Indonesien Information Nr. 3/1999 (Unruhen)

Unruhen erschüttern die letzte Insel des Wirtschaftswunders

Die kleine Insel Batam im Riau-Archipel, nur eine halbe Bootsstunde von Singapur entfernt, galt bislang als einer der sichersten Orte in ganz In-donesien. Als andernorts blutige Un-ruhen zwischen verschiedenen Teilen der Bevölkerung ausbrachen, wie An-fang des Jahres in Ambon oder West-Kalimantan, entflohen viele, die es sich leisten konnten, der Gewalt und dem Chaos durch einen längeren Aufenthalt auf vermeintlich so siche-ren Inseln wie Bali oder eben Batam. Doch nun hat die Welle kommuna-listischer Gewalt auch Batam erreicht. Am 24. Juli eskalierte ein Streit zwi-schen Fahrern öffentlicher Trans-portmittel zu einem offenen Krieg zwischen den Bevölkerungsgruppen der aus Nord-Sumatra zugewanderten Batak und Leuten aus Flores. Grau-same Szenen spielten sich ab, die den schockierenden Bildern aus Ambon und West-Kalimantan von vor weni-gen Monaten (s. Indonesien-Information Nr. 1/99) in nichts nach-standen. Die verfeindeten Gruppen bekämpften sich mit allen nur denk-baren Arten von Waffen und richteten ihre jeweiligen Gegner bis zur Un-kenntlichkeit zu. Dutzende Gebäude gingen in Flammen auf. Straßensper-ren wurden errichtet, an denen gezielt nach Angheörigen des verfeindeten Lagers gescreent wurde. Nach Anga-ben der Behörden wurden innerhalb einer Woche 14 Menschen getötet und 37 schwer verletzt. Andere Quellen schätzen die Zahl der Toten auf über 20. Mehr als 600 Leute ver-ließen ihre Häuser und suchten Zu-flucht an anderen Orten der Insel /AFP, 31.7.99/. Liegen für andere Unruheregionen schnell die Stempel "ethnische" oder "religiöse" Konflikte bereit, so stößt dieses Schubladendenken im Falle Batams auf ernsthafte Schwierigkei-ten: Zwar gehören die Konfliktpartei-en zu verschiedenen Ethnien, doch stellen beide gleichermaßen nur einen geringen Teil der multiethnischen Bewohnerschaft Batams dar. Von den ca. 350.000 Einwohnern der Insel sind praktisch alle aus anderen Teilen Indonesiens zugewandert, um dort Arbeit zu finden. Die Zuwanderer aus Flores und die Batak stellen jeweils nur ca. 10-15% des Völkergemisches der Insel. Die ebenfalls als Erklä-rungsmuster beliebte Formel "Ein-heimische gegen Zugewanderte" führt ebenfalls nicht weiter - genauso we-nig wie der "religiöse Konflikt": bei beiden Gruppen handelt es sich um Christen, einzig mit dem Unterschied, daß die meisten Leute aus Flores ka-tholischen Glaubens sind, während die Mehrzahl der Batak Protestanten sind. Zunehmende soziale Spannungen als Auswirkung der Wirtschaftskrise stellen andernorts den Sprengstoff dar, den ein kleiner Funke - wie in diesem Fall der nichtige Streit zwi-schen zwei Fahrern - zur Explosion bringen kann. Aber auf Batam? War diese Insel nicht seit Jahren eine der am meisten prosperierenden Regio-nen ganz Indonesiens? Selbst in den schlimmsten Monaten der Wirt-schaftskrise im vergangenen Jahr wurden doch hier noch gute Gewinne gemacht? Seit den 70er Jahren wurde Batam unter Verantwortung des damaligen Forsachungs- und Technologiemini-sters Habibie zielstrebig zu einer In-dustrie- und Freihandelszone entwik-kelt. Die begrenzten Ressourcen an Industrieflächen und anderen Stand-ortfaktoren des direkt benachbarten Stadtstaates Singapur machten Batam zu einem interessanten Ausweich-standort für viele Betriebe. Die ehr-geizigen Pläne Habibies, Batam gar zu eine zweiten Singapur zu entwik-keln blieben zwar Lichtjahre von der Realität entfernt, aber die schät-zungsweise 2 Mrd US$, die in die Entwicklung der Infrastruktur Batams gesteckt wurden, blieben zumindest nicht ganz ohne Wirkung. Nachdem 1989 gemeinsam mit Singapur ein Abkommen getroffen wurde, Batam zu einem weitgehend steuerfreien Billig-Produktionsstandort zu entwik-keln, investierten eine Vielzahl singa-puresischer Unternehmen, aber auch multinationale Konzerne in Anlagen auf Batam. /Straits Times, 2.8.99; South China Morning Post, 4.8.99/ Für die wohlhabende Klientel der Geschäftsreisenden und Kurzzeittou-risten auf "Butterfahrt" aus dem be-nachbarten Singapur wurden auch verschiedene Freizeiteinrichtungen wie Golfplätze, Strände und Hotels geschaffen, die allerdings im Ver-gleich zu anderen Reisezielen inner-halb Indonesiens eher unattraktiv sind. Aber dennoch - für die Unter-haltung und das Wohlbefinden der reichen Geschäftsreisenden war ge-sorgt. Das Wirtschaftswunder von Batam, für dessen Marketing sich Habibie im In- und Ausland mächtig ins Zeug legte, zog Tausende von Arbeitskräf-ten aus ganz Indonesien an, denn nir-gends gab es so viele neue Jobs und nirgends wurden so hohe Löhne be-zahlt wie auf Batam. Leider mußten die meisten Zuwanderer schnell fest-stellen, daß auch nirgends in Indone-sien das Leben so teuer war wie auf Batam. Und nirgends war es für den kleinen Geldbeutel unattraktiver als dort. Einrichtungen, die das Leben in der Stadt angenehm machen, fehlten fast gänzlich: billiger Wohnraum, öf-fentlicher Nahverkehr, billige Essen-stände, Kinos usw., während natürlich an eine weitgehende Selbstversor-gung, wie sie auf dem Lande möglich ist, ebenfalls nicht zu denken war. Und obwohl es unbestritten viele Jobs auf Batam gab, hielt der Zuwachs an Arbeitsplätzen nicht der Sogwirkung auf die verarmte Arbeiterschaft aus allen Teilen Indonesiens stand. Die Arbeitslosigkeit wuchs, während gleichzeitig die Möglichkeiten, sich im informellen Sektor etwas dazu zu verdienen im Vergleich mit den indo-nesischen Städten sehr begrenzt blie-ben. Möglicherweise ist hier die Ur-sache für die jüngst ausgebrochenen gewaltsamen Konflikte zu suchen. Die Analyse der Wirtschaftsstatisti-ken erlaubt jedenfalls nicht immer ei-ne sachgerechte Beurteilung der La-ge, wie sich an diesem Beispiel zeigt, denn sie läßt Faktoren außer acht, die für einen Großteil der wichtigsten Beteilgten - der Arbeiter - überle-bensnotwendig sind. Wenigstens die Behörden auf Ba-tam selbst scheinen sich langsam die-ser Problematik bewußt zu werden. Eine Woche nach Ausbruch der Un-ruhen richteten sie an die Zentralre-gierung in Jakarta den Appell, den Zuzug weiterer schlechtausgebildeter Wanderarbeiter nach Batam zu be-grenzen /Jakarta Post, 30.7.99/. Es ist allerdings zu befürchten, daß aus die-sem Appell erneut die falschen Schlüsse gezogen werden und anstatt für bessere Lebensbedingungen auf Batam zu sorgen nun verstärkt re-striktive Zuzugsregelungen getroffen werden. Vorerst wird dem Problem jedoch mit altbewährten Miteln zu Leibe ge-rückt: Verstärkung des Militärs. 2.000 Soldaten wurden nach Batam verlegt, um das Chaos unter Kontrolle zu bringen /AFP, 31.7.99/. Präsident Habibie fürchtet um den letzten verbliebenen attraktiven Wirt-schaftsstandort Indonesiens, dem er aufgrund seiner früheren Tätigkeit als verantwortlicher Minister sowie auf-grund eigener wirtschaftlicher Inter-essen seiner Familie auf Batam be-sonders eng verbunden ist. Geschäfts-reisende bleiben aus und der Wäh-rungskurs mußte einen neuerlichen Einbruch erleben, seit die Nachrich-ten vom Chaos auf Batam die Runde machen. Auf längere Frist könnten auch Investoren ausbleiben oder gar bestehende Unternehmen schließen. So gab Habibie dem Militär An-weisung "härtere Maßnahmen" zu er-greifen. "Alle notwendigen Maßnah-men, die Gewalt zu stoppen, müssen ergriffen werden, einschließlich des Schießbefehles," erklärte er Arme-echef Wiranto. "Ich will, daß die Ordnung noch heute wieder herge-stellt wird." /Straits Times, 2.8.99/ af <>

   
 

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