Indonesien-Information August 1994 (Demokratie)

Das Ende der Öffnungspolitik

Zensur für Kriminalgeschichten (2. Teil der Trilogie)

Die Publikationslizenz der Wochenzeitung DeTIK umfaßte die Berichterstattung über "Kriminalfälle, Detektivgeschichten und Informationen". Nicht ausdrücklich enthalten waren politische Themen. So gab sich DeTIK alle Mühe, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Berichtet wurde über kriminelle Machenschaften von Regierungsangehörigen wie den internationalen Waffenhandel, über Korruptionsskandale wie die BAPINDO-Affaire, in die hohe Politiker verwickelt sind, über Morde an Arbeiterinnen wie Marsinah und Titi und andere Verbrechen mehr. Dennoch wurde DeTIK sowie den zwei Wochenzeitschriften TEMPO und EDITOR die Lizenz entzogen.

Nach einer kurzen Phase der politischen Öffnung (keterbukaan) Indonesiens, die sich während des vergangenen Jahres vor allem in einer merkbar freieren Presseberichterstattung manifestierte, zog die Regierung jetzt die Notbremse. Erste Hinweise auf ein erneutes Einfrieren der Pressefreiheit gab Informationsminister Harmoko in einer Rede Anfang Juni, bezugnehmend auf Presseberichte über den Streit innerhalb der indonesischen Regierung um den Kauf der deutschen Kriegsschiffe."Es gibt verschiedene Publikationen, die sich nicht an den Ethik-Kodex für Journalistik halten, und gegen sie werden Sanktionen entsprechend den geltenden Regeln und Bestimmungen verhängt werden," sagte der Informationsminister. "...Wir werden sehen, wir haben bereits die Verwarnungen versandt...," ergänzte Harmoko, ohne zu erwähnen, welche Art von Sanktionen verhängt werden würden. /AFP, 21.6.94/

In ähnlicher Weise äußerte sich auch Präsident Suharto selbst in seiner Rede vom 9. Juni im Marinestützpunkt Teluk Ratai, Lampung. Es gäbe Massenmedien, die die Problematik um den Schiffskauf nur halb verstanden hätten, dann aber stark meinungsgefärbte Artikel dazu schreiben würden. Dies alles, um die Lage zu verkomplizieren, Leute gegeneinander auszuspielen und schließlich ein Klima der gegenseitigen Verdächtigungen zu schaffen. Somit gefährdeten sie die politische und nationale Stabilität. "Wenn sie nicht zur Vernunft gebracht werden können, werden wir Maßnahmen ergreifen," drohte Suharto unmißverständlich. /Republika, 10.6.94/

Während der kurzen Phase der relativen Pressefreiheit hatten verschiedene Printmedien zahlreiche Artikel veröffentlicht, die der Regierung unwillkommen waren. Dazu gehörten die Berichte über den BAPINDO-Korruptionsskandal, die führende Politiker wie Sudomo und Sumarlin sowie Präsidentensohn Tommy Mandala Putra stark ins Zwielicht rückten, die Berichte über Arbeiterdemonstrationen uvm. Dies alles schien der Regierung, die sich aufgrund internationaler Kritik bemüht zeigte, sich ein demokratisches Mäntelchen anzuziehen, offenbar noch hinnehmbar.

Der Kampf der Mastodonten

Mit der Berichterstattung über die Streitigkeiten innerhalb der Regierung infolge des Kaufes deutscher Kriegsschiffe war die Geduld der Regierung dann aber am Ende. Denn in diesem Fall wurde nicht nur die Glaubwürdigkeit von Regierungsangehörigen in Frage gestellt, sondern es wurden handfeste Differenzen innerhalb der Führungselite offenbar. Das paßt nicht zum Konzept Suhartos, der seine Regierung gerne als einen monolithischen Block dargestellt sieht, in dem sämtliche Entscheidungen nach dem Prinzip von Kompromiß und Konsens (musyawarah dan mufakat) gemeinsam getragen werden. Hinter dem vordergründigen Streit um den Kaufpreis der Schiffe steckt in Wirklichkeit ein regelrechter Machtkampf zwischen dem Militär und den zivilen Technokraten um Habibie, wie er sich spätestens seit der Ernennung von Try Sutrisno zum Vizepräsidenten und der Kabinettsbildung nach den letzten Wahlen immer deutlicher abzeichnet (vgl. Indone~ sien-Information März/April '93). Auch bei dem jüngsten Versuch, eine Ge~ genorganisation zu der von Habibie angeführten islamischen Intellektuellen-Organisation ICMI zu gründen (s. Bericht in diesem Heft), spielten wohl ähnliche Gründe eine Rolle.

Suharto passen derartige Auseinandersetzungen nicht ins Konzept. Denn während er selbst sich noch nicht auf einen Nachfolger für das Präsidentenamt festgelegt hat, könnten durch den vorzeitig ausgebrochenen "Wahlkampf" bereits Vorentscheidungen fallen, die den Handlungsspielraum Suhartos in dieser Angelegenheit einschränken. Somit ist klar, daß Suharto der Kragen platzte als er dem bedrängten Habibie aus der Klemme helfen mußte. Der in seiner Rede vom 9. Juni gemachten Ankündigung, der Presse einen Denkzettel erteilen zu wollen, folgte kurze Zeit später die Umsetzung.

Am 21.6.94 verkündete Drs. Subrata vom Informationsministerium im Namen von Minister Harmoko den sofortigen Entzug der Publikationslizenzen (SIUPP) für die Wochenzeitung DeTIK und die beiden Magazine Tempo und Editor. Die Verbote wurden mit fadenscheinigen Begründungen erläutert. Im Falle von DeTIK und Editor seien "administrative" Gründe ausschlaggebend gewesen.

DeTIK erhielt 1986 die Lizenz zur Publikation von Rechts- und Kriminalfällen, erschien aber letztes Jahr in neuer Aufmachung als Wochenzeitung zu aktuellen politischen Themen. Durch die kritische Art der Berichterstattung, durch viele Hintergrundberichte und Interviews zu den jeweiligen Titelgeschichten und nicht zuletzt durch den relativ günstigen Preis, der es auch einfachen Leuten gestattete, sich ab und zu die Zeitung zu kaufen, erreichte DeTIK binnen kurzem eine Auflage von 450.000 Stück. Das 1971 gegründete renommierte Nachrichtenmagazin Tempo erreichte eine Auflage von 200.000 und der jüngere Editor von 87.000 Heften pro Woche.

Gerade das erfolgreich geänderte Erscheinungsbild von DeTIK wurde nun als Grund für den Lizenzentzug angegeben, während bei Editor beanstandet wurde, daß Chefredaktion und Verlagsleitung längst nicht mehr durch die Personen besetzt seien, auf die die Lizenz seinerzeit ausgestellt worden war. Beide Publikationen seien deswegen wiederholt schriftlich und mündlich verwarnt worden, sagte Drs. Subrata. /Republika, 22.6.94/.

Lediglich im Falle des Verbots von Tempo lautet die offizielle Begründung: inhaltliche ("substantif") Gründe. Nach den konkret beanstandeten Artikeln befragt, verwies Drs. Subrata in einer Pressekonferenz lediglich auf einen vor ihm liegenden dicken Ordner. Viele Artikel von Tempo seien zu beanstanden, weil sie gegen den Ethik-Kodex verstießen. 1982 sei Tempo schon einmal wegen ähnlicher Vergehen kurzfristig verboten worden. Zur Wiederherstellung der Lizenz wurde Tempo damals genötigt folgende Erklärung zu unterschreiben, die wir in voller Länge abdrucken, um der geneigten LeserIn zu veranschaulichen, was sich die "freie und verantwortungsvolle Presse" in Indonesien alles bieten lassen muß:

1. Tempo verspricht, sich verantwortungsvoll an der Wahrung der nationalen Stabilität, der Sicherheit, der Ordnung und des Wohls der Allgemeinheit zu beteiligen und nicht die Lage zu verschärfen, und wird sogar, falls es bei der Bevölkerung zu Anspannungen kommt, beruhigend wirken.

2. Tempo verspricht, sich zu beherrschen und immer das Wohl der Allgemeinheit und des Staates (sind offenbar zwei verschiedene Dinge, d. säzzer) über die eigenen privaten Interessen oder die Interessen von Tempo zu stellen.

3. Tempo wird immer den guten Namen und Ruf der Regierung und der nationalen Führung wahren.

4. Tempo wird die Bestimmungen beachten und erfüllen, die sich aus Rechtsverordnungen, vom Presserat und dem Ethik-Kodex für Journalistik ableiten sowie die Anordnungen, die durch die Regierung im Rahmen des Aufbaus einer freien (sic!) und verantwortlichen Presse erlassen wurden.

5. Tempo wird immer Selbstkontrollen, Berichtigungen und Verbesserungen durchführen, um die Entwicklung einer freien und verantwortungsvollen Presse zu festigen. /Republika, 22.6.94/

In vielen Fällen habe Tempo gegen diese Selbstverpflichtung verstoßen. Seitens des Informationsministeriums sei Tempo oft gewarnt worden, nun sei es eben genug, meinte Drs. Subrata. Subrata wurde erneut auf konkrete Beanstandungen angesprochen, er wurde gefragt, ob die Berichterstattung über die deutschen Kriegsschiffe möglicherweise der Anlaß gewesen sei? "Wenn Sie annehmen, daß dies von den vielen zig Beispielen eines war, ja...," antwortete Drs. Subrata. /Republika, 22.6.94/

Pressezensur als politische Tradition

Das harte Vorgehen gegen Presseorgane hat in Indonesien eine lange Geschichte. Bald nach der Machtübernahme durch Suharto wurden 1966 zahlreiche Zeitungen verboten, denen Verbindungen zur Kommunistischen Partei PKI nachgesagt wurden. Nach den gewalttätigen Demonstrationen im Januar 1974 (MALARI) wurden acht Zeitungen verboten, nach Studentenunruhen 1978, nach den Moslemunruhen und dem Massaker von Tanjung Priok 1984 wurde sieben Zeitungen, darunter auch Kompas, ein Maulkorb verpaßt /Media Indonesia, 10.12.93/. In den 80er Jahren gab es weitere Verbote. Anfang der 90er mußte das Magazin Jakarta Jakarta wegen seiner kritischen Berichterstattung zu Ost-Timor sein Erscheinungsbild ändern und darf nun als Klatsch-und-Tratsch-Zeitschrift ("nama dan peristiwa") im Hochglanzdruck weiterbestehen, desweiteren wurde das Magazin Monitor wegen "Blasphemie" verboten. Nun, in der Ära der politischen Öffnung, reiht das Informationsministerium die Berichterstattung über die deutschen Kriegsschiffe nahtlos in die genannten Fälle ein.

Goenawan: Keine Lust auf Flugzeugentführer

Goenawan Mohamad, Direktor und früherer Chefredakteur von Tempo, hält es grundsätzlich für möglich, daß das Magazin wieder eine Lizenz bekommt. Doch Goenawan scheint keine Lust zu haben, sich ein weiteres Mal zwingen zu lassen, einen journalistischen Selbstmord zu begehen wie 1982 als Tempo o.g. Erklärung unterschreiben mußte. "Wenn wir gewissen Leuten außerhalb Tempos das Mandat geben müssen, das Magazin zu führen, oder wir ihnen erlauben müssen, den Inhalt von Tempo zu bestimmen, dann wird Tempo besser tot bleiben," sagte er. Er selbst habe sowieso keine Ambitionen, weiter für Tempo zu arbeiten, ganz gleich, ob das Magazin unter gleichem oder unter anderem Namen wiedererscheinen dürfte. Ein solches Magazin zu leiten sei vergleichbar mit der Rolle des Piloten in einem entführten Flugzeug. "Machst du nur einen kleinen Fehler, wird das Flugzeug explodieren und es wird viele Opfer geben. Aber nachdem dein Flugzeug explodiert ist, wirst du weiter gezwungen vorsichtig zu sein, denn du bekommst ein neues Flugzeug mit neuen Entführern." /Jakarta Post, 28.6.94/

Goenawan Mohamad weiß, wovon er spricht. Denn die "neuen Entführer" warten schon auf ihren Einsatz. So ist das Verbot der drei Zeitschriften selbstverständlich auch als Warnung an alle noch existierenden Publikationen zu verstehen, sich in Zukunft zu mäßigen. Drs. Subrata lies die Herausgeber von vier Publikationen, den Tageszeitungen Media Indonesia, Sinar Pagi und Jakarta Post sowie dem Magazin Forum Keadilan, bereits zu sich bestellen, um ihnen anzudeuten, daß sie die Nächsten sein könnten. /AFP, 23.6.94/

Ist der Versuch einer Politik der Öffnungs bereits zu Ende? Staatssekretär Murdiono verneint dies: "Ich garantiere, die Öffnung wird fortgesetzt, aber sie muß sich an ihren Ethik-Kodex halten" /Reuter, 22.6.94/. Bedrohlicher klingt der Chef selbst. Nur zwei Tage nach dem Verbot der Zeitschriften mahnte Suharto in einer Rede vor dem nationalen Verteidigungsinstitut zur Wachsamkeit: "Innere Unruhe könnte entstehen durch Themen wie Menschenrechte, Öffnung, Demokratisierung und Umwelt. Wenn das passiert, stellt es eine Bedrohung der nationalen Entwicklung dar und schwächt die Nationale Stabilität. Deshalb müssen wir die nationale Wachsamkeit beständig auf alle Aspekten des Lebens ausweiten." /AFP, 23.6.94/ <>

 
 
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