Indonesien-Information Nr. 3 1995 (Menschenrechte)

Dem "lächelnden General" gefriert das Lächeln

Am 05. April 1995 besuchte der indonesische Präsident Suharto Dresden, die letzte Station seines fünftägigen Deutschlandbesuches. Aus nächster Nähe konnte Suharto die Protestkultur kennenlernen, die der DDR 1989 ein Ende bereitete.

Nach seiner Ankunft in Dresden wurde Suharto von Justizminister Steffen Heitmann empfangen, der die indonesische Delegation zum Zwinger begleitete. Lächelnd betrat der Diktator gegen 11 Uhr den Zwinger durch das Kronentor, wo er von ca. 100 DemonstrantInnen lautstark empfangen wurde. Die Leibwächter Suhartos spannten sofort Schirme auf, als vom Kronentor herab mehrere hundert Flugblätter fielen. Trotz aller Bemühungen seiner Leibwächter bekam Suharto in Dresden nun das zu sehen, wovor er zuvor in Hannover regelrecht abgeschirmt worden war. Die anwesenden Polizeikräfte hielten sich ausdrücklich zurück und Suharto mußte sich den Weg zur Gemäldegalerie durch eine wütende Menschenmenge bahnen. Zu den 100 DemonstrantInnen gesellten sich spontan 50-70 TouristInnen. Die DemonstrantInnen hielten Transparente empor mit Aufschriften in drei Sprachen, u.a. "Free East Timor", "Kapan pulang dari Timor Timur", "Indonesien raus aus Osttimor , "Stop genozide in East Timor", "With murderers we should not cooperate", "Suharto Dalang Segala Bencana", "39 NVA-Kriegsschiffe = deutsche Entwicklungshilfe für Indonesien" und viele mehr.

Die ca. 100 Meter, die Suharto durch den Innenhof des Zwingers bis zur Gemäldegalerie zurücklegen mußte, gestalteten sich zu einem wahren Spießrutenlaufen. Dabei gelang es der Menge, sich dem Präsidenten und seiner Gefolgschaft bis auf ein oder zwei Meter zu nähern. Ibu Tien, Suhartos Frau, wurde blaß um die Nase und griff nach ihren Ohrklunkern - aus Angst, sie könnten ihr entrissen werden. Besonders flau im Magen war es wohl den Gefolgsleuten Suhartos, die sich im Innenhof des Zwingers mit DemonstrantInnen, TouristInnen und JournalistInnen vermischten. Mit Trillerpfeifen, Trompeten, Megaphonen und Sprechchören veranstalteten die DemonstrantInnen einen solchen Krach, daß nach 20 Minuten der Besuch der Gemäldegalerie abgebrochen wurde und Suharto sich entnervt im Panzerwagen zum lediglich 70 Meter entfernten Taschenbergpalais Hotel Kempinski fahren ließ. Vor allem die unter den DemonstrantInnen befindlichen Ost-Timoresen genossen es, Suharto einmal aus nächster Nähe durch Megaphone verstärkt die Meinung zu sagen. Dabei zeigte sich, daß die Ost-Timoresen inzwischen durchaus in der Lage sind, in fließendem Indonesisch die wildesten Schmähungen von sich zu geben - ein eindeutiger Erfolg der "Integration", den Suharto an diesem Tag leider nicht zu schätzen wußte.

Die DemonstrantInnen harrten bis 15 Uhr vor dem Taschenbergpalais und bereiteten der indonesischen Delegation ein ohrenbetäubendes Mittagskonzert. Die anwesenden Ost-Timoresen Luciano Valentim da Conceixao, Vitor Tavares und Jose Manuel Oliveira da Silva gaben den anwesenden JournalistInnen Interviews. Kurzzeitig gelang es den DemonstrantInnen, die indonesische Flagge vor dem Hotel einzuholen. Der vorgesehene Besuch der Porzellanmanufaktur Meißen wurde abgesagt.

Gegen 18 Uhr trafen ca. 400 DemonstrantInnen auf dem Platz vor der Semperoper ein (ca. 100 Meter vom Taschenbergpalais entfernt). Amnesty International hatte dort zu einer Mahnwache aufgerufen. Nach einer Kundgebung brach die Menge in Richtung Taschenbergpalais auf, wurde jedoch von der Polizei am Weitergehen gehindert. Die Polizei hatte zwischenzeitlich das Taschenbergpalais sowie das Hotel Hilton weiträumig abgesperrt. Der Demonstrationszug teilte sich daraufhin auf und die DemonstrantInnen versuchten, in kleineren Gruppen zum Hotel Hilton vorzudringen, wo Ministerpräsident Biedenkopf die indonesische Delegation zum Staatsbankett empfing.

Gegen 20 Uhr gelang es einer Gruppe DemonstrantInnen, den Bus mit der indonesischen Delegation am Elbufer zu stoppen und zur Umkehr zu zwingen. Plakate wurden von außen auf die Fenster geklebt und der Bus wurde von DemonstrantInnen hin- und hergeschaukelt.Dabei zeigten die Reaktionen der Delegation wie sehr sie dieser Empfang in Dresden wirklich traf. Die Frau des indonesischen Außenministers Ali Alatas zeigte den DemonstrantInnen durch das Fenster des Busses wild fuchtelnd den Vogel, ihr Mann lachte die DemonstrantInnen aus und zeigte ihnen demonstrativ den "Stinkefinger".

Nach Ankunft des Busses im Hotel Hilton setzten die DemonstrantInnen ihr Konzert mit Trillerpfeifen, Trompeten, rollenden Fässern, Megaphonen und Sprechchören für eine weitere Stunde fort. Suharto verlangte, einen Bereich von 200 m rings um das Hotel räumen und absperren zu lassen. Doch das Anliegen wurde abgelehnt: "Keine Sonderwünsche," ließ Innenminister Eggert knapp verlauten. <>

 
 
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