Indonesien-Information Nr. 3 1995 (ArbeiterInnen)

Marsinah-Prozeß wird neu aufgerollt

Die vor zwei Jahren ermordete Arbeiterführerin Marsinah wurde längst zur Symbolfigur des Kampfes für die Rechte von ArbeiterInnen. Nach der Organisation eines Streiks in der Uhrenfabrik PT CPS in Porong, Ost-Java, wurde Marsinah verschleppt. Tage später wurde ihr Leichnam übel zugerichtet 200 km von ihrem Wohnort entfernt aufgefunden. Noch immer sucht Indonesiens Justiz nach den Schuldigen. Immer mehr Anzeichen sprechen für eine Mitwirkung des Militärs.

Nach monatelangem Tauziehen wurden im Mai sieben wegen des Mordes an Marsinah zu Haftstrafen zwischen 4 und 12 Jahren Verurteilte wieder freigelassen. Die Freilassung erfolgte auf Anordnung des Obersten Gerichtes, das Zweifel an der Urteilsfindung der untergeordneten Instanzen hatte. Bereits im November 1994 war der Hauptbeschuldigte Yudi Susanto, Besitzer der Uhrenfabrik PT CPS, in der Marsinah gearbeitet hatte, auf freien Fuß gesetzt worden, nachdem er zuvor zu 17 Jahren Haft verurteilt worden war. Mutiari, die einzige Frau unter den Verurteilten, ist ebenfalls seit längerem frei, da sie ihre Haftstrafe von 7 Monaten bereits gänzlich abgesessen hat.

Die Anwälte der Beschuldigten hatten geltend gemacht, daß Aussagen, mit denen sich die später Verurteilten selbst belastet hatten, im Militärgewahrsam unter Folter zustande gekommen waren. Unter dem Druck stehend, der Öffentlichkeit Schuldige für den Mord an Marsinah präsentieren zu müssen, hatte das Militär die Leute kurzerhand verschleppt und über mehrere Tage festgehalten. Um ihre Opfer gefügig zu machen, Geständnisse abzugeben, durch die sie sich selbst des Mordes bezichtigten, wurden die Verschleppten auf grausamste Weise gefoltert. Yudi Susanto beispielsweise wurde mit Elektroschocks behandelt, wobei die Elektroden wahlweise an Fußzehen und Penis bzw. an Ohrläppchen und Penis angesetzt wurden. Bei anderer Gelegenheit wurde Yudi Susanto gezwungen, auf ölverschmierten Teppichresten herumzukauen bis er sich übergeben mußte. Anschließend mußte er sein Erbrochenes wieder aufessen. Weitere Schilderungen der angewandten Foltermethoden seien Ihnen, liebe LeserInnen, erspart. Besonders Hartgesottene und Horrorfans mögen die detaillierten Berichte der KollegInnen von Human Rights Watch/Asia nachlesen.

Spätestens seit der Entführung der Beschuldigten spekuliert Indonesiens Öffentlichkeit offen darüber, daß das Militär selbst die 26jährige Streikführerin Marsinah vor zwei Jahren verschleppt, vergewaltigt und anschließend ermordet haben könnte. Die spätere Entführung der 9 Zivilisten sollte wahrscheinlich dazu dienen, ihnen Geständnisse abzupressen, um von der (Mit-)Schuld des Militärs abzulenken. Die anschließende Verurteilung der Entführten zu langen Haftstrafen sorgte für Proteste im In- und Ausland. Die nationale Menschenrechtskommission KOMNAS HAM mußte sich des Falles annehmen, nachdem sie mehrere tausend Briefe alleine von besorgten Bürgern aus dem Ausland erhalten hatte.

Nun wird das Verfahren neu aufgerollt. Dabei kommen auch modernste kriminaltechnische Untersuchungen wie DNA-Analysen zum Einsatz. Marsinahs Leiche wurde exhumiert, um Gerichtsmedizinern die Entnahme von Erbgutproben zu ermöglichen, die mit der DNA-Struktur von Blutflecken verglichen werden sollen, die im Firmenwagen sowie im Büro des Fabrikbesitzers Yudi Susanto gefunden wurden. Es ist keineswegs ausgeschlossen, daß die im ersten Verfahren Verurteilten tatsächlich des Mordes bzw. der Beihilfe zum Mord schuldig sind. Doch ob nach den bisherigen Turbulenzen, der Entführung und Folter der Angeklagten und einem Gerichtsverfahren, das jeder Rechtsstaatlichkeit Hohn spricht, noch an eine Aufklärung des Falles und einen fairen Prozeß zu denken ist, darf bezweifelt werden. /Reuter, 5.5.95, Voice of America, 5.5.95/ <>

 
 
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