Indonesien-Information Nr. 3 1995 (Menschenrechte)

Suhartos Chaostage in Hannover

Mit einem Staatsbesuch Anfang April wollte Präsident Suharto in Deutschland das Ansehen seines Landes in Deutschland verbessern. Anlaß des Besuchs war die Hannovermesse, auf der sich Indonesien dieses Jahr als "Partnerland" präsentieren durfte. Auf der Messe warb Indonesien mit einer Sonderausstellung, die die technologischen Errungenschaften des Landes zeigte, um verstärkte wirtschaftliche Kooperation mit den Industriestaaten. Während die durch ihre Mittelmäßigkeit herausragende Präsentation im Indonesien-Pavillon der Messe von den Medien zum Topereignis hochgejubelt wurde und Indonesiens Wirtschaft den Abschluß einiger längst ausgehandelter Verträge als durchschlagenden Erfolg der Messe feierte, sammelte sich bei Präsident Suharto die Wut im Bauch.

Denn aus Protest gegen die Ausblendung jeglicher kritischer Betrachtung der wahren Zustände in Indonesien wurde die Hannovermesse und der Staatsbesuch von Präsident Suharto von einer Vielzahl von Protestaktionen begleitet. Ein breites Bündnis von Organisationen, darunter amnesty international, die BUKO-Kampagne "Stoppt den Rüstungsexport!", die Evangelische Kirche Deutschlands, Watch Indonesia! u.v.a. rief zu den Gegenaktionen auf.

Wo immer sich Präsident Suharto während seines Staatsbesuches bewegte, sah er sich mit Demonstrationen konfrontiert. Einem Aufruf von amnesty international zu einer zentralen Demonstration am 1.4.95 in Hannover folgten etwa 1.000 Personen aus Deutschland, den Niederlanden und Portugal. Empfänge für Präsident Suharto am nächsten Tag in der Stadthalle von Hannover und zwei Tage später bei Ministerpräsident Rau in Düsseldorf sowie die Eröffnung des Indonesien-Pavillons auf der Hannovermesse selbst wurden ebenfalls von Demonstrationen begleitet, obwohl das Besuchsprogramm aus Angst vor Protesten mehrmals geändert worden war. Der Besuch der Goethe-Stadt Weimar wurde abgesagt, nachdem der Stadtrat Suharto zur unerwünschten Person erklärt hatte. Die Eintragung ins Goldene Buch der Stadt Dresden fiel aus demselben Grund ins Wasser, ebenso wie der Besuch einer Aufführung von Electra in der Dresdner Semperoper - Gerüchte hatten sich breitgemacht, das Orchester wolle eine Schweigeminute für die Opfer von Ost-Timor einlegen.

Höhepunkt der Proteste war Suhartos Besuch in Dresden, wo er von mehreren hundert DemonstrantInnen empfangen wurde, die ihn dazu nötigten, zwischen ihnen Spalier zu laufen und ihn mit einem Regen herabgeworfener Flugblätter bedeckten, gegen den ihn seine Leibwächter mit Regenschirmen zu schützen suchten. Aus Sicherheitsgründen mußte Suharto in Dresden auch von seiner Nobelkarosse in einen gewöhnlichen Reisebus umsteigen, der von DemonstrantInnen am Weiterfahren gehindert und hin- und hergeschaukelt wurde.

Die Kampagne verfehlte nicht ihr Ziel. So gut wie alle Nachrichtensendungen und Pressemedien wiesen in ihrer Berichterstattung über Suhartos Besuch auch auf die miserable Menschenrechtslage in Indonesien hin und stellten die wirtschaftliche Annäherung zwischen Deutschland und Indonesien in Frage. Präsident Suharto zeigte sich von dieser massiven Kritik empfindlich getroffen.

____________________ Suhartos Wutausbruch ____________________

Seine Zwischenstation in Usbekistan nutzte Suharto, um seinem Ärger Luft zu machen. Am Sonntag, d.h. drei Tage nach Beendigung seines Deutschlandbesuches, befahl er dem Militärkommando in Jakarta, Maßnahmen gegen Personen zu ergreifen, die das Staatsoberhaupt im Ausland "schlechtgemacht" hätten. Suharto schimpfte und zeigte sich derart aufgebracht, daß er bei einem Interview in seine Regionalsprache Javanisch zurückfiel, anstatt die Nationalsprache Indonesisch zu benutzen.

"Sie gehören zu den Irren. Sie sind nicht mehr rational. Gegen Leute, die nicht mehr rational sind, müssen harte Maßnahmen ergriffen werden. Sie verkaufen sogar ihre Nation in einem fremden Land" /Suara Pembaruan, 13.4.1995/. Noch nie hatten Fernsehzuschauer in Indonesien ihren Präsidenten derart in Rage erlebt wie bei diesem Interview.

____________________ Die "Vaterlandsverräter" ____________________

Mit dem Vorwurf, sie hätten in Deutschland "Untergrundaktivitäten" betrieben, liefen in Indonesien Ermittlungen gegen zunächst drei Personen an: Sri-Bintang Pamungkas, Yeni Rosa Damayanti und Goenawan Mohamad. Aufgrund der Beschuldigung, den Ruf Indonesiens und seines Präsidenten im Ausland beschädigt zu haben, drohen den angeblichen "Vaterlandsverrätern" langjährige Haftstrafen.

Es ist offensichtlich, daß infolge von Suhartos Wutausbruch wegen der Vorfälle von Dresden und Hannover versucht wurde, den Nächstbesten die Schuld zuzuschieben. Sri-Bintang Pamungkas, Yeni Rosa Damayanti und Goenawan Mohamad, die sich zufällig kurz vor bzw. während der Hannovermesse in Deutschland aufhielten (s. Kasten), waren daher willkommene Sündenböcke - zumal alle drei aus verschiedenen Gründen bereits vorher Suhartos Groll auf sich gezogen hatten. Daß die Anschuldigungen in Zusammenhang mit den deutschen Demonstrationen nur ein willkommener Vorwand sind, zeigt sich am deutlichsten im Falle von Goenawan Mohamad. Noch während er sich in Deutschland befand, bestellten ihm Freunde aus Indonesien die Nachricht, bei seiner Rückkehr drohe ihm möglicherweise die Verhaftung - mehr als eine Woche vor Suhartos Besuch in Deutschland.

Auch der indonesischen Botschaft in Deutschland und ihren Konsulaten passen die drei Beschuldigten als Sündenböcke ins Konzept, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Die indonesischen diplomatischen Vertretungen - die bekannt sind als Hochburgen des Geheimdienstes und einen Großteil ihrer Zeit damit verbringen, ihre in Deutschland lebenden Landsleute zu überwachen - haben offenbar sämtliche Vorankündigungen (u.a. öffentlicher Aufruf in Tageszeitungen) der in Hannover und Dresden geplanten Aktivitäten verschlafen. Anstatt eingestehen zu müssen, es versäumt zu haben, Präsident Suharto entsprechend vorzuwarnen, kommt die Theorie einer finsteren Verschwörung durch die drei Beschuldigten gerade recht.

Als bislang einziges Mitglied der Regierung erhob Forschungs- und Technologieminister B.J. Habibie die Stimme der Vernunft. Der ausgezeichnete Deutschlandkenner und derzeit vielleicht mächtigste Mann in Suhartos Kabinett befürchtet offenbar, daß die Verfolgung von Sri-Bintang Pamungkas, Yeni Damayanti und Goenawan Mohamad zu einer Verschlechterung des deutsch-indonesischen Verhältnisses führen könnte. Es ist verständlich, daß Habibie, der in Deutschland zahlreiche wirtschaftliche Interessen verfolgt und einer der Protagonisten des "Partnerlandes Indonesien" auf der Hannovermesse war, versucht, eine Verschlechterung im Verhältnis beider Länder zu vermeiden.

Doch gerade Habibie war es auch, der versuchte, mit gezielter Falschinformation von den wahren Gegebenheiten abzulenken. Mehrfach behauptete Habibie in der indonesischen Presse, er habe vom indonesischen Honorarkonsul in München, Schöller, der sich mit einigen DemonstrantInnen in Dresden unterhalten habe, erfahren, daß die DemonstrantInnen von Amnesty International für ihre Aktion mit US$ 50 pro Person bezahlt worden seien.

"In einem Gespräch zwischen ihnen (den Demonstranten) und unserem Honorarkonsul in München erklärten sie, daß sie sogar höher bezahlt wurden, da sie bereit waren, die Demo nachts durchzuführen, zusätzlich bekamen sie Freibier," sagte Habibie weiter /Surabaya Post, 15.4.95/. TeilnehmerInnen der Demonstration lassen derzeit prüfen, ob es möglich ist, Habibie, der neben der indonesischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben soll, wegen übler Nachrede vor ein deutsches Gericht zu stellen.

Goenawan Mohamad war Herausgeber des renommierten indonesischen Nachrichtenmagazins Tempo, bis dieses im Juni 1994 wegen Berichten im Zusammenhang mit den deutschen Kriegsschifflieferungen nach Indonesien verboten wurde. Seither hat sich Goenawan Mohamad wiederholt kritisch zur Pressezensur geäußert. Öffentlich verurteilte er die Pressezensur und klagte sogar Präsident Suharto vor Gericht an, da das Verbot der Zeitschrift Tempo seiner Auffassung nach nicht in Einklang mit dem Gesetz stehe. In einem kürzlich gefällten Urteil bekam Goenawan Mohamad zur großen Überraschung vieler Beobachter in erster Instanz recht.

Während einer privaten Urlaubsreise nach Europa gab Goenawan Mohamad im Frühjahr auch deutschen Zeitungen Interviews über die genannten Umstände. Nach dem Pressewirbel um die Demonstrationen in Hannover und Dresden wurde Goenawan Mohamad zur Last gelegt, er habe in Berlin einen Vortrag über Menschenrechte gehalten und somit zur Vorbereitung der Demonstrationen beigetragen. Tatsache ist, daß Goenawan Mohamad in Berlin weder zu diesem noch zu einem anderen Thema einen Vortrag hielt. Auch der von Generalleutnant Suyono erhobene Vorwurf, Goenawan Mohamad sei der "Organisator einer Bewegung in den Niederlanden" entbehrt jeglicher Grundlage. Noch absurder ist Suyonos Vorwurf, Goenawan Mohamad habe die Demonstrationen gegen Präsident Suharto bezahlt /Surabaya Post, 15.4.95/.

Goenawan Mohamad verließ Deutschland bereits am 19.3.95. Zum Zeitpunkt der Hannovermesse befand er sich bereits zurück in Jakarta. Zu keinem Zeitpunkt besuchte er Hannover oder Dresden und hatte auch keinen Kontakt mit den tatsächlichen Organisatoren der Demonstrationen dort.

Das beweissichere Alibi und die hochgradige Absurdität der gegen Goenawan erhobenen Anschuldigungen dürften der Grund dafür sein, warum gegen ihn bislang keine weiteren Ermittlungen eingeleitet wurden. Solange aber die Vorwürfe nicht offiziell zurückgenommen werden, gibt es keine Garantie dafür, daß zu gegebenem Zeitpunkt nicht doch noch Anklage erhoben wird. <>

____________________ Rufmordkampagne ____________________

Nachdem die indonesische Presse die Ereignisse von Dresden zunächst verschwiegen hatte, lief nach dem Wutausbruch Suhartos eine beispiellose Rufmordkampagne gegen die drei angeschuldigten Personen an. Sämtliche Tageszeitungen kochten das Thema hoch und keine von ihnen wagte es, die von offiziellen Stellen gemachten Behauptungen zu hinterfragen. Es hagelte Vorverurteilungen von allen Seiten und fast täglich wurden neue Gerüchte über die "Schuld" der drei Vaterlandslosen in Umlauf gesetzt. Auch Organisationen und Parteien konnten sich der Welle von Vorverurteilungen nicht entziehen. Die islamische Blockpartei PPP, als deren Abgeordneter Sri-Bintang Pamungkas noch vor kurzem im Parlament saß, entschuldigte sich gegenüber Präsident Suharto für Bintangs Fehlverhalten, ohne ihn selbst zu der Sache angehört zu haben /Jawa Pos, 13.4.95/.

Für die ferngesteuerte indonesische Presse stand fest, daß Sri-Bintang Pamungkas, Yeni Damayanti und Goenawan Mohamad im Zusammenspiel mit "frustrierten Indonesiern" - u.a. im Ausland lebende Ost-Timoresen, Papuas und Molukker sowie Leuten aus dem Umfeld der früheren kommunistischen Partei - "Hippies, Betrunkene und unwissende Jugendliche" zu den Aktionen gegen Suharto angestachelt hatten. Mit keiner Zeile wurde das wahre Anliegen der DemonstrantInnen erwähnt oder gar hinterfragt.

Die gesamte Berichterstattung war geeignet, die Vorfälle als kriminelle Taten erscheinen zu lassen, insbesondere, da allein der Begriff 'Demonstration' in Indonesien schon nach 'Straftat' und 'Subversion' riecht. Die Steigerungsform "Demonstrasi Brutal", die von einigen Medien als Überschrift benutzt wurde, verstärkte diesen Eindruck weiter. Durch die systematische Diskreditierung der Demonstrationsteilnehmer wurden die Beschuldigten ins Zwielicht gestellt. Selbst deutsche Politiker wurden mißbraucht, um den Eindruck zu verstärken, es habe sich bei den Demonstrationen um Straftaten gehandelt. So wurden etwa Sachsens Ministerpräsident Biedenkopf Worte in den Mund gelegt, nach denen er eine Überprüfung des Demonstrationsrechtes in der Bundesrepublik erwäge /Jakarta Post, 15.4.95/. In Wirklichkeit hatte Biedenkopf öffentlich Verständnis für das Anliegen der DemonstrantInnen geäußert /Sächsische Zeitung, 6.4.95/.

Doch je mehr es gelingt, die Beschuldigten zu diskreditieren und als Kriminelle erscheinen zu lassen, desto weniger muß sich Indonesien mit der in Deutschland vorgebrachten Kritik auseinandersetzen. Diese Taktik gipfelte in der Behauptung seitens der indonesischen Polizei, die Ermittlungen gegen Sri-Bintang Pamungkas & Co. liefen in Zusammenarbeit mit INTERPOL /Merdeka, 13.4.95/. Kein Zweifel also, es handelte sich um international gesuchte Straftäter.

Sri-Bintang Pamungkas, indonesischer Politiker und Mitglied der islamischen Einheitspartei PPP, war über mehrere Jahre Abgeordneter im indonesischen Parlament und Mitglied des Haushaltsausschusses. Schon lange galt er als enfant terrible unter den indonesischen Politikern. Im Frühjahr, kurz vor seinem Besuch in Deutschland, wurde ein Verfahren eingeleitet, um ihm das Mandat als Abgeordneter zu entziehen. Der Grund dafür waren Sri-Bintangs Meinungsverschiedenheiten mit der Regierung - er hatte es gewagt, im Haushaltsausschuß kritische Fragen zur Sache zu stellen.

Der Ingenieur und Doktor der Wirtschaftswissenschaften Sri-Bintang Pamungkas kam am 29.3.1995 nach Deutschland, um an verschiedenen Universitäten Vorträge über die wirtschaftlichen Probleme seines Landes zu halten. Im Besuchsprogramm von Sri-Bintang Pamungkas stand auch ein Besuch der Hannovermesse.

In der Tat unterscheidet sich seine Sichtweise deutlich von dem einseitigen Bild der indonesischen Wirtschaft, wie es auf der Hannovermesse präsentiert wurde, was einige Zeitungen (Frankfurter Rundschau, Neues Deutschland) zum Anlaß nahmen, über ihn zu berichten. Indonesiens Regierung leitet daraus ab, Sri-Bintang betreibe "Untergrundtätigkeiten".

Da sich Sri-Bintang Pamungkas zum Messebesuch in Hannover befand, nahm er die Gelegenheit wahr, sich die dort stattfindenden Demonstrationen anzusehen und suchte auch das Gespräch mit einigen DemonstrantInnen, um sich über deren Motive zu informieren. Sri-Bintang Pamungkas nahm in keiner Weise aktiv an der Vorbereitung oder Durchführung der Demonstrationen teil. Von der Demonstration in Dresden erfuhr Sri-Bintang Pamungkas lediglich über die Medien.

"Ich lese gerne Winnetou. Deshalb würde ich gerne einmal Dresden besuchen, die Geburtsstadt von Karl May, der die Romane über Old Shatterhand und Winnetou geschrieben hat," erzählte Sri-Bintang der Zeitschrift Matra /Juli 95/ über seine literarischen Vorlieben. <>

____________________ Indonesische Polizei in Deutschland? ____________________

Während gegen Sri-Bintang Pamungkas inzwischen gar wegen Staatsstreichs und versuchten Mordes am Präsidenten (!) ermittelt wurde, holte sich die indonesische Polizei bei den deutschen Behörden allerdings eine Abfuhr nach der anderen. Drei Ermittlungsbeamten der indonesischen Polizei, deren Abreise nach Deutschland bereits verkündet war, wurden von deutscher Seite die Einreisevisa verweigert /Frankfurter Rundschau, 29.4.95/. Auch Anfragen zur Überlassung von Beweismitteln wie etwa Videoaufnahmen der deutschen Polizei wurden von den Behörden abschlägig beantwortet. Im Gegenteil erklärten verschiedene deutsche Politiker, daß Demonstrationen in Deutschland hundertprozentig legal seien und es somit kein Verständnis für das Vorgehen der indonesischen Behörden gebe. Hannovers OB Herbert Schmalstieg, Berlins Ex-Regierender Walter Momper, Vertreter von Landesregierungen und diverse Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen sandten Protestnoten an die indonesische Regierung.

Starke Anzeichen sprechen allerdings dafür, daß ungeachtet der klaren Ablehnung durch die deutschen Behörden, indonesische Ermittler in Deutschland tätig geworden sind. Möglicherweise reisten Angehörige der indonesischen Polizei bzw. der Geheimdienste mit Touristenvisa oder als Botschaftspersonal getarnt in die Bundesrepublik ein. Diese Vermutung führte bereits zu einer Frage des Grünen MdB Manfred Such im Deutschen Bundestag. Die Bundesregierung erklärte, es gebe keine Anzeichen für die illegale Einreise indonesischer Ermittler, konnte aber bestehende Zweifel nicht befriedigend ausräumen. Aufgrund neuer Erkenntnisse dürfte sich der Bundestag in Kürze erneut mit dieser Frage beschäftigen müssen.

Yeni Rosa Damayanti studiert Biologie an der Universitas Nasional in Jakarta. Seit langem engagiert sich Yeni in der StudentInnen- u. Demokratiebewegung Indonesiens. Yeni gehörte zu der Gruppe von 21 StudentInnen, die 1993 vor dem indonesischen Parlament demonstriert hatten und forderten, Präsident Suharto solle sich in einer Sondersitzung vor der Volksversammlung (MPR) verantworten. Wegen dieser Aktion wurde Yeni zu einem Jahr Haft verurteilt. Erst im Dezember 1994 wurde sie aus dem Frauengefängnis Pondok Bambu entlassen.

Kurz darauf folgte Yeni einer Einladung in die Niederlande sowie von dort aus einer weiteren Einladung nach Hannover, wo sie an der Universität über die StudentInnenbewegung in Indonesien berichten sollte.

Wie Sri-Bintang Pamungkas nahm auch sie die Gelegenheit wahr, die zur selben Zeit in Hannover stattfindenden Demonstrationen zu beobachten. Yeni Damayanti zeigte sich beeindruckt von der relativen Freundlichkeit der deutschen Polizei, die die Demos begleitete. Die Behauptung, Yeni habe aktiv an den Demonstrationen teilgenommen oder gar dazu aufgerufen, entbehrt allerdings jeglicher Grundlage. Auf die Frage, wer denn die deutschen Organisationen mit einschlägigen Informationen versorgt habe, antwortete Yeni: "Ihre Kenntnis über die die Lage der Menschenrechte in Indonesien ist vollständiger als unsere eigene in Indonesien. Das heißt, wenn wir im Ausland sind, verbreiten wir hier keine Informationen, sondern wir suchen Informationen." /Sinar, 29.4.95/

Zu den OrganisatorInnen der Demonstration in Dresden hatte Yeni keinerlei Kontakt. Sie hat nie einen Fuß nach Dresden gesetzt.

Dennoch droht Yeni Damayanti bei ihrer Rückkehr wegen eben dieser Demonstrationen eine erneute Verurteilung. Ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen sie wurde allerdings bislang nicht eingeleitet, da sich Yeni Damayanti bis auf weiteres noch in den Niederlanden befindet. <>

____________________ Verhaftungen in Medan ____________________

Der Eifer, mit dem die indonesischen Sicherheitsbehörden versuchten, Schuldige zu präsentieren, machte auch vor den absurdesten Auswüchsen nicht halt. Völlig willkürlich kann fast jeder, der eine kritische Äußerung wagt, unter dem Vorwand der Präsidentenbeleidigung verhaftet werden.

Ein drastisches Beispiel hierfür war die Meldung der indonesischen Tageszeitung Merdeka, vom 29.4.1995, nach der 12 Mitglieder der Nichtregierungsorganisation BITRA aufgrund der Anschuldigung, sie hätten in Dresden demonstriert, verhaftet wurden. Diese Anschuldigungen entbehrten jeder - aber auch wirklich jeder - Grundlage.

Es bedurfte einiger Nachforschungen, bis überhaupt klar wurde, um wen und was es sich hier eigentlich handelte. BITRA ist einigen kirchlichen Entwicklungshilfeorganisationen in Deutschland als Projektpartner bekannt. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die meisten Mitglieder der Organisation noch nie Indonesien verlassen haben. Keine der verhafteten Personen war irgendeiner der an den Protesten in Dresden oder Hannover beteiligten Gruppen bekannt. Dennoch handelte Merdeka die Verhafteten schon als "Drahtzieher von Dresden". Ein Mitglied der Gruppe sollte sogar zugegeben haben, in Dresden demonstriert zu haben und erläuterte gegenüber Merdeka wie die Demonstranten Medan in Kleingrüppchen verlassen haben, um keinen Verdacht zu erwecken.

Diese Zeitungsmeldung war, wie sich später herausstellte, schlicht erfunden. Wahr ist allerdings, daß die 12 Mitglieder von BITRA in Zusammenhang mit den Demos in Deutschland verhaftet wurden. Nachdem sie im Fernsehen Präsident Suhartos Wutausbruch miterleben mußten und hörten, wie er ohne Einzelheiten zu wissen mit Schimpfworten wie "Verrückte", "Irrationale" und "Vaterlandsverräter" um sich warf, zogen sie vor das Provinzparlament von Medan, um dort zu demonstrieren. Nicht einmal der Präsident habe das Recht, derlei willkürliche Beschuldigungen zu verbreiten und sich in dieser Form öffentlich zu äußern, erklärten sie ihr Anliegen.

Diese Demonstration war Anlaß genug, die 12 AktivistInnen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu verhaften. Nach langwierigen Verhören wurden alle am nächsten Tag wieder auf freien Fuß gesetzt, unter der Auflage, sich nicht aus Medan zu entfernen. Seither war es ruhig um diesen Fall geworden. Es schien, als ob der Fall auf Eis gelegt wurde - mit der Option, ihn jederzeit wieder aufzutauen. Kurz vor Drucklegung erreichte uns die bislang unbestätigte Meldung, es werde nun tatsächlich Anklage erhoben. Watch Indonesia! versucht derzeit, die Nachricht zu verifizieren.

____________________ Stimmungswandel ____________________

Die Stimmung in Indonesiens Öffentlichkeit erlebte einen raschen Umschwung, nachdem sich zahlreiche deutsche Gruppen und Organisationen, darunter auch Watch Indonesia!, in schriftlichen Erklärungen an das indonesische Parlament sowie an die Medien wandten, in denen sie die Verantwortung für die Demonstrationen in Hannover und Dresden übernahmen. Einige dutzend DemonstrationsteilnehmerInnen erklärten auch ihre Bereitschaft, als Zeugen aufzutreten, um die Vorwürfe gegen Sri-Bintang Pamungkas, Yeni Damayanti und Goenawan Mohamad zu entkräften.

Diese Selbstbezichtigungen fanden das Interesse sämtlicher Nachrichtenmagazine Indonesiens, die sich in den folgenden Wochen ausgiebigst mit dem Thema befaßten. Gatra, Forum Keadilan, Sinar, Tiras und Matra wetteiferten in Leitartikeln miteinander um die beste Hintergrundanalyse zu den Demos in Deutschland. Möchtegern-Tempo-Nachfolger Gatra, dessen Redaktion durchsetzt ist von Leuten, die für den Geheimdienst arbeiten, verlor diesen Wettkampf durch allzu einseitige Berichterstattung, unwahre Behauptungen und manipulierte Interviews. Die anderen Magazine porträtierten nach gründlicher Recherche das Netzwerk der Organisationen, die in Deutschland zu den Demonstrationen aufgerufen hatten und gaben den drei Beschuldigten IndonesierInnen in ausführlichen Interviews Gelegenheit, sich selbst zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern. Die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Thematik schien die RedakteurInnen zu neuen Tönen zu veranlassen - ihre Artikel waren überwiegend von Sympathie für die Beschuldigten geprägt.

____________________ Deutsche raus! ____________________

Das internationale Interesse, das dem Fall entgegengebracht wurde, die Erklärungen deutscher AktivistInnen und Politiker sowie der Medienrummel im eigenen Land verfehlten nicht ihre Wirkung. Eine erste Folge davon war, daß gegen den Beschuldigten Goenawan Mohamad keine weiteren Ermittlungen mehr unternommen wurden. Zu absurd waren die gegen ihn gerichteten Vorwürfe und zu eindeutig das Alibi, das seine "Unschuld" bewies, sodaß es offensichtlich auch auf höchster Ebene Bedenken gab, den Fall weiter zu verfolgen.

Kritisch dagegen blieb die Situation für Sri-Bintang Pamungkas und Yeni Damayanti. Sollten sie ursprünglich für die Demonstrationen selbst verantwortlich gemacht werden, so schien auch in diesem Fall den Regierungsbeamten in Jakarta langsam bewußt zu werden, daß sie auch für eine noch so absurd konstruierte (Mit-)Verantwortung der beiden Beschuldigten nicht genügend "Beweismaterial" in den Händen hatten. Zwar tauchten Bilder auf, die Sri-Bintang und Yeni auf der Demo in Hannover zeigten, doch was war damit schon bewiesen. Beide Beschuldigten hatten nie ein Geheimnis daraus gemacht, die Gelegenheit einer Indonesien-Demo in Deutschland auch dazu genutzt zu haben, für einige Erinnerungsfotos zu posieren.

Die Denkweise der indonesischen Regierung macht es aber notwendig, - komme was wolle - Sündenböcke zu finden, auf die die Schuld für den eigenen Gesichtsverlust in Hannover und Dresden abgeschoben werden kann.

So wurden nun neue Anklagepunkte formuliert. Dabei richtete sich das Augenmerk der indonesischen Ermittlungsbehörden nicht mehr so sehr auf die Demonstrationen, sondern vielmehr auf die Vorträge, die Sri-Bintang und Yeni Damayanti am 31.3. in Hannover sowie vor allem am 9.4. an der TU Berlin hielten. Interessanterweise interessieren sich die Ermittler fast ausschließlich für diese beiden Veranstaltungen, obwohl zumindest Sri-Bintang während seiner Reise noch eine ganze Reihe weiterer Vorträge gehalten hatte, beispielsweise am 10.4. an der Humboldt-Universität Berlin.

Das unterschiedliche Interesse der Ermittler läßt sich nur dadurch erklären, daß die Zuhörerschaft an der TU ausschließlich aus indonesischen StudentInnen bestand, während bei fast allen anderen Vorträgen ein gemischtes - hauptsächlich deutsches - Publikum zugegen war.

Somit wird deutlich, daß die Ankläger versuchen, aus der Sache einen "rein indonesischen" Fall werden zu lassen. Komplikationen mit der deutschen Diplomatie soll dadurch wohl ebenso aus dem Wege gegangen werden wie der Einmischung von VertreterInnen deutscher Menschenrechtsorganisationen. Letztere könnten nicht nur das gesamte Gebäude der Anklage in sich zusammenstürzen lassen, sondern auch Inhalte in die Diskussion bringen, die Indonesiens Behörden lieber aus dem Verfahren ausklammern möchten.

Ein weiteres Motiv für die weitgehende Eingrenzung der Ermittlungen auf den Vortrag an der TU Berlin ist die hohe Erpreßbarkeit der indonesischen StudentInnen in Deutschland. Insbesondere das indonesische Konsulat in Berlin ist dafür bekannt, seine Schäfchen gezielt einzuschüchtern. In Berlin lebende IndonesierInnen leben in ständiger Angst. Sie wissen, daß jeder ihrer Schritte vom Konsulat beobachtet wird. Mangelndes Wohlverhalten wird durch Probleme bei der Paßverlängerung bestraft, in extremen Fällen werden mißliebige Zeitgenossen auch schon mal de facto ausgebürgert.

So wußten die StudentInnen, was es bedeutete, als einige von ihnen zum Konsulat beordert wurden, um dort über den Vortrag an der TU Berlin zu berichten. Vorgefertigte Erklärungen lagen zur Unterschrift bereit, durch die sich die StudentInnen Probleme vom Leibe halten konnten, wenn sie bereit waren, Sri-Bintang Pamungkas zu belasten. Ahmad Fahrurozzi, Bayu Dirbantara Setiadji und Azhar Rozali, drei der Studenten, die diese Erklärung unterschrieben hatten, wurden kurz darauf auf Kosten des Konsulates nach Jakarta ausgeflogen, um dort als Belastungszeugen gegen Sri-Bintang Pamungkas auszusagen.

Sri-Bintangs Rede wird nun haarklein daraufhin überprüft, ob sich darin "Aufforderungen zur Revolution" o.ä. wiederfinden. Die drei Zeugen sollten dabei behilflich sein, der Polizei Zitate zu liefern, die Sri-Bintang in ein schlechtes Licht stellen. Aufgrund der Passagen seines Vortrages, die bislang problematisiert wurden, droht dies auch zu gelingen. Die Methode, mit der dieser "Beweis" erbracht werden soll, besteht nun darin, Sätze aus dem Zusammenhang zu reißen, Antworten auf Fragen aus dem Publikum mit dem eigentlichen Redetext zu vermischen und dergleichen mehr.

So brachen im August drei weitere indonesische Studenten nach Jakarta auf, um zu Protokoll zu geben, was Sri-Bintang wirklich gesagt hat. Diese drei Entlastungszeugen waren allerdings nicht irgendwelche willkürlich ausgesuchten Zuhörer aus dem Publikum wie die drei vom Konsulat finanzierten Studenten, sondern der damalige Vorsitzende der indonesischen Studentenvereinigung in Berlin, der zu dem Vortrag eingeladen hatte, der Moderator und der Protokollführer der Veranstaltung. Ihre Reise wurde ermöglicht durch die Solidarität von Freunden in Deutschland, da sich Indonesiens Behörden bislang weigerten, auch für diese Entlastungszeugen die Reisekosten zu übernehmen.

Die Polizei in Jakarta zeigte sich überrascht über das Auftauchen der Entlastungszeugen. Weder hatte man damit gerechnet, daß es der Verteidigung möglich sein würde, auf eigene Kosten Zeugen aus Deutschland einzufliegen, noch war man darauf vorbereitet, daß Studenten den Mut haben könnten, eine der Regierung mißliebige Wahrheit zu Protokoll zu geben. Schließlich mußte die Polizei jedoch einwilligen, auch diese Zeugen ordentlich zu vernehmen.

____________________ Bintang wird zum Star ____________________

Sri-Bintang Pamungkas ist nicht der Typ Mensch, der kampflos aufgibt, um anschließend in Angst und Selbstzweifel zu ersticken. Er weiß die Situation zu nutzen, um seinerseits das Regime Suharto herauszufordern und seine eigene Popularität zu steigern. Bintang heißt zu deutsch "Stern". Und tatsächlich wurde Bintang in Indonesien inzwischen zum Star in den Medien.

Noch in Deutschland erfuhr Sri-Bintang Pamungkas von der drohenden Gefahr, umgehend verhaftet zu werden, sobald er wieder indonesischen Boden betritt. Doch keinen Moment lang erwog Sri-Bintang seine Rückreise zu stornieren oder zumindest aufzuschieben. "I am clean - ich habe nichts verbrochen", meinte Sri-Bintang und erklärte, sich dem Verfahren stellen zu wollen, das ihn erwarte. Von Anfang an war klar, daß Sri-Bintang Pamungkas eine offensive Verteidigungsstrategie wählen würde. Noch von Amsterdam aus lud er die indonesischen Medien zu einer Pressekonferenz gleich nach seiner Ankunft auf dem Flughafen von Jakarta ein. Einen Tag später reiste er nach Solo, um einen Vortrag zu halten - denselben, den er zuvor in verschiedenen deutschen Städten gehalten hatte.

Aufgestachelt von der völlig einseitigen Berichterstattung der ersten Wochen, randalierten regierungsnahe Jugendorganisationen vor Sri-Bintangs Haus, warfen Fensterscheiben ein und demolierten sein Auto. Daraufhin forderte Sri-Bintang Polizeischutz, der ihm schließlich auch gewährt wurde.

Assistiert von einem Team erstklassiger Verteidiger des Rechtshilfeinstituts LBH zieht Sri-Bintang Pamungkas seither alle juristischen Register, um das gegen ihn angestrengte Verfahren anzuzweifeln. Sämtlichen polizeilichen Vorladungen zum Verhör leistete er pünktlich Folge. Doch - mit dem Hinweis auf seine Immunität als Abgeordneter - beantwortete er zunächst nur Fragen zur Angabe seiner Personalien. Alle weiteren Fragen werde er erst beantworten, wenn die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung des Präsidenten, ihn zu verhören, vorliege. Die von der Polizei vorgelegte, von Staatsminister Moerdiono im Auftrag unterschriebene Zustimmung, reiche keinesfalls aus, erklärte Bintang. Zwar wurde bereits vor seiner Reise nach Deutschland ein Verfahren zum Entzug seines Abgeordnetenmandates eingeleitet, doch die Abberufung war noch nicht rechtskräftig - auch hier fehlte noch die Unterschrift des Präsidenten persönlich. Nach wochenlangem Hinundher leistete Suharto letztlich seine Unterschrift unter die Abberufungsurkunde und meinte dem Streit damit ein Ende zu setzen. Doch vor kurzem reagierte Sri-Bintang Pamungkas darauf, indem er nun seinerseits Präsident Suharto wegen des Mandatsentzuges verklagte.

Sri-Bintang eröffnete immer neue Nebenkriegsschauplätze. Er machte geltend, daß die Beschneidung seiner bürgerlichen Rechte illegitim sei. So sei ihm - zunächst auf ein Jahr befristet - verboten worden, ins Ausland zu reisen. Ganz und gar unbegründet, meint Sri-Bintang. Erstens sei er noch keineswegs verurteilt, dennoch werde er schon bestraft. Zum zweiten bestehe offensichtlich kein Grund, anzunehmen, daß er sich einem Verfahren durch Flucht ins Ausland entziehen wolle. Die Möglichkeit dazu hätte er ja bereits gehabt, als er noch in Europa weilte. Er sei aber erwiesenermaßen aus freien Stücken nach Indonesien zurückgekehrt, um sich dem Verfahren zu stellen.

Der offensiven Verteidigungsstrategie ist es nach Meinung seiner Verteidiger zu verdanken, daß Sri-Bintang Pamungkas nicht schon längst in Untersuchungshaft sitzt. Doch niemand glaubt so recht daran, daß sich eine Verurteilung dauerhaft abwenden ließe. Zu weit hat sich der Regierungsapparat bereits aus dem Fenster gehängt. Nach den lautstark geäußerten Vorverurteilungen der ersten Wochen gibt es kein Zurück mehr. Das nämlich käme dem Eingeständnis gleich, einen Fehler begangen zu haben und derlei Eingeständnisse passen nicht zur politischen Kultur der Neuen Ordnung Suhartos. Noch nie mußte etwa ein Minister öffentlich eingestehen, Fehler begangen zu haben, noch nie mußte ein Minister wegen Fehlverhaltens seinen Hut nehmen. Die Regierung ist unfehlbar.

Ein Trumpf der Ankläger ist auch die Karte des Nationalismus, die gegen Sri-Bintang Pamungkas ausgespielt wurde. In Indonesien gilt das Prinzip "Right or wrong - it's my country" als unantastbar. Es ist tabu, "seine schmutzige Wäsche im Vorgarten aufzuhängen, wo die Nachbarn sie sehen können." Mit der einfachen Gleichung Demonstrieren gegen Menschenrechtsverletzungen = Beleidigung des Präsidenten = Beleidigung der indonesischen Nation/des indonesischen Volkes wurde von Anfang an Stimmung gegen Sri-Bintang Pamungkas und seine Mitangeschuldigten gemacht. So wurde in den Medien fast ausschließlich von anti-indonesischen Demonstrationen in Deutschland berichtet. Der Vorwurf der Nestbeschmutzung ist ein Totschlagargument, dem Sri-Bintang Pamungkas sich schwerlich widersetzen kann.

Dennoch versuchte Sri-Bintang Pamungkas den Medienwirbel um seine Person geschickt zu nutzen, um auch dieses Argument zu entkräften und nicht zuletzt zur eigenen Selbstdarstellung zu nutzen. "Ich bin nicht einverstanden mit dem Slogan `Right or wrong is my country', weil er von einem Verbrecher stammt, nämlich von Churchill. Für meine Begriffe war dieser Churchill der Führer einer Regierung, die viele Länder besetzt hatte. Der Islam kennt nur gut oder schlecht. Es gibt kein halb-halb oder beides gleichzeitig" /Sinar, 29.4.95/. "Für mich als Moslem muß unterschieden werden zwischen right and wrong" /Gatra, 29.4.95/.

"Können Ihrer Meinung nach indonesische Staatsbürger, die im Ausland gegen das eigene Land demonstrieren, noch nationalistisch genannt werden?", wollte die Zeitschrift Matra /Juli 95/ wissen. "Das kommt darauf an, wie es gemeint ist. Zunächst, sagen Sie mir mal, ob diese Demo sich gegen Personen oder gegen die Regierung richtet. Bill Clinton beispielsweise nahm seinerzeit an Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg in England teil. Bis heute sprechen die Leute darüber, zuletzt als er Präsident wurde. Ich würde zum Beispiel in Malaysia, Singapur oder auf den Philippinen dagegen demonstrieren, daß die indonesische Regierung in Jepara ein Atomkraftwerk baut. Deshalb, weil ich weiß, daß dieses Atomkraftwerk ganz Südostasien gefährden kann, insbesondere die Insel Java", erläuterte Sri-Bintang.

Sri-Bintang Pamungkas fühlt sich der Demokratiebewegung seines Landes verpflichtet. Seine Motivation hierfür bezieht der gläubige Moslem aus der Religion. Er geißelt die Repression in seinem Land als Verstoß gegen die Moral. Ist Sri-Bintang ein Revolutionär? "Revolutionär in dem Sinne, daß ich Veränderungen erwarte," meint Sri-Bintang /Matra, Juli 95/. Die offensive Art und Weise, mit der er sich gegen die erhobenen Anwürfe verteidigt, soll nicht zuletzt auch dazu dienen, den Menschen in Indonesien vorzuleben, daß man keineswegs alle Ungerechtigkeiten klaglos hinnehmen muß. Man kann sich wehren und auch als Angeklagter hat man noch Rechte. Sri-Bintang versteht es dabei sogar aus der Position des Angeklagten noch Punkte zu sammeln. Mittelfristig strebt er gar die Gründung einer neuen Partei an. Und auf die Frage, ob er Ambitionen auf den Präsidentenstuhl habe, antwortet er kurz und knapp: "Ja" /Matra, Juli 95/.

Ende August wurde seine Ermittlungsakte an die Generalstaatsanwaltschaft übergeben. Für die Verteidiger ein klares Anzeichen, daß es zum Prozeß kommen wird. Doch Sri-Bintang Pamungkas sieht der wahrscheinlichen Inhaftierung erhobenen Hauptes ins Auge. "Wir werden die Gefängnisse noch überfüllen, bevor die Demokratie in Indonesien gesiegt hat," sagte er bei einem seiner Vorträge in Deutschland. <>

 
 
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