Suara Nr. 3/2008 (Bürokratie)

 

Praktikanten aus Indonesien lernten deutsche Verwaltung kennen

von Pipit Kartawidjaja


Mit einer durch die indonesische Botschaft veranstalteten Feier bei der LASA Brandenburg (Landesagentur für Struktur und Arbeit Brandenburg) verabschiedeten sich fünf indonesische Praktikanten am Montag, den 22.09.2008, von den MitarbeiterInnen der LASA. Leider fiel die Feier in den muslimischen Fastenmonat Ramadhan, so dass drei von fünf Praktikanten sowie die Vertreter der Botschaft nicht vom angebotenen Kaffee, Kuchen und Wasser kosteten. Nur die beiden christlichen Praktikanten konnten das Angebot genießen.

Das Praktikum begann am 25. August 2008 unter Begleitung von Herrn Wajid Fauzi, der die zurzeit nicht besetzte Stelle des indonesischen Botschafters vertritt. Vier der fünf ausnahmslos männlichen Praktikanten waren hochrangige Beamte: zwei kamen vom Ministerium für Verwaltungsreform (Kementerian Pendayagunaan Aparatur Negara) und zwei von der Nationalakademie für die Ausbildung von Staatsbediensteten (Lembaga Administrasi Negara). Der fünfte vertrat die Nicht-Regierungsorganisation KOMWAS PBB.
 

Vorgeschichte

Das Praktikum bei der LASA kam durch glückliche Umstände zustande. Mitte 2005 veröffentlichte ich in meiner Heimat Indonesien ein Buch mit dem Titel „Die Regierung ist nicht der Staat“ (Pemerintah bukanlah Negara). Nach der Überwindung der Diktatur, die über Jahrzehnte die Gleichsetzung von Staat und Regierung praktizierte, tun sich meine Landsleute auch zehn Jahre später noch schwer, die Begriffe und Zuständigkeiten auseinander zu halten. Auf der Suche nach der idealen Verwaltung sollte mein Buch einen Beitrag leisten.

Ich konnte aus eigener Erfahrung berichten: 1987 wurde mir durch die Verwaltung des Militärdiktators mein Reisepass entzogen - eine kalte Ausbürgerung. Freilich erfolgte dies ohne Anhörung meiner Person und ohne Angabe von Gründen. Die Verwaltung verstand sich als Regierungsapparat und musste ihren Verwaltungsakt nicht mit Begründungen rechtfertigen. Als ich damals nach den Gründen für den Passentzug fragte, bekam ich nur eine mündliche Antwort: „Sie sind doch erwachsen genug, um zu wissen warum.“

Seit 2004 laufen Bemühungen zur Reform der Verwaltung in Indonesien parallel mit einer Gesetzesvorlage zur Einführung eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, welches sich am deutschen Verwaltungsverfahrensgesetz orientiert. Federführend für dieses Vorhaben sind das Ministerium für Verwaltungsreform und die GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit) aus Deutschland. Ende 2006 wurde ich während meiner Urlaubsreise nach Indonesien vom Ministerium für Verwaltungsreform und der GTZ miteinbezogen, um das Verwaltungsverfahrensgesetz bekannt zu machen.

Aus dieser Zusammenarbeit entstand die Idee, das Praktikum bei der LASA durchzuführen, damit indonesische Schlüsselpersonen das deutsche Verwaltungsverfahrensgesetz nicht nur theoretisch, sondern auch in der Praxis kennen lernen können. Zuvor hatten zwar schon viele indonesische Beamte an ähnlichen Maßnahmen in Bayern teilgenommen, aber dort lernten sie nicht das Verwaltungsverfahrensgesetz kennen. Die LASA Brandenburg bot sich aus zwei Gründen an: erstens befindet sich diese Behörde auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, wo es seinerzeit kein Verwaltungsverfahrensgesetz gab, was den Vergleich mit Indonesien erleichterte. Zweitens, bin ich selbst bei der LASA beschäftigt und konnte somit meinen Landsleuten den praktischen Teil des Verwaltungsverfahrensgesetzes anhand konkreter Verwaltungsakte aus meinem eigenen Zuständigkeitsbereich in indonesischer Sprache vermitteln.

Nach Vertragsverhandlungen zwischen Herrn Beckers von der LASA und Herrn Rimmele von der GTZ Ende Mai 2008 konnte 2008 das Vorhaben schließlich im August realisiert werden.
 

Was wurde besichtigt?

Die Gesetzesvorlage für das indonesische Verwaltungsverfahrensgesetz liegt zur Zeit beim indonesischen Präsidenten. Man wartet auf seinen Segen, damit die Gesetzesvorlage dem Parlament vorgelegt und verabschiedet werden kann. Das Praktikum in Potsdam sollte somit auch den Entscheidungsprozess des Präsidenten beschleunigen.

Vier Wochen verbrachten die Praktikanten bei der LASA. Durch deren Vermittlung lernten sie auch ILB (Investitionsbank des Landes Brandenburg) in Potsdam und die Fachhochschule der Polizei in Oranienburg kennen. Durch Vermittlung von Watch Indonesia! e.V., wobei ich im Vorstand sitze, fand auch ein Besuch der Hertie School of Government in Berlin statt.

Am vorletzten Tag ihres Aufenthaltes wurden die Gäste von der indonesischen Botschaft gebeten, vor den ca. 20 Beamten der dort tätigen Beamten einen Vortrag über ihr neu erworbenes Wissen zu halten. Dies war auch eine gute Gelegenheit zur Evaluation, um zu erkennen, was sie verstanden bzw. was sie bei der LASA, ILB, der Fachhochschule der Polizei und der Hertie School of Government gelernt haben.

So vermittelten sie der Zuhörerschaft, wie sich die Bundesrepublik Deutschland organisiert. Zum ersten Mal erfuhren die Beamten der Botschaft, genauso wie zuvor die Praktikanten bei der LASA, dass
(a) Verwaltung kein Regierungsapparat wie in Indonesien ist – sodass die deutsche Verwaltung nicht wie dort abhängig von der politischen Führung und damit von den Wahlergebnissen ist (Bemerkung: außer gegenüber der Verfassung müssen die indonesischen Beamten Treue und Gehorsam gegenüber der Regierung zeigen);

(b) die LASA durch Beleihung und e-Government eine moderne und andere Art der Verwaltung praktiziert – sodass der Staat Mittel einsparen kann; und

(c) das Verwaltungsverfahrensgesetz eine grundlegende Reform der indonesischen Staatsbürokratie mit sich bringen würde.

Auch wurde vorgetragen, wie bei der LASA Verwaltungsakte geführt werden. Über jeden Vorgang werden beispielsweise ein Sachstandsblatt und regelmäßige Prüfvermerke angelegt. Im Gegensatz dazu werden, wie die Gäste erzählten, in Indonesien Prüfvermerke und Protokolle häufig erst rückwirkend geschrieben, beispielsweise wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kommt.

Sie unterstrichen auch die besondere Eignung der LASA als Praktikumsort, weil LASA sich in den neuen Bundesländer befindet und das Verwaltungsverfahrensgesetz der alten BRD angewendet wird. Durch Gespräche mit zwei MitarbeiterInnen der LASA aus der ehemaligen DDR wurden Vergleiche gezogen, was es bedeuten würde, falls das Verwaltungsverfahrensgesetz in Indonesien angewandt wird. Gegenüber den Beamten der indonesischen Botschaft argumentierten sie, dass kulturelle Barrieren oder Gewohnheiten kein Hindernis wären, denn Recht und Gesetz können Gewohnheiten und kulturelle Eigenheiten verändern. Wenn wir unsere schlechten Gewohnheiten (z.B. Korruption, Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft usw.) nicht ändern wollen, dann geht Indonesien zugrunde. Fakt ist, dass Indonesien eine Verwaltungsreform dringend benötigt und sich der schlechten Gewohnheiten entledigen muss.

Ursprünglich sollten die Gäste „nur“ das deutsche Verwaltungsverfahrensgesetz in der Praxis kennen lernen. Doch letztlich haben sie durch ihren Aufenthalt bei der LASA wesentlich mehr als das erfahren. Obwohl einige von ihnen bereits in den USA oder Australien studiert hatten, lernten sie viel Neues. So hörten sie beispielsweise zum ersten Mal von der Trennung zwischen Regierung und Verwaltung.

Herr Beckers antwortete mit „ja“, als der Delegationsleiter, Herr Dandung Indratno, ihn am letzten Praktikumstag fragte, ob die LASA bereit wäre, zu späterem Zeitpunkt eine weitere Gruppe von Praktikanten aufzunehmen.

Ob dieses Vorhaben realisiert werden kann, hängt noch von den indonesischen Parlamentswalen im April/Mai 2009 und den Präsidentenwahlen im Oktober 2009 sowie nicht zuletzt von der GTZ ab, deren Vertrag für dieses Beratungsprojekt Ende 2009 ausläuft. <>
 
 

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