Indonesien-Information August 1994 (Ost-Timor)

Neue Gewalt in Dili

Mitte Juli kam es in Dili zu den schwersten Auseinandersetzungen zwischenDemonstrantInnen und Militär seit dem Santa-Cruz-Massaker im November1991.

Das Militär löste eine Demonstration von ca. 500 timoresischenJugendlichen und StudentInnen, die - unpolitische - Transparente mit denAufschriften "Viva Jesus" und "Viva a Igreja Catolica"("Es lebe die katholische Kirche") bei sich trugen, mit brutalerGewalt auf. Die Soldaten gingen mit Schlagstöcken und Messern gegendie DemonstrantInnen vor. Es gab zahlreiche Festnahmen, etliche DemonstrantInnenwurden durch Schläge und Messerstiche verletzt /Lusa, 14.7.94/. Inverschiedenen bislang unbestätigten Berichten heißt es, es habeauch drei Todesopfer gegeben. Es werden sehr unterschiedliche Angaben überdie Zahl der Verletzten gemacht, was aber andererseits auf die Lage vorOrt und die Konfusion, die dort herrschte, schließen läßt.Eine Liste von Verletzten, die der Nationalrat des Maubere-Volkes CNRMveröffentlichte, umfaßt 14 Namen.

Schußwaffen kamen diesmal nicht zum Einsatz. Offenbar besteht- aufgrund der weltweiten Kritik, die an dem Massaker von Santa-Cruz geübtwurde - eine interne Anordnung, nach der der Gebrauch von Schußwaffenbei Demonstrationen restriktiv gehandhabt werden soll.

Ungefähr 300 DemonstrantInnen versuchten, sich vor dem Ansturmder Soldaten in Sicherheit zu bringen, und verschanzten sich in Gebäudender nahegelegenen Universität, die daraufhin von schwerbewaffnetemMilitär umstellt wurde. /Lusa, 14.7.94/

Kirchenangehörige und Mitglieder des Internationalen Roten Kreuzes(IRC), die sich auch um die in der Universität befindlichen Verletztenkümmerten, verhandelten daraufhin mit dem Militär. Es gelangschließlich, dem Militär eine Garantie abzuringen, den Abzugder DemonstrantInnen aus der Universität zu ermöglichen, ohneerneut einzugreifen. /Lusa, 14.7.94/

Anlaß dieser - wie auch einer weiteren wenige Tage zuvor friedlichverlaufenen - Demonstration waren Provokationen von Indonesiern gegenüberder katholischen Glaubensgemeinschaft Ost-Timors. Zwei nicht-christlicheindonesische Soldaten hatten am 28. Juni an einem Gottesdienst in Remexio,einem Dorf unweit der Hauptstadt Dili, teilgenommen. Zum Abendmahl erhobensie sich von ihren Plätzen und nahmen wie alle anderen KirchgängerInnendie Hostien entgegen. Anstatt diese aber zu essen, warfen die beiden dieHostien auf den Boden, bespuckten sie und trampelten mit ihren Stiefelndarauf herum. Der Vorfall sorgte für erheblichen Aufruhr in der Gemeinde- eine Folge, die wohl durchaus beabsichtigt war. /Lusa, 7.7.94/

Ein zweiter Vorfall ereignete sich am 13. Juli, als zwei junge Nonnendes Salesianer-Ordens, die an einer Prüfung in der Universitätteilnehmen wollten, von Indonesiern beleidigt wurden. Wie der MilitärkommandantOst-Timors, Johny Lumintang, behauptete, handelte es sich bei den Beleidigernum islamische Kommilitonen /Lusa, 13.7.94/. Agio Pereira, Exil-Timoresein Australien glaubt dagegen an eine gezielte Provokation. Er habe Beweise,daß die Beleidiger dem indonesischen Geheimdienst Intel angehörten,sagte Pereira in einem Interview /Radio 2UE, Australien, 15.7.94/.

Agio Pereira glaubt, die Beleidigungen gegenüber Katholiken sollengezielt Spannungen erzeugen, um nachher die Ost-TimoresInnen als Bedrohungfür die mehrheitlich islamischen TransmigrantInnen aus Indonesienhinstellen zu können, um somit einen Vorwand für die weiter andauerndeMilitärpräsenz auf der Insel zu liefern.

Indonesiens Sonderbeauftragter für Ost-Timor, Lopez da Cruz, meintdagegen, es handelte sich um normale Religionsstreitigkeiten. "Soetwas kann überall in Indonesien passieren, das muß nicht inOst-Timor sein. Und ob ein Zusammenhang mit dem Problem der IntegrationOst-Timors nach Indonesien besteht, bleibt Ihnen selbst überlassen... Für mich besteht keinerlei Zusammenhang. Die Bevölkerungreagiert lediglich, weil sie sich beleidigt fühlt - nicht mehr undnicht weniger," sagte da Cruz in einem Interview der BBC am 14. Juli.Der Fall der Hostienschändung werde geahndet, die zwei Soldaten befändensich in Haft. Tatsächlich bat Militäroberbefehlshaber ColonelJohny Lumintang die Katholiken offiziell um Entschuldigung für dasVorkommnis /Lusa, 7.7.94/.

Ganz anderer Meinung scheint Außenminister Ali Alatas zu sein.Er streitet rundweg ab, daß es sich bei den Auseinandersetzungenum Religionsstreitigkeiten handelte. "Ich glaube, es ist sehr unverantwortlich,wenn irgendjemand diese religiöse Anschuldigung ins Spiel bringt,die der Grundlage entbehrt. Warum macht man daraus eine Religionsangelegenheit,wenn es keinen religiösen Aspekt gibt? Das Thema Ost-Timor ist schonkomplex genug, ohne daß man die religiöse Komponente mit insSpiel bringt," sagte Alatas /ABC Radio, 19.7.94/.

Vielleicht sollten sich die beiden Herren auf eine Version einigen,bevor wieder eine Zeitung verboten werden muß, weil sie überMeinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung berichtet. Ohnehin siehtsich die Presse schon wieder mit Repressalien konfrontiert. Die ZeitungSuara Timor Timur erhielt bereits mehrfach Drohungen von seiten des Militärs.Nach einem Bericht über die Demonstration vom 14. Juli ging das Autoeines Redakteurs des Blattes in Flammen auf. Es wurden Reste eines Brandsatzesgefunden. /AP, 23.7.94/

Doch was auch immer Lopez da Cruz, Ali Alatas oder andere an Statementsabgeben - feststeht, daß die Rolle der katholischen Kirche Ost-Timorsnicht zu trennen ist von den politischen Gegebenheiten auf der Insel. DieKirche bietet den Menschen Zuflucht und Freiräume, die sie sonst nirgendsin Ost-Timor finden. Die Kirche ist die einzige Institution, die zumindestnicht direkt vom Staat - und dessen Militärmacht - kontrolliert werdenkann. Nur unter dem Schutz der Kirche ist es möglich, Dinge auszusprechen,für die man ansonsten von der Stelle weg verhaftet würde. Insoferndrängen sich gewisse Vergleiche auf mit der Rolle, die die Kirchein der DDR hatte.

Es wundert daher nicht, daß Ost-Timors Kirche so populärist. Heute sind 90 % der Bevölkerung Katholiken. Vor 20 Jahren, alsdie Insel noch nicht von Indonesien besetzt war, waren es gerade einmal30 %. Eine zunehmend wichtige Rolle spielt dabei auch die Person von BischofBelo, der nicht müde wird, die von Indonesien begangenen Menschenrechtsverletzungenanzuprangern. Für seinen mutigen Kampf gegen "den beständigenAlptraum, unter dem wir leben" wurde Bischof Belo für den Friedensnobelpreisnominiert. Erst vor kurzem bestätigte Belo in einem Interview mitJohn Pilger die Behauptung, es habe nach dem Massaker von Santa Cruz 1991ein weiteres Massaker an Überlebenden gegeben, die Pilger in seinemFilm "Death of a Nation" ans Licht brachte.

"Auch vorher hat es Massaker gegeben, viele, ich habe darübergeredet. Aber es war kein internationales Interesse daran vorhanden, keineDokumentaraufnahmen, keine Namenslisten von Opfern...," sagte Belogegenüber John Pilger. 1983 zum Beispiel seien mehr als 1.000 Leutein der Nähe von Viqueque umgebracht worden. /New Statesman and Society,15.7.94/

Über die Beteuerungen der Regierung in Jakarta, ausländischeJournalisten könnten selbst Ost-Timor besuchen, um sich ein Bild vonder Situation zu machen, kann Belo nur lachen. "Das ist nicht wahr.Sie müssen sich unter ständiger Begleitung bewegen. Sie werdendauernd beschattet..." /New Statesman and Society, 15.7.94/. Am 14.April war eine solche Gruppe von 28 ausländischen Journalisten aufEinladung Indonesiens in Dili zugegen. Vor ihrem Hotel entfalteten einpaar junge Ost-Timoresen einige Transparente, um gegen die indonesischeBesatzung zu demonstrieren. Pantaleao Amaral (18), Miguel de Deus (20)und and Isak Soares (22) wurden im Juni wegen Teilnahme an dieser Demozu je 20 Monaten Haft verurteilt /Lusa, 23.6.94/.

Sein Kirchenamt ist ein gewisser Schutz, dennoch lebt Bischof Belo unterständiger Angst. Zweimal schon, 1989 und 1991, habe man versucht,ein Attentat auf ihn zu verüben, erzählt er /New Statesman andSociety, 15.7.94/. Möglicherweise ergibt sich nun eine andere Chance,den unbequemen Kritiker kaltzustellen. Es heißt, der Vatikan habebeschlossen, einen zweiten Bischof für Ost-Timor zu berufen. BasilioNascimento, ein in Portugal lebender Timorese, könne das Amt übernehmen.Bischof Belo würde dann aus Dili weg in die Provinz versetzt werden.Beobachter sehen darin eine Annäherung des Vatikan an Indonesien /Jornalde Noticias, 17.5.94/.

Es sollte nicht wundern, wenn in Ost-Timor noch mehr äreligiöseäDemonstrationen stattfinden. <>

 
 
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