Indonesien-Information Nr. 3 2002 (Pressefreiheit)

 

Alles in bester Neuer Ordnung?

Ein Blick hinter die Kulissen des neuen Rundfunkgesetzes

von Martin Huber

 
Cum grano salis

Nach zahllosen Reportagen über Missstände und Korruption sahen sich die indonesischen Volksvertreter nun endlich zum Handeln genötigt. Diesen Exzessen musste ein Riegel vorgeschoben werden! Dank intensiver Bemühungen gelang es den Abgeordneten jetzt, die Schuldigen zu ermitteln. Verdächtig war insbesondere, dass all diese Skandale stets in den Medien zu finden waren. Das konnte doch kein Zufall sein! Von daher drängte sich der Schluss auf, dass die Pressefreiheit für die schlechten Meldungen verantwortlich ist. Etliche Journalisten missbrauchten ihre Freiheit doch tatsächlich dazu, die Regierung zu kritisieren! So war das ja nicht gedacht. Der Staatsminister für Kommunikation und Information, Syamsul Mu'arif, gab daher den Willen der Regierung bekannt, „to curb the excessive freedom of the press“.

Wie gut, dass die hatzaai-artikelen von 1915 noch immer in Kraft sind, die die Holländer zur Knebelung der indonesischen Freiheitsbestrebungen in der Presse einsetzten und an denen nach der Unabhängigkeit dann auch die neuen Machthaber Gefallen fanden.

Das liberale Pressegesetz von 1999 war ein weiterer unverzeihlicher Fauxpas des damaligen Präsidenten B.J. Habibie (neben der fatalen Entscheidung, endlich das Blutvergießen in Ost-Timor zu beenden), der sich zudem noch durch solch subversive Äußerungen hervortat wie: „I will never, never tolerate that the Indonesian government will interfere with the freedom of the press. Freedom of the press is very important, not only for politics but also for economics.“ Zum Glück haben sich die Zeiten geändert, und anstelle des Diktator-Lieblings sitzen jetzt die demokratischen Kräfte im istana presiden, dem Präsidentenpalast.

Erste Gelegenheit zu einer Neuordnung dieser demokratischen Verirrungen bietet die in den kommenden Wochen anstehende Verabschiedung des Rundfunkgesetzes. Über den genauen Inhalt des bislang nicht veröffentlichten Gesetzesentwurfes gehen die Meinungen auseinander. Fest steht, dass ein Rundfunkrat (KPI) die frühere Funktion des Informationsministeriums übernehmen soll, das unter Suharto für die Zensur zuständig war. Die KPI soll über weitreichende Kompetenzen von der Lizenzvergabe (bzw. nach dem Willen der Regierung der Vergabe von Empfehlungen zur Lizenzvergabe) bis hin zur inhaltlichen Programmbestimmung und Festlegung „ethischer Kriterien“ verfügen. Einige Berichte erwähnen die Etablierung eines amtlichen Zensors direkt in jedem Unternehmen. Fest steht auch, dass Verstöße strafrechtlich geahndet werden sollen und dass ein Drittel der Paragraphen sich ausschließlich mit den drakonische Strafen beschäftigt, die der Journalist bei Übertretungen des Gesetzes zu gewärtigen hat.

In einem Punkt trifft sich das Gesetz mit der neuen Linie der Regierung, zu der sie nach langen Monaten der Unsicherheit endlich gefunden hat und die sich in dem Motto zusammenfassen lässt: 1. Es gibt ohnehin keine Probleme und 2. an diesen Problemen sind die Ausländer schuld.
Zum Beispiel werden jetzt große Anstrengungen unternommen, die indonesische Menschenrechtsbilanz zu verbessern, indem entschieden gegen ausländische NGO-Vertreter vorgegangen wird. Von diesem Personenkreis geht eine so starke Bedrohung für die nationale Sicherheit aus, dass sogar ernsthaft erwogen wird, die Visumspflicht für EU-Länder und die Vereinigten Staaten wieder einzuführen, selbst wenn dadurch in Kauf genommen werden muss, dass die Zahl der Touristen noch weiter abnimmt. Erschwerend kommt noch hinzu, dass es sich diese Ausländer neuerdings angewöhnt haben, sich einfach in Indonesien erschießen zu lassen. Das ist schon sehr verdächtig.

Ausländische Medien bilden außerdem die Fünfte Kolonne der Demokratie, indem sich indonesische Bürger mittels der von ihnen in Kooperation mit lokalen Sendern ausgestrahlten Programme direkt über die neuesten nationalen und internationalen Entwicklungen informieren können. Laut dem Abgeordneten Djoko Susilo (Fraksi Reformasi) dienen diese Sendungen in schamloser Weise der „promotion of Western viewpoints”. Eurozentrische Werte wie die Achtung der Menschenrechte, Demokratie oder Good Governance stehen eben in eklatantem Widerspruch zu den privaten Interessen der Parlamentarier und damit zum nationalen Interesse Indonesiens.

Nur durch ihr beherztes und rasches Eingreifen gelang es den Volksvertretern nun, die weitere Verbreitung dieses gefährlichen Gedankenguts zu unterbinden: binnen eines einzigen Monats, was für indonesische Verhältnisse einen absoluten Rekord darstellen dürfte, soll im Rahmen des Rundfunkgesetzes (über das immerhin schon zwei Jahre beraten wird) auch ein Paragraph durchgepeitscht werden, der die Verbreitung ausländischer Nachrichtensendungen unter Strafe stellt. Es ist stark anzunehmen, dass der Geschwindigkeit der Beschlussfassung die Absicht zugrunde liegt, eine breite Diskussion dieser Maßnahme durch die Gesellschaft zu ermöglichen. Eine ähnliche Effizienz legten die indonesischen Parlamentarier bislang nur bei der Formulierung des Gesetzes über die Staatsgeheimnisse an den Tag, das notwendig geworden war, um dem drohenden „freedom of information bill”, einer bedrückenden Erblast aus den Hochzeiten der Reformasi, erst seine volle Funktionalität zu verleihen.

Einige Volksvertreter scheinen sich zu fragen, ob Informationen aus dem Ausland zum Wohle ihrer Wähler nicht überhaupt verboten werden sollten: „We don't want our stations and radio to be foreign kiosks” erklärte z.B. Amin Said Husni (PKB). „Amin said the limitation was intended to limit foreign information and propaganda in influencing the country's citizens”. Sein Parteigenosse Effendy Choirie gab zudem zu bedenken: „Foreign news is sometimes disruptive”. Der ungehinderte Konsum ausländischer Nachrichten kann zu schweren psychischen Schäden beim indonesischen Bürger führen (wie etwa zum Verlust seines gesunden Respekts vor den natürlichen Autoritäten). Schließlich ist Megawati die Mutter der Nation, und wo kämen wir hin, wenn Kinder einfach ihre Eltern kritisieren dürften? Aus solchen „tendenziösen“ und „unfairen“ Berichten könnten – Gott behüte ! –  Unbedarfte den Eindruck gewinnen, das Land werde schlecht regiert. Gut, 711 Mio.US$ sind einfach verschwunden. Jeder kann sich mal irren. Außerdem, wo bliebe denn die nationale Souveränität, wenn man nicht einmal mehr ungestört seinen korrupten Geschäften nachgehen könnte?

Zugleich reagiert das Gesetz auf intelligente Weise (nach Art eines bekannten afrikanischen Laufvogels) auf die Fährnisse der Globalisierung, die einem exportorientierten Land wie Indonesien ganz offensichtlich nur zum Nachteil gereichen kann. Wie Djoko Susilo erklärt, dient der Gesetzesentwurf insbesondere dazu, „to address the inequality of information flow from developed countries to developing countries”. Dieser geistige Höhenflug wurde von Radio Eriwan mit den folgenden Worten kommentiert: Diese Aussage ist im Prinzip richtig, nur dass nicht die globale Ungleichheit des Informationsflusses gemeint ist, sondern der ungleiche Zugang zu Informationen, dass Entwicklungsländer nicht über zu viele, sondern über zu wenige Informationen verfügen und dass das Gesetz diese Ungleichheit nicht aufhebt, sondern verschärft.

Ein weiterer heikler Punkt bereitet dem Abgeordneten große Sorge: „Why are the Western news agencies always talking about Islamic militants? The parliament thinks that if people have a lot of BBC, people will think Indonesia is a centre for terrorism.” Dem kann sich der Vizepräsident nur anschließen. Farukh verhaftet? Kenne ich nicht. F-u-n-d-a-m-e-n-t-a-l-i-s-m-u-s ? Nie gehört. Mein Name ist Haz, ich weiß von nichts.
Durch solche jeder Grundlage entbehrenden Berichte könnte doch tatsächlich der Eindruck entstehen, es gäbe in Indonesien radikale islamistische Kräfte! Und wer sollte damit gemeint sein, etwa die friedliebenden Kampftruppen der Laskar Jihad oder die pazifistischen Bombenleger der Jemaah Islamiyah (etc. pp.)? Erst kürzlich hat der Vizepräsident den Vorsitzenden des Mujaheddin-Rates (MMI), Abu Bakar Ba'asyir, beim vertraulichen Plausch im Kreise der zum Dîner geladenen Freunde gefragt: „Bist Du ein Terrorist?“ Worauf jener ganz deutlich mit Nein antwortete. Und damit ist die Sache doch ein für allemal geklärt !

Unlängst wies Ba'asyir im deutschen Fernsehen darauf hin, dass der Islam zu seiner Verbreitung nur friedliche Mittel erlaube. Wenig später nannte er Osama Bin Laden einen „großen islamischen Gelehrten” dessen Bücher ihm zudem als Grundlage für den Unterricht in seinem pesantren (islamische Schule) dienten, in dem er immer noch ungestraft 2500 Schülern den Kopf verdrehen darf. Die Kinder lernen dort z.B. dass westliche Musik (oder Musik überhaupt?) ein Werk des Teufels ist.

Die Besorgnis über den jugendverderbenden Einfluss von MTV Asia, der zu einem völligen Verfall der Sitten führen könnte, war auch einer der Beweggründe, die bei der Formulierung des Gesetzes Pate standen. Djoko Susilo gab zu, das Gesetz sei insbesondere gegen Global TV gerichtet, auf dem die sündigen Programme ausgestrahlt werden: „The local television station will of course be banned because most of its programs are from abroad“.

Es ist aber wichtig, zu betonen, dass es sich bei diesen Maßnahmen in keinster Weise um Zensur handelt, wie Amin Said Husni betont: „We are not banning the practice, only setting a limit”. In diesem Sinne äußerte sich auch Minister Mu'arif, der erklärte, dass nur Übertragungen von Programmen erlaubt würden, die dem nationalen Interesse Indonesiens entsprächen, vor allem also die Spiele der Lieblingsmannschaft des Ministers und andere Sportereignisse, während Nachrichten diesem Interesse direkt zuwiderlaufen.

Ebenfalls nichts mit Zensur zu tun hatte der erfolgreiche Protest des Majelis Mujahidin Indonesia (MMI) gegen die Ausstrahlung eines Werbespots über die Pluralität im indonesischen Islam: „The MMI expressed strong concern that the announcement went against religious teachings, and that it was Muslims, and not Islam, that were plural.” Mit anderen Worten, es gibt unterschiedliche Interpretationen des Islam, und es gibt den Islam des Majelis Mujahidin Indonesia (selbstverständlich der einzig richtige).

Die Qualität der Sendungen war ein weiterer Gesichtspunkt, der den Parlamentariern am Herzen lag. Effendy Choirie erklärte, es gehe darum, dass die lokalen Sender die Frequenzen „optimal nutzten“, also vor allem nicht für regierungskritische Berichte. Husni fügte dem hinzu, das Gesetz würde die inländischen Sender dazu bewegen, „ihr Programm zu verbessern“. Nun geht von den ausländischen Berichten über London, New York oder Sydney natürlich sowieso schon ein großer Druck aus, die lokalen Nachrichten über Surabaya, Bandung und Bukittinggi, mit denen sie offensichtlich in direkter Konkurrenz stehen, zu verbessern. Der Wegfall dieser Konkurrenz wird diesen Anreiz geradezu ins Unermessliche, ja ins Unmessbare steigern.

Auch an anderen Aspekten zeigt sich die überragende Kompetenz der Väter des Rundfunkgesetzes. So sollen sich alle privaten Fernsehsender wie RCTI und SCTV in Zukunft auf lokale Inhalte beschränken. Es ist ihnen verboten, landesweite Programme auszustrahlen. Laut den Parlamentariern dient dieser Schritt dazu, ein „Informationsmonopol“ zu verhindern, was man schon daran erkennen kann, dass damit nur noch dem staatlichen Fernsehen das Recht zukommt, Sendungen zu produzieren, die im ganzen Land zu empfangen sind, wie z.B. die nationalen Nachrichten.

Gegen die Monopolbildung gerichtet ist auch das Verbot der cross-ownership zwischen verschiedenen Medienbranchen. Nicht auszudenken, wenn sich Indonesiens renommierte Zeitungshäuser dem Fernsehgeschäft zuwenden würden, wie dies in Ansätzen bereits geschehen ist! Am Ende würde dadurch vielleicht sogar die absolute Vorherrschaft der Suharto-Familie in der Fernsehsparte gefährdet. Zum Glück erreichen die unruhestiftenden Artikel dieser kritischen Journalisten bislang nur einen kleinen Teil der Bevölkerung und die einschläfernde Wirkung staatlicher Nachrichtensendungen ist keiner unliebsamen Konkurrenz ausgesetzt.

Dafür darf sich der indonesische Fernsehzuschauer bald auf Erwachsene in Babywindeln freuen, denn der Gesetzentwurf stellt jegliches Auftreten von Minderjährigen in der Werbung unter Strafe. Das einfältige Argument, englischsprachige Sendungen in guter akustischer Qualität würden der indonesischen Jugend das Erlernen dieser nicht ganz unwichtigen Sprache erleichtern, führt der Kommissionsvorsitzende Widiadnyana Merati, seines Zeichens Professor am Institut Teknologi Bandung, durch das elegante Englisch ad absurdum, dessen er sich im Gespäch mit Claudette Werden von ABC zu bedienen weiß:  „You can still have your listener, because your radio we can catch you in Indonesia very clearly, you don't have to worry about your going to lose your listener in my opinion your broadcasting emission in Indonesia is very clear, you don't have to use our broadcaster to relay your emission.” (Eine Aufzeichnung der ganzen Sendung ist zu genießen unter http://abc.net.au/ra/asiapac/programs/s666340.htm).

Da das unter Habibie verabschiedete Pressegesetz eine zweijährige Haftstrafe oder die einmalige Zahlung von 60,000 US$ für all jene vorsieht, die den Versuch unternehmen, die Pressefreiheit zu behindern, wäre es nur logisch und außerdem ganz im Sinne des nationalen Interesses, wenn man alle diese geistigen Ludditen (Maschinenstürmer) für zwei Jahre ins Gefängnis steckte! <>

 (Alle Zitate vgl. http://sosiologi.online.de/press.htm)

   

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