Indonesien-Information Nr. 2/1999 (Ost-Timor)

Ost-Timor in der deutschen Politik

Ramos-Horta wirbt um Engagement der Bundesregierung

Auf Einladung von Watch Indonesia! kam der ost-timoresische Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta vom 24. bis 28. März 1999 nach Deutschland. Sein Besuch führte ihn zunächst nach Bonn, wo er von Mitgliedern der Bundesregierung und Parlamentariern empfangen wurde. In Berlin eröffnet er die parallel zur ASEM-Konferenz in Berlin vom 26.-28 März stattfindende Tagung: "Die Asienkrise - Chance für Demokratie und Menschenrechte". Die Konferenz wurde von mehreren Organisationen gemeinsam ausgerichtet, darunter das Asienhaus in Essen und auch Watch Indonesia!.

Durch das Einlenken der indonesischen Regierung in den jüngsten Wochen, nicht zuletzt durch den anhaltenden Druck der internationalen Staatengemeinschaft, schien eine politische Lösung des Ost-Timor-Konfliktes auf den Weg gebracht zu sein. Gegenüber Politikern, Parlamentariern und der Presse unterstrich Ramos-Horta, daß ungeachtet der Fortschritte auf diplomatischer Ebene für eine umfassende Verbesserung der Situation vor Ort noch erhebliche Anstrengungen notwendig sind. Mehr denn je benötigt Ost-Timor die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und gerade Deutschland sei in einer einzigartigen Position, um der indonesischen Regierung zu sagen: genug ist genug, ihr müßt raus aus Ost-Timor /FR, 26.3.99/.

Er warnte eindringlich davor, im politischen Druck jetzt nachzulassen und den Versprechungen der indonesischen Regierung einseitigen Glauben zu schenken und sich zum Narren halten zu lassen. Wohl habe Präsident Habibie erkannt, daß Ost-Timor zu teuer sei für Indonesien. Er glaube auch, daß es Habibie, der in seinen Jahren in Deutschland wenn auch kein Demokrat, so doch zumindest ein Pragmatiker geworden sei, es ernst damit meint, den Konflikt lösen zu wollen. Das Problem sei allerdings das Militär, das von Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nichts verstehe /Fr, 26.3.99/.

Mit Hilfe von Schlägerbanden, sogenannten Paramilitärs, versucht das Militär die Bevölkerung von Ost-Timor zu terrorisieren, Haß und Gewalt zu säen und Habibies Lösungsbemühungen zu torpedieren. Die Lage in Ost-Timor hat sich in den jüngsten Wochen sehr verschlechtert. Obwohl die indonesische Regierung und insbesondere die Militärführung noch immer leugnen, für die Bewaffnung der Milizen verantwortlich zu sein, gibt es längst keinen Zweifel mehr darüber, daß die paramilitärischen Banden eine Kreatur des indonesischen Militärs sind. Der militärische Geheimdienst und die Spezialeinheit Kopassus stehen hinter den Gruppen, finanzieren sie, bewaffnen sie und führen sie ins Feld. Ohne einen Rückzug des indonesischen Militärs und einer Entwaffnung der Milizen sowie der Widerstandskämpfer kann kein Klima geschaffen werden, in dem eine freie und demokratische Abstimmung über den Status von Ost-Timor möglich ist. Hierzu, so fordert Horta, brauchen wir eine personell starke internationale Polizeitruppe der Vereinten Nationen. Andernfalls droht die Abstimmung zur Farce zu geraten. Daher sei es jetzt enorm wichtig, daß die internationale Staatengemeinschaft, allen voran diejenigen Staaten, die gute und enge Beziehungen zu Indonesien pflegen, den Friedensprozeß mit dem nötigen politischen Druck dahingehend begleiten, daß er unumkehrbar wird.

Hilfe und Unterstützung hierbei sagte ihm Gerd Poppe, Menschenrechtsbeauftragter des Auswärtigem Amtes, zu. Ausgiebig analysierten Horta und Poppe die politische Situation. Poppe, der sich nur wenige Wochen zuvor selbst in Indonesien und Ost-Timor aufhielt, berichtete Ramos-Horta von seinen Gesprächen mit der indonesischen Führung, bei der er sich für die unverzügliche Freilassung von Xanana Gusmao eingesetzt hatte. Wiederholt seien Gesprächspartner in Ost-Timor mit der Bitte an ihn herangetreten, Einfluß auf die indonesische Regierung zu nehmen und mit geeigneten Maßnahmen auf eine Deeskalation in Ost-Timor hinzuwirken, so daß eine gemeinsame Lösung gefunden werden kann. Auch seine Sorge gelte dem zunehmenden Terror der Milizen sowie deren Unterstützung durch Teile des indonesischen Militärapparates.

Im Gespräch mit der Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul berichtete Ramos-Horta ausführlich über die Situation in Ost-Timor und erörtere die aktuellen wie zukünftigen Anforderungen zum Aufbau seines Landes. Auf dem Weg zu einer sich selbst tragenden wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung sei die internationale Unterstützung wesentlich. Insbesondere müsse die derzeit schlechte Gesundheits- und Ernährungsversorgung verbessert werden. Die medizinische Versorgung sei am Zusammenbrechen, da die indonesische Regierung ihre Ärzte und auch Beamten ermutigt habe, das Land zu verlassen. Zugleich werden Hilfsangebote ausländischer Regierungen und Organisationen, Mediziner zu schicken, abgewiesen. Ein unhaltbarer Zustand. Die Ministerin sicherte ihm nachdrücklich Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu /BMZ: Pressemitteilung, Nr.44/99, Bonn, 25. März 1999/.

Vor Abgeordneten des Ausschusses für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit sowie des Menschenrechtsausschusses gab Ramos-Horta einen Überblick über die Lage in Ost-Timor und informierte sie über den Stand der Lösungsbemühungen seitens der Vereinten Nationen. Dabei legte er noch einmal dar, wie dringend erforderlich ein fortgesetztes Engagement der deutschen Politik sei, um diesen Konflikt einer Lösung zuzuführen. Andernfalls, so befürchtet Ramos-Horta, würden die zaghaften Ansätze, die bisher zuerkennen gewesen waren, letztlich erfolglos bleiben.

Abgeordnete warnen vor nächstem Brandherd

In der Presseerklärung der Delegation des Ausschusses für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestages (AWZ) heißt es:

"Indonesien - 7. bis 16. April 1999

1. Frau Adelheid Tröscher (SPD, Delegationsleiterin)
2. Herr Detlef Dzembritzki (SPD)
3. Herr Norbert Blüm (CDU)
4. Herr Dr. Christian Ruck (CSU)
5. Frau Dr. Angelika Köster-Loßack (Bündnis 90/Die Grünen)
6. Herr Carsten Hübner (PDS)

Der nächste Brandherd!

Im Rahmen einer Indonesienreise hat eine Delegation des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unter Leitung der SPD-Abgeordneten Adelheid Tröscher auch Ost-Timor besucht, um sich ein Bild über die dortige Menschenrechtslage und die sozialen und ökonomischen Entwicklungsmöglichkeiten zu machen. Die 6-köpfige Delegation verschiedener Fraktionen des Deutschen Bundestages führte unter anderem Gespräche mit dem Gouverneur Soares, mit den Bischöfen Belo und Nascimento, mit Vertretern der ost-timoresischen Menschenrechtskommission sowie des Internationalen Komittees des Roten Kreuzes (IKRK) in Dili.

Auch bei ihren Projektbesuchen wurde die dramatische Bedrohung der Zivilbevölkerung immer wieder thematisiert. Verantwortlich dafür sind in erster Linie die vom indonesischen Militär (ABRI) mit Waffen ausgerüsteten Milizen bzw. paramilitärischen Banden. Die Lage ist explosiv und verschärft sich angesichts der näherrückenden Verhandlungen unter Führung der VN weiter. Die Delegationsmitglieder sind erschüttert über die allgegenwärtige Atmosphäre von Angst, die in allen Gesprächen deutlich spürbar war.

Deswegen läßt sich dringender Handlungsbedarf zugunsten der drangsalierten Zivilbevölkerung nach übereinstimmender Auffassung aller Delegationsteilnehmer formulieren:

1. Alle Konfliktparteien müssen eingebunden werden, um eine friedliche Lösung zu erreichen.
2. Es ist notwendig eine umgehende Entwaffnung der marodierenden Milizen bzw. paramilitärischen Banden einzuleiten.
3. Die Verantwortlichen für gezielte Mordanschläge und wahllose Massaker müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
4. Die indonesische Regierung ist dafür verantwortlich, daß die von der VN vorgeschlagenen Befragung der Bevölkerung Ost-Timors über den zukünftigen Status des Territoriums ohne Einschüchterung und Repressalien gegenüber den Wahlberechtigten stattfinden kann.
5. Es ist notwendig, daß die internationalen Bemühungen um eine friedliche Konfliktlösung (VN, Indonesien, Portugal) durch möglichst viele andere Länder umgehend verstärkt werden. In diesem Zusammenhang hat Bischof Belo die Bundesregierung um verstärkte Hilfe gebeten, die auch die Reintegration der Konfliktparteien einschließen muß. Die Delegation wird diese dringende Bitte bei ihrer Rückkehr nach Deutschland der Bundesregierung unverzüglich vortragen und auf eine besondere Initiative im Rahmen der EU-Präsidentschaft drängen.
6. Dringlich ist weiterhin eine nachhaltige Verbesserung der Menschenrechtslage, vorrangig sollten hier die indonesische Menschenrechtskommission und ein Berichterstatter der VN zusammenarbeiten.
7. Um weiteres Blutvergießen und eine politisch-militärische Eskalation zu verhindern ist nach einem vor Ort zu verhandelnden Waffenstillstand eine Peace-Keeping-Mission der VN zu erwägen, falls die indonesische Regierung weiterhin ihrer Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung nicht gerecht wird."

Mit diesen Eindrücken und Forderungen haben die Delegationsteilnehmer auch abschließende Gespräche mit Präsident Habibie und Xanana Gusmão geführt.

Volker Neumann: Die Freilassung von Xanana ist überfällig

Als Erfolg der Vereinten Nationen bezeichnete Volker Neumann, MdB SPD, die Unterzeichnung des Abkommens zur Lösung des Ost-Timor Konfliktes zwischen Portugal und Indonesien. Beharrlich habe die internationale Völkergemeinschaft die Rechtmäßigkeit der Annexion Ost-Timors durch Indonesien im Jahre 1975 bestritten, dies zeige nun endlich Erfolg.

Neumann, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und des Menschenrechtsausschusses, setzt sich seit vielen Jahren für eine friedliche Lösung des Konfliktes ein. Zusammen mit der SPD-Abgeordneten Petra Ernstberger besuchte er vom 25. bis 29. April Indonesien, um sich vor Ort ein Bild von den Demokratisierungsbemühungen und Problemen des Landes zu machen. Auf dem vollgepackten Programm standen Gespräche mit Vertretern von Parteien, Rechtshilfe- und Menschenrechtsorganisationen, Journalisten und Studenten. Auch besuchten sie Xanana Gusmão und versicherten ihm ihre Unterstützung. Seine Freilassung sei nunmehr überfällig. Es sei nun notwendig, die Übergangszeit bis zu den Wahlen am 7.6.1999 in Indonesien und der Befragung der Timoresen am 8.8.1999 friedlich zu gestalten. Dazu sei internationale Hilfe vereinbart und nötig, heißt es in der Erklärung Neumanns. Die EU, so fordert er, sollte ihre Beiträge dazu noch verstärken. /Volker Neumann: Osttimor-Abkommen ein Erfolg der Vereinten Nationen, Pressemitteilung vom 6.5.1999/

Politisches Handeln dringend gefordert

Watch Indonesia! freut sich über das wachsende Interesse deutscher Politiker an einer Konfliktlösung in Ost-Timor. Unglücklicherweise spiegelt sich dies noch nicht unbedingt in der Politik des Auswärtigen Amtes wider.

Nach wie vor nimmt dort der Ost-Timor-Konflikt einen nur geringen Stellenwert ein. Bislang wurden die von den Abgeordneten angeregten Initiatven nicht in dem gebotenen Maße aufgegriffen. Daher befürchten wir, daß die Menschen in Ost-Timor erneut falsch verstandenen deutsch-indonesischen Interessen geopfert werden. Watch Indonesia! hat die Abgeordneten gebeten, erneut ihren Einfluß geltend zu machen.

Dem UN-Abkommen zum Trotz ist inzwischen in Ost-Timor eine beispielhafte Säuberungsaktion durch die Milizen angelaufen. Das dort stationierte indonesische Militär und die Polizeikräfte kommen ihrer Verantwortung für den Schutz und die Sicherheit der Bevölkerung nicht nach, wie auch Kofi Annan in seinem Bericht an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vom 24. Mai 1999 angemahnt hat.

Angesichts der Eskalation der Gewalt in den jüngsten Wochen scheint es unabdingbar, daß der Sicherheitsrat grünes Licht für Friedenstruppen der UN gibt, die die Verantwortung für die Sicherheit übernehmen und in ausreichender Anzahl die Entwaffnung der Milizen beaufsichtigen. Die Mission der Vereinten Nationen in Ost-Timor kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die internationale Staatengemeinschaft dem auch hohe Priorität einräumt. Gerade Deutschland sollte hier keine Ausnahme sein und seine Beziehungen zu Indonesien nutzen, um zu einer dauerhaften und friedichen Lösung des Konfliktes beizutragen. <>

 
 
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