Indonesien-Information August 1994 (Demokratie)

Mit Schlagstöcke gegen Schlagzeilen (3. Teil derTrilogie)

Der Protest gegen das Verbot von drei Zeitschriften eskaliert und nahmseinen vorläufigen Höhepunkt in der gewaltsamen Auflösungeiner Demonstration. Mehrere Personen, darunter der bekannte KünstlerSemsar Siahaan, wurden mit Polizeiknüppeln krankenhausreif geschlagen.

Das Verbot der Zeitschriften Tempo, DeTIK und Editor zeigte nicht denseitens der Regierung gewünschten Erfolg, die nationale und politischeStabilität zu bewahren. Im Gegenteil, der Erlaß des Informationsministeriumsförderte die Unzufriedenheit breiter Schichten des Volkes und denRuf nach einer wirklichen Demokratisierung des Landes. Zahlreiche Protestdemonstrationenüberzogen in der Woche nach dem Erlaß das ganze Land, und jedenTag wurden mehr TeilnehmerInnen gezählt.

Die DemonstrantInnen in Jakarta, Surabaya, Yogya, Padang, Ujung Pandangund anderen Städten verliefen ausnahmslos friedlich, obwohl die Stimmunggereizt war. Gleich am ersten Tag waren bei einer Demo von StudentInnen,NGOs, JournalistInnen und KünstlerInnen in Jakarta Transparente mitder Aufschrift "Hängt Harmoko!" zu sehen /Reuter, 22.6.94/.Verschiedentlich kam es zu Rangeleien mit den Sicherheitskräften,die Leute abdrängten und Transparente beschlagnahmten. Es soll sichdabei fast ausnahmslos um Spezialeinheiten der Polizei gehandelt haben,während fast kein Militär zu sehen war /Augenzeugenbericht, 23.6.94/.

Während einer Demonstration zum Informationsministerium versuchtendie Protestierenden Minister Harmoko zu sprechen. Lediglich eine kleinePromi-Delegation, der Adnan Buyung Nasution, Mulya Lubis, Luhut Pangaribuan,H.J. Princen und Rizal Ramli angehörten, wurde schließlich vorgelassen,traf aber nicht auf Harmoko selbst, sondern wurde von Mitarbeitern desMinisteriums abgespeist, was die Unzufriedenheit der Menge weiter schürte.

Proteste gegen das Verbot der Zeitschriften waren auch aus dem Auslandzu vernehmen, insbesondere von Seiten des australischen MinisterpräsidentenKeating, der sich zu einem inoffiziellen Besuch in Jakarta aufhielt /IndonesianObserver, 30.6.94/. Keating fällt üblicherweise nicht geradedurch lautstarke Kritik gegenüber Indonesien auf, sah sich in diesemFalle aber doch genötigt, seine Meinung zu sagen. Staatsminister Moerdionomeinte daraufhin: "Ich denke, was wichtig ist, ist nicht der Kommentar,den Premierminister Keating gegeben hat. Was wir beachten sollten ist dieErklärung Präsident Suhartos über die Gründe, warumdie Regierung diesen Schritt vollzogen hat," /Suara Pembaruan, 29.6.94/.Der Vorsitzende der Rechtshilfeorganisation YLBHI, Adnan Buyung Nasution,hatte Keating zuvor aufgefordert, seinen Besuch abzublasen, solange dasVerbot der Zeitschriften bestehen bleibt. Ebenso appelierte er an PräsidentClinton und andere Regierungschefs, die im November zum APEC-Treffen (Asiatisch-PazifischerWirt~ schaftsraum) nach Jakarta kommen wollen, ihren Besuch abzusagen /Reuter,22.6.94/. Eine Sprecherin der US-Botschaft sagte, die USA "bedauerten"den Schritt der indonesischen Regierung, konkrete Maßnahmen kündigtesie aber nicht an.

Militär setzt weiter auf Opposition zu Suharto

In der Diskussion um das Verbot der Zeitschriften findet die Auseinandersetzungzwischen Militärs auf der einen und Suharto-treuen Zivilisten wieHabibie und Harmoko auf der anderen Seite ihre Fortsetzung. Der in Ungnadegefallene General a.D., A.H. Nasution, der noch viel Respekt beim Militärgenießt, kritisierte als einer der ersten das Verbot. Aus den Reihender aktiven Militärs meldete sich Generalleutnant Harsudiyono Hartaszu Wort: "Wir haben schon genug Probleme, warum muß man zusätzlichneue schaffen?" Und:"Niemand kann Druck auf andere ausüben.In dieser Zeit der globalen Öffnung kann man Leuten nicht einfachverbieten, an Informationen zu gelangen, die auf der Wahrheit beruhen."/Indonesian Observer, 27.6.94/. Militärsprecher Brigadegeneral SyarwanHamid beschrieb die Verbote ebenfalls als "unerwünscht, bedauerlich,...es hätte nicht geschehen dürfen," /Jakarta Post, 23.6.94/.Zum wiederholten Male tritt somit die paradoxe Situation ein, daßsich ausgerechnet das Militär einen demokratischeren Anschein gibtals der zivile Rest der nationalen Führung.

Auch die nationale Menschenrechtskommission nutzte ihre Chance, sichins rechte Licht zu setzen und bezeichnete die Verbote als einen "Rückschrittfür die Demokratisierung" /Jakarta Post, 23.6.94/. Die Kommissionkämpft noch immer um ihr Ansehen bei MenschenrechtsaktivistInnen,die ihre Unabhängigkeit von der Regierung in Zweifel ziehen.

Eine Gruppe von Abgeordneten des Parlaments (DPR) äußertesich, sie sei "erschrocken" über den Schritt, vertraue aberdarauf, daß die Entscheidung der Regierung schon ihre Richtigkeithaben werde. Im übrigen hoffen die Abgeordneten, daß sich diePresse künftig an die Spielregeln hält, damit so etwas nichtwieder vorkomme. Mit diesem Appell an die völlig falsche Adresse demonstriertendie Abgeordneten, daß sie nicht im geringsten dazu in der Lage sind,auf die Regierung Einfluß zu nehmen. Wie kann man besser die Machtlosigkeitdes Parlaments in der Pancasila-Demokratur vorführen? /Antara, 22.6.94;Kompas, 30.6.94/

Darüberhinaus sorgten sich die Abgeordneten um das Schicksal derRedakteure und sonstigen Mitarbeiter der drei geschlossenen Zeitschriften.Der PPP-Abgeordnete Zainal Abidin forderte, anstatt die Zeitschriften zuschließen, die verantwortlichen Redakteure vor ein ordentliches Gerichtzu stellen, wenn sie sich wirklich etwas hatten zu Schulden kommen lassen.Damit würde vermieden, daß die gesamte Belegschaft unverschuldetmitbestraft wird. Der PDI-Abgeordnete Sabam Sirait immerhin forderte imNamen eines Parlamentsausschusses die Wiederzulassung der drei Zeitschriften/Antara, 22.6.94; Kompas, 30.6.94/.

Auch der Menschenrechtsanwalt Mulya Lubis beanstandete, daß dieverantwortlichen Redakteure nicht vor ein Gericht gestellt wurden. Diesofortige Schließung der Zeitschriften sei unverhältnismäßig.Jeder Kriminelle, ja sogar ein wegen Subversion gegen den Staat Angeklagter,habe immerhin das Recht, sich gegen die gemachten Anwürfe in einemGerichtsverfahren zu verteidigen, sagte Mulya Lubis /Jakarta Post, 23.6.94/.Die Regierung besteht davon unberührt auf der Umkehrung der Beweislast:Es stehe den Rechtsvertretern der drei Zeitschriften jederzeit frei, gegenden Ministererlaß zu klagen. Dieser Erlaß zum Entzug der Lizenzen(SIUPP) werde aber auf keinen Fall zurückgenommen, bestenfalls könntenneue Lizenzen ausgestellt werden, sagte Harmoko gegenüber Parlamentariern/Kompas, 30.6.94/. Ein Neuerscheinen der Zeitschriften sei allerdings nurunter neuem Namen, mit neuen Herausgebern und neuer Chefredaktion möglich,schreibt die Jakarta Post dazu in ihrer Ausgabe vom 28.6.94.

Arif Budiman von der Satya-Wacana-Universität in Salatiga siehtbereits die Angst um sich greifen. Er kritisiert, daß sich insbesonderedie noch bestehenden Presseorgane, nicht trauen, die politische Dimensiondes Lizenzentzuges zu kommentieren. Vielmehr konzentrierten sich dieseZeitungen darauf, nur die soziale Komponente, nämlich das Schicksalder betroffenen MitarbeiterInnen von Tempo, Editor und DeTIK zu sehen /PIJAR,4.7.94/.

Prügel gegen Künstler ...

Nachdem die Regierung erkennen mußte, daß die Proteste nichtabklingen, sondern im Gegenteil von Tag zu Tag mehr Leute auf die Straßegingen, um für die Pressefreiheit zu demonstrieren, versuchte sie,die Proteste mit Gewalt zu ersticken. Am 27. Juni waren in Jakarta gleichzwei Demonstrationen unterwegs, der eine Zug bestand vornehmlich aus NGO-AktivistInnen,während an dem anderen Zug namentlich KünstlerInnen und SchriftstellerInnenteilnahmen. Beide sollten sich kurz nacheinander im Zentrum der Stadt treffen.Eine Gruppe von 20 Personen um Indonesiens wohl bekanntesten zeitgenössischenDichter und Theaterautor W.S. Rendra wollte eine öffentliche Lesungvon Protestgedichten abhalten. Doch dazu kam es nicht. Beide Demos wurdenvon Polizei- und Militäreinheiten, gekleidet in schwarze T-Shirtsmit der Aufschrift 'Operasi Bersih' ('Säuberungs-Operation'), gestürmt,die wild mit Knüppeln auf die friedliche Menge einschlugen. Der MalerSemsar Siahaan mußte mit schweren Beinverletzungen - zusammen miteinem weiteren Opfer - ins Krankenhaus eingeliefert werden. Andere erlittenKopfwunden, gebrochene Rippen und gebrochene Finger. Auch Rendra wurdedurch Schlagstockeinsatz verletzt, bevor er zusammen mit ca. 60 weiterenDemonstrantInnen festgenommen wurde (eine komplette Liste der Festgenommenenliegt Watch Indonesia! vor). Auch zwei ausländische Journalisten wurdenbei dem Einsatz angegriffen. Amnesty International berichtet von ähnlichenAuseinandersetzungen in Yogya, bei denen mindestens zehn Leute festgenommenworden seien /amnesty international, 29.6.94/.

Am selben Morgen hatten zweihundert jugendliche Berufsjubler ungehindertfür das von Harmoko erlassene Verbot demonstriert /The Australian,28.6.94/. Vielleicht sah sich Harmoko durch sie ermutigt, gleich am nächstenTag erneut zum Mittel der Zensur zu greifen: die singapuresische TageszeitungStraits Times durfte am 28.6.94 in Indonesien aufgrund ihrer Berichterstattungüber die Demonstrationen vom Vortag nicht vertrieben werden /AP, 29.6.94/.

... und lächerliche Strafen

Ein Teil der Festgenommenen wurde am nächsten Tag wieder freigelassen,während 20 Leute, darunter Rendra, vor ein Schnellgericht gestelltwurden. Sie wurden wegen Verstoßes gegen das Verbot unangemeldeterVersammlungen und der dadurch verursachten Verkehrsbehinderung (das Undenkbarewurde wahr: Stau in Jakarta..., d. säzzer) zu einer symbolischen Strafevon je Rp. 2.000 (ca. DM 1,60) oder 5 Tagen Gefängnis verurteilt undhaben die Kosten des Verfahrens, ganze Rp. 500 (ca. 40 Pfennig) zu tragen.Unter den Verurteilten befinden sich auch zwei Minderjährige (14 Jahre),während ein weiterer Angeklagter wegen Minderjährigkeit (ebenfalls14 Jahre) aus dem Verfahren gezogen wurde. Diese Logik spricht wohl ebensofür sich, wie das Strafmaß und die - auch an indonesischen Einkommengemessen - lächerlichen Verfahrenskosten. Dennoch - oder gerade deswegen?- wollen fünf der Verurteilten in Berufung gehen. Der ebenfalls am27.6. festgenommene Beathor Suryadi, ein Mitglied der MenschenrechtsgruppeYayasan Pijar, bleibt vorerst weiter in Haft, da er im Rahmen einer anderenAktion Freigänger auf Bewährung war /AP, 29.6.94 und Anonym/.

Gegen jegliche weitere Demonstration würde ebenfalls mit Härtevorgegangen, sagte Jakartas Polizeichef, Generalmajor Hindarto nach denEreignissen in Jakarta /Indonesian Observer, 30.6.94/. Dennoch demonstriertenam 5. Juli wieder 200 JournalistInnen, unterstützt von verschiedenenNGOs, diesmal vor dem Gebäude ihres Berufsverbandes PWI (PersatuanWartawan Indonesia) im Zentrum von Jakarta. PWI hatte sich nur halbherzigzu den Verboten geäußert und Verständnis für die EntscheidungHarmokos gezeigt. Als Polizeikräfte den Leuten den Zutritt zu demGebäude verwehrte, skandierten die DemonstrantInnen: "Das PWI-Gebäudeist unser Haus, warum dürfen wir nicht reingehen?". Einer kleinenDelegation wurde daraufhin der Zutritt gewährt. Sie überreichteneinen von 370 BerufskollegInnen unterschriebenen 5-Punkte-Katalog, mitdem sie ihren Berufsverband zum entschlossenen Handeln gegen die Zensurmaßnahmenaufforderten /Bericht eines Reporters von Jurnal Demokrasi, 5.7.94/.

Offenbar unzufrieden mit dem Ergebnis ihres Protests vom Vormonat, kamendie JournalistInnen am 4. August wieder, um gegen ihren Berufsverband PWIzu demonstrieren. Diesmal nahmen ca. 250 Personen an der Aktion teil, diegrößtenteils ganz in schwarz gekleidet waren und T-Shirts mitdem Aufdruck "Gib mir Tempo, Editor und DeTIK zurück!" trugen.Die Demo hatte sich bereits aufgelöst als erneut Einheiten der Sicherheitskräftezuschlugen. Sie durchsuchten sämtliche Läden und Restaurantsim Geschäftszentrum um das Kaufhaus Sarinah, nahmen willkürlichalle fest, die schwarz gekleidet waren und trieben sie auf einem Parkplatzzusammen. Sämtliche Autos wurden durchsucht. Es wurde versucht, demTempo-Redakteur Happy Sulistyadi, dessen Wagen mit acht Leuten besetztwar, seine Autoschlüssel abzunehmen. Als dies nicht gelang, wurdendie Fahrzeuginsassen gezwungen, auszusteigen, und der Wagen beschlagnahmt.Von allen Festgenommenen wurden die Personalien aufgenommen, die beidenAktivisten Wahyu aus Salatiga und Eko Maryadi aus Bandung wurden vor denAugen der Öffentlichkeit brutal zusammengeschlagen /Solidaritas JurnalisIndependen, 4.8.94/.

Ähnlich endete zuvor eine andere Protestaktion. Auf dem Geländeder Rechtshilfeorganisation YLBHI in Jakartas Diplomatenviertel in derJl. Diponegoro hatten sich am 7. Juli ca. 50 Leute zu einem Hungerstreikversammelt. Nach kurzer Zeit erschienen fünf Lastwagen, vollbesetztmit Militär und Spezialeinheiten der Polizei. Auch in diesem Fallwurde mit Knüppeln gegen die Demonstrierenden vorgegangen, 43 Personenwurden verhaftet /Kelompok Perempuan Untuk Kebebasan Pers, 7.7.94/. Siewurden in gleicher Weise wie die Festgenommenen vom 27. Juni in Schnellgerichtsverfahrenzu lächerlich geringen Geldstrafen verurteilt, wollen dagegen aberin Berufung gehen: "Wir haben nichts Verbotenes gemacht, wir warennicht an einem öffentlichen Ort," sagte einer der Verurteilten/The West Australian, 9.7.94/.

Deutsche Botschaft macht den Bock zum Gärtner

Bei sovielen offensichtlichen Mißachtungen der Grundregeln derDemokratie und der Menschenrechte setzte selbstverständlich auch dasdeutsche Auswärtige Amt alle Hebel in Bewegung, um auf die indonesischenPartner einzuwirken. Daraufhin sagte der "German Boy" MinisterHabibie in einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter in Jakartazu, sich für die Wiederzulassung der drei verbotenen Zeitschrifteneinzusetzen. Das Auswärtige Amt vernahm die Nachricht mit Wohlgefallenund verkündete mit Stolz, wie es den Bock zum Gärtner gemachthat /taz, 12.7.94/. <>

 
 
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