Indonesien-Information Nr. 2/1999 (Menschenrechte)

Mogelpackung: Abschaffung des Anti-Subversionsgesetzes

Am 14. April 1999 segnete das Parlament den Vorschlag der Regierung ab, das umstrittene Anti-Subversionsgesetz abzuschaffen.

Die Regierung Habibie verstand es, diesen Schritt als einen weiteren Meilenstein ihres Reformkurses darzustellen. Die Sache hat nur zwei kleine Haken: erstens war die Abschaffung des Gesetzes bereits ein Jahr zuvor - noch unter Präsident Suharto - angekündigt worden und zweitens sind Paragraphen, die beispielsweise die Verbreitung marxistisch-leninistischer Theorien unter Strafe stellen, lediglich "umgezogen": Sie finden sich neuerdings im Strafgesetzbuch (KUHP).

Das Anti-Subversionsgesetz wurde in Form eines Präsidialerlasses (Penetapan Presiden No. 11/1963) bereits 1963 von Sukarno erlassen, der sich von diesem Schritt erhoffte, das unter seiner Präsidentschaft zunehmend außer Kontrolle geratende Staatswesen wieder in den Griff bekommen zu können. Nach der Machtübernahme durch Suharto wurde das Dekret 1969 zum Gesetz erhoben (UU No. 11/PNPS/1963). Viele Jahre lang machte die Regierung eifrig Gebrauch von diesem Gesetz, um unliebsame Kritiker mundtot zu machen und hinter Gitter zu bringen. Mit der Keule des Anti-Subversionsgesetzes wurden gegen so prominente Kritiker wie den zwischenzeitlich verstorbenen HR Darsono, Abdulqadir Djaelani, AM Fatwa, Sri Bintang Pamungkas, Mochtar Pakpahan und die bis heute inhaftierten Aktivisten der radikalen Partai PRD, Budiman Sudjatmiko und Dita Indah Sari, vorgegangen /Xpos, No 14/II/18-24 April 99/.

Die Gummiparagraphen des Anti-Subversionsgesetzes machten es möglich gegen nahezu jede kritische Äußerung vorzugehen. Verdächtige konnten bis zu einem Jahr ohne Anklage in Untersuchungshaft genommen werden, einschließlich der Möglichkeit, diese Frist jederzeit um ein weiteres Jahr zu verlängern. Im Falle einer Verurteilung drohte die Todesstrafe.

Bereits im April 1998, also noch während der Regierungszeit Suhartos, erklärte der damals frischgebackene Justizminister Muladi, er wolle das Gesetz abschaffen. Seine Mitgliedschaft in der nationalen Menschenrechtskommission Komnas HAM hatte ihm offenbar soweit den Blick geschärft, um erkennen zu können, daß einige Bestimmungen des Anti-Subversionsgesetzes klare Verstöße gegen die Menschenrechte darstellten /Sydney Morning Herald, 25.4.98/.

Der einen Monat später ins Amt gekommene "Reformpräsident" Habibie, der Justizminister Muladi in sein Kabinett übernommen hatte, drohte Regierungsgegnern dagegen mehrmals mit der strikten Anwendung der Subversionsparagraphen, unter anderem am 30. September 1998, dem 33. Jahrestag des vermeintlichen kommunistischen Putsches (G30S/PKI), der während der Neuen Ordnung stets zur Legitimation der Machtübernahme durch General Suharto 1965/66 herhalten mußte. Der menschenrechtsbesessene Justizminister Muladi sekundierte Habibies Drohungen und verteidigte die von niemandem gewählte Übergangsregierung: "Indonesien will seine Regierung nicht durch Demonstrationen und Unruhen gestürzt sehen, wie es in der Vergangenheit den beiden Regimes unter Präsident Sukarno und Präsident Suharto geschah." /AP, 30.9.98/

Zum Jahreswechsel wiederholte Muladi dann die frohe Botschaft, das Subversionsgesetz solle abgeschafft werden /Reuters, 31.12.98/. Die Abschaffung sollte in Zusammenhang mit der kurz zuvor erfolgten Ratifizierung der Anti-Folter Konvention der Vereinten Nationen sowie der in Aussicht genommenen Ratifizierung der Konvention gegen jede Art von Diskriminierung als Beweis für den Reformwillen der Regierung verstanden werden. Der Schritt wurde mehrfach angekündigt und wieder verschoben /Jakarta Post, 11.1.99; AFP, 4.2.99/, bis es dann schließlich am 14. April soweit war.

Gleichzeitig beschloß das Parlament sechs neue Artikel ins Strafgesetzbuch (KUHP) zu übernehmen:

§ 107 a: Wer gesetzeswidrig öffentlich, mündlich oder schriftlich, gleich über welche Medien, marxistisch-leninistische Propaganda oder kommunistische Lehren in welcher Form oder Darstellung auch immer verbreitet, wird zu einer Freiheitsstrafe von höchstens 12 Jahren verurteilt.

§ 107 b: Wer gesetzeswidrig öffentlich, mündlich oder schriftlich, gleich über welche Medien, seine Absicht erklärt, die Pancasila als staatliches Prinzip zu annulieren oder abzulösen, so daß dies zum Verlust von Menschenleben oder zu Sachschäden führen kann, wird zu einer Freiheitsstrafe von höchstens 20 Jahren verurteilt.

§ 107 c: Wer gesetzeswidrig öffentlich, mündlich oder schriftlich, gleich über welche Medien, marxistisch-leninistische Propaganda oder kommunistische Lehren verbreitet, so daß dies zu Unruhen in der Gesellschaft oder zum Verlust von Menschenleben oder zu Sachschäden führen kann, wird zu einer Freiheitsstrafe von höchstens 15 Jahren verurteilt.

§ 107 d: Wer gesetzeswidrig öffentlich, mündlich oder schriftlich, gleich über welche Medien, marxistisch-leninistische Propaganda oder kommunistische Lehren verbreitet mit der Absicht, die Pancasila als staatliches Prinzip zu annulieren oder abzulösen, wird zu einer Freiheitsstrafe von höchstens 20 Jahren verurteilt.

§ 107 e: Zu einer Freiheitsstrafe von höchstens 15 Jahren wird verurteilt a) jede Person, die eine Organisation gründet, von der bekannt ist oder Grund zur Annahme besteht, daß sie marxistisch-leninistische Lehren oder kommunistische Lehren verfolgt, in welcher Form oder Darstellung auch immer, oder b) jede Person, die mit der Absicht die Grundlagen des Staates zu verändern oder die legitime Regierung zu stürzen, eine Verbindung unterhält oder Hilfe leistet für eine Organisation, im Inland oder im Ausland, von der bekannt ist, daß sie marxistisch-leninistischen Prinzipien oder kommunistischen Lehren anhängt, in welcher Form oder Darstellung auch immer.

§ 107 f: Wegen Sabotage zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens 20 Jahren wird verurteilt: a) jede Person, die gesetzeswidrig Einrichtungen des Staates oder des Militärs beschädigt, unbrauchbar macht, zerstört oder vernichtet, oder b) jede Person, die gesetzeswidrig die Bereitstellung oder Verteilung von Grundbedarfsmitteln durch die Regierung für das Volk behindert oder vereitelt.

Bei so viel Meinungsfreiheit bleibt nur der Trost, daß die nach dem Anti-Subversionsgesetz oft praktizierte monatelange Haft ohne Anklage nun möglicherweise der Vergangenheit angehört. Nach dem Strafgesetzbuch ist die Dauer der Untersuchungshaft auf maximal 60 Tage begrenzt - bis dahin muß die Staatsanwaltschaft eine Anklage gebastelt haben. <>

 
 
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