Indonesien-Information Nr. 2/1999 (Ost-Timor)

Ost-Timor in Angst und Terror

von Franz Pils

Am 18. April zogen marodierende Schlägertrupps im Beisein der indonesischen Sicherheitskräfte durch Dili und terrorisierten die Zivilbevölkerung. Franz Pils, Mitarbeiter der Asienabteilung des katholischen Hilfswerkes MISEREOR, besuchte zu diesem Zeitpunkt die kirchlichen Partnerorganisationen in Ost-Timor.

Die Ereignisse vom 18. April in Dili sind ein neuer Höhepunkt in dem schon so lange währenden gewaltsamen Konflikt in Ost-Timor, keineswegs aber ein außergewöhnlicher Vorfall. Schon lange leben die Menschen in diesem seit 24 Jahren von Indonesien besetzten Gebiet in einem Zustand von Angst und Terror, der jedoch in der entscheidenden Phase der unter UN-Vermittlung geführten Verhandlungen zwischen der indonesischen und portugiesischen Regierung eine weitere Verschärfung erfuhr. Schon am 5. und 6. April 1999 kam es in Liquiça zu einem brutalen Angriff bewaffneter Milizen auf die auf dem Kirchengelände Schutz suchenden Zivilisten, bei dem vermutlich 32 Personen auf grausamste Art umgebracht worden sind. Für Freitag, den 16.4.1999, war dann eine große Versammlung der Milizen in Dili angekündigt, die unter Beteiligung des Provinzgouverneurs stattfand und bei der feierlich die Treue zu Indonesien beschworen wurde. Gleich im Anschluß daran zogen die Milizen durch die Stadt und griffen gezielt Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung und ihr zugerechnete Einrichtungen an. Das Haus von Manuel Carrascalão, eines prominenten Mitgliedes des timoresischen Widerstandsrates, in dem sich eine große Zahl von Flüchtlingen aufhielt, wurde gestürmt und zerstört. Der Sohn von Manuel Carrascalão sowie weitere Flüchtlinge wurden dabei umgebracht. Die Räumlichkeiten der einzigen Tageszeitung Ost-Timors, Suara Timor Timur, mit ihrer gesamten Ausrüstung wurde völlig zertrümmert. Auf der Grundlage vorbereiteter Todeslisten wird nach Anhängern der Unabhängigkeitsbewegung gesucht. Diese "Säuberungskampagne" wurde auch an anderen Orten durchgeführt und sollte bis zum 27. April andauern.

Aufgrund der traumatischen Erfahrungen dieser Tage, geschürt durch zahlreiche Gerüchte leben die Menschen in Angst und Terror. Viele der bedrohten oder sich bedroht fühlenden Männer sind in die Wälder geflohen oder untergetaucht. Die alleine zurückgelassenen Frauen und Kinder wagen nicht mehr, nachts alleine in ihren Häusern zu übernachten und suchen Zuflucht in den Konventen und kirchlichen Einrichtungen, obwohl nach den Erfahrungen von Liquiça auch dort ihre Sicherheit nicht gewährleistet erscheint. Auch kirchliche Einrichtungen und Entwicklungsorganisationen sind bedroht und einige haben ihre Arbeit eingestellt und ihre Büroeinrichtung an sichere Orte verlagert. Selbst das Hotel mit seinen zahlreichen ausländischen Gästen ist betroffen, da das Küchenpersonal aus Angst nicht bei der Arbeit erscheint. Zu der Zahl der Todesopfer dieser Terrorkampagne gibt es immer wieder widersprüchliche Angaben, da in der Tat eine Überprüfung der Tathergänge schwierig ist. Von seiten der Täter, aber auch vom Militär wird der Zugang unabhängiger Beobachter zum Tatort behindert und darüber hinaus sind die Täter darum bemüht die Spuren ihrer Untaten zu beseitigen. Die Toten werden mitgenommen und niemand weiß, ob sie irgendwo verscharrt oder ins Meer geworfen werden. Darüber hinaus tauchen viele Menschen aus Angst um ihr Leben unter, so daß das Schicksal vieler Verschwundener zunächst ungeklärt bleiben muß. Mit Sicherheit kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die Zahl der tatsächlichen Opfer erheblich über den offiziellen Angaben liegt. In ihren Aktionen gehen die Milizengruppen mit einer unglaublichen Brutalität vor, die darauf abzuzielen scheint, Terror zu erzeugen. Die Opfer werden nicht nur getötet, sondern auf grausamste Art verstümmelt. Nach verschiedenen Berichten muß angenommen werden, daß die derart handelnden Täter unter Drogeneinfluß handeln. Sie zeigen keinerlei menschliche Regungen mehr und sind selbst für Angehörige nicht ansprechbar. Ein Nachweis hierüber dürfte aber angesichts der beschränkten Möglichkeiten eines unterentwickelten Landes und der Untätigkeit bzw. Komplizenschaft der staatlichen Behörden und der Armee nur schwer zu führen sein.

Die Verantwortung für diese gewaltsamen Vorgänge muß eindeutig beim indonesischen Militär gesucht werden, das die Milizenbanden mit Waffen versorgt und aktiv unterstützt, falls es nicht sogar für deren Organisierung verantwortlich ist. Ein Beleg hierfür ist der modus operandi bei den von den Milizen durchgeführten Aktionen. Hierbei fährt ein Konvoi von 5 Lastwagen zum Zielort, an der Spitze und am Ende jeweils mit Militärs besetzt, während die drei LKW's in der Mitte die Milizen transportieren. Außerhalb der Orte bleiben die Militärs zurück und eskortieren die Milizen nach getaner Arbeit vom Tatort weg. Es wäre daher sicher ein leichtes, dieses Terrorregime zu beenden, wenn die indonesische Armee hierzu nur den Willen hätte.

Es handelt sich in Ost-Timor nicht um einen Bürgerkrieg, vielmehr ist dies eine gezielte, vom indonesischen Militär gesteuerte und aktiv unterstützte Kampagne zur Terrorisierung und Einschüchterung der timoresischen Zivilbevölkerung, die davon abgehalten werden soll, sich in einer freien Entscheidung für die Loslösung von Indonesien zu entscheiden. Ein Schlüssel für eine gewaltfreie Entwicklung Ost-Timors ist daher der Abzug des indonesischen Militärs, wobei die öffentliche Sicherheit durch die Polizei sowie eine internationale Ordnungsmacht aufrechterhalten werden müßte. Eine vorübergehende Entsendung von Wahlbeobachtern bei einer Befragung der Bevölkerung kann eine wirklich freie Entscheidung nicht gewährleisten, denn nach deren Abzug wären die Menschen wieder schutzlos dem Terror des Militärs ausgesetzt. Ost-Timor ist ein unterentwickeltes Land, das seit fast 24 Jahren unter militärischer Besatzung leidet. Der Bildungsstand ist gering und die noch ganz überwiegend von der Subsistenzlandwirtschaft lebende Bevölkerung von zahlreichen Krankheiten geplagt. In dieser Lage können die Menschen ihre eigenen und von außen verursachten Probleme aus eigener Kraft nicht lösen, sie brauchen und verdienen daher unsere Solidarität und tatkräftige Unterstützung. Die Weltgemeinschaft darf über den Kosovokonflikt das Leiden dieses kleinen Volkes nicht vergessen und muß alles tun, um die Gewalt an wehrlosen Menschen zu beenden. <>

 
 
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