Indonesien-Information Nr. 1 2001 (Ost-Timor)

Ost-Timors Männergesangsverein aufgelöst

oder

Where have all the Generals gone… …and what has all their offspring done ?

von Jörg Meier

Ost-Timor ist seit seiner Loslösung von Indonesien um einige Stimmen ärmer. Was wurde aus denen, die das Sagen hatten, als Habibie den Ost-Timoresen ihre zwei Optionen gewährte, und jenen, die Ost-Timor in seinen letzten Monaten als 27. indonesische Provinz in das Chaos führten? Aus den indonesischen Generälen, die auf den Bühnen Ost-Timors ihre Show der ganz besonderen Art darboten? Sämtliche Verantwortliche vom damaligen Oberbefehlshaber des Militärs, General Wiranto, über die Kommandanten der Kombat- und Territorialeinheiten bis hin zu den Babinsa - den kleinen namenlosen Dorfkommandeuren in ihren heutigen Positionen auszumachen, bedürfte intensivster Recherche. Hier soll lediglich ein Überblick über den Werdegang einiger notorischer Figuren des Dramas aufgezeichnet werden, das Ost-Timor 1999 in Schutt und Asche hinterließ.

General a.D. Wiranto, so ist allgemein bekannt, widmet sich seit seiner Absetzung als Militärsoberbefehlshaber und Verteidigungsminister im Februar 2000 seinen Hobbys. Er spielt Golf und singt. Nicht eigennützig versteht sich, sondern für karikative Zwecke. Nicht mehr in Ost-Timor, aber für die Ost-Timoresen. "Der Erlös aus dem Verkauf dieses Albums geht an die Flüchtlingshilfe", prangert es auf seinem Tonträger "Untukmu Indonsiaku - Kau selalu di hatiku / Für Dich, mein Indonesien - Du wirst immer in meinem Herzen sein".

Bei soviel Patriotismus und Nächstenliebe grenzt es an ein Wunder, dass Wiranto nicht mit seinem einstmaligen Widersacher Prabowo Subianto im Duett singt. Denn auch der Schwiegersohn Suhartos verkauft sich seit seiner Rückkehr aus Jordanien mehr denn je als friedliebender Patriot, der seine Nation niemals betrogen hat. Offiziell gibt sich der diskreditierte General heute wie sein kürzlich verstorbener Vater als Geschäftsmann. Schenkt man den Berichten westlicher Geheimdienstler Glauben, so führten ihn seine Geschäftsreisen vor allem in den Monaten vor dem Mord an den drei UNHCR-Miterbeitern in Atambua auch einige Male nach West-Timor. Dort soll er mit dem ehemaligen Anführer der Aitarak-Milizen, Eurico Guterres, gesehen worden sein. Diese Umstände lassen ebenso wie die ihm nachgesagten Ambitionen, mit seinem loyal ergebenen Freund Fadli Zon eine im konservativen islamischen Spektrum angesiedelte Partei gründen zu wollen, an seiner Glaubwürdigkeit als seriösem Broker zweifeln

Aber auch Wirantos Seriosität und Menschenliebe stehen in einem dubiosen Licht. Betrachtet man die Umbesetzungen der Militärelite in den letzten Monaten, so scheint es, als ob Wiranto, dem Vorbild seines Lektors Suharto folgend, weiterhin als Dalang aus dem Hintergrund agiert. Beispielhaft für die Konsolidierung der strategischen Reserveeinheiten Kostrad (vgl. Indonesien-Information Nr.3/2000 Wer sind die Kostrad-Boys von Ingo Wandelt), die Wiranto von 1996 bis 1997 anführte, ist die Amtsenthebung des reformorientierten Drei-Sterne-Generals Agus Wirahadikusumah. Agus, der als ausgesprochener Wiranto-Kritiker gilt, wurde von Gus Dur im Februar 2000 zum Oberbefehlshaber (Pangkostrad) der strategischen Reserveeinheit ernannt, und nur sechs Monate später durch Generalleutnant Ryamizard Ryacudu, einem Kostrad-Hardliner der alten Schule ersetzt. Ebenfalls im Auge zu behalten sind der 1998 von Wiranto für wenige Stunden als Interims-Pangkostrad eingesetzte Generalleutnant Johnny Lumintang, und sein damaliger Nachfolger Generalleutnant Djamari Chaniago. Lumintang wurde als Generalsekretär für das Verteidigungsministerium vorgeschlagen, und Chaniago ist kürzlich zum Kommandant des Generalstabs (Kasum TNI) berufen worden.

Die Hauptverantwortlichen für die Gräueltaten in Ost-Timor allerdings, so ließen selbst viele indonesische Medien nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses verlauten, waren Generalmajor Adam Damiri, dem die Territorialeinheiten Balis sowie West- und Ost Nusa-Tenggaras unterstanden, und der damalige Gouverneur Ost-Timors, Abilio Soares. Beide bekannten sich durchaus zu ihrer Verantwortlichkeit, suchten den Sündenbock jedoch in der Rolle der Vereinten Nationen. Adam Damiri ist heute erster Assistent (Asops Kasum) von Chaniago, besetzt also einen einflussreichen TNI-Büroposten, und Soares führt ein frustriertes Pendlerleben zwischen Kupang und Jakarta. Er wirft Militär und Regierung vor, zu sanft im Umgang mit dem unabhängigen Ost-Timor zu sein und trauert seinem einträglichen Posten als Gouverneur nach. Als er dieses Amt noch bekleidete, war der als hochgradig korrupt bekannte Soares ebenso wie Wiranto ein leidenschaftlicher Sänger. Heute lebt er eher zurückgezogen und pflegt seine ausgeprägte Antipathie gegenüber den UN und allem was "buleh", also weißhäutig ist.

Für die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung war nach der Eskalation des Milizenterrors in Ost-Timor Generalmajor Kiki Syhanakri verantwortlich. Syhanakri war bereits von 1994 bis 1995 Militärkommandant in Ost-Timor (Kodam 164). Wegen eines Vorfalls, bei dem seinerzeit einige Falintil-Guerillas ums Leben kamen, war Syahnakri Mitte der Neunziger zunächst gezwungen, das Feld zu verlassen. Da über die Angelegenheit längst Gras gewachsen war, wurde ihm als altem Timor-Hasen mit Kampferfahrung das Kommando für die heikle Übergangszeit bis zum Eintreffen internationaler Friedenstruppen anvertraut. Und da er seinen Job so gewissenhaft erledigen konnte - wir erinnern uns, der Großteil der Verwüstung Ost-Timors geschah unter seinem Kommando; nach seiner Mission lag Ost-Timor in Schutt und Asche - wurde er zum Oberbefehlshaber des Territorialkommandos Udayana (Pangdam Udayana) befördert. Das ist der Posten, den zuvor Adam Damiri inne hatte. Da die UN, genauer gesagt die Leitung der UN-Mission für Ost-Timor, UNAMET, Syahnakri unberechtigterweise in Schutz nahm, sollten weitere Lorbeeren nicht lange auf sich warten lassen. Syahnakri wurde im November 2000 zum Vizebefehlshaber des Heeres (Wakasad) befördert. Sein Posten als Pangdam Udayana nahm anschließend der west-timoresische Generalmajor Willem T. da Costa ein, dessen Vergangenheit in Kostrad-Kreisen kein unbeschriebenes Blatt ist. Ein Handlanger Wirantos und Damiris war zur Zeit der Ausbildung der pro-indonesischen Milizen Generalmajor Mahidin Sibolaen. Prabowo hatte mit seiner Garda-Paksi zuvor Pioniersarbeit geleistet, aber Mahidin war in seiner Funktion als Stabschef des Udayana-Kommandos der eigentliche Lehrmeister dieser Milizen, die weltweite traurige Berühmtheit erlangen sollten. Finanziert wurde das Programm übrigens unter anderem durch Falschgeld, das unter Beteiligung des damaligen Geheimdienstchefs Generalmajor Tyasno Sudarto nach Ost-Timor eingeschleust wurde.

Der Name der Mahidi-Miliz (Mati atau hidup untuk integrasi Indonesia - Leben oder Tod für die Integration) aus dem Distrikt Ainaro, so wird vermutet, soll eine Anspielung auf ihren Ausbilder Mahidin sein. Nachdem der ehemalige Oberbefehlshaber des Militärs in West-Papua Anfang dieses Jahres bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, wurde Mahidin zum neuen Pangdam Trikora, also zum Nachfolger des Verunglückten ernannt. Einhergehend mit West-Papuas zunehmenden Unabhängigkeitsbestrebungen rekrutierten sich auch dort sowohl unter den Unabhängigkeitsbefürwortern wie auch auf indonesischer Seite in den letzten Monaten Milizengruppierungen. Mahidin dürfte sich also wieder in sein Element zurückversetzt fühlen.

Eine weitere Schlüsselrolle nahm der aus Geheimdienstkreisen stammende Generalleutnant Zacky Anwar Makarim ein. Zacky war offiziell der Kopf des von indonesischer Seite zur Durchführung und Sicherung der Volksabstimmung eingesetzten Komitees P3TT (Pelaksanaan Penentuan Pendapat Timor Timur), also den gewissermaßen für eine Überwachung UNAMETs eingesetzten Kräften. Zusammen mit Generalmajor H.R. Gardani plante Zacky, was geschehen sollte, falls die erste Option - die der Integration - scheitern würde. Folgerichtig wurde er nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zum Leiter der Evakuierung aus Ost-Timor ernannt. Soweit bekannt ist, blieb Zacky auch nach der erfolgreichen "Evakuierung" weiterhin für den Geheimdienst tätig.

Ein weiterer Mann dem Beachtung geschenkt werden sollte, ist Generalmajor a.D. Yunus Yosfiah. Als junger Offizier leitete er 1975 einen Angriff, bei dem noch vor der indonesischen Invasion fünf ausländische Journalisten in dem ost-timoresischen Grenzdorf Balibo getötet wurden. Als die UN jüngst verlauten ließ, genügend Beweismaterial gegen den unter Habibie als Informationsminister dienenden Yosfiah aufbringen zu können, stellten sich Militärführung und Außenminister Alwi Shihab geschlossen hinter ihn. Diese Geste ist exemplarisch dafür, wie sehr sich indonesische Regierung und TNI bis heute gegen das zur Wehr setzten, was sie "Einmischung in interne Angelegenheiten" nennen.

Schauen wir auf die Provinzebene, so sind es vor allem drei Männer, denen erhebliche Mitschuld an den Vorkommnissen zugeschrieben wird. Zum einen Ost-Timors letzte Militärkommandanten Oberst Tono Suratman und sein Nachfolger Oberst Mohamed Noer Muis, zum anderen Polizeichef Timbul Silaen. Allen dreien wird vorgeworfen, gegen die Vereinbarungen des Abkommens vom 5. Mai 1999 zwischen Portugal und Indonesien verstoßen zu haben, da sie keine Maßnahmen zur Unterbindung der Gewalt unternahmen. Suratman und Muis müssen sich zudem dafür verantworten, direkt die Aktivitäten der Milizen unterstützt zu haben. Vor kurzem wurde außerdem bekannt, dass Suratman 1999 die Frau eines Unabhängigkeitsführers vergewaltigt haben soll.

Muis zumindest versuchte sich dahingehend zu rechtfertigen, dass er wie Soares die UN zum Sündenbock erklärte. Sie hätten nur Unabhängigkeitsbefürworter als lokale Kräfte engagiert und den fatalen Fehler begangen, so Muis in einem Statement über UNAMET, das Ergebnis des Referendums drei Tage früher als angekündigt bekannt gegeben zu haben. Zweifelsohne hatte die UNAMET ihre Schwächen, aber die sind anderswo zu suchen, als in diesen unsachgemäßen Anschuldigungen. Tatsache ist, dass keiner der Männer bisher verurteilt wurde. Als Silaen vor einer Untersuchungskommission der UN aussagen sollte, wurde ihm ähnlich wie Yosfiah Rückendeckung gewährt. Was auch immer Suratman, Muis und Silaen jetzt tun, auch sie werden sich zurücksehnen an die Tage, an denen sie auf den Bühnen Ost-Timors musizierten.

Noch eine Etage tiefer, in der Hierarchiestufe der Oberstleutnants (Dandim), die das Kommando über die 13 Distrikte Ost-Timors hatten, und ihren zivilen Gegenstücken, den Bezirksvorstehern (Bupatis) verhält es sich fast schon ähnlich wie mit den Milizen. Die meisten von ihnen wurden abserviert und fallen gelassen. Sie wurden nicht länger gebraucht. Exemplarisch ist hier vielleicht Oberstleutnant Pontoh. Er war der letzte Dandim in Manatutu, einer Stadt im Osten Dilis, die zu über 80 Prozent zerstört wurde. Man versetzte ihn nach West-Timor, in das Grenzgebiet zur Enklave Oecussi. Obwohl er dort, augenscheinlich gegen seinen Willen und unter internationalem Druck, den Anführer der Sakunar-Milizen von Oecussi, Moko Soares, wegen illegalen Waffenbesitzes hinter Gitter brachte, konnte er sich nicht lange auf diesem Posten halten. Pontoh wurde nach Sumba abkommandiert. Wie Moko Soares wurde auch der meistbekannte Milizenführer Eurico Guterres wegen illegalen Waffenbesitzes und Auflehnung gegen die Staatsgewalt angeklagt. Eine Verurteilung lässt im Falle Guterres allerdings noch auf sich warten. Verglichen mit den Verbrechen die Moko, Eurico und andere Milizenführer unter dem Kommando des Militärs tatsächlich begangen haben, sind die Anklagen gegen sie nur fadenscheinige Argumente, die von den eigentlichen Drahtziehern der Gewalt ablenken sollen. Diese Geschichte könnte mit zahlreichen Beispielen fortgesetzt werden. Olibio Maruk, der ehemalige Anführer der Laksaur-Milizen von Suai wurde augenscheinlich in einem Komplott umgebracht; der Vize-Kommandant der Aitarak-Milizen, Elly Pereira, führt sein Dasein als Sicherheitschef der Teddys Bar in West-Timors Hauptstadt Kupang und wurde als Geheimdienstagent des Militärs enttarnt; Cancio Caveillo, einstmaliger Kommandant der Mahidi-Milizen, versucht sich als Veranstalter von Versöhnungsgesprächen mit UNTAET (United Nations Transitional Administration for East Timor; UN-Mission, die Ost-Timor in die Unabhängigkeit führen soll) und beweist ein ums andere mal seine Unzuverlässigkeit. Die Schirmgruppe der Integrationsbefürworter, UNTAS (Uni Timor Aswain - Helden Ost-Timors), führt ein von Jakarta eher belächeltes Schattendasein. Etwas besser geht es lediglich einigen Intellektuellen, wie beispielsweise dem ehemaligen Vorsitzenden der timoresischen Volksfront BRTT (Barisan Rakyat Timor Timur), Lopes da Cruz, der als indonesischer Botschafter ins Ausland gesandt wurde, oder dem Sprecher des vormaligen Forums für Einheit, Demokratie und Gerechtigkeit FPDK (Forum Persatuan Demokrasi dan Keadilan), Basilio Araujo, der sich als Jungpolitiker in Jakarta versucht. Unruhen, die sich kürzlich in Dili (versuchtes Attentat auf Xanana Gusmão) und Viqeque ereignet haben, führen Ost-Timors Übergangsregierung UNTAET und politische Sprecher der Ost-Timoresen auf indonesische Provokateure zurück, deren Ziel es sei, die entstehende Nation zu destabilisieren. Über all die Anklagen, die von der UN-Untersuchungskommission wie auch der nationalen indonesischen Kommission (KPP-HAM) gegen die Kriegsverbrecher Ost-Timors erhoben wurden, ist noch kein Urteil gefällt. Sollte Jakarta nicht bald handeln, so muss auf einem internationalen Tribunal bestanden werden. Dies ist unabdingbar für einen ernsthaften Demokratisierungsprozess in Indonesien und die Aussöhnung der Ost-Timoresen. General a.D. Benny Murdani, den Initiator der indonesischen Invasion in Ost-Timor, und Ex-Präsident Suharto jedenfalls dürfte dies wenig stören. Sie stehen nicht auf der Anklageliste.

Resümee: Der Männergesangsverein Ost-Timors ist gespalten. Die einen sangen vor dem Referendum, die anderen erst danach. Manche aber pfeifen im Walde und hoffen, dass keiner singt... <>
 
 

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