). Selbst das Umweltministerium der indonesischen Regierung übt deutliche Kritik an den Umweltgefährdungen, z.B. der Gefahr von Trinkwasserverseuchung einer ganzen Region. Der gesamte Hintergrund politischer Unsicherheit führte dazu, dass Freeport sich zunächst nur auf die Aufrechterhaltung der Produktion konzentrierte - aus der Sicht des Unternehmens verständlich. Immerhin gelang es der Firma vor einigen Wochen, mit den betroffenen Volksstämmen der Amungme und Komoro ein Memorandum of Understanding zu unterzeichnen. Der für die örtliche Bevölkerung vorgesehene Gewinnanteil von 1% wird nicht mehr direkt ausgeschüttet. Über eine Stiftung werden u.a. folgende Projekte gefördert: der Bau und die Unterhaltung eines Krankenhauses, semipermanente Häuser für die Bevölkerung, ein Straßen- und Wegenetz, Unterhalt von Schulen und Schülerheimen, Stipendien. Doch es bleibt die Frage nach der langfristigen und dauerhaften Umweltschädigung und die Frage, ob es nötig ist, dass Freeport die indonesische Armee im Umfeld der Mine finanziert. Der Vorwurf, Freeport finanziere damit einen Krieg gegen die Bevölkerung, kann nur schwer widerlegt werden. Die Truppenzahl in Timika wurde in den letzten Monaten von 1000 auf ca. 3000 aufgestockt. Als Folge der politischen Unsicherheit ist der Kurs der Freeportaktien auf einen historischen Tiefstand gefallen.6

Die Bevölkerung fühlt sich durch Freeport und manche anderen Unternehmen, Holzfirmen, Großfischereien, u.a. ausgebeutet. Der Reichtum des Landes, der eigentlich den Landbesitzern und ihren Familien zugute kommen müsste, wird außer Landes gebracht. Dies Gefühl schafft Verbitterung. Man möchte wieder Herr im eigenen Hause sein.

Besonnene Stimmen - Kirchen und NGOs

Während das Präsidium nur lautstark die Unabhängigkeit einfordert, gibt es andere Gruppen in der Papuabevölkerung, die sich sehr viel differenzierter und realistischer - aber weniger laut - äußern, und zwar die Kirchen und die Nichtregierungsorganisationen. Bei diesen Gruppen ist ein Bewusstsein dafür vorhanden, dass es um Versöhnung innerhalb der Gesellschaft geht, Versöhnung unter der einheimischen Papuabevölkerung selbst, zwischen der einheimischen Papuabevölkerung und der immerhin 40 % der Gesamtbevölkerung West-Papuas umfassenden Gruppe der indonesischen Zuwanderer sowie Versöhnung zwischen Christen und Muslimen. Immerhin sind 90 % der Zuwanderer Muslime. Weder Kirchen noch NGOs wollen sich einseitig vor den Karren des Präsidiums spannen lassen. In gemeinsamen Verlautbarungen fordern Kirchen und NGOs zwar das Recht auf Meinungsfreiheit (einschließlich des Rechtes auf die Flaggenhissung als Zeichen der Meinungsäußerung), das Recht auf Selbstbestimmung und den offenen Dialog mit der Regierung. Sie lassen aber offen, ob Selbstbestimmung letztlich nicht auch im Rahmen einer regionalen Autonomie innerhalb des indonesischen Staatsverbandes weitgehend verwirklicht werden kann. Das Forum der NGOs (FOKER) hat selbst einen eigenen Entwurf eines Autonomiegesetzes erarbeitet und dem Parlament in Jakarta zugeleitet. Leider hat die Regierung den Ball bisher nicht aufgegriffen und sich nicht aktiv auf einen Dialog mit diesen durchaus einflussreichen Kräften in der Bevölkerung eingelassen. Vom 26.10. bis 4.11. 2000 fand die Synode der größten evangelischen Kirche in West-Papua statt. Die Synode hatte einen neuen Kirchenpräsidenten zu wählen. Gewählt (bzw. wiedergewählt) wurde Pfr. Hermann Saud, der sich klar für eine regionale Autonomie als vorläufige Übergangslösung bis zu einer späteren Unabhängigkeit ausgesprochen hat. Sein Gegenkandidat Pfr. Herman Awom, Mitglied des Präsidiums, unterlag - wurde dann aber zum Stellvertreter gewählt. Damit hat sich die Mehrheit der Synode für eine differenzierte, moderate politische Haltung der Kirche entschieden. Zum Schluss sollen einige Sätze aus der Eröffnungsansprache zur Synode von Pfr. Hermann Saud stehen:

"Die Kirche kämpft auch für Freiheit, aber für Freiheit in anderen Bereichen, in den Bereichen Religion, Ökonomie, Bildung und Kultur. Dies sind Felder, auf denen die Kirche eine Rolle spielen kann. Für den Bereich der Politik sollte die Kirche beten, damit im politischen Ränkespiel die Kleinen im Volk nicht zu nutzlosen Opfern werden. Darum wende ich mich namens der Ev. Kirche (GKI) im Lande Papua an die Regierung in Jakarta und an die Provinzregierung, an das Parlament und die beratende Volksversammlung in Jakarta und an das Provinzparlament, an die Armee und die Polizei. Ich rufe alle Seiten auf, den lautstark geäußerten Wunsch des Papuavolkes nach Unabhängigkeit anzusehen als etwas, das erst durch die Ära der Reformen und der Globalisierung möglich wurde, als ein Symptom der Veränderung unserer Zeit. Lasst uns diesen Wunsch nach Freiheit von allen Seiten rational und professionell bewerten, aus der Sicht des Rechts, der Kultur, der Religion und der Politik, damit das Problem friedlich gelöst werden kann, durch Dialog und Verhandlungen, ohne repressive Gewaltanwendung. Ich bitte darum, dass die Regierung in Jakarta aufhört mit den Stigmatisierungen der Suharto-Ära, wir seien Separatisten und Verräter. Damit wird das Volk diskreditiert, während es nur gerechte Behandlung und Teilhabe am Aufbau für alle fordert. Wir bitten, dass die Regierung bereit ist zum Dialog mit der Bevölkerung von Papua und Aceh, denn die Forderung nach Freiheit ist Folge der zentralistischen Politik, die den Menschen in den Regionen nur schadet." <>

Siegfried Zöllner ist Pfarrer im Ruhestand und Koordinator des West-Papua Netzwerkes in Deutschland.


1: So analysiert Budi Sugiharto nach einer Meldung von detik.com vom 10.11.2000

2: vergl. den Wortlaut der Resolution im West Papua Rundbrief Nr. 15 S. 55f

3: z.B. in der Jakarta Post vom 21.11.2000: Journalisten behaupten das im Gespräch mit Minister Yudhoyono

4: so Reporter Abdul Haerah in einer Meldung von detik.com vom 15.November 2000 Koridor.com zitiert Wahid: "Papuas - macht euern Umzug -pawai - , aber fordert keine Unabhängigkeit!"

5: sowohl Superminister SB Yudhoyono (am 22.11.) wie auch Parlamentspräsident Akbar Tanjung (am 21.11.) äußerten sich dazu. Anlass sei die bevorstehende Erklärung der Unabhängigkeit von Aceh und Irian Jaya. (Meldungen nach Tifa Papua, Jakarta Post und infopapua.www )

6: Far Eastern Economic Review vom 16. 11. 2000  
 

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