Suara Nr. 3/2008 (Militär)

 

Nationale Sicherheit mit Reserve

Das Gesamtbild der Reform des Sicherheitssektors klärt sich

 

von Ingo Wandelt

 


Die Reform des indonesischen Sicherheitssektors wird im Wahljahr 2009 in ein entscheidendes Stadium eintreten. Einige seit Jahren vorbereitete Gesetzesentwürfe und Absichtserklärungen deuten darauf hin, dass das Konzept der Nationalen Sicherheit (Keamanan Nasional) der staatlichen Sicherheitsarchitektur ihre abschließende Form erhalten soll. Ein nicht unproblematisches Element soll mit der Nationalen Reserve entstehen, die die öffentliche Aufmerksamkeit erneut auf die Langzeitvorhaben der Regierung Yudhoyono richten wird. Worum es geht, und wie es soweit kam, wird in zwei Beiträgen vorgestellt.
 

Nationale Sicherheit ist die Beschreibung eines Versuches, den staatlichen Sicherheitsauftrag angesichts einer Vielzahl neuer oder als neu erkannter Bedrohungen erweitert zu erkennen, zu fassen und zu definieren. Die Begriffsfassungen der erweiterten und der Umfassenden Sicherheit (comprehensive security) erfassen seit den 1990er Jahren einen sicherheitspolitischen Ansatz, der über militärische Gefahren hinaus auch andere Ursachen für Konflikte und Krisen in die Sicherheit einbezieht. Die klassische Dichotomie der äußeren, militärischen und der inneren Gefahren, d.h. die strenge Unterteilung in äußere und innere Gefahren, denen traditionell von den Streitkräften und der Polizei zu begegnen ist, wird mit dem erweiterten Sicherheitsbegriff mehrfach überschritten. So wird die zeitliche Dimension des Sicherheitshandelns erweitert auf die Sicherheitsvorsorge (Prävention), d.h. durch das rechtzeitige Identifizieren und Angehen von Risiken, die akute Handhabung der Sicherheit vor eingetretenen Bedrohungen und die Nachsorge nach behobener Krise. Im funktionalen Spektrum erweitern die Streitkräfte ihren Auftrag auf ökologisch-klimabedingte, sozio-ökonomische, ethnische und naturbezogene Gefahrenbekämpfung, was sie zu funktional-vernetzten Kooperationen mit anderen Sicherheitsakteuren und zu einer zivil-militärischen Zusammenarbeit im Allgemeinen veranlassen muss. Der Sektor der staatlichen Sicherheit verändert darüber seine Struktur erheblich, was militärbezogen einen Bestandteil der Transformation darstellt. Mit dem Ende des Kalten Krieges wurde die fragile Staatlichkeit als internationales Sicherheitsproblem erkannt, welches das Auseinanderfallen von Staaten, ihren ethnisch-religiösen Sozialstrukturen und nationalen Ordnungssysteme über neu aufgekommene Formen von asymmetrischer Konfliktaustragung mit sich brachte. Das Verschwimmen von militärisch-zivilen Grenzziehungen auf der Seite von Konfliktakteuren (Kombattant-Nichtkombattant) zeitigte vergleichbare Aufweichungen der institutionellen Grenzen von uniformierten und zivilen Sicherheitsakteuren. Ein breiteres Spektrum an Gefahren (Bedrohungen) erfordert eine breitere Basis an Sicherheitsakteuren über die der „Professionals“ hinaus. In der Tendenz laufen umfassende und nationale Sicherheit auf die Sicherheitsverantwortung eines jeden Bürgers hinaus - unter der zentralen Führung des Staates, was erhebliche Konsequenzen für ein demokratisches Gemeinwesen mit sich bringen wird.

Die indonesische Sicherheitssektorreform (SSR), die intensiv mit dem Sturz des Präsidenten und Befehlshabers der Streitkräfte Suharto 1998 angegangen wurde, muss unweigerlich im Referenzrahmen der vorgenannten Globalentwicklungen gesehen werden. In einer Form der verspäteten Entwicklung. SSR und Nationale (oder Erweiterte bzw. Umfassende) Sicherheit bedingen sich, weil beide zur Begegnung der neu erkannten Bedrohungen die Restrukturierung der Sicherheitsstrukturen einfordern. Für Indonesien bedeutet SSR fühl- und sichtbar die kategoriale Ersetzung der Dichotomie Militär versus Zivil(-gesellschaft), (Militär-)Diktatur versus Demokratie, durch die Reform des Sicherheitssektors und seiner Akteure als Unterstützung der und getrieben von der Demokratisierung. Die Zukunft der SSR wird die Balance zwischen den sozio-politischen Segmenten Militär und Zivil neu tarieren, wobei heutzutage noch unentschieden ist, wohin die zivil-militärische Waage sich neigen wird. Die letzten vier Jahrzehnte indonesischer Staatsentwicklung haben das Militär zu einer gesellschaftlich präsenten Kraft werden lassen, die auch nach zehn Jahre Reform noch nicht „zurück in die Kasernen“ (back to the barracks) getrieben werden konnte. Die Reform des Sicherheitssektors, wie auch immer sie verlaufen wird, wird die Gesellschaft erheblich verändern, weit über ihre zivil-militärischen, uniformierten und nicht-uniformierten Trennlinien hinaus.

Die frühen Anfänge der indonesischen Sicherheitssektorreform liegen zeitlich fast ein Jahrzehnt vor dem Rücktritt Suhartos im Mai 1998 von seinem Amt als Staatspräsident und Oberbefehlshaber der Streitkräfte – damals ABRI (Angkatan Bersenjata Republik Indonesia) mit den vier Teilstreitkräften Heer, Marine, Luftwaffe und der Polizei. Das 1989, dem Jahr des Endes des Kalten Krieges, bereits gespannte Verhältnis eines mächtigen Teiles der „Rot-Weißen Fraktion“ der Generalität zu Suharto, führte dort zu ersten Reformüberlegungen abseits der Öffentlichkeit. Drei Faktoren drängten auf Reform:

Die welt- und geostrategisch veränderte Lage mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zerfall der globalen bipolaren Blockordnung reduzierte Indonesiens Funktion als antikommunistische Regionalschutzmacht auf Null; die Ausrichtung der ABRI auf die Aufstandsbekämpfung und die totale Kontrolle der Bevölkerung (Doppelfunktion) konnte in einer sich demokratisierenden Welt nicht länger Anerkennung finden.
Suhartos Versuche mit der pro-islamischen „Grünen Fraktion“ im Offizierkorps der ABRI einen Gegenpol zur aufmüpfigen Offizierschicht aufzubauen, die politisch motivierte Verschiebung des säkular-islamischen Gleichgewichts in Richtung auf den Islam, betrafen die Streitkräfte als selbsternannte Kraft der Säkularität direkt.
Die Isolation der ABRI von der alten Schutzmacht USA, evident geworden im Entzug der Rüstungs- und Ausbildungshilfe der USA nach dem Massaker von Dili, Osttimor, im November 1991, gefährdete die militärtechnologische und strategisch-fähigkeitsbezogene Modernisierung der Streitkräfte.

In den frühen 1990er Jahren wurde national security – entlehnt aus den USA und damals noch ohne indonesische Entsprechung – ein Teil des streitkräfteinternen Diskurses. Das aufkommende Konzept einer größeren, umfassenden Sicherheit kam dem Anspruch der ABRI auf Dwifungsi (Doppelfunktion in Verteidigung und innerer Sicherheit) prinzipiell entgegen und bot zugleich Chancen einer Wiederannäherung an die USA. Zusätzlich machten ab etwa 1995 in westlichen Diplomatenkreisen Hoffnungen die Runde, dass eine neue Generation indonesischer Offizieren herangewachsen sei, die moderner, aufgeschlossener und vor allem westlicher sei als ihre Vorgänger, die Offiziergeneration Suhartos. Gemeint waren die Absolventen der Militärakademie von 1973 und 1974, die damals gerade zu Generälen aufgestiegen waren wie Susilo Bambang Yudhoyono (1973), aber auch Prabowo Subianto (1974). National Security wurde in jener Zeit in die Suharto-akzeptable National Resilience (Ketahanan Nasional) gepackt, das alte und auch heute noch hoch gehaltene Referenzkonzept staatlicher Sicherheit. Weit gedieh dieser Diskurs nicht, wohl aber führte er zu einer zeitgeschichtlichen Fixierung, die im Rückblick in ihrer Tragweite erkennbar wird.

Die indonesische SSR – damals als reine Militärreform angesetzt – begann 1994 mit dem 25-Jahre-Langzeitprogramm der staatlichen Sicherheit für die Jahre 1994-2019. Sie wurde in ihren Grundzügen mehr oder weniger bruchlos – mit einem Jahr Pause in 1998 – aus der Neuen Ordnung (Orde Baru) in das demokratisch verfasste Indonesien herübergebracht. Dann, mit dem Wegfall der autoritären Herrschaft, wurde auch im Militär offener, freier und globaler diskutiert. Der Staatszerfallsaspekt trat hinzu, der aggressiver vorgetragene globale Machtanspruch der Vereinigten Staaten und im Detail weiter ausgearbeitete Aspekte von Sicherheitsplanungen. Diese Langzeitperspektive der Reform wird häufig übersehen, weil der Abgang Suhartos leichtfertig mit einem völligen Neuanfang militärischer Reform gleichgesetzt wird. Wozu auch die im Westen Fuß fassende Gewissheit zählt, die institutionelle Reform des Sicherheitssektors nach „unserem Bilde“ werde langfristig das spezifisch Indonesische an seinem Sicherheitsmodell auf eine folkloristischen Randnotiz reduzieren: Indonesiens Sicherheitsakteure werden sich schlussendlich schon dem Druck des guten Vorbildes beugen! Hieran sind Zweifel rechtzeitig anzubringen.

Die Sicherheitssektorreform (SSR) Indonesiens begann eben nicht mit einer tabula rasa. Der umfassende Ansatz der Sicherheitssektorreform hat in Indonesien seine eigene Vorgeschichte, die aus Versatzstücken von Suharto, der Neuen Ordnung und der ABRI besteht. Sie haben Perspektiven geprägt, die an neue Modelle angelegt werden.

Unkritisch für beide großen Interessenhalter der indonesischen SSR ist, weil gemeinsame oberste Priorität, die Vollendung der begonnenen Zerschlagung der ABRI in ihre Teilkomponenten Streitkräfte (Tentara Nasional Indonesia, TNI) und Polizei (Polri). Sie wurde 1999 begonnen, aber noch nicht umfassend abgeschlossen. Die Polizei und die Streitkräfte wurden per Gesetz 2002 und 2004 voneinander getrennt neu verfasst. Langfristig müssen beide eine institutionelle Heimat in zivil geführten Ministerien finden, wofür die Unterstellung der TNI unter das Ministerium der Verteidigung, und der Polizei unter das Innenministerium oft gehörte Vorschläge sind. Einstweilen unterstehen beide auf unbestimmte Zeit dem Präsidenten. Weitere spezifische Militärreformprobleme sind die Regulierung oder Auflösung der institutionellen haushaltsmäßigen Selbstversorgung durch einen regulären und transparenten Verteidigungshaushalt und die geordnete Unterstellung der Militärangehörigen unter ziviles (Straf-)Recht – Probleme, deren Lösungen noch Jahre der Reform erfordern werden. Sind doch die Residualkräfte der alten Militär- und Polizeitraditionen bei den in ABRI-Zeiten ausgebildeten und sozialisierten Kommandeuren und ihren Truppen zu mächtig, um die Reform zu begreifen und zu akzeptieren. Nicht zu vergessen ist die Reform des kleinsten, aber mit hohen Gefährdungspotentialen für die Demokratie behafteten Sektors der staatlichen Nachrichtendienste. Er hat noch keinerlei Reform erfahren.

Ein umfassendes Gesetzeswerk einer abschließenden Strukturierung aller Sektoren des Sicherheitssektors und ihrer Akteure unter staatlicher Aufsicht und Führung wird die höchste Aufgabe der Reform werden. Sie erfordert ein System der kombinierten Verteidigung und Sicherheit, das den Bedingungen der demokratischen Verantwortlichkeit, Transparenz und zivilen Oberhoheit (Suprematie) genügt. Dieses System wird in Indonesien als Nationale Sicherheit (Keamanan Nasional, Kamnas) verstanden. Es wird die Strukturen und die Mentalität der historisch überkommenen ABRI in eine neue Sicherheitsordnung zu transformieren haben, die nicht länger den Geist der Suharto-ABRI-Mentalität in sich trägt.

Zu den Residualkräften der alten ABRI in den Sicherheitskreisen gehört eine zentrale Sichtweise der nationalen Sicherheit, die nur indirekt mit der Ideologie der Suharto-Epoche zu tun hat. Es ist dies die generelle Entscheidung, ob ein westliches Modell der Sicherheit, zu dem es weltweit keine ernsthafte Alternative gibt, universal für alle strategischen Sicherheitserfordernisse aller Staaten, einschließlich Indonesien, das geeignete darstellt. Die Frage, ob die neue demokratische Ordnung der Sicherheit und dem Erhalt Indonesiens zuträglich oder abträglich sei. Die Frage, ob die besonderen Gefährdungspotentiale des inselstaatlich, multiethnisch und multireligiös aufgestellten Indonesiens mit denen westlicher Staaten vergleichbar und in gleicher Weise anzugehen sind. Diese hier vereinfachend dargestellten Fragen bestimmen die internen Diskussionsprozesse der Sicherheitsreformen in Indonesien, finden jedoch außerhalb unberechtigterweise wenig Beachtung.

Die zweite Frage läuft im indonesischen Sicherheitsdiskurs und auf eine zentrale Anschauung hinaus, deren künftige Relevanz in einem reformierten Sicherheitssektor ernsthafter Prüfung zu unterziehen sein wird. Es betrifft das vorangesprochene militärhistorische Konzept der „Totalen Sicherheit und Verteidigung“, Pertahanan Keamanan Rakyat Semesta, oder kurz Hankamrata. Es entstammt in seinen Ursprüngen den Erfahrungen des Guerrillakrieges gegen die Kolonialherren und ist nach wie vor die Grundlage der militärischen Verteidigung. Hankamrata postuliert die Notwendigkeit der Einheit von professioneller Truppe und ziviler Bevölkerung als einzigen Garanten für die Gewährleistung des Staatsbestandes. Die Streitkräfte, so heißt es, seien zu klein, und Indonesien zu groß, um allein (wie in westlichen Staaten) seine Sicherheit besorgen zu können. In Zeiten größter Gefahr (Notstand) müsse die Bevölkerung der Armee zur Seite springen und dafür bereits in Friedenszeiten vormilitärisch ausgebildet werden. Dazu kommt eine weitere Besonderheit, die westliche Sicherheitskonzepte nicht oder nur in geringem Maße aufweisen: Hankamrata ist nur zu leisten, wenn eine gemeinsame, einheitliche und ausgerichtete ideologische Basis der Verteidigung in der Bevölkerung bereits vorhanden ist, welche der Bevölkerung den Sinn und Zweck glaubhaft vermitteln kann. Was prinzipiell die Demokratietauglichkeit des Hankamrata mit einem Fragezeichen versehen muss.

Antworten auf beide Fragen finden sich bei intensivem Studium niedergeschrieben in den Konzepten und Regelungen der Sicherheitssektorreform, und nicht nur als Randnotizen. Die umfassende Konzeption der SSR ab dem Jahr 2000 erfolgt auf der Basis eben jenes Hankamrata und auf der Revitalisierung der Idee des Integralistischen Staates (auf die näher eingegangen werden wird) als der der Sicherheit des indonesischen Staates am meisten förderlichen Form von Staat und Verteidigung. Beide wurden bis dato gern übersehen, weil sie nur geringe institutionelle Konkretisierung erfahren haben. Ein dem Parlament vorzulegendes Gesetzespaket zu Kamnas wird dann erkennen lassen, ob es den indonesischen SSR-Planern um eine nach globalen (westlichen) Prinzipien gestaltete staatliche Sicherheitsordnung geht, eine „indonesische“ oder eine Mischform aus beiden. Die SSR offenbart ein unterschwelliges Grundmisstrauen der indonesischen Sicherheitsplaner gegenüber einer kritiklosen, aber notwendigen Übernahme westlicher Sicherheitsmodelle und wollen sie durch „indonesische“ Institutionen der Sicherheit entschärfen.
 

Die Kamnas-Gesetzgebung

Nationale Sicherheit begann als Staatliche Verteidigung (Pertahanan Negara) im Oktober 2000 in zwei parallelen Gesetzesentwürfen zu einem der SSR Grundlagen und Richtung gebenden Gesetzeswerk formuliert zu werden. Zu Hintergründen und Details mehr im folgenden Beitrag. Bedeutsam ist, dass diese ersten durchaus konträren Entwürfe, in das Gesetz Nr. 3/2002 vom 8. Januar 2002 Eingang fanden, und eine spezifisch indonesische Ausrichtung nach dem Hankamrata ausdrücklich in den Text hinein schrieben. Es handelt sich um das Modell der drei Komponenten (komponen), die aus der zentralen Komponente der territorial gegliederten Streitkräfte (Tentara Nasional Indonesia, TNI) und der künftig aufzustellenden Komponente der Nationalen Reserve und der Unterstützung bestehen sollten. Der Text des Gesetzes 3/2002 definiert die Staatliche Verteidigung als „System des Hankamrata“: Sishankamrata. Jeder Reformschritt seither fußt auf diesen Basisbestimmungen und weicht bei näherer Betrachtung nicht von ihnen ab. Die fast totale Nichtbeachtung des Hankamrata im zivilgesellschaftlichen indonesischen und SSR-bezogenen internationalen Diskurs erklärt sich aus seiner institutionellen Irrelevanz seither. Eine Situation, die mit der anstehenden gesetzlichen Fassung der Keamanan Nasional ins Gegenteil verkehren wird.

Erste Formulierungen eines „Gesetzes der staatlichen Verteidigung und Sicherheit“ begannen unter Präsident Susilo Bambang Yudhoyono. Das Ministerium der Verteidigung (Dephan) unter Minister Juwono Sudarsono formulierte eine Arbeitsgruppe des Ministeriums in enger Zusammenarbeit mit zivilen Nichtregierungsorganisationen im Februar 2005 einen ersten Vorentwurf. Erst ein Jahr darauf formulierten die Konzeptoren die Nationale Sicherheit (Keamanan Nasional, Kamnas) als geeigneten Überbegriff für Landesverteidigung und innere Sicherheit. Erst erneut ein Jahr später, am 18. Januar 2007, legte das Ministerium einen öffentlichen Entwurf vor. Sein Wortlaut bestimmt als Aufgaben der Kamnas 1. Humansicherheit, 2. öffentliche Sicherheit, 3. staatliche Sicherheit, und 4. staatliche Verteidigung. Nationale Sicherheit (Kamnas) erfolgt über ein System Nationaler Sicherheit (Sistem Kamnas), das auf nationaler Souveränität, Demokratie, Menschenrechten, Umwelt und Rechtssicherheit beruht. Die staatlichen Akteure der Kamnas werden sein 1. der Präsident als oberste Instanz, 2. der Nationale Sicherheitsrat (aufzustellen), 3. die für die sicherheitsbezogenen Aufgaben zuständigen Minister und ihre Ressorts, und 4. die nationalen Nachrichtendienste. Die obersten Befugnisse für die Kamnas liegen beim Präsidenten, dem künftigen Nationalen Sicherheitsrat, den Ministern für Verteidigung, Inneres und Äußeres, dem Chef der nationalen Polizei und den Leitern der staatlichen Dienste. Aber wichtig: nicht beim Militär!

Das Notstandsregime

Ein zentraler Bestandteil des Gesetzesentwurfes ist die gesetzliche Bestimmung von Formen des Notstandes (Darurat), ansteigend vom 1. Katastrophen- und sozialen Unruhenotstand zum 2. zivilen, 3. militärischen zum 4. Kriegsnotstand. Die Einzelheiten sind im Text nicht enthalten. Sie werden einem Notstandsgesetz überlassen werden. Mit größter Vorsicht deshalb hier einige Anmerkungen, wie der Notstand gestaltet werden wird. Die Streitkräfte werden voraussichtlich entscheidend für die Umsetzung der Notstandsregelungen sein.

Der Präsident ist, dem US-amerikanischen Vorbild folgend, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte und oberster Herr in Frieden, Notstand und Krieg. Ihm steht beratend der Nationale Sicherheitsrat (Dewan Keamanan Nasional, DKN) zur Seite, dem die Minister der sicherheitsrelevanten Ministerien angehören werden. Sie werden die Spitze der staatlichen Security Community bilden. Mit der Aufstellung des DKN werden Militär, Polizei und Dienste Ministerien unterstehen. Der DKN übernimmt im Fall des (gesamt-)staatlichen Notstandes die Regierungsverantwortung. Der Präsident wird Formen von Notständen (Keadaan Darurat) für den Staat und einzelne Provinzen verhängen. Bei letzteren werden, wie erstmals geschehen beim militärischen Notstand für Aceh am 19. Mai 2003, die Streitkräfte die Notstandsherrschaft über die regionalen (provinzeigenen) Militärstrukturen ausüben. Maßnahmen des Ausbaues der territorialen Verteidigung, einschließlich der Nationalen Reserve, müssen im Kontext der künftigen Notstandsgesetzgebung gesehen werden. Die aufzustellende Nationale Reserve bekommt einen entscheidenden Platz in der Architektur der Nationalen Sicherheit, auf die in einem gesonderten Beitrag näher eingegangen werden wird.

Der Kamnas-Legislationsprozess

Das Parlament der Legislaturperiode unter Präsidentin Megawati Sukarnoputri (2002-2004) übertrug der Regierung des Präsidenten Yudhoyono eine Reihe von Gesetzesvorgaben, die den Prozess des Kamnas voranbringen sollen. Primär wird die Nationale Reserve zur Entscheidung anstehen. Noch ist nicht absehbar, ob die Regierung Yudhoyono, genauer das Ministerium der Verteidigung, ein Gesetz zur Nationalen Sicherheit einbringen wird. Eine Gesetzesvorlage, die notwendigerweise die Notstandsregelungen und ihre strukturell-funktionalen Vorbereitungen in Streitkräften und Polizei zu regeln haben wird. Vorgaben, die in Parlament und Gesellschaft voraussehbaren Widerstand erregen werden. Experten an der Australian National University (ANU) in Canberra taten mir im März in ihren Zweifel kund, ob Yudhoyono im Wahljahr 2009 das Thema Keamanan Nasional und das heiße Eisen der Reservekomponente anfassen werde. Demgegenüber zeige sich das Ministerium der Verteidigung (Departemen Pertahanan, Dephan) willens, ein Reservegesetz in 2009 vorzulegen.

Reformzentrum Verteidigungsministerium

Zentraler Motor, und zugleich institutionalisierter Schwachpunkt der indonesischen Sicherheitssektorreform, ist das Ministerium der Verteidigung. Geführt von einem zivilen Minister obliegt ihm die konzeptionelle Arbeit der Strukturreformen über Richtlinienentwicklung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Es formuliert die Kooperationen mit ausländischen Sicherheitseinrichtungen, die Planung und Aufstellung des Verteidigungshaushaltes, einschließlich der Vorgaben zur Verwendung der Mittel in den Streitkräften, Rüstungsbeschaffungsmaßnahmen, sowie die zentrale Planung und Lenkung der Ausbildungs- und Qualitätssteigerungsmaßnahmen der Streitkräfte. Das Dephan arbeitet nach den sicherheitspolitischen Vorgaben des Präsidenten, anhand derer es seine Planungs- und Konzeptionsarbeiten zu leisten hat. Es ist faktisch zur Tatenlosigkeit verdammt, wenn von dort, wie geschehen unter den PräsidentInnen Megawati und Yudhoyono, wenig oder keine Vorgaben vorgetragen werden. Gegenüber anderen Ministerien verfügt das Dephan über keine Befugnisse, seine konzeptionellen Sicherheitsplanungen z.B. den Ressorts für Inneres, Finanzen, Soziales und Erziehung aufzuzwingen, und muss auf deren Konsensbereitschaft hoffen. Den Streitkräften darf das Dephan, mit Ausnahme der Haushalts-, Beschaffungs- und Ausbildungskompetenzen, keine Anweisungen geben. Das Militär bleibt auf unabsehbare Zeit eine vor zivilem Einfluss abgeschottete Organisation.

Institutionelle Grundsteine des Reformprozesses

Eine wichtige Weichenstellung für die anlaufende SSR war die Strukturreform des Dephan von Oktober 2000 bis zum Januar 2001. In ihren Grundzügen lange vor dem Regimewechsel geplant, schuf sie institutionelle Voraussetzungen und Ausrichtung des legislativen Reformprozesses. Organisatorisch bestimmt ein Drei-Ebenenmodell das Dephan, das arbeitsteilig zivil-militärische Zusammenarbeit exemplarisch leisten soll. Bis heute dominiert jedoch der militärische Führungsanteil im Ministerium

Die Ebene I ist personifiziert im Minister der Verteidigung, der ein Zivilist zu sein hat und der in seiner Person die Voraussetzung internationaler militärischer Kooperation erfüllt, die einen Zivilisten an der Spitze staatlicher Sicherheitsapparate sehen will. In seiner Position steht der Minister gleichwertig einem Viersterne-Generals und damit auf Augenhöhe mit dem militärischen Chef der Streitkräfte (TNI) und den Chefs der Teilstreitkräfte (Heer, Marine und Luftwaffe). Dem Minister untersteht direkt ein Dreisternegeneral, der das Generalsekretariat des Dephan leitet und der ranghöchste Militär im Ministerium ist.

Ebene II besteht aus fünf Generaldirektoraten (GD), die mit Generalmajoren (**) und gleichwertigen Zivilisten besetzt sind im Verhältnis 3 (Militärs) zu 2 (Zivilisten). Ihnen unterstehen die technisch-funktionalen Abteilungen der Ebene III, besetzt mit Chefs im Dienstgrad Einsterne-Generäle. Auf dieser Ebene sind Zivilisten fast nicht vorzufinden.

Die Gliederung der Arbeitsebene II gibt seit Januar 2001 die institutionelle Ausrichtung der Nationalen Sicherheit vor:
 


Der strategische Hebel des Dephan ist die allgemein anerkannte Notwendigkeit zur Reform, der sich seit 1998 die Generalität angeschlossen hat. Nach acht Jahren eines zivilen Dephan haben die Streitkräfte das Ministerium akzeptiert und als Chance zu begreifen gelernt. Marine und Luftwaffe nutzen es als Plattform ihrer Präsenz, die ihnen einen vergleichsweise hohen Anteil an Positionsinhaber gegenüber denen des in der TNI dominanten Heeres gewährt. Ernsthafte Planungsarbeiten werden seit wenigen Jahren von recht jungen Offizieren der Ebenen Oberstleutnant und Oberst geleistet, was in den Planungsstäben der Streitkräfte in der Form nicht möglich wäre.
 

Das indonesische Konzept der Nationalen Sicherheit

Das Dephan ist zuständig für die Konzeptionsarbeiten, Planungen und die Koordinierung der Nationalen Sicherheit. Ihm steht seit Oktober 2004 erneut der zivile Minister Juwono Sudarsono vor, der das Amt kurzzeitig unter Präsident Abdurrahman Wahid 1999-2000 inne hatte. Der Minister ist in seiner Persönlichkeit ein Mann zweier Welten. Zivilist und einer der führenden politischen Denker Indonesiens, ausgebildet in England und, wie kolportiert wird, denkend in Englisch, muss er den Spagat einer militärisch-sicherheitspolitischen Generalreform vollziehen, welche die tiefen Gräben zwischen der militärischen und zivilen Welt überbrücken soll. Sein Ministerium ist dafür denkbar schwach aufgestellt. Weder verfügt es über Befugnisse in die Domänen der sicherheitspolitischen Akteure hinein zu bestimmen, noch besitzt es die klugen Köpfe, die es für die große Aufgabe benötigt. Der Prozess der internen Zivilisierung des Dephan hat gerade erst begonnen. Die überwiegende Mehrheit des Stammpersonals ist nach wie vor militärisch und mehr oder weniger Produkt der Militärerziehung der Suharto-Zeit. Juwono benutzt die neuen Möglichkeiten der zivil-militärischen Kooperation, indem er kleine intellektuell fähige Zivilorganisationen als Think Tanks an das Ministerium bindet und von dort die intellektuellen Kapazitäten bezieht, die er im Ministerium und seiner Akademie Lemhannas (Lembaga Ketahanan Nasional, „National Resilience Institute“) (noch) nicht finden kann. Die langfristig angelegten Qualifizierungsprogramme des Militärpersonals im Dephan sind beachtenswert, werden jedoch einen Mindestzeitraum von zehn Jahren durchlaufen müssen, bis das Dephan selbst die notwendigen Kapazitäten erreicht haben wird. Derzeit laufen im Dephan zwei Planungsprozesse mehr oder weniger parallel nebeneinander her. Der konservativ geprägte militärische Planungsblock, an seiner hierarchischen Spitze besetzt mit relativ altem Führungspersonal, hat eine vage Vorstellung davon, dass die alten Bahnen des militärischen Isolationismus eine Sackgasse darstellen und die Zusammenarbeit in Bündnisform mit fremden Streitkräften unumgänglich sein wird. Verbunden mit neuen „unindonesischen“ Denkweisen, die der traditionalistischen Militärelite ein Gräuel sein müssen. So erscheinen am Horizont fall- und einsatzweise operative Unterstellung unter anglo-amerikanisches Kommando in gemeinsamen regionalen und globalen Einsätzen, die dem gehegten Prinzip der Ablehnung einer Unterordnung der Streitkräfte unter fremdes Oberkommando ein Ende bereiten werden. Solche Unterstellungen erfolgen bisher nur in geringem Umfang in internationalen UN-Kontingenten. Die künftige militärisch-sicherheitspolitische Bündnisfähigkeit Indonesiens erscheint unausweichlich, widerspricht jedoch der Militär- und Sicherheitstradition Indonesiens und ihrem auf Unabhängigkeit bestehenden Nationalismus. Zumal Indonesien keine wirkliche strategische Alternative zu einer Anbindung an die ungeliebten USA und Australien besitzt.

Die zweite, zivile Planungsschiene sind jene kleinen NROs, welche die eigentliche Zukunftsarbeit leisten, jedoch über keinerlei Befugnisse verfügen. Diese mehrheitlich zivilen Politikwissenschaftler besitzen den globalen Blick, vermögen die Kluft zwischen ihrer (zivilen) Welt und dem militärischen Kosmos ihrer Väter nicht wirklich zu überbrücken. Die meisten der zivilen Reformspezialisten kommen aus ABRI (Militär- und Polizei) Haushalten und kennen beide Welten, stehen jedoch recht unsicher zwischen ihnen.

Diese Parallelwelten im Ministerium sollte man sich vergegenwärtigen, will man die Reformbemühungen in ihrer inneren Widersprüchlichkeit wahrnehmen. Die großen Bruchlinien zwischen der alten Identität der Suharto-ABRI-Ära mit ihrer inneren Isolierung, ihrer Heimeligkeit hinter hohen (physischen wie psychischen) Kasernenmauern bestehen, wenn auch leicht abgemildert, fort. Die absehbare Notwendigkeit der Verknüpfung des Überlebens Indonesiens an internationale, sprich westliche Sicherheitsstrukturen, wird als Preis die Aufgabe mancher dogmatisch als unverzichtbar betrachteten Besonderheiten einfordern. Darunter zählen die Guerillakriegstradition, die totale Volksverteidigung und eine Menge der strukturellen Hinterlassenschaften der alten ABRI. Die alte Generalität, die entweder bereits im Ruhestand ist (als Beispiele seien Wiranto, Sutiyoso und die ex-Generäle genannt, die im anstehenden Wahlkampf 2009 in Erscheinung treten werden), oder bald in den Ruhestand treten werden (die Generation des Präsidenten der Militärakademie-Jahrgänge der 1970er Jahre), konnten bestenfalls erste Brücken bauen. Ab 2012, wenn eine neue, rein unter der Orde Baru ausgebildete Generalität die Spitzen der Militärhierarchie übernommen haben wird (die Jahrgänge der Akademie-Abgangsklassen der 1980er Jahre), wird eine neue Übergangsphase eintreten. Diese Generation von zehn Jahrgängen ist erkennbar jedoch aber immer noch zu konservativ geprägt, um die Öffnung der Truppe nach außen in ihrem tiefsten Inneren akzeptieren zu können. Erst ihre Nachfolger, die Akademie-Abgangsklassen der 1990er Jahre, die heute junge Majore in ihrem dritten Lebensjahrzehnt sind, werden dieses Werk vollenden können. Wenn sie denn darauf hin erzogen werden. Ihre kollektiven Einstellungen sind heute weithin unbekannt, und ob sie die Reformer sein werden, als die sie manch Indonesier und ausländischer Militärbeobachter erhofft, ist noch völlig offen. Der Zeithorizont der indonesischen Sicherheitssektorreform erstreckt sich mindestens auf zwei weitere Jahrzehnte unsicherer Entwicklung.

Eine starke Grundlage des Dephan für sein Einwirken auf die militärische Domäne ist das Beharren der internationalen Sicherheitspolitik auf zivile oder zivilinstitutionelle Ansprech- und Verhandlungspartner, die das Dephan zur unersetzlichen Schlüsselstelle der internationalen Sicherheitszusammenarbeit erhebt. Das Militär muss sich dem Dephan fügen und zugleich sich des Dephan zu bedienen lernen. Ein Zurück zu einem militärisch geführten Dephan ist derzeit ausgeschlossen
 

Das verborgene Referenzmodell der Reform: der Integralistische Staat

Das Dephan verfolgt seit 2000 sein Sicherheitssektor-Reformmodell einer vorsichtigen Revitalisierung des Integralistischen Staates (negara integralistik), wobei der künftig reformierte Sicherheitssektor den Nukleus eines militärisch starken, selbstbewussten nationalen Akteurs regionaler Sicherheit im insularen Südostasien darstellen soll. Die vage erkennbaren Visionen reichen über die Militärreform weit hinaus und sehen den Aufbau eines starken Nationalismus als Wehr gegen allzu starken Einfluss des Auslands vor. Dem Dephan geht es dabei um eine kollektive nationale Identität, welche die staatliche Sicherheitsordnung untermauern und die kollektiven zivil-militärischen Verteidigungsanstrengungen als Akte der Bewahrung nationaler Eigenständigkeit und Identität darstellen soll.

Für diese weit in die Zukunft reichende Zielvorstellung soll eine junge, im verteidigungsnationalistischen Ideal zu schulende Elite den Nukleus der künftigen Defence Community bilden. Sie soll um das Dephan herum aufgebaut und angesiedelt werden und in jenen „familiären“ (kekeluargaan) und symbiotischen Beziehungen zur Elite des Landes stehen, wie sie das Ideal des Integralistischen Staates, des Staates der Großen Familie (keluarga besar) vorgibt.

Es wird nicht selten übersehen, dass die Neue Ordnung Suhartos über die oberflächlich erkennbaren militär- und entwicklungsdiktatorischen Strukturen sehr wohl über einen theoretischen Überbau verfügte und durch eine effektive Erziehungspolitik in jene junge zivil-militärische Elite einpflanzen konnte, die zur künftigen Elite des Sicherheitssektors auserkoren ist. Der Integralistische Staat (Negara Integralistik) wurde 1945 vom Rechtsprofessor Supomo als die Indonesien angemessene Staats- und Rechtsform vorgestellt. Seine Vorstellungen fanden konzeptionellen Eingang in die erste und heute gültige Staatsverfassung von 1945. Supomo visualisierte eine indonesische Kulturordnung, die keinen konzeptionellen Bruch zwischen Staatsvolk und Führung kannte, und in welcher der Staatsführer (Präsident) der Vater der großen Volksfamilie war. Anstelle von leblosen Institutionen des Rechts wollte Supomo den Staat als „organische“ Ordnung errichtet sehen, welche den besonderen Kulturtraditionen Indonesiens Ausdruck verleihen sollte. Nationalismus war ihm Ausweis der Unvergleichbarkeit Indonesiens als eine Nation, die ihm mit keiner anderen Nation vergleichbar erschienen, und die nur von ihrem ureigenen tradierten Kulturrecht bestimmt zu werden hatte. Obwohl selten offen benannt, avancierte der Integralismus zum verborgenen Staatsideal, dem Suhartos patriarchalische Ordnung institutionellen Ausdruck zu verleihen vermochte. Eine Ordnung, die sich stets als einzig wahre indonesische Kulturordnung verstand und dies über umfangreiche Erziehungsprogramme in die kollektive politische Wahrnehmung eines Teiles der jungen Führungselite einzubringen vermochte. Einer Elite, die Söhne und (seltener) Töchter ihrer Väter sind, und nun vom Dephan gezielt gefördert und aufgebaut wird. Eine junge Alterskohorte, für die der Bruch zwischen Suharto und Demokratie nicht wirklich stattgefunden hat, und die die ihnen vertrauten Staatsorientierungen übernehmen.

Der Integralismus verbirgt sich hinter dem Symbol Pancasila, der Staatsausrichtung Indonesiens seit 1945. Obwohl beide originär nichts miteinander zu tun haben. Pancasila steht für den diskursiv immer neu auszuhandelnden sozialen und politischen Grundkonsens der Gesellschaft. Der Integralismus identifiziert dagegen die Große Familie (Keluarga Besar) als das kulturelle Staatsprinzip, das über Familiarität (kekeluargaan) das Gefühl der Zusammengehörigkeit hervorzubringen und deshalb auf Institutionen des Rechts weitestgehend zu verzichten vermag. Einmal aufgebaut, ersetzt die Familie (keluarga) jedes institution-building und vereint Volk und Führung, Gesellschaft und Militär und alle inneren Widersprüche im kollektiven Gefühl des familiaristischen Nationalismus indonesischer Einzigartigkeit. Es ist dieses Leitbild, dass Juwono – ob es nun seines ist oder nicht ist sekundär – in seiner Sicherheitssektorreform zum Ausgangs- und Endpunkt gewählt hat. Es ist zugleich die ordnungspolitische Einbettung für eine Reform, deren institutionelle Umbruchprozesse das idealisierte Staats- und Gesellschaftsmodell unverändert belassen: Institutionenreform bei unveränderten ordnungspolitischen Grundkonstanten, Modernisierung bei Beharrung auf indonesischer Einzigartigkeit. Mithin das Beste aus zwei Welten. Hankamrata steht symbolhaft für den Integralistischen Staat, für die vorgesehene, obgleich noch in vielen Details umstrittene Reform im Zeichen der Nationalen Sicherheit. Die sozio-politische Schnittstelle zwischen alten Idealen und neuer Sicherheitszukunft bildet die Nationale Reserve, die für das angestrebte staatliche Sicherheitskonzept unverzichtbar sein muss. <>
 

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