Indonesien-Information Nr. 3 2002 (Soziales)

 

Flüchtlingsströme aus Malaysia

von Nikola Hüging


Unterernährte Menschen, dicht an dicht untergebracht in Zelten, katastrophale sanitäre Bedingungen, Trinkwassermangel: das ist das Bild, das sich derzeit in Flüchtlingslagern in Nunukan, einer Region Kalimantans an der Grenze zu Sabah, bietet.

Zehntausende illegale Arbeiter aus Indonesien und den Philippinen verließen in den letzten Wochen fluchtartig Malaysia und kehrten in ihre Heimatländer zurück. Sie hatten zuvor ohne Papiere in Malaysia gearbeitet. Als billige Arbeitskräfte wurden sie dort geduldet, arbeiteten auf Baustellen, Plantagen oder als Hausangestellte. Mit dem Rückgang des Wirtschaftswachstums in Malaysia im vergangenen Jahr und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit wurde das Einwanderungsgesetz nun geändert. Illegale Arbeiter müssen seit August eine Gefängnisstrafe von 6 Monaten, umgerechnet 2.500 Euro Geldbuße und 6 Stockhiebe fürchten. Rund 600.000 Gastarbeiter ohne Papiere sind davon betroffen. Ein großer Teil von ihnen kommt aus Indonesien, viele auch von den Philippinen. Bereits 300.000 haben das Land verlassen, genau so viele warten in malaysischen Lagern auf Transportmöglichkeiten /FR, 3.9.2002/.

In Nunukan suchten in den vergangenen Wochen rund 40.000 Menschen Zuflucht. Dort sind sie in Zelten untergebracht oder leben auf der Straße. Es fehlt an Trinkwasser, Essen und Medikamenten. Erkrankungen wie Durchfall, Typhus, Malaria und Tuberkulose breiten sich aus, bereits 69 Menschen starben /Jakarta Post, 6.9.2002/, Vergewaltigungsfälle häufen sich. Inzwischen wurde ein Kriegsschiff der indonesischen Flotte als provisorisches Krankenhaus zur Verfügung gestellt, doch läuft die Hilfe von Seiten der Regierung nur schleppend an.

Beamte im Einwanderungsbüro von Nunukan rechneten Anfang September mit 60.000 bis 80.000 zusätzlichen Flüchtlingen im Laufe des Monats  /Jakarta Post, 4.9.2002/. Die Menschen wissen nicht, wohin. Viele von ihnen wollen mit den nötigen Papieren nach Malaysia zurückkehren. Doch es herrscht große Unsicherheit. Zwar hat die Regierung in Kuala Lumpur verlauten lassen, dass die meisten Arbeiter zurückkommen können, sofern sie die notwendigen Dokumente bei sich haben, doch bleibt der Status ihrer Familien ungewiss. Auch der Regierung in Jakarta wäre es am liebsten, die Flüchtlinge würden wieder nach Malaysia zurückkehren. Vorsorglich wurde ein 3-monatiges Ultimatum gestellt, Nunukan zu verlassen. Der Sozialminister versprach denjenigen, die keinen Arbeitsvertrag in Malaysia erhalten, eine „Heimkehrhilfe“ von einer ½ Mio. Rupiah (ca. 60 €).  /Jakarta Post, 6.9.2002/. Eine hilflose Geste die an den substantiellen Problemen vorbei geht.

Die Lage auf der philippinischen Seite ist ähnlich katastrophal. Nach philippinischen Zeitungsberichten starben 13 philippinische Kinder bei der Ausreiseprozedur /FR, 3.9.2002/.  Hinzu kommen Berichte über Misshandlungen und Vergewaltigungsfällen in den malaysischen Übergangslagern. Die philippinische Präsidentin Gloria Arroyo hat daraufhin eine Delegation nach Malaysia geschickt, um sich ein Bild von der Situation in den Lagern zu machen.

Das strikte Durchgreifen Malaysias rief auf philippinischer wie auf indonesischer Seite Empörung hervor und führte zu scharfer Kritik in politischen Kreisen. Dabei hätte man eine Krise absehen können. Anfang 1998, während der Asienkrise, kamen schon doppelt so viele Arbeitsmigranten nach Malaysia wie im Vorjahr. Zu dem Zeitpunkt hatte Malaysias Regierung angekündigt, das Einwanderungsgesetz zu verschärfen und alle illegalen Arbeiter auszuweisen. 17.000 Indonesier, Flüchtlinge wie Arbeitnehmer, befanden sich schon 1998 unter katastrophalen Bedingungen in Abschiebehaft, was zu Unruhen und Aufständen führte.

Doch waren Arbeitnehmerfragen für die indonesische Regierung lange kein Thema gewesen. Megawatis Minister für Justiz und Menschenrechte, Yusril Ihza Mahendra, räumte ein, dass sich die indonesische Regierung nicht bemüht hätte, das Problem der illegalen indonesischen Arbeiter in Malaysia zu lösen /Asia Times, 30.8.2002/. Inzwischen wird nach Angaben des Ministers für Arbeit und Transmigration, Jacob Nuwa Wea, ein Papier in Rücksprache mit Malaysia ausgearbeitet, dass sich mit den Rechten und Pflichten von Arbeitnehmern beschäftigt.

In Indonesien herrscht sehr große Arbeitslosigkeit, eine Situation die sich durch die Asienkrise noch enorm verschärft hat. Ihre finanzielle Not treibt die Arbeitslosen Vermittlern in die Hände, die sie als billige Arbeitskräfte nach Malaysia schmuggeln. Schätzungsweise sind mehr als 500.000 Indonesier illegal in Malaysia beschäftigt. Einige der Vermittler betreiben regelrechten Sklavenhandel, setzen die Arbeiter unter Druck, geben wenig oder gar keine Bezahlung und behalten ihre Papiere ein. Nicht selten arbeiten Vermittler, Arbeitgeber, Beamte der Einwanderungsbehörde und der Regierung zusammen, um Einwanderungsgesetze zu umgehen und den Menschenschmuggel im Gang zu halten. Illegale Arbeiter aus Indonesien machen inzwischen 70 Prozent der Beschäftigten im Bausektor aus /Asia Times, 30.8.2002/. Schon jetzt macht sich die Vertreibung der illegalen Arbeiter schmerzlich bemerkbar. Direkt wurde die Anwerbung neuer indonesischer Arbeitnehmer vorangetrieben, um die Löcher zu stopfen, die die Abgeschobenen hinterlassen haben.

Die Regierung in Jakarta hat vor dem Problem lange die Augen verschlossen. War doch die illegale Beschäftigung in Malaysia eine bequeme Lösung, sich Hunderttausender Arbeitssuchender, die zudem als wichtige Devisenquelle dienten, zu entledigen. Dass Malaysia eines Tages hart durchgreifen würde, wollte man nicht wahrhaben. Nun ist der Zeitpunkt gekommen und die indonesische Regierung gezwungen, sich dem Problem zu stellen und nach längerfristigen Lösungen zu suchen. <>
 
 

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