Indonesien-Information August 1994 (Politik)

Warten auf die soziale Revolution

"Im Sommer 1994 wird es Unruhen geben", prophezeite der DukunSantet Ki Gendheng Pamungkas. "Ab Mitte Oktober kann es zu einer sozialenRevolution kommen", sagte der Führer der 'illegalen' GewerkschaftsorganisationSBSI, Muchtar Pakpahan. "Ende des Jahres 1994 wird viel Blut fließen",wettete Prof. Dr. Suhardiman, der wichtigste Gründer der RegierungsparteiGolkar.

Wer in diesem oppositionell relativ schwach besetzten Land wird dieseVorhersagen verwirklichen? Etwa diejenigen, die sie prophezeihen?

Endlich ist der im letzten Jahr bekannte und sehr gefragte Dukun SantetKi Gendheng Pamungkas wieder aus der Versenkung aufgetaucht. (Ein Dukunist ein außergewöhnlicher 'Medizinmann', dessen magische Kräfteden Gegner unsichtbar und unabhängig von Entfernungen außerGefecht setzen können. Den Erzählungen nach kann ein Dukun sogarkleine Messer oder Nadeln in die Kehle oder den Bauch des Gegners projezieren,ohne ihn äußerlich zu verletzen. Das Opfer fühlt sich krank,kann aber von 'normalen' Ärzten nicht geheilt werden.) Bei einem Interviewmit der Wochenzeitschrift Editor sagte Pamungkas, er sei zweimal von einer'inoffiziellen' politischen Intellektuellen-Gruppe, gekidnapped worden.Er sei aufgefordert worden, 15 Regierungsangehörige mit seinen magischenKräften zu töten, was er jedoch abgelehnt habe /Editor, 2.6.94/.

Dem 'Verschwinden' von Ki Gendheng Pamungkas schenkten die indonesischenMassenmedien große Aufmerksamkeit und die politische WochenzeitschriftDeTik nahm den Vorfall zum Anlaß, ihn und die Rolle der Magie inder indonesischen Politik zum Leitartikel der Ausgabe vom 25.-31. Mai zumachen. Ki Gendheng Pamungkas wurde vor allem bekannt durch den Finanzskandalum Bapindo und Edy Tansil. Laut seinen Angaben besuchten ihn viele in diesenFinanzskandal verwickelte und in Verdacht geratene Personen, um ihn umRat zu befragen. Seine Prognosen, ob die Ratsuchenden vom Skandal betroffenoder wie hoch eventuelle Strafen sein werden, ließ er sich teuerbezahlen, was er mit der Feststellung "Die sind sowieso korrupt!"rechtfertigte. Ende März dieses Jahres prophezeihte er, daßhohe Beamte demnächst so fadenscheinige und lächerliche politischeAussagen machen würden, daß sie zum Gespött der Pressewerden. Weiterhin werde um die Jahreswende 94/95 ein politisches Chaosherrschen, bei dem sich Minister gegeneinander ausspielen werden /DeTik,30.3.-5.4.94/.

Seine Zukunftsvisionen, seine Rolle und die Geschichte seiner Entführungmögen verrückt sein, nichtsdestotrotz sollten sich seine Prophezeihungenzum Teil bewahrheiten. Der führende und zur Zeit bekannteste WirtschaftswissenschaftlerSjahrir beschrieb in seinem Essay 'Kabinet Ekonomi atau Politik' zynischden gegenseitigen Schlagabtausch zwischen dem Vorsitzenden der islamischenIntellektuellen-Organisation ICMI, Habibie, und dem nationalistisch orientiertenMinister Siswono. "Aus ihrem Mund erfahren wir, wie hoch der Gradihres Nationalismus bzw. ihrer Religiösität ist." "Außerdem",so schrieb Sjahrir, "hat der Finanzminister erst kürzlich erklärt,daß es 'haram' (islamisch: verboten) sei, Konglomeraten zu helfen"/Tempo, 11.6.94, Editor, 2.6.94/.

Zu diesem Schlagabtausch goß noch zusätzlich InformationsministerHarmoko, zugleich Vorstand der Regierungspartei Golkar, Benzin ins Feuer.Er sprach sich gegen die neue Regierungsverordnung PP 20 aus, die beinhaltet,daß Auslandsinvestoren in Indonesien begünstigt werden sollen/Tempo, 11.6.94/.

Fadenscheinig war auch der Vorwurf, daß sich bestimmte Mediennicht an Suhartos Warnung gehalten haben und mit ihrer Berichterstattungüber die Konflikte zwischen Forschungsminister Habibie einerseitsund Finanzminister Mar'ie Muhammad und Verteidigungsminister Edy Sudrajatandererseits die nationale Stabilität gefährdeten /Reuter, 13.6.94,Tempo, 11.6.94/.

Diese Begründung war u.a. auch der Anlaß für die Absetzungder Herausgeber von Tempo, Editor und DeTik /Radio Nederland, 18.6.94/

Die Konflikte innerhalb des Regierunslagers haben sich innerhalb von15 Monaten erheblich zugespitzt. Zunächst war da die Niederlage desSuharto-Regimes, nachdem nach wochenlangen heftigen Demonstrationen dasnationale Lottospiel abgeschafft werden mußte. Dann ließ sichnach fünf Monaten Vertuschungsversuchen ein Aufrollen des Mordes ander Arbeiteraktivistin Marsinah nicht verhindern, als Druck von einer amerikanischenDelegation ausgeübt wurde. Am schwersten angeschlagen wurde die Suharto-Regierungwohl jedoch durch den Finanzskandal Bapindo, in dem die engsten Freundevon Suharto, Admiral Sudomo und Sumarlin, tief verwickelt sind. Daßdie Staatskasse dabei um 1,3 Billionen Rupiah (ca. eine Milliarde DM) erleichtertwurde, trug nicht gerade dazu bei, das Image der Suharto-Regierung aufzupolieren,ebensowenig daß Sudomo und Sumarlin nicht zurücktreten wollten,was Vize-Präsident Try Sutrisno damit zu begründen versuchte,daß "die Fern-Ossi-Kultur keine Rücktritte kenne".

Die Konflikte wurden zusätzlich verschärft, als General Sumitround General Panggabean öffentlich über ihre Rolle bei der Niederschlagungder Studentendemonstrationen während des Besuchs des japanischen PremierministersTanaka im Januar 1974 (Malari-Affäre) debattierten und sich gegenseitigder rassistischen Provokation beschuldigten. Die relativ schlechte Wirtschaftslagedes Landes trägt das Übrige zu der momentan kritischen Situationbei.

Die Frage stellt sich, ob die Krisen und Konflikte innerhalb des RegierungslagersIndonesien in das vorhergesagte Chaos stürzen werden. Neben vielenanderen vermutete dies Ende April auch der Gouverneur von Nord-Sumatra,General Raja Inal Siregar, der einen direkten Zusammenhang zwischen denEreignissen in Sumatra (die ungelösten Probleme mit der Batak-Kirche,der Streit innerhalb des Regierungslagers durch die Ernennung einiger 'Regenten'und nicht zuletzt die Arbeiterunruhen in Medan) und der Politik in Jakartasieht. "Medan ist nur ein Opfer der Politik Jakartas," erklärteer und wies dabei auch auf Ostjava als weiteres potentielles Unruhegebiethin. "'Diese Leute' in Jakarta haben erst das Feuer in Nord-Sumatraund Ostjava gelegt" /DeTik, 27.4.-3.5.94/.

Seine Meinung teilt auch Prof. Suhardiman. Auch er sieht die Bedrohungder politischen und wirtschaftlichen Entwicklung der Neuen Ordnung durchverschiedene Formen sozialer Instabilitäten. Diese werden in den größerenStädten, vor allem in der Hauptstadt Jakarta, sichtbar, wohin sievon den verschiedenen Regionen aus getragen werden. "Medan ist eineWarnung für alle anderen Städte, vor allem für Jakarta"/DeTik, 1.-7.6.94/.

Auch Prof. Suhardiman glaubt, die Zeichen nationaler Instabilitätneben Medan in vielen momentanen Ereignissen zu sehen, so z.B. in dem laufendenBapindo-Prozeß, dem Mord an einem General in Jakarta, den Konfliktenzwischen Sumitro und Panggabean, zwischen Habibie und Minister Siswonoüber ICKI, zwischen Habibie und General Alamsjah, dem Mitbegründerder ICKI und zwischen General Alamsjah und General Moehono /Editor, 9.6.94/.Und wohin treibt dann die Neue Ordnung? "In Richtung 'Chaos'"erklärte Prof. Suhardiman gegenüber DeTik Anfang Juni und prophezeihte,daß viel Blut fließen werde. "Schneidet mir die Fingerab, wenn 1995 nicht gefährlich wird!" /DeTik, 1.-7.6.94/.

Wer ist Suhardiman? Ein Panikmacher oder ein Wahrsager? Suhardiman isteiner der wichtigsten Gründer der SOKSI. SOKSI, noch aus der Zeitder Alten Ordnung, ist die Hauptstütze der Regierungspartei Golkar.Im Hinblick auf das prophezeihte Chaos hat Suhardiman vorsorglich die Schutztruppeder SOKSI, Baladhika Karya (BK), zu neuem Leben erweckt. Sie soll wiederaus 1000 Mitgliedern bestehen. Suhardiman behauptet sogar, daß ersofort eine Million auf die Beine bringen könne. Die BK wurde 1963gegründet und 'schützte' 1965 die Neue Ordnung gegen Angriffeaus dem oppositionellen Lager. Zwischen 1969 und 1981 war BK nicht mehraktiv. Bekannt ist, daß die Mitglieder dieser Schutztruppe Kriminelle,'preman' und aus der Armee entlassene bzw. pensionierte Militärangehörigewaren. Die neugegründete BK soll mit militärischen Übungengedrillt und vorbereitet werden. Das Besondere an Baladhika Karya ist,daß sie immer dann ins Leben gerufen wird, wenn sich nationale Krisenanbahnen /DeTik, 1.-7.6.94/.

Suhardiman nannte die Baladhika Karya sogar schon KOPASSUS (berühmt-berüchtigteElitetruppe) für SOKSI /Editor, 9.6.94/. Die kommenden Ereignisse,orakelte Suhardiman, werden das Ausmaß von 1965 haben, als zwischeneiner halben und einer Million Menschen ermordet wurden. Auch 1965 wardie Explosion durch Konflikte innerhalb der Elite verursacht worden /Editor,9.6.94/. Mit der Neugründung der BK wolle Suhardiman nur die Erhaltungder Neuen Ordnung sicherstellen, denn der Kreis um Suharto bestehe nuraus "schlappen und unverantwortlichen Leuten". Unter ihnen gehörtenviele zu der 'karaoke' genannten Gruppe (kanan kiri oke - rechts oder linksokay) sowie zu 'malmal'' (maling teriak maling - Diebe schreien "Diebe!"),'camat' (cari selamat - Rettung suchen) und 'telmi' (telmi = tell me =teliat mikir - zu spät denken) /DeTik, 1.-7.6.94/.

Vielleicht braucht Suhardiman wirklich eine Schutztruppe. Denn bei einemTreffen mit in Holland lebenden Indonesiern in Utrecht am 29.5.94 drohteMuchtar Pakpahan, der Chef der unabhängigen Arbeiterorganisation SBSI(Serikat Buruh Sejahtera Indonesia), der Regierung mit einer sozialen RevoutionMitte Oktober dieses Jahres, falls sie bis dahin die SBSI nicht anerkenne.Er wisse, wie er in diesem Fall seine 750.000 Anhänger mobilisiere.<>

 
 
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