Indonesien-Information Nr. 3 1995 (Wirtschaft)

Die zehn größten Probleme der indonesischen Wirtschaft

von Dr. Sri-Bintang Pamungkas

Der folgende Text dokumentiert den Inhalt der Vorträge, die Sri-Bintang Pamungkas in Deutschland gehalten hat. Diese Reinschrift entstand im Mai nach Sri-Bintangs Rückkehr auf Grundlage der handschriftlichen Manuskripte, die Sri-Bintang in Deutschland verwendete.

In der ersten Stufe der langfristigen Entwicklung Indonesiens 1. 25-Jahres-Plan wurde es geschafft, die indonesische Wirtschaft von einem Pro-Kopf-Einkommen von ca. US$ 70 im Jahre 1968/68 auf US$ 700 im Jahre 1993/94 zu befördern. Dies wurde erreicht durch ein annehmbares Wirtschaftswachstum in den letzten 25 Jahren.

Aber, dieses Ergebnis ... , das nach Ansicht der Weltbank recht bewundernswert ist, hat nicht das Optimum dessen erreicht, was eigentlich hätte erreicht werden können. Die indonesische Wirtschaft hätte sich eigentlich besser entwickeln können, wie man am Beispiel der Nachbarländer Malaysia, Thailand und Südkorea sehen kann. ...

Die indonesische Wirtschaft mußte sich bis dato vielen Problemen, Hindernissen, Unsicherheiten und Risiken stellen. Im folgenden sind die 10 wichtigsten Probleme aufgeführt, mit denen sich die indonesische Wirtschaft zur Zeit konfrontiert sieht. Diese Probleme müssen als eine Herausforderung für die Zukunft unserer Entwicklung richtig verstanden werden.

_______ Armut und Wohlstandslücke _______

Laut der Statistik für das Jahr 1991/92 wird geschätzt, daß mehr als 100 Mio. Menschen in Indonesien noch unter der Armutsgrenze leben. Unter der Annahme, daß es zwischen Stadt und Land keinen Unterschied der Armutsgrenze gäbe, und man die Armutsgrenze festsetzt auf Rp. 1000, die jemandem täglich für Ausgaben zur Verfügung stehen (bzw. monatlich Rp. 30.000), gäbe es sogar 120 Mio. Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, davon 20 Mio. in den Städten und 100 Mio. auf dem Land. Setzte man die Armutsgrenze niedriger an, nämlich auf Rp. 500 pro Kopf und Tag (bzw. Rp. 15.000 pro Monat), so gäbe es immer noch 28 Mio. Arme, davon 2 Mio. in den Städten und 26 Mio. auf dem Land. Die hier zugrundegelegten Ausgaben beinhalten noch nicht einmal die Kosten für Bildung und Gesundheit. Erst recht nicht, wenn man sie auf eine vierköpfige Familie berechnet. Es ist klar, daß deren tägliche Aufwendungen weit höher liegen als es viermal Rp. 30.000 pro Monat gestatten. ...

Die Wirtschaftsdaten zeigen auch eine erhebliche Wohlstandslücke zwischen den Armen und den Reichen. Die Unternehmensgruppen, die in den 200 größten indonesischen Konglomeraten zusammengeschlossen sind, erzielen einen Umsatz, der 80 % des Bruttoinlandsproduktes entspricht, das sind ungefähr Rp. 250 Billionen in 1992/93.

Eine Wohlstandslücke tritt ebenfalls auf zwischen dem ländlich- agrarischen und dem städtisch-industriellen Sektor. Eine breite Kluft liegt desweiteren zwischen dem Wohlstand auf Java und den Außeninseln, und zwischen Ost- und Westindonesien. Das Problem der Armut und der ungleichen Verteilung kann zu sozialen Spannungen führen, die den Erfolg der bisherigen Entwicklung zunichte machen können.

____________________ 2. Das Problem der Auslandsverschuldung ____________________

Die Auslandsschulden sind bereits sehr hoch angestiegen. Zur Zeit ist Indonesien mit mehr als US$ 100 Mrd. Schulden das Land mit der dritthöchsten Auslandsverschuldung hinter Brasilien und Mexiko. Mehr als 60 % dieser Summe sind Schulden des Staates, der Rest entfällt auf private Unternehmer. Im Vergleich zu den US$ 2,14 Mrd.. Schulden, die unter dem Regime von Bung Karno (Präsident Sukarno) gemacht wurden, stellen die derzeitigen Schulden eine Steigerung um das 50fache dar; das Nationaleinkommen wuchs in derselben Zeit allerdings auf nicht mehr als das 15fache.

Mit den ökonomischen Fortschritten, die im staatlichen Sektor erreicht werden, ist es für Indonesien wahrscheinlich nicht allzu schwer, jedes Jahr etwa US$ 9-10 Mrd.. dieser Auslandsschulden zurückzuzahlen. Aber, um das angestrebte Wachstum von jährlich 5-6 % zu erreichen, ist Indonesien gezwungen, jedes Jahr mindestens US$ 5 Mrd.. neuer Schulden aus dem Ausland aufzunehmen.

Neue Schulden in dieser Höhe müssen gemacht werden angesichts der unausgeglichenen Zahlungsbilanz, da sich die Wirtschaft (die Industrie) unfähig zeigt, genügend Devisen zu erwirtschaften. Somit ist die indonesische Wirtschaft in der "Schuldenfalle gefangen", man kann auch sagen, sie ist den ausländischen Schulden "in Abhängigkeit verfallen". Eine Frage bezüglich der Auslandsschulden, die noch nie beantwortet werden konnte, lautet: Wann endlich können diese Schulden verringert und endgültig abgetragen werden? Dies ist nur möglich, indem die Aufnahme neuer Schulden drastisch verringert bzw. völlig eingestellt wird und man im eigenen Land auf die Suche nach Ersatzfinanzierungsquellen geht. Das Problem der Auslandsschulden wird umso größer, da es eng mit dem Wert des japanischen Yen verknüpft ist. Ein Großteil der indonesischen Schulden sind in Yen denominiert.

____________________ 3. Zahlungsbilanzdefizit und industrielle Ineffizienz ____________________

In der Zahlungsbilanz zeigt sich ein tendenziell wachsendes Defizit vor allem im Bereich der finanziellen Transferleistungen. Für das laufende Haushaltsjahr 1995/96 wird das zu erwartende Defizit auf ungefähr US$ 5 Mrd.. geschätzt. Alleine dieses Defizit verursacht einen fortschreitenden Wertverfall der Rupiah und sorgt letztendlich für wirtschaftliche Unsicherheit. Alleine eine Abwertung der Rupiah steigert nicht direkt den Export, weil die Unzulänglichkeit des Exports nicht nur auf die Überbewertung der Rupiah zurückzuführen ist.

Der Hauptgrund für den Wertverfall der Rupiah ist die Unfähigkeit der indonesischen Industrie, in dem Maße Devisen zu erwirtschaften, wie sie benötigt werden. Daneben hängt der Produktionssektor sehr stark von ausländischer Technologie und Wirtschaft ab. Jedesmal, wenn sich eine Steigerung des Exports vollzieht, geht dem eine hohe Steigerung der Importe voraus, um die benötigten industriellen Grundstoffe, Hilfsprodukte oder Komponenten und Investitionsgüter zu beschaffen. Somit verschwendet die indonesische Industrie sogar Devisen, anstatt welche zu erwirtschaften.

Derzeit bewegt sich der Nettoexport Indonesiens auf US$ 10 Mrd.. zu, bei rückläufigen Zuwachsraten. Daneben wird die indonesische Wirtschaft durch den Import von Dienstleistungen belastet wie die Zahlung von Zinsen auf Kredite sowie anderen Dienstleistungen, insbesondere solchen, die in Zusammenhang mit dem Stand von Bildung und Wissenschaft und der Beherrschung von Technologie stehen, deren Summe sich auf US$ 15 Mrd.. zubewegt. Als Folge davon ergibt sich ein beachtliches Defizit in der Zahlungsbilanz.

Die unzureichende Beherrschung von Technologie bedingt auch, daß die indonesische Industrie nicht genügend effizient arbeitet, ja sogar zum Verursacher hoher Kosten wird, und damit nicht in der Lage ist, auf dem Weltmarkt zu konkurrieren, um dort Devisen zu beschaffen. Die Industrie zeigt sich auch unbeholfen gegenüber finanziellen Anreizen und trägt zur Inflation mit bei. Die indonesische Industrie macht sich noch in starkem Maße selbst abhängig von protektionistischen Maßnahmen und verschiedenen Privilegien seitens der Regierung. Es sind gerade diese Betriebe, die von den großen Konglomeraten, Monopolisten und Oligopolisten abhängen, denen sie Gewinne verschaffen. Sie hängen eher vom beschränkten und teuren heimischen Markt ab, als daß sie auf dem Weltmarkt konkurrierten.

____________________ 4. Das Unvermögen, die Ausbildung zu fördern sowie Technologie und Wissenschaft zu beherrschen ____________________

Die Unfähigkeit, die menschlichen Ressourcen Ausbildung etc. zu fördern sowie Wissenschaft und Technologie zu beherrschen, ist der Kern aller wirtschaftlicher Probleme Indonesiens. Während des ersten 25-Jahres-Entwicklungsplanes hat Indonesien die Bedeutung dieser Bereiche fast völlig vernachlässigt. Von 140 Mio. Arbeitsfähigen in Indonesien (d.h. die über 10-Jährigen), verfügen fast 80 % bestenfalls über Grundschulbildung (SD). 45 Mio. haben einen Grundschulabschluß, 43 Mio. haben die Grundschule abgebrochen und 20 Mio. haben überhaupt nie eine Schule besucht. Nur 2 Mio. verfügen über einen Hochschulabschluß, die restlichen 30 Mio. verteilen sich auf die weiterführenden Schulen (SLTP und SLTA) - mit oder ohne Abschluß.

Mit dieser geringen Fähigkeit und Produktivität wird die menschliche Arbeitskraft in Indonesiens Produktionsprozessen sehr teuer. Eine Folge davon ist die schwach ausgeprägte Industrialisierung Indonesiens. Eine weitere Folge ist das Erscheinen von Produkten, die nicht auf dem Weltmarkt konkurrieren können und nicht in der Lage sind, Devisen zu erbringen.

Die Struktur der indonesischen Industrie basiert nicht auf den Standortvorteilen, die der Reichtum der natürlichen Ressourcen mit sich bringt, sodaß am Ende international nicht konkurrenzfähige Produkte stehen. So werden die falschen Technologien gewählt, die teuer sind, da sie nicht auf die heimischen Bedingungen abgestimmt sind. Eigentlich müßten billige Technologien mittleren Standards entwickelt werden, mit denen viele Arbeitskräfte beschäftigt werden können, mit denen die Armut überwunden und der Wohlstand des Volkes gesteigert werden kann.

Die Arbeitslosigkeit in Indonesien ist ebenfalls recht hoch. Sie trifft sogar diejenigen, die über einen Hochschulabschluß verfügen. Anfang dieses Jahres sagte der Arbeitsminister, daß von den jährlich 150.000 Hochschulabgängern höchstens 60.000 eine Arbeit finden.

Die Wahl von kapitalintensiven Technologien mittleren bis hohen Standards bis hin zur Hochtechnologie ist ein Grund für die hohe Arbeitslosigkeit sowie für verschiedene Ineffizienzen der Industrie. Eine auf breiter Basis angelegte Technologie müßte in Indonesien entwickelt werden, die sich auf die Nutzung einfacher bis mittlerer Techniken konzentriert, die billig sind und von der breiten Masse des Volkes einfach zu beschaffen, zu erlernen und zu beherrschen sind.

____________________ 5. Mangelnde Infrastruktur ____________________

Es gibt keine Entwicklung, die nicht mit dem Aufbau einer Infrastruktur wie Straßen, Brücken, Häfen, Strom- und Wasserversorgung, Telefon usw. beginnt. Neben der oben erwähnten unzulänglichen Förderung von Bildung, Wissenschaft und Know How, beeinflußt auch die Unfähigkeit Gelder bereitzustellen und sinnvoll anzulegen den Aufbau der Infrastruktur in Indonesien.

Im Allgemeinen zeigt sich in Indonesien bereits die mangelnde Infrastruktur. Gemessen an dem derartig großen Wunsch nach Investitionen gibt es zu wenig Straßen und die Strom- und Wasserversorgung werden als unzureichend empfunden. Infolgedessen wird die mangelnde Infrastruktur eine nachlassende Investitionstätigkeit in Indonesien nach sich ziehen, insbesondere im industriellen Sektor. Darüberhinaus muß man sich darüber im Klaren sein, daß die mangelnde Infrastruktur zur Ursache sehr hoher Inflationsraten (Hyperinflation) werden kann. Daher muß das Problem der mangelnden Infrastruktur umgehend bewältigt werden.

Die auf der Insel Java anhaltende rege Investitionstätigkeit wird gefolgt werden von einem steigenden Bedarf an Infrastruktur, was angesichts des immer knapper werdenden Landes auf Java zunehmend schwierig zu gewährleisten ist. Die Probleme der Trinkwasserversorgung auf Java und die zunehmende Knappheit an Industrie- und Siedlungsflächen (die ihrerseits fruchtbare Anbauflächen immer knapper werden lassen) sind Beispiele für den sich verschärfenden Mangel an Infrastruktur auf Java.

Auch außerhalb Javas ist die Infrastruktur mangelhaft, insbesondere im östlichen Teil Indonesiens. Diese Situation stellt ganz klar ein Hindernis für die Entwicklung dieser Region dar. Die Entwicklung der Infrastruktur außerhalb Javas muß in Angriff genommen werden, um dort die Grundlagen des Wohlstands zu legen, das regionale Einkommen zu steigern und den Druck auf die Insel Java zu vermindern.

____________________ 6. Lebensmittelversorgung und Reis ____________________

Es wurden von Indonesien bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Eigenversorgung mit Reis sicherzustellen. In der Vergangenheit, als die Infrastruktur beschränkt war, Reisfelder und Bewässerungssysteme kaputt waren, sodaß Indonesien nicht in der Lage, genügend Reis zu produzieren, wurde Indonesien zum weltgrößten Reisimporteur, was den Verlust von Devisen zur Folge hatte. Seit Beginn der 80er Jahre war Indonesien in der Lage, sich selbst mit Reis zu versorgen. Aber diese Eigenversorgung mit Reis ist jetzt gefährdet. Es wird geschätzt, daß Indonesien dieses Jahr ca. 2 Mio. Tonnen Reis importieren muß.

Das Auftreten von Nahrungsmittelengpässen in den letzten Jahren war unter anderem bedingt durch Überschwemmungen und lange Trockenzeiten, die einen Abfall der Reisproduktion nach sich zogen. Wenn die Konsumgewohnheiten nicht geändert werden und wenn die Bevölkerung weiter wächst (alle 5 Jahre um ca. 10 Mio.), kann es geschehen, daß sich die Probleme der Reisversorgung, wie wir sie in der Vergangenheit erlebt haben, wiederholen.

Es muß auch erwähnt werden, daß durch die Investitionen und die Industrialisierung auf der fruchtbaren Insel Java in zunehmendem Maße landwirtschaftliche Anbauflächen von Industrie- und Wohngebieten "aufgefressen" werden. Viele Reisfelder, die über künstliche Bewässerung verfügten, wurden bereits zu Industrie- und Wohngebieten umgewidmet. Und schließlich wird das Nichtvorhandensein neu angelegter Reisfelder, insbesondere außerhalb Javas, in der Zukunft eine wachsende Reisproduktion schwierig gestalten.

Darüberhinaus muß auch bedacht werden, daß in der Vergangenheit zum Zwecke der Steigerung der Reisproduktion sämtliche verfügbaren Kräfte und Gelder restlos vergeudet wurden. Daher geht, obwohl die Reisproduktion substantiell gesteigert werden konnte, auf anderen Gebieten die Produktion zurück, insbesondere beim Anbau anderer Nahrungsmittel.

____________________ 7. Landnutzung und Landrechte ____________________

Es muß gesagt werden, daß eine Entwicklung nicht möglich ist, ohne daß damit begonnen wird, die Landnutzung und die Landrechte zu regeln oder eine Landreform durchzuführen. Eine Landreform regelt nicht nur die örtliche Zuordnung verschiedener Landnutzungsformen, sondern auch die Besitz- und Nutzungsrechte über das Land, sowohl für Individuen als auch für Gemeinschaften. Sie setzt Minima und Maxima der Flächen sowie die Geltungsdauer der genannten Rechte fest. Neben den sozialen Auswirkungen, die bestehen, weil das Landproblem eng mit dem Bodenbedarf für Investitionen zusammenhängt, stellt dieses Problem möglicherweise auch ein Hindernis für viele andere Sektoren der Entwicklung dar.

Das Problem der Landnutzung und der Landrechte ist in Indonesien noch nicht gut geregelt. Eigentlich gibt es bereits das Landwirtschaftsgesetz (UU Pokok Agraria) von 1960, aber in der Realität zieht dieses Gesetz nicht oder es wird absichtlich nicht konsequent angewandt. Als Folge davon kommt es zu Landstreitigkeiten, die verschiedene Fälle des Entzugs von Besitz- und Nutzungsrechten, der Umwidmung von Flächen und vieler anderer Probleme umfassen.

Neben dem Entzug der minimalen Rechte Einzelner gibt es auch Fälle, in denen Flächen unbegrenzten Ausmaßes beherrscht werden. Es ist völlig klar, daß dies neue Probleme zur Folge hat, die mit der Armut und der sozialen Kluft in Verbindung stehen. Die Umwidmung von Flächen, die die Räumung dichtbesiedelter Slums ebenso betrifft wie die Erschließung von Reisfeldern und anderen Agrarflächen für die Ziele des wirtschaftlichen Aufbaus, wozu der Bau von Wohn- und Industriegebieten zählt, ist bereits ein ernstes Problem. Landprobleme treten ebenfalls zu Tage in Zusammenhang mit dem Transmigrationsprogramm, der lokalen Umsiedlung von Wohngebieten sowie der Erschließung neuer Flächen und Regionen für die Ziele der Wirtschaft.

____________________ 8. Korruption und wirtschaftliche Ineffizienz ____________________

Das Problem der Korruption und der wirtschaftlichen Ineffizienz umfaßt mehrere Ursachen für Einbußen in der Wirtschaft und Entwicklung. Neben der reinen Korruption gibt es die indirekte Korruption in Form künstlich überhöhter Kosten bei der Durchführung von Projekten. Die Ursachen für finanzielle Verluste finden sich in der unproduktiven Verwendung von Mitteln einschließlich der Entscheidung zur Durchführung unnützer Projekte. Die Praxis der Korruption betrifft staatliche Gelder und sie vollzieht sich aufgrund der Kumpanei zwischen Bürokraten und Unternehmern, eng verknüpft mit dem Mißbrauch von Kompetenzen. Das alles zieht hohe Kosten für die Wirtschaft nach sich.

Daneben gibt es auch undichte Stellen der Wirtschaft, die in einer Entwicklungsphilosophie münden, die ökonomische Ineffizienz verursacht, beispielsweise durch Monopolismus und Oligopolismus, die Gewährung von Vorteilen wie Agenturdienstleistungen und Protektion für Industrie und Handel sowie verschiedene willkürliche Vergünstigungen für eine kleine Gruppe der Gesellschaft.

Nach Meinung von Prof. Dr. Soemitro Djojohadikoesoemo betragen die wirtschaftlichen Verluste in Indonesien mindestens 30 %, was in engem Zusammenhang steht zu der viel zu hohen ICOR-Rate 5 (ICOR = incremental capital-output ratio; Kapitalaufwand- Nutzenverhältnis). Wenn diese Rate niedrig gehalten werden könnte, etwa bei 3,5, könnte das Wirtschaftswachstum mit den vorhandenen Mitteln 8,5 % pro Jahr betragen, ohne daß Auslandsschulden gemacht werden müßten. Wenn man allerdings weiterhin Gelder aus dem Ausland aufnehmen würde, könnte das Wirtschaftswachstum 9,5 % erreichen. Währenddessen ist es heute schon schwierig, Wachstumsraten von 6-7 % zu erreichen.

Einen weiteren Beweis für die Ineffizienz der Entwicklung in Indonesien gibt eine Untersuchung von Dr. Jeffrey A. Winters, in der es heißt, daß Indonesien im Zeitraum 1973/74 - 1989/90 Gelder in Höhe von US$ 166,5 Mrd.. benötigte, 20 mal mehr als der Betrag, den Südkorea in den 17 Jahren der wirtschaftlichen Konsolidierung 1959 - 1975 benötigte. Dabei ist die Bevölkerungszahl Indonesiens nur etwa 5 mal höher als die Südkoreas. Und vor allem ist es unmöglich, daß die indonesische Wirtschaft in 15 Jahren von heute an gerechnet, ein Pro-Kopf- Einkommen erzielt, das 10 mal höher liegt als das heutige, um mit Südkorea gleichzuziehen, dessen Pro-Kopf-Einkommen bereits US$ 7.000 beträgt.

____________________ 9. Die Zentralisierung der Entwicklung und das Nichtvorhandensein von regionaler Autonomie ____________________

Eine Ursache für die Ineffizienz der Entwicklung Indonesiens ist das sehr stark zentralistische Regierungssystem. Indonesien ist ein Inselstaat von sehr großer Ausdehnung, mit einer Vielfalt an Ethnien, Traditionen und Gebräuchen, Sprachen und Kulturen. Dennoch ist der Wille zur Vereinigung und zur Einheit dieser verschiedenen Einzelgruppen in den letzten hundert Jahren auf natürliche Art und Weise deutlich gestiegen. Ein derart großes und vielfältiges Land kann nicht gut durch ein zentralistisches System entwickelt werden.

Obwohl sie einen Einheitsstaat gegründet haben, wurde die Autonomie der Regierungen in den Regionen (Provinzen) von den Unabhängigkeitsführern sehr stark berücksichtigt. Somit wurde die Autonomie der Regionen in einem besonderen Paragraphen in der Verfassung erwähnt, dem § 18 des Grundgesetzes UUD von 1945. Aber in der jetzigen Praxis wird die Autonomie der Regionen, wie sie ein so großes und vielfältiges Land wie Indonesien erforderlich macht, nicht vollzogen.

Das zentralistische System der Entwicklung ohne regionale Autonomie wird zu einer schleppenden Entwicklung führen. Dies zeigt sich bereits sehr deutlich wenn man die Entwicklung auf Java mit derjenigen der Außeninseln vergleicht oder die im westlichen Teil Indonesiens mit derjenigen im östlichen Teil. Sogar zwischen Jakarta (Großraum Jabotabek) und anderen Regionen ist das zu sehen. Diese Diskrepanzen werden soziale Konflikte hervorrufen, die das Tempo der Entwicklung behindern können und möglicherweise zu einem Zusammenbruch führen wie in der Sowjetunion und in der DDR.

Mit einer Autonomie für die Regionen und einer Dezentralisierung der Entwicklung, würde die Zentralregierung einen Teil ihrer administrativen Aufgaben auf die Regionen verteilen. Beispielsweise in Angelegenheiten der Produktion und der Industrie, des Handels, der Erziehung, der inneren Sicherheit und vieles andere. Mit der genannten regionalen Autonomie und Dezentralisierung der Entwicklung bekämen die Regionen auch mehr Kompetenzen, um ihre jeweiligen Fähigkeiten, ihren Reichtum und ihre Standortvorteile besser identifizieren zu können, um diese auszubauen im Rahmen eines regionalen Entwicklungskonzeptes, das von den Einwohnern der Region selbst durchgeführt wird. Die Zentralregierung würde nur die Rahmenrichtlinien der Entwicklung vorgeben, insbesondere in dem Bestreben, einen gerechten Ausgleich zwischen den Regionen herzustellen.

____________________ 10. Demokratie und Menschenrechte ____________________

Oft wird von den Menschen vergessen, daß der Erfolg der Entwicklung stark von einem demokratischen System der Regierung abhängt. Demokratie ist in Wahrheit die Forderung jedes Volkes in jedem Land. Es gibt kein einziges Land auf dieser Welt, das nicht für die Demokratie ist. So gibt auch das Grundgesetz UUD von 1945 den Auftrag, daß diese Republik in allen Sektoren demokratisch geführt wird, in der Wirtschaft, der Politik, dem Sozialwesen und in der Kultur. Obwohl Indonesien damit nicht alleine steht, wird die Demokratie, wie sie die Verfassung fordert, noch nicht verwirklicht.

Es gibt viele Fälle in Indonesien, die zeigen, wie wenig eine wirkliche und wahrhaftige Demokratie bislang vollzogen wird. Ein solcher Fall ist die Dominanz der Regierung (Exekutive) über die Volksvertretung (Legislative) und die Justiz (Judikative). Durch diese Dominanz wird dem Parlament und dem gesamten Volk aufgezwungen, quasi alle Entscheidungen der Regierung anzunehmen. In einer solchen Situation gibt es keine ausreichende Alternative mehr, nach Handlungsmöglichkeiten zu suchen und unter ihnen die geeignetste auszuwählen.

Die Regierung der Neuen Ordnung hat die Bedeutung der Stabilität der Entwicklung bestimmt. Mit dieser Stabilität wird beabsichtigt, sämtliche Entscheidungen der Regierung vor dem Parlament abzusichern. Desgleichen muß die Stabilität innerhalb der Gesellschaft geschaffen werden. Um diese Stabilität sicherzustellen, werden verschiedene Mittel benutzt, u.a. der "security approach", der als stark überzogen empfunden wird. Dieses Herangehen, das in starkem Kontrast steht zu einer Herangehensweise, die das Wohlergehen des Volkes in den Mittelpunkt stellt, räumt der Exekutive eine allmächtige Position ein, die sich selbst in Widerspruch zur Souveränität des Volkes setzt. Tatsächlich kann mit der genannten Herangehensweise die Stabilität garantiert werden, aber mit großer Wahrscheinlichkeit trügt dieser Schein. Eine andauernde und dynamische Stabilität kann nur geschaffen werden, wenn das Volk souverän ist.

Eine der wichtigsten Säulen der Demokratie sind die Menschenrechte, die ebenfalls nicht in der Weise verwirklicht werden, wie sie die Verfassung vorsieht. Das Recht auf Meinungsverschiedenheit, insbesondere gegenüber der Regierung, wird fast immer gleichgesetzt mit Bestrebungen, die Regierung anzugreifen oder anzufeinden. Oftmals wird vergessen, daß Intelligenz, Intellektualismus, Know-How und andere Resultate der Bildung nur dort auftreten und ihren Höhepunkt erreichen können, wo eine völlige Atmosphäre der Freiheit herrscht, Standpunkte und Meinungen zu vertreten. Diese Freiheit kann nur in der Wissenschaft selbst, in noblem Charakter, im Gesetz und in der Verfassung ihre Grenzen finden.

Zur Demokratie gehört auch das Recht auf Aufstieg, auf Wohlstand, auf Kultur, auf den Genuß der Reichtümer im Boden und im Wasser und der darin enthaltenen Schätze der Natur. Entwicklung ist eine Frage der Alternativen, in der dem Volk Spielraum gegeben werden muß, die beste Wahl zu treffen. Verschiedene Fälle der Mißachtung des Rechts zu reden, sich zu organisieren und sich zu versammeln, Folter und Mord sowie andere Verletzungen von Rechten und Menschenrechten, die die Verfassung garantiert, geschehen bis heute unter dem Vorwand der Sicherheit. Die Gesellschaft ist in Wirklichkeit eingeschüchtert von einem Gefühl der Angst vor den Machthabern. Es herrscht Willkürlichkeit und das Recht liegt so gut wie immer auf der Seite der Machthaber. Dabei ist Demokratie ein Werkzeug, um den Staat zu führen, nicht aber ein Produkt der Macht.

____________________ Schlußbetrachtung ____________________

Indonesien ist ein Teil der Weltgemeinschaft. Verschiedene Probleme, mit denen sich die Wirtschaft Indonesiens konfrontiert sieht, müssen der Welt eröffnet werden. Indonesien wie auch andere Entwicklungsländer können ihre Entwicklung unmöglich alleine vollziehen. Daher wurden verschiedene internationale Institutionen wie die Vereinten Nationen, die Weltbank, der CGI (Council of Governments on Indonesia) und andere ins Leben gerufen, die als Eigentum der internationalen Gemeinschaft bislang bereits einen erheblichen Beitrag für Indonesien geleistet haben.

Schwierigkeiten, mit denen sich die Welt konfrontiert sieht, können auch Auswirkungen auf Indonesien haben und umgekehrt. Indonesien möchte nicht Dinge erleben, wie sie sich jüngst beispielsweise in Mexiko ereignet haben, das ganz plötzlich eine Finanzkrise erlebte, die zu einem Problem für die ganze Welt wurde. Die Welt muß wissen, was passiert und was die Probleme der Wirtschaft und der Entwicklung Indonesiens sind, deren aller Lösung eine Herausforderung für die Zukunft ist.

In diesem Zusammenhang ist es absolut notwendig, sich die zweite Säule der Pancasila ins Gedächtnis zu rufen, nämlich den Internationalismus bzw. die gerechte und gesittete Menschlichkeit (Humanismus). Ein Nationalismus ohne Internationalismus wird Indonesien nirgendwohin führen. Obwohl es starke kulturelle Elemente entsprechend dem Prinzip des Nationalismus gibt, so ist aufgrund des Internationalismus umso klarer, daß Indonesien nicht die Prinzipien der Menschenrechte mißachten kann, die universelle Rechte darstellen, die von allen Völkern dieser Welt hochgehalten werden müssen. <>

 
 
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