Indonesien-Information Nr. 3 1995 (Demokratie)

Mohammed war ein guter Diktator

"Das Geld liege auf der Straße herum, predigt Dukun (Geistheiler) Permadi, ein verknöchertes Männchen mit pompösem Gehabe, der auf seine erfolglose Karriere als Rechtsanwalt zurückblickt. Um es aufzuheben, hat Dukun Permadi eine ganze Riege spezialisierter Dukun rekrutiert, die 'Parapsychologische Gesellschaft Indonesiens'. ... Er allein habe die magischen Kräfte des Gunung Kawi gebändigt. Diesem Berg in Ost-Java schreiben die Indonesier eine mystische Ausstrahlung zu, die geballte Spiritualität vieler Generationen heiliger Männer, die auf seinem Gipfel meditierten. Heute ist der Berg - und Dukun Permadi, der ihn verwaltet - willens, seine Segnungen mit denen zu teilen, die sich redlich bemühen. So pilgern denn Arme und Reiche durch die Wildnis und die Klausen der Dukun, um sich erleuchten zu lassen. Tagelang, wochenlang, monatelang, jahrein, jahraus, meditieren sie, damit bei ihnen die Kassen klingeln. Reich geworden ist vor allem Dukun Permadi, der sich die Pfründe mit dem Militärkommandeur des Distrikts teilt. Der Dukun kassiert nicht nur für Unterkunft und Verpflegung, er fordert auch seinen Anteil am Glück." So schrieb Jürgen Dauth im April in GEO-Special über eine der schillerndsten Figuren der indonesischen Gesellschaft, den Parapsychologen Permadi. Doch bei aller Fähigkeit zum Übersinnlichen, hat der "Paranormale" seit einiger Zeit mit einem sehr weltlichen Problem zu kämpfen: politischer Verfolgung.

Besorgt um seine persönliche Sicherheit begab sich Permadi im März dieses Jahres zur Polizei, mit der Bitte, ihm Schutz zu gewähren. Seit einiger Zeit fühlte er sich durch meist jugendliche Protestierer terrorisiert. Die Polizei reagierte in unerwarteter Weise und nahm Permadi umgehend in "Schutzhaft", wie Polizeichef Banurusman erklärte /Kompas, 22.3.95/. Am 22.3. wurde Permadi offiziell zum Untersuchungshäftling erklärt, ohne daß allerdings ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt wurde. Warum auch, dachten sich wohl die verantwortlichen Polizeibediensteten, denn der Mann befand sich ja bereits in Haft /Kompas, 23.3.95/.

Der Grund für die gegen Permadi erhobene Anklage lag ein Jahr zurück. Im April hatte der wie immer ganz in schwarz gekleidete "Paranormale" an einer Podiumsdiskussion an der Universitas Gadjah Mada (UGM) in Yogyakarta teilgenommen. Bei der Veranstaltung war zahlreiche Prominenz vertreten, unter anderem Adnan Buyung Nasution, Ex-Minister Rudini und Sri-Bintang Pamungkas /Republika, 21.3.95/. Permadi, der sich offen als Anhänger des Republikbegründers und ersten Präsidenten Sukarno bekennt, war bei dergleichen Podiumsdiskussionen ein beliebter Gast. Tonbandkassetten mit Aufnahmen von Permadis Rede an der UGM waren über Monate hinweg ein Verkaufsschlager an Indonesiens Marktständen. Erst im Frühjahr dieses Jahres wurde der Inhalt von Permadis Reden beanstandet. Die Zeitschrift Tiras sieht die daraufhin eingeleitete Kampagne gegen Permadi in einer Linie mit den rigiden Maßnahmen der Regierung gegen die bis dahin unbeanstandete Alternativpresse (s.S. 33) /Tiras, 30.3.95/.

In seiner Rede sprach Permadi über viele Themen, die die indonesische Öffentlichkeit zur Zeit bewegen. Noch vor 1998 werde sich die Frage der Nachfolge von Präsident Suharto entschieden haben, meinte Permadi. Als potentielle Nachfolgerin nannte er die Vorsitzende der Demokratischen Partei (PDI), Megawati Sukarnoputri, Tochter des früheren Präsidenten Sukarno. Doch möglicherweise werde der Machtwechsel nicht unblutig verlaufen, führte er weiter aus. Sein eigenes politisches Lager betreffend, bekannte sich Permadi als Anhänger von Golput (Golongan Putih), dem Ungültigmachen des Wahlzettels aus Protest gegen die Gleichschaltung der indonesischen Parteien. Er wolle keine dieser Parteien wählen, schon gar nicht die Regierungspartei GOLKAR. Diese sei schlimmer als die PKI es war (seit Suhartos Machtantritt verbotene kommunistische Partei) /Gatra, 25.3.95/. Weiterhin kritisierte Permadi Präsident Suharto, Vize-Präsident Try Sutrisno sowie die Minister Habibie, Harmoko und andere wegen ihrer Verquickung von Amtsgeschäften mit privaten Geschäftsinteressen/Tiras,30.3.95/.

Keine Frage, daß solche Worte geeignet sind, den Zorn der Regierenden auf sich zu lenken. Eine Anklage wegen Regierungsbeleidigung gilt in ähnlich gelagerten Fällen als sicher. Die offizielle Begründung der gegen Permadi erhobenen Anklage hatte jedoch nur am Rande mit seinen politischen Äußerungen zu tun. Der Kernpunkt der Beschuldigungen, für die sich Permadi vor dem Kadi verantworten mußte, war der Vorwurf der Blasphemie. Permadi habe den Propheten Mohammed einen Diktator genannt. Dies sei gleichzusetzen mit Gotteslästerung und stelle eine Beleidigung der gesamten islamischen Glaubensgemeinschaft dar /Gatra, 25.3.95/.

Tatsächlich hatte Permadi in seinem Vortrag ausgeführt, ein Diktator zeichne sich dadurch aus, daß er keine Gewaltenteilung zulasse, sondern Exekutive, Legislative und Judikative auf seine Person vereine. Daraufhin wurde Permadi aus dem Publikum die Frage gestellt, ob denn wohl der Prophet Mohammed nach seiner Ansicht auch ein Diktator gewesen sei, da auch er die drei Gewalten auf seine Person vereint habe. "Ja", antwortete Permadi, " so gesehen war er ein Diktator, aber ein guter Diktator. Es gibt aber auch böse Diktatoren wie Hitler, Mussolini u.a. ..." /Republika, 21.3.95/.

Der erste, der sich an den Äußerungen Permadis hochzog, war der Militärkommandeur von Zentral-Java, Generalleutnant Suyono, der sagte, die Rede enthalte gefährliche Agitation. Ihm folgten Hasan Basri von der Islam-Gelehrten-Vereinigung MUI, der Permadis Rede als Beleidigung des Propheten deutete. Din Syansudin, Vertreter von GOLKAR und früherer Leiter der Muhammadiyah-Jugend, fiel in den Chor ein und meinte, die Rede Permadis zeige Sympathien für den Kommunismus. Der Vorsitzende der islamischen Einheitspartei PPP, Metareum, erklärte, Permadis Worte seien eine Wiederholung der "Satanischen Verse" von Salman Rushdie. Syansuri Badawi, islamische Würdenträger aus Ost-Java, befand Permadis Blut als "unrein" und Alawy Muhammad, Islamgelehrter aus Madura meinte, Permadis Tonbandaufnahmen seien eine Beleidigung für Himmel und Erde /Tiras, 30.3.95/.

Nur Abdurahman Wahid, Vorsitzender der größten islamischen Vereinigung, Nahtlatul Ulama, und Mitbegründer des Demokratischen Forums erklärte öffentlich, Permadis Äußerungen seien nicht als Blasphemie zu werten. Außerdem habe sich Permadi für seine mißverständlichen Worte entschuldigt.

Ungeachtetdessen zeigte die Stimmungsmache Wirkung. Aufgehetzte jugendliche Demonstranten bedrohten Permadi und forderten seine rasche Verurteilung. Sie waren es, vor denen Permadi letztlich Schutz bei der Polizei suchte. Immerhin erkannten die Demonstranten, daß es nicht nur um die Beleidigung des Propheten ging, sondern daß der Fall auch etwas mit Präsident Suharto und GOLKAR zu tun hatte /Republika, 23.3.95/. Hasan Basri verzichtete darauf, eine Fatwa (Bannfluch) gegen Permadi auszusprechen, weil es besser sei, staatliche Stellen nähmen sich des Falles an /Kompas, 23.3.95/. Schließlich wurde Permadi nach § 156 a des Strafgesetzbuches KUHP angeklagt, worauf als Höchststrafe fünf Jahre Haft stehen.

____________________ Warum nicht Harmoko? ____________________

Nachdem die Staatsanwaltschaft aufgrund des Blasphemie-Vorwurfs bereits Klage erhoben hatte, meldete sich auch Harmoko, GOLKAR-Vorstand und Informationsminister, zu Wort. Harmoko sah in dem von Permadi getroffenen Vergleich mit der PKI eine Beleidigung seiner Partei GOLKAR. Eine entsprechende Klage werde eingereicht und solle in einem gesonderten Prozeß, unabhängig von dem bereits anhängigen Verfahren, verhandelt werden /Republika, 25.4.95/.

Doch ausgerechnet Harmoko geriet zwischenzeitlich selbst ins Kreuzfeuer der Kritik. Der Vorwurf auch gegen ihn: Blasphemie. Harmoko war bei einer Veranstaltung als Amateur-Dalang (Puppenspieler beim Wayang-Schattenspiel) aufgetreten. Dabei legte er seinen Wayang-Puppen Worte in den Mund, mit denen in anzüglicher Weise eine Sure des Koran verdreht wurde. Natürlich fühlten sich gläubige Moslems dadurch beleidigt.

Warum, so fragten sich in Indonesien viele Beobachter, wurde nicht auch Harmoko wegen Blasphemie vor Gericht gestellt? Die Antwort ist in Presseartikeln zwischen den Zeilen zu lesen. In der Berichterstattung über Permadi zitierte Media Indonesia Minggu beispielsweise einen Prozeßteilnehmer, der vor Gericht ebendiese Frage stellte: "'Wenn Permadi verurteilt wird, müßte .... (genannt wurde der Name eines hohen Regierungsvertreters, d. red) doch auch vor Gericht gestellt werden,' sagte ein Sprecher begleitet von Rufen 'Es lebe Permadi! Es lebe Permadi!'" Nicht einmal im Zitat traute sich Media Indonesia also, Harmoko beim Namen zu nennen, womit die Frage nach einer möglichen Anklageerhebung gegen den Minister beantwortet wäre /Media Indonesia Minggu, 17.9.95/.

Permadi selbst stellte vor Gericht eine weitere interessante Frage: "Außer, daß ich gesagt habe, daß der Prophet Mohammed ein guter Diktator war, sagte ich auch, ein anderer guter Diktator sei der Papst. Warum werde ich nur beschuldigt, den Propheten Mohammed und den Islam beleidigt zu haben, während ich wegen des Papstes nicht belangt werde?" /Media Indonesia Minggu, 17.9.95/

Anfang September wurde Permadi zu sieben Monaten Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft meldete gegen das Urteil umgehend Berufung an. Wenige Tage nach der Urteilsverkündung wurde Permadi auf freien Fuß gesetzt, da er einschließlich der Untersuchungshaft bereits sieben Monate abgesessen hatte. Nun arbeitet Permadi an seiner Erklärung für die Berufungsverhandlung, nach der ihm möglicherweise die erneute Inhaftierung droht /Media Indonesia Minggu, 17.9.95/.

Von dem Prozeß profitiert hat Andang Pradika Purnama. Permadis Anwälte entdeckten den erst neun Jahre alten Jungen bei einem Gespräch mit ihrem Mandanten im Gefängnis von Yogyakarta. Andang saß in Haft, weil er angeblich einen Vogel gestohlen hatte. Die entsetzten Anwälte wurden bei den zuständigen Behörden vorstellig und bewirkten binnen kurzem die Freilassung des Jungen. <>

 
 
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