Indonesien-Information August 1994 (Politik)

Ein Minister mit Doktortitel soll den Nationalismus anheizen

Als Gegenstück zur islamisch orientierten IntellektuellenorganisationICMI ("Ikatan Cendekiawan Muslim Indonesia" - oft verspottetals "Ihtiar Cendana Merangkul Islam", d.h. dem Versuch von Cendana-Suhartos Wohnsitz- die Moslems an sich zu ziehen) ist eine neue Intellektuellenprganisationgegründet worden. Sie nennt sich ICKI ("Ikatan Cendikiawan KebangsaanIndonesia"), zu deutsch "Sammlung nationalistischer IntellektuellerIndonesiens". Sie wurde von General Alamsyah, einem ehemaligen Minister,und Mitarbeitern von 17 indonesischen Universitäten gegründet/Tempo, 14.5.94/. Der Wunsch nach einer weiteren Intellektuellenorganisationist offentsichlich sehr groß. Als Bedingung gilt Alamsyah zufolge,daß der Vorsitzende einen Doktortitel hat und zugleich Minister ist./Tempo, 21.5.1994/

Auch wenn die neue Organisation ICKI keine Konkurrenz zur einflußreichen- von Technologieminister Habibie geleiteten - ICMI darstellen soll, kritisierteGeneral Alamsyah, selbst Gründungsmitglied der ICMI, daß ICMIzu gruppenorientiert sei. Auffallend viele Führungspersönlichkeitenvon ICMI sitzen im Kabinett, im nationalen Koordinationsbüro fürEntwicklung (Bappenas) oder leiten staatliche Unternehmen. Zu den ICMI-Kritikerngehört u.a. Abdurrahman Wahid, Vorsitzender Indonesiens größterislamischen Organisation Nahdatul Ulama /Tempo, 14.5.1994/.

Mitte Mai hielt Transmigrationsminister Siswono Yudohusodo im Beiseinvon Verteidigungsminister Gen. Edy Sudradjat eine Rede vor der nationalistischenStudentenorganisation GMNI in Semarang (Mitteljava) und kritisierte dabeiöffentlich, daß ICMI zwar die Religion zu ihrer Basis erklärthabe, aber politisch agiere /Editor, 2.6. 1994/. "Ich habe zu Habibiegesagt, Vorsicht, Pak Habibie. Als ICMI gegründet wurde, sagten Sie,ICMI sei dazu da, intellektuelle Tätigkeiten zu fördern. IhrVorgehen jetzt sieht anders aus," erläuterte Minister Suwonogegenüber DeTik /25.-31.5.94/.

Abdurrachman Wahid befürwortete die Gründung einer Organisationmit nationalem Charakter wie ICKI. "In der jetzigen Situation wirdeine neue Organisation als Gegenstück zu gruppenorientierten Tendenzenbenötigt," sagte er /Tempo, 14.5.1994/.

Zurück in alte Zeiten?

Transmigrationsminister Siswono beklagt, daß der Geist des Nationalismusallmählich am Erlöschen sei. Als Beispiel führte er u.a.den Finanzskandal um Edy Tansil (Bapindo) an. "Wir erfahren, daßer eine Fabrik in China gegründet hat. Das macht uns traurig. Staatsgelderwurden gestohlen, um eine Fabrik in einem anderen Land zu bauen. Wir sehen,daß die jüngere Generation lieber Kentucky Fried Chicken ißtals einheimisches gebratenes Hühnchen von Mbok Berek," /DeTik,25-31.5.94/. Und Vize-Präsident, General Try Sutrisno warnte seineLandsleute vor dem Verzehr von "non-rice-food, including Western food"/Spotlight, Juni 94/.

Hinter dem geforderten Nationalismus verbirgt sich offensichtlich eineanti-westliche Tendenz, die in erster Linie dem Druck westlicher Staatenin Sachen Menschenrechten entgegengesetzt werden soll. Man erinnert sichan den Fall der Ablehnung der holländischen Finanzhilfe im Jahre 1992,als die niederländische Regierung ihre Entwicklungshilfezahlungenan Menschenrechtsfragen knüpfen wollte. Auch die Diskussion um dieOst-Timor-Konferenz in Manila vor kurzem paßt in diesen Kontext.

Andererseits bewertete der ehemalige Gouverneur von Jakarta, Gen. AliSadikin, der zur Oppositionsgruppe Petisi 50 gehört, die neue Strömungals Zeichen einer Rückkehr zu Sukarnos Lehre vom Nationalismus. "Esist komisch, wenn man jetzt auf einmal über Nationalismus redet. MeinerMeinung nach ist dies ein Zeichen dafür, daß die Neue Ordnungwährend ihrer 25-jährigen Herrschaft gescheitert ist. Unser erstesnationales Erwachen war eine Reaktion auf die Unterdrückung durchdie Holländer. Das neue nationale Erwachen verdeutlicht, daßwir von unsereren eigenen Leuten unterjocht werden". Ali Sadikin zufolgeist Nationalismus eng mit sozialer Gerechtigkeit verknüpf. Denn Sukarnohatte Nationalismus als Gegenstück zum westlichen Nationalismusbegriffdefiniert. Für ihn war Nationalismus zugleich Prinzip und Kampfstrategie,die auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet war. Sein Nationalismuskonzeptbasierte auf dem Solidaritätsgefühl unterdrückter Menschen/Editor, 26.5.94/.

Spielt das Militär mit?

Die öffentliche Kritik an Kabinettsmitglied Habibie wurde offensichtlichschon vorher mit Präsident Suharto abgesprochen: Es hatte zuvor einelange Unterredung zwischen Minister Siswono und Suharto gegeben. Editorspekulierte, "Siswono has presidential blessing for this reigningin of Habibie". ICMI-Mitglied Dawam Rahardjo meinte, es bestündeeine Verbindung zwischen Militär und solchen Gruppierungen, die sichgegen ICMI wenden. "Es ist selbstverständlich, daß dasMilitär keine Entmilitarisierung will," sagte er. Diese Befürchtunghegt das Militär offenbar bereits seit es den Posten des Golkar-Vorsitzendenverlor /Editor, 2.6.1994/.

Nachtrag:

Aus der Gründung von ICKI wurde nun doch nichts. Statt dessen heißtdie neue Intellektuellenorganisation PCPP (Persatuan Cendikiawan PembangunanPancasila = Die Vereinigung von Intellektuellen (für) die Entwicklunga la Pancasila). Zwischen Gründer General Alamsyah und den anderenMitgliedern gibt es jedoch Zwistigkeiten. Präsident Suharto soll mitICKI nicht einverstanden gewesen sein /Tempo, 4.6.94/. Vermutlich liegtder Grund darin, daß ICKI das Thema Nationalismus auf die Tagesordnunggebracht hat - und zwar in Sukarnos Sinne und nicht mit der offiziell erwünschtenanti-westlichen Konnotation. /DeTik, 1.-7.6.94/.

Vielleicht braucht Suhardiman wirklich eine Schutztruppe. Denn bei einemTreffen mit in Holland lebenden Indonesiern in Utrecht am 29.5.94 drohteMuchtar Pakpahan, der Chef der unabhängigen Arbeiterorganisation SBSI(Serikat Buruh Sejahtera Indonesia), der Regierung mit einer sozialen RevoutionMitte Oktober dieses Jahres, falls sie bis dahin die SBSI nicht anerkenne.Er wisse, wie er in diesem Fall seine 750.000 Anhänger mobilisiere.<>

 
 
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