Indonesien-Information Nr. 2/1999 (Umwelt)

Intrigen am Tobasee

Seit die Papierfabrik PT Inti Indorayon am Ufer des Asahan Flusses, nahe der am Tobasee gelegenen Stadt Porsea in Nordsumatra, 1986 ihre Tore öffnete, sehen sich sowohl die lokale Bevölkerung als auch Indorayon-Arbeiter als Folge eines mächtigen wirtschaftlichen Intrigenspiels immer wieder mit vielschichtigen Problemen konfrontiert.

Im April 1995 berichtete die Indonesien-Information über die verheerenden Auswirkungen der Fabrik, die jährlich 1 Mio t Holz in 220.000 t Zellstoff verwandelt. Die Abwässer der Fabrik ließen den einst sauberen Asahan zu einer stinkenden Kloake verkommen. In schöner Regelmäßigkeit ereigneten sich schwere Störfälle wie das Bersten von Abwasserbecken oder die Explosion eines Chlorgastanks.

Doch Gefahren gehen nicht nur vom Fabrikgelände selbst aus: Zur Versorgung der Fabrik mit den notwendigen Rohstoffen wurden auf dem Grundbesitz der einheimischen Bevölkerung oder auf vordem noch intakten Waldflächen ca. 150.000 ha Holzplantagen angelegt, die den Wasserhaushalt und das Mikroklima der Region schwer beeinträchtigen.

Die Hoffnung, diesen Problemen nach dem Rücktritt Suhartos beikommen zu können, scheint durch die jüngsten turbulenten Entwicklungen am Tobasee getrübt. Und auch für die Zukunft zeichnen sich Perspektiven ab, die alles andere als rosig sind.

Zwar hat die in der Region einflußreiche Toba-Batak-Kirche HKBP ihre einst unter Mitwirkung Indorayons herbeigeführte Spaltung offiziell überwinden können (s. Indonesien-Information Nr. 2-3/1998), aber gewisse Elemente des offiziellen, vom Militär gedeckten "Tiara"-Flügels, mischen noch immer in Kirchenangelegenheiten mit. So ist Pater Siahaan, ein Vertrauter Präsident Habibies, der früher an der Seite des nun pensionierten Rev. P.W.T. Simanjuntak einer der wichtigsten Köpfe des Indorayon unterstützenden "Tiara"-Flügels war, heute Dozent an der Theologiehochschule von Pematang Siantar, der zweitgrößten Stadt Nordsumatras. Dort lehrt er seinen Studenten, daß christliche Ethik nichts mit Wirtschaft oder gar Demonstrationen zu tun hat, und man sich besser aufs Beten beschränken solle.

Etwa sechzig Kilometer südöstlich von Pematang Siantar, im Einzugsgebiet der Fabrik PT Inti Indorayon, beschränkt man sich aber schon lange nicht mehr nur aufs Beten. Der Konflikt um den umstrittenen Industriebetrieb hat neue Dimensionen angenommen.

Die gravierenden Umweltschäden, wie die durch sauren Regen hervorgerufenen Ernteeinbußen und Viehkrankheiten, Geruchsbelästigungen und der ungebremste Raubbau sowie dessen fatale Auswirkungen auf das lokale Ökosystem, haben die Leute an die Grenze des Erträglichen gebracht, erklärt Poltak Simanjuntak von der Selbsthilfegruppe KSPPM in Parapat. Schätzungsweise 300.000 Menschen in der Region sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Seit dem Rücktritt von Suharto im Mai letzten Jahres mehren sich die Protest der betroffenen Bevölkerung.

Einen ersten Erfolg konnten Umweltorganisationen und die lokale Bevölkerung Anfang Juni letzten Jahres erringen: Die Provinzregierung sagte zu, die Fabrik zu schließen. Nach längeren Verhandlungen unter Regierungsbeteiligung wurde im Oktober vereinbart, die Fabrik wieder in Betrieb zu nehmen, um eine Untersuchung der Umweltauswirkungen vorzunehmen. Die dann unter Polizeischutz erfolgte Wiederaufnahme des Betriebs steigerte jedoch noch mehr Wut der lokalen Bevölkerung, die kein Vertrauen in die Unabhängigkeit der vorzunehmenden Untersuchung hatte.

Nach einer Blockadeaktion gegen Indorayon Ende Juni kam es sowohl im Juli, wie auch im Oktober und November 1998 erneut zu großen Protestaktionen gegen die Fabrik, bei denen im November neben erheblichen Sachschäden in Porsea ein erstes Todesopfer auf Seiten der Demonstranten zu beklagen war. Weitere Aktionen von betroffenen Bürgern in Zusammenarbeit mit Studenten- und Umweltorganisationen waren im Januar und März dieses Jahres zu verzeichnen. Während die Proteste von Zehntausenden im Januar noch weitestgehend friedlich verliefen, gipfelten die Aktionen im März im Chaos.

In der Zeit vom 10. bis zum 16. März wurden mehrere Holztransporter, die laut Angaben lokaler Einwohner definitiv Indorayon-Besitz waren, in der Gegend von Porsea und Balige von aufgebrachten Anwohnern angegriffen und zerstört. Bei diesen Übergriffen wurde ein Lastwagenfahrer schwer verletzt und mindestens zwei Demonstranten wurden von Sicherheitskräften, die die mutmaßlichen Indorayon-Fahrzeuge begleitet haben, erschossen.

Präsident Habibie ordnete daraufhin erneut die vorübergehende Schließung der Fabrik an. Der Minister für Tourismus, Kunst und Kultur, Marzuki Usman, ließ verlauten, daß ein Team, welches die Auswirkungen der Fabrik auf die Umwelt erforschen solle, letztendlich über die Zukunft Indorayons zu entscheiden habe /Dow Jones Newswires, 19.3.99/. Der Versuch mittels eines unabhängigen Audit-Teams gegen die Verletzung von Umweltvorschriften durch Indorayon vorzugehen, scheiterte allerdings in der Vergangenheit bereits mehrere Male. Zum einen wegen Manipulation in der lokalen wie zentralen Regierungsebene, zum anderen durch Boykottaktionen der lokalen Bevölkerung bedingt.

Die unschlüssige Situation um den Weiterbetrieb Indorayons stellt die dort beschäftigte Arbeiterschaft, die sich zu großen Teilen aus Transmigranten rekrutiert, vor eine ungewisse Zukunft. Hinzu kommt, daß Indorayon, bislang zu 60% in der Hand von Asia Pacific Resources International Holdings Ltd. (APRIL), wie ein Großteil der indonesischen Unternehmen in der Wirtschaftskrise herbe Verluste hinnehmen mußte. Im Juni mahnten die Aktieninhaber von APRIL Habibie wegen der negativen Auswirkungen, die die Verwicklungen um Indorayon auf das Vertrauen der Investoren haben könnten /Asiaweek, 13.11.98/. Im Dezember kündigte APRIL an, sich von Indorayon zu trennen, worauf die Gesellschaft von der Börse Jakartas genommen wurde /Down To Earth, 4.2.99/. Auch der 1986 von Suhartos Golf- und Geschäftsfreund Bob Hasan mit dem Aufbau Indorayons beauftragte chinesische Geschäftsmann Sukanto Tanoto aus Medan, hat sich inzwischen auf das Riau-Archipel abgesetzt und entzieht sich jeglicher Verantwortung.

Auf die Frage hin, wie der derzeitige Betriebsalltag aussähe, antwortete ein Arbeiter am 11. März: "Wir kriegen, obwohl der Betrieb seit 9 Monaten mehr oder weniger lahm liegt, noch unser volles Gehalt von 300.000 Rp. (ca. 60 DM) bezahlt. Aber wir haben Angst vor der aufgebrachten Bevölkerung und sind wütend, daß sich die Regierung nicht unseres Schicksals annimmt. Gestern haben wir mit der ganzen Belegschaft - Christen und Moslems gemeinsam - gebetet, bevor wir für den Erhalt unserer Fabrik demonstriert haben."

Der Unmut der Arbeiter äußerte sich unter anderem durch am Fabrikgelände angebrachte Plakate. Eindeutige Forderungen an den Umweltminister Panangian Siregar riefen dazu auf, sich umgehend für eine friedliche Lösung des Konflikts einzusetzen.

Für eine "friedliche Lösung", die allen Seiten gerecht werden solle, sprach sich auch das Management Indorayons aus. Nur sah dessen Darstellung des Dilemmas anders aus, als die der lokalen Bevölkerung oder des KSPPM. Die aus dem Ausland stammenden Experten im Management von Indorayon verwiesen darauf, daß, Tagelöhner einbezogen, insgesamt 7.000 Arbeitsplätze vom Fortbestand Indorayons abhingen. Zähle man auch die Familien der Arbeiter mit, so seien es ca. 50.000 Menschen, die indirekt von eventuellen Konsequenzen betroffen wären.

Außerdem, so hieß es, sei Indorayon mit den 57 Mrd. Rp. (ca. 13 Mio. DM), die allein 1998 an Steuern gezahlt wurden, einer der wichtigsten Steuerzahler in Indonesien. Auf Umweltbelastungen angesprochen, führte das Management eine internationalen Normen entsprechende Kläranlage vor, die 1993 nach dem Dammbruch des Abwasserbeckens, das sich in den Asahan Fluß ergoß, für 30 Mio. US $ neu erbaut wurde. Auch ansonsten scheuten sich die Indorayon-Bosse nicht mit weiteren Plänen zur Einschränkung der Umweltbelastungen zu prahlen. Zum einen wolle man die Holzversorgung für die Fabrik bis zum Jahr 2000 ausschließlich aus Plantagenbeständen (Eukalyptus) decken, zum anderen arbeite man fabrikintern an verschiedenen technologischen und landschaftsbaulichen Innovationen, die - so enthusiastisch wie sie vorgetragen wurden - sehr an den Slogan "Unser Dorf soll schöner werden" erinnerten. Auf die Frage, warum die Holztransporter massives Tropenholz und kein Eukalyptus oder anderes minderwertiges, für Papierherstellung aber ausreichendes Holz, transportierten, vermochte keiner der "Saubermänner" eine adäquate Antwort zu geben. Man versuchte schnell, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken.

In ihren Augen seien auch nicht sie selbst die eigentlichen Sündenböcke, sondern die Japaner. Am Oberlauf des Asahan-Flusses, westlich von der Indorayon-Fabrik, befinden sich das 1976 in Betrieb genommene Elektrizitätswerk PLTH Asahan und die 1978 eröffnete Aluminiumfabrik Inalun. Beide Betriebe unterstehen unter japanischer Obhut dem Overseas Economic Cooperation Found. Da der Wasserspiegel des Tobasees, dem einzigen Zulauf des Asahan-Flusses, in den letzten Jahren aufgrund komplexer Veränderungen des lokalen Ökosystems um rund drei Meter gefallen ist, führt der Asahan-Fluß nun nicht mehr genügend Wasser, um die Turbinen von PLTH Asahan zur Genüge anzutreiben. Dies wiederum hat zur Folge, daß auch die von dem Elektrizitätswerk direkt abhängige Inalun-Fabrik ihre Produktion um 40% herunterfahren mußte.

Eine Lösung zu diesem Problem fiel den Japanern 1993 ein. Seitdem arbeiten sie an einem Megaprojekt, das im Jahr 2000 in Betrieb genommen werde soll. Das Wasser des östlich vom Tobasee gelegenen Renun-Flusses wird in Staubecken gesammelt und soll durch einen Tunnel, in dem zur Stromgewinnung ebenfalls 2 Turbinen von jeweils 4,1 Megawatt installiert sind, unterirdisch in den Tobasee geleitet werden. So würde der Wasserspiegel des Sees wieder auf seinen gewohnten Pegel steigen und der Ausfluß des Asahan-Flusses wie gehabt eine 100%tige Auslastung von PLTH Asahan und Inalun ermöglichen. Folgenschwer an der Sache ist, daß durch das Stauen des Renun-Flusses sämtliche Irrigationssysteme, und somit die Ernten lokaler Bauern extrem in Mitleidenschaft gezogen würden. Und als geradezu fatal dürfte es sich erweisen, daß das stark übersäuerte, trübschwarze Wasser des Renun-Flusses das gesamte Ökosystem des Tobasees umzukippen droht, wenn das Projekt wie geplant in Betrieb genommen wird.

Rein wirtschaftlich allerdings, so schätzen die Indorayon-Manager, springt bei dem Projekt ein wöchentlicher Gewinn von 60 Mio. US$ raus. Und von diesen 60 Millionen könnte man ohne mit der Wimper zu zucken eine Million in der Woche locker machen, um Bevölkerung und Militär zu schmieren und gegen Indorayon aufzuhetzen. Genau dies, so die Herren von Indorayon, sei in Vergangenheit bereits geschehen, und aus diesem Grunde fühle man sich völlig zu Unrecht in die Rolle des schwarzen Schafes gedrängt. Man würde nur ausgenutzt, um von weitaus größeren Projekten mit ungleich fataleren Auswirkungen auf die Umwelt abzulenken.

Wie dem auch sei, sicher ist, daß Indorayon bis zu diesem Augenblick der größte Dorn im Auge der lokalen Bevölkerung ist. Sowohl die langfristigen Auswirkungen wie die penetrante Geruchsbelästigung bekommen die Bewohner täglich zu spüren, wohingegen das Renun-Projekt bisher noch keinen direkten Einfluß auf die Verschlechterung der Lebensumstände genommen hat.

Wo liegt nun der Schlüssel zur Bewältigung des Problems? Es dürfte auf jeden Fall keine gute Lösung sein, wenn Umweltorganisationen wie KSPPM oder WALHI, die als Vertreter und Sprachrohr der lokalen Bevölkerung auftreten, sich weiterhin in bornierter Art und Weise dem Trotz der Bevölkerung anschließen und den Dialog blockieren. Auf leeren Versprechungen, Mißtrauen und Ausbeutung basierende Wut, um nicht zu sagen Haß, sind verständlich, werden aber langfristig keinesfalls zu einem Ziel führen, das sowohl der lokalen Bevölkerung wie den Fabrikarbeitern bessere Perspektiven verspricht. Ganz im Gegenteil birgt dieses Verhalten die Gefahr, daß Nordsumatra die nächste Region sein könnte, die zum Schauplatz von blutigen Auseinandersetzungen zwischen lokaler Bevölkerung und Transmigranten wird, wie derzeit anderswo in Indonesien so oft zu sehen.

Geradezu utopisch ist die von einem Kirchenvertreter der reformierten HKBP vorgeschlagene Vision, daß wenn PT Inti Indorayon erst einmal geschlossen sei, die Bataks vom Tobasee sich auf ihr traditionelles Adatsystem zurückbesinnen und "bis in alle Ewigkeit" ein glückliches Leben der Subsistenzwirtschaft in ihrer kleinen heilen Adat-Welt führen könnten. Aspekte wie die der Globalisierung, Industrialisierung, Bildungsnachfrage, Landflucht, etc., schienen diesem Mann, der seinerzeit zu den Folteropfern während des HKBP-Konflikts gehörte, fremd zu sein. Aber nur vom Hände falten und dem Glauben an den lieben Gott allein, wird sich wohl leider auch nicht viel ändern. Mit großer Vorsicht zu genießen sind auch die Zukunftsversprechungen von Indorayon, dessen Führungsspitze sich im März zu Round-Table Gesprächen mit Aktivisten aus Reihen der Bevölkerung sowie dem KSPPM bereit erklärt hat.

Aufmerksamkeit sollte man allerdings den Bemerkungen schenken, die die Indorayon-Leute zu dem Renun-Projekt gemacht haben, da dieses in der Tat weitaus fatalere Auswirkungen mit sich bringen dürfte als alles, was Indorayon selbst in der Vergangenheit angerichtet hat. Eine Ökokatastrophe am Tobasee hätte definitiv eine Stagnation des seit den Waldbränden von 1997 ohnehin schon stark angeschlagenen Tourismussektors und somit einer weiteren Lebensgrundlage der Bataks zur Folge.

So scheint als Schlüssel zur Lösung des Problems nur die gelinde Hoffnung zu bleiben, daß die Wahlen am 7. Juni eine neue Regierung hervorbringen, die sich in verantwortungsvollerer Manier als bisher diesem und ähnlichen Problemen annimmt. Das heißt, eine Regierung, die gezielt gegen das KKN-Phänomen (Korruption, Kollusion, Nepotismus) vorgeht, neue Maßstäbe in der Umweltpolitik setzt und der Ausbeutung entgegentritt, indem sie der lokalen Bevölkerung eine angemessene Gewinnbeteiligung zusichert. Vor allem aber sollte sie imstande sein, den Weg zum gemeinsamen Dialog zu öffnen, denn solange blinder Haß geschürt wird, wird es nirgendwo zur Lösung welcher Probleme auch immer kommen. <>

Soweit nicht anders angegeben, stammen alle in diesem Text enthaltenen Informationen aus Interviews, die vom Autor in der Zeit vom 9.-13. März in Nordsumatra bzw. am 9.4. in Yogyakarta geführt wurden, sowie aus einer Chronologie des KSPPM zu den Entwicklungen seit Mitte letzten Jahres.

 
 
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