Indonesien-Information Nr. 2 1996 (Demokratie)

 

Jakartas „schwarzer Samstag“

 

Das Ende der Ära Suharto ist eingeläutet. Doch Präsident Suharto, seit über 30 Jahren Alleinherrscher über das Inselreich Indonesien, bleibt sich treu. Seinerzeit gelang es ihm, seine Machtergreifung durch eine beispiellose Hatz auf angebliche Kommunisten, der in den Jahren 1965/66 Hunderttausende zum Opfer gefallen waren, abzusichern. Mit den selben Mitteln versucht Suharto heute, die wachsende Opposition im Lande zu eliminieren, um seine Macht zu erhalten. Und wieder dient das Gespenst des Kommunismus als Vorwand für brutale Unterdrückungsmaßnahmen. Doch der greise Präsident übersieht die weltpolitischen Veränderungen, die während der letzten 30 Jahre stattgefunden haben.

Noch weiß niemand genau, wieviele Menschenleben die Ereignisse in Jakarta vom 27. Juli 1996 gekostet haben. Nach Angaben von Regierung und Militär haben vier Menschen bei diesen bislang schwersten Unruhen, die Indonesien in den letzten zwei Jahrzehnten erschütterten, ihr Leben gelassen; fünf Menschen meint die nationale Menschenrechtskommission KOMNAS HAM in einer Ende August vorgelegten Untersuchung mit Hinweis darauf, daß noch immer 74 Menschen vermißt werden /Reuter, 31.8.96/. Augenzeugen und Menschenrechtsorganisationen beziffern die Zahl der Toten weitaus höher. Schätzungen belaufen sich auf 40 bis 128 Tote. Watch Indonesia! liegt eine Liste mit den Namen von 47 Toten vor, die bislang allerdings nicht verifiziert werden konnte, da Angehörigen und Menschenrechtsgruppen der Zugang in Krankenhäuser und Leichenkammern verwehrt worden war.

Mitten im Herzen Jakartas, in der Jalan Diponegoro, wo sich ausländische Botschaften aneinanderreihen wie eine Perlenkette, war es nach wochenlangem Machtgerangel zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen AnhängerInnen der Demokratischen Partei, PDI, um die offiziell entmachtete Vorsitzende Megawati Soekarnoputri und regierungsnahen Kräften gekommen. Am Morgen des 27. Juli rotteten sich mehrere hundert Leute zusammen und griffen das Parteigebäude der PDI, das zuvor von Anhängern Megawatis besetzt worden war, mit Steinwürfen und Molotow-Cocktails an. Die Angreifer trugen T-Shirts und Stirnbänder, die Erkennungszeichen der PDI. Damit sollte der Eindruck erweckt werden, es handelte sich um Partei“freunde“ der Fraktion um Megawatis Widersacher Soerjadi, der seit Juni das Amt des Vorsitzenden und damit auch das Hausrecht im Parteigebäude in der Jalan Diponegoro für sich beansprucht.

Beobachter wunderten sich darüber, wie gut gebaut und durchtrainiert diese angeblichen PDI-Anhänger waren. Auffällig war auch die starke Präsenz von Polizei und Militär, die ausgestattet mit Lastwagen und Schützenpanzern seit den frühen Morgenstunden die Szenerie begleiteten, ohne aber gegen die Angreifer vorzugehen. Für den Fall der Fälle wurden auch Feuerwehrfahrzeuge vor Ort bereitgehalten. Mit anderen Worten, es war offensichtlich, daß der Angriff auf das Parteigebäude von langer Hand geplant und engstens mit dem Militär abgestimmt war. Zahlreiche Indizien sprechen dafür, daß die in den PDI-Farben gekleideten Angreifer direkt der Befehlsgewalt des Militärs unterstanden.

Die belagerten AnhängerInnen Megawatis, die sich in dem Gebäude verschanzt hatten, setzten sich so gut sie konnten zur Wehr. Zahlenmäßig unterlegen und nicht auf einen gewaltsamen Angriff vorbereitet, konnten sie immerhin das Eindringen der Angreifer in das Gebäude verhindern. Erst zwei Stunden nach Beginn der Auseinandersetzungen schritten die Sicherheitskräfte ein - gegen die bedrängten Verteidiger des Gebäudes, versteht sich. Unterstützt von Schützenpanzern, die die AnhängerInnen Megawatis mit Tränengas und einer hochgiftigen Quecksilbermischung einnebelten, gelang es den Uniformierten schließlich das Gebäude einzunehmen. Was genau sich bei diesen turbulenten Szenen abspielte, darüber gehen die Aussagen der Beteiligten auseinander. Wie viele Tote und Verletzte der Angriff kostete, wird vielleicht für immer im Dunkeln bleiben. Deutliches Zeugnis über die bei dem Einsatz gezeigte Brutalität gaben jedoch alleine schon die Bilder von dem völlig zerstörten Parteigebäude, die einige Tage später weltweit im Fernsehen zu sehen waren.

Noch während die gewaltsamen Auseinandersetzungen im und um das Gebäude der PDI in vollem Gange waren, füllte sich die Straße mit SympathisantInnen der PDI, die durch Mundpropaganda von dem Militäreinsatz gehört hatten. Bis zum Mittag hatten sich über zehntausend Menschen versammelt, die allesamt Zeugen der Gewalt gegen ihre Parteifreunde wurden. Die Stimmung war gereizt und schlug bald in offene Aggression und Gewaltanwendung um. Niemand weiß bis heute glaubhaft zu beurteilen, von welcher Seite aus damit begonnen wurde, Fahrzeuge und Gebäude in Brand zu setzen. Fest steht, daß bei der Konfrontation der Menschenmassen mit der Polizei in den folgenden Stunden insgesamt 30 Gebäude in Flammen aufgingen, darunter Banken, Geschäfte und Ministeriumsgebäude. /Kabar dari Pijar, 27.7.96/

Auch am nächsten Tag kam es wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Vor den Augen der internationalen Presse schritt die Polizei sofort mit Härte ein, als sich erneut DemonstrantInnen in der Umgebung des PDI-Büros versammelten /Voice Of America, 28.7.96/. Mehr als 200 Personen wurden im Laufe der beiden Tage verhaftet.
 

Megawati lehrt Suharto das Fürchten

Die Unruhen vom 27. Juli waren der bisherige Höhepunkt eines bereits seit längerem anhaltenden Konfliktes, der im Dezember 1993 seinen Anfang nahm. Damals hatte in Jakarta der Parteikongreß der politisch unbedeutenden Blockflötenpartei PDI Megawati Soekarnoputri zur Vorsitzenden gewählt. Megawati ist eine Tochter des ersten Staatspräsidenten Soekarno, der in Indonesien noch immer viele glühende VerehrerInnen hat. Obwohl Megawati, die seit einigen Jahren als Abgeordnete im Parlament saß, politisch nie von sich reden machte, war sie Präsident Suharto bereits damals ein Dorn im Auge. Gleichwohl konnte die Regierung ihre Wahl nicht verhindern, da sie sich durch verschiedene Intrigenspielchen um die KandidatInnen für den Parteivorsitz letztendlich selbst ausgetrickst hatte. Den Zweifeln von politischen Beobachtern, ob Präsident Suharto die neue Vorsitzende anerkennen würde, setzten der Innenminister und die Streitkräfte (ABRI) ein Ende, indem sie Megawati offiziell zu Gesprächen empfingen. /Tempo, 8.6.96/

Dennoch hatte Megawati immer zu kämpfen, um ihre Position zu behaupten. Verschiedene enge Vertraute, darunter Megawatis Ehemann Taufik Kiemas, mußten Ermittlungen über sich ergehen lassen, weil sie angeblich Kontakte zu der verbotenen ehemaligen kommunistischen Partei, PKI, gehabt hatten. In Ost-Java, einer traditionellen Hochburg der PDI, wurde Megawatis Statthalter Soetjipto an der Ausübung seines Amtes als Parteichef gehindert, weil der Parteidissident Yusuf Merukh eine Gegenfraktion gegründet hatte, die Soetjiptos Konkurrenten Latief Pudjosakti als Parteivorsitzenden der PDI in Ost-Java anerkannt sehen wollte. Diese Gruppe wurde zwar von der Zentralregierung nie offiziell anerkannt, erhielt aber offene Unterstützung von seiten des Provinzgouverneurs Basofi Sudirman. /Tempo, 8.6.96/

Mag sein, daß die plumpen Methoden, mit denen versucht wurde, Megawati zu schwächen, ihr erst recht Sympathien im Volk verschafften. Fest steht, daß Megawati rasch an Popularität gewann, die weit über die Grenzen ihrer Partei hinausreichte. Megawatis unerschrockene Art, wie sie sich als politisch weitgehend unerfahrene „Hausfrau“ gegen ihre Widersacher zu behaupten wußte, brachten ihr Punkte bei den einfachen Leuten ein. Zudem entpuppte sich Megawati als charismatische Rednerin, die die Herzen der Massen im Sturm erobern kann, und - nicht nur - damit Erinnerungen an ihren Vater wach werden ließ, der von vielen noch immer als Staatsgründer und größter Politiker Indonesiens verehrt wird. Megawati wurde zum Idol der unzufriedenen Massen und zur Leitfigur der gesamten Oppositionsbewegung. Schließlich wagten eine Reihe von PDI-Funktionären um den Parteilinken Aberson Sihaloho vor einigen Monaten das Undenkbare: Sie nominierten Megawati Soekarnoputri zur Präsidentschaftskandidatin. In der politischen Kultur der Neuen Ordnung war es bislang üblich gewesen, daß sich alle Parteien und gesellschaftlichen Organisationen für eine Wiederwahl von Präsident Suharto aussprachen, der sich somit noch nie der Herausforderung durch eine GegenkandidatIn zu stellen hatte. Spätestens von diesem Zeitpunkt an, wurde Megawati von der Regierung mehr als kritisch beäugt, zumal sie ihre Kandidatur niemals öffentlich dementiert hat.

Trotz der Unterstützung durch weite Teile der Opposition war Megawatis Kandidatur jedoch noch immer weit davon entfernt, eine ernsthafte Gefährdung für die Macht Suhartos darzustellen. In direkter Konkurrenz gegen Suharto bei den 1997 anstehenden Parlamentswahlen hätte Megawati nach Meinung vieler BeobachterInnen wohl kaum vermocht, mehr als einen Zugewinn von ein paar Stimmenprozenten für die PDI zu erzielen. Doch für Suharto, der sich in seinem selbstpropagierten kulturellen Kontext mehr als javanischer König denn als Präsident einer Republik versteht, würde schon der Verlust von wenigen Prozentpunkten einen nicht hinnehmbaren Ansehensverlust bedeuten.

Noch weiß aber niemand, ob Suharto überhaupt beabsichtigt, erneut für das Präsidentenamt zu kandidieren. Doch selbst wenn er erneut antreten sollte, so stellt sich die Frage, wie lange Suharto noch an der Macht bleiben wird. Der unerwartete Tod von Ibu Tien, Gattin und engste politische Vertraute des Präsidenten, im April diesen Jahres führte nicht nur Suharto selbst vor Augen, daß auch seine Tage gezählt sind. Und ein Krankenhausaufenthalt Suhartos im deutschen Bad Oeynhausen im Juli gab Spekulationen über den schlechten Gesundheitszustand Suhartos neuen Auftrieb. So wird immer häufiger die Frage nach Suhartos Nachfolge gestellt, die bereits seit vielen Monaten die Medien beherrscht. Keine Diskussionsrunde um indonesische Politik vergeht, bei der nicht diese scheinbar alles bestimmende Frage aufgeworfen wird. Doch alleine schon die Tatsache, daß sich die Öffentlichkeit damit befaßt, daß es eine Zeit nach Suharto geben wird, bedeutet eine Schwächung seiner Position. Und obwohl bislang nicht ersichtlich ist, wen Suharto selbst gerne als seine NachfolgerIn im Amt sehen würde, besteht kein Zweifel darüber, daß er persönlich diese Entscheidung zu treffen gedenkt. Suhartos Dilemma ist jedoch, daß er nur aus einer starken Position heraus Einfluß auf diese Entscheidung nehmen kann. Alleine schon deshalb sah sich der angeschlagene Präsident gezwungen, einer weiteren Schwächung durch die Nominierung Megawatis zur Nachfolgekandidatin entgegenzuwirken.

Als eine der FavoritInnen auf die Nachfolge Suhartos wird dessen Tochter Siti Hardijanti Rukmana, besser bekannt als Mbak Tutut, gehandelt. Mbak Tutut, die wie ihre Geschwister zu den führenden Geschäftsleuten Indonesiens gehört und sich insbesondere durch ihr Monopol über die privaten Autobahnen des Landes einen Namen machte, versucht sich seit einigen Jahren auch als Politikerin einen Namen zu machen. Ganz bewußt imitiert sie in Kleidung und Auftreten Benazir Bhutto, die als Tochter des früheren Präsidenten Pakistans inzwischen selbst zur Präsidentin wurde. Sollte die weithin unbeliebte Mbak Tutut jedoch ausgerechnet mit Megawati Soekarnoputri konkurrieren müssen, die ebenfalls vom Nimbus als Tochter eines Präsidenten zehrt und von der Presse des öfteren gar mit Cory Aquino oder Aung San Suu Kyi verglichen wird, so stehen ihre Chancen denkbar schlecht - möglicherweise ein weiterer Grund für Suharto, Megawati auszubremsen.
 

Megawatis Entmachtung

Die Absetzung einer Parteivorsitzenden kann nur durch einen Parteitag vonstatten gehen. Also wurde auf Geheiß der Regierung nach einem Vorwand gesucht, um einen außerordentlichen Parteitag der PDI einzuberufen, dessen einziges Ziel die Neuwahl des Parteivorstandes sein sollte. Als Anlaß wurde Megawatis angebliches Versäumnis gefunden, verschiedene Parteigremien einzuberufen, die nach der Satzung vorgeschrieben seien. Megawati erklärte dagegen, der Vorstand sei auf dem letzten Parteikongreß ermächtigt worden, die Satzung neu zu überarbeiten. Dies sei im Dezember 1994 erfolgt, womit die alte Satzung hinfällig sei und der amtierende Vorstand unter ihrer Führung, wie 1993 beschlossen, bis 1998 im Amt bleiben müsse. Ein neuerlicher Parteikongreß vor Ende ihrer Amtszeit verstoße gegen die Parteistatuten. /Tempo, 8.6.96/

Doch recht haben und Recht bekommen sind zweierlei Dinge. Ungeachtet der formaljuristischen Einwände Megawatis begannen ihre GegnerInnen mit den Vorbereitungen für einen außerordentlichen Parteitag. Geleitet wurde das Vorbereitungskommittee von der Fraktionsvorsitzenden der PDI im Parlament, Fatimah Ahmad. Gerüchten zufolge soll Fatimah ein Kabinettsposten für die nächste Legislaturperiode versprochen worden sein, wenn es ihr gelingt, den Parteitag zur Abwahl Megawatis reibungslos über die Bühne zu bringen /Digest, 10.6.96/. Zu den Kongreßbefürwortern zählten Leute wie Gerry Mbatemoi, der vor einiger Zeit von Megawati aus dem PDI-Vorstand ausgeschlossen worden war, sowie ihre Intimfeinde aus Ost-Java, Yusuf Merukh und Latief Pudjosakti. /Tempo, 8.6.96/

Interessant ist jedoch, daß die Regierung zwar verstand, diese langjährigen Gegner Megawatis in der PDI für ihre Zwecke zu benutzen, ohne einen von ihnen zum neuen Vorsitzenden aufzubauen. Stattdessen fiel die Wahl auf Soerjadi, einen Amtsvorgänger Megawatis. Soerjadi war 1986 schon einmal von der Regierung ins Amt gehoben worden, wurde aber 1991 wieder entmachtet, weil er die PDI zu populär gemacht hatte. Er war außerdem in Ungnade gefallen, weil er im Wahlkampf gesagt hatte, die Regierungsperiode eines Präsidenten müsse begrenzt werden. Doch angesichts der Bedrohung, die Suharto von seiten Megawatis verspürte, schien dieser alte Streit vergessen zu sein und Soerjadi durfte erneut das Vertrauen des Präsidenten genießen.

In aller Offenheit ergriffen Regierung und Militär Partei für die Durchführung des Parteitages. Die Streitkräfte (ABRI) signalisierten in vorauseilendem Gehorsam, sie seien bereit, bei Abhaltung des Parteitages für Sicherheit zu sorgen. Innenminister Yogie SM stellte 1 Mrd Rupiah aus seinem Etat zur Durchführung des Parteikongresses bereit /Tempo, 8.6.96/. Angehörige der Streitkräfte, die bislang ihre schützende Hand über Megawati gehalten hatten, konnten nichts mehr für sie tun, da sie kürzlich einer Serie von Personalumbesetzungen zum Opfer gefallen waren.

Der Wirtschaftsexperte und wissenschaftliche Sprecher der PDI, Kwiek Kian Gie, machte eine Umfrage an der Parteibasis und stellte fest, daß große Teile der Mitgliedschaft von örtlichen Autoritäten gedrängt worden waren, den Kongreß zu unterstützen. Von 215 Bezirken, die sich angeblich für die Abhaltung des Parteitages ausgesprochen hatten, konnte Kwiek nur 141 ausfindig machen. Kwiek Kian Gie stellte weiterhin fest, daß Vertreter der Regierung PDI-Mitgliedern die Reise nach Jakarta bezahlt hatten, um dort ihrer Forderung nach Einberufung des Parteitages Ausdruck zu geben. /Tempo, 8.6.96/

Auch die AnhängerInnen Megawatis blieben nicht untätig. Tausende erklärten ihre Treue zu Megawati, indem sie auf riesigen Transparenten Fingerabdrücke mit ihrem eigenen Blut stempelten. Die PDI in Medan erklärte, sie sei nicht bereit, als Hausherrin eines Parteitages zu fungieren. Die örtlichen Parteivertretungen in Palangka Raya und Ujungpandang, die neben Medan als Veranstalter erwogen worden waren, zierten sich ebenfalls. Und Städte auf Java waren gar nicht erst als Austragungsort erwogen worden, weil die Anhängerschaft Megawatis dort zu groß ist.

Die oppositionelle Volksdemokratische Partei, PRD, erklärte ihre Solidarität mit der PDI und demonstrierte vor dem Polizeihauptquartier in Jakarta gegen die Einmischung der Regierung in innere Angelegenheiten der Parteien. Fast alle Gruppen und Organisationen, die im weitesten Sinne zur politischen Opposition gezählt werden können, unterstützten die Fraktion um Megawati Soekarnoputri: die Polit-NGO Pijar Indonesia, die unabhängige Gewerkschaft SBSI, die neuen Parteien PUDI und Masyumi Baru, die Rechtshilfeorganisationen YLBHI und LPHAM, religiöse Organisationen wie der islamische Jugendverband FKGMNU und die Batak-Kirche HKBP sowie eine ganze Anzahl von Nichtregierungsorganisationen. /Kabar dari Pijar, 15.6.96/

Abdurrahman Wahid (Gus Dur), der Vorsitzende der islamischen Massenorganisation NU, demonstrierte seine Solidarität, indem er an einer Pressekonferenz Megawatis vor ausländischen Korrespondenten teilnahm. Gus Durs Haltung wird allgemein mit großem Interesse verfolgt, denn ähnlich wie Megawati hat er mit einer selbsternannten Gegenfraktion innerhalb seiner Organisation zu kämpfen, die auf die Unterstützung aus den Reihen der Regierung und des Militärs zählen kann. Zum anderen stellt Gus Durs Gefolgschaft von mehreren Millionen NU-Mitgliedern einen Machtfaktor dar, der die politische Landschaft radikal verändern könnte, wenn er sich offen auf die Seite Megawatis schlüge.

Aus den verschiedensten Kreisen kamen Leute zusammen, um die PDI-AnhängerInnen, die Megawati die Treue hielten, zu unterstützen. Gemeinsam besetzten sie das Parteibüro der PDI in Jakarta sowie PDI-Büros in anderen Städten. Die Wände vollgehängt mit Transparenten, Tische, Stühle und Boden übersät mit Flugblättern, Presseerklärungen und Zeitungsartikeln glichen die Gebäude schnell dem Bild von Streikbüros an europäischen Universitäten. Im Freien waren Zelte aufgebaut, da die geschlossenen Räume nicht genug Schlafplätze für alle boten, die ihr Quartier vorläufig in PDI-Büros aufschlugen. Täglich fanden kleine Kundgebungen und freie Diskussionen über alle erdenklichen politischen Themen statt. Nur den Mitgliedern des Vorbereitungskommittees für den Parteitag wurde der Zutritt in die Parteizentrale verweigert. Einen ersten Vorgeschmack auf das, was später in Jakarta passieren sollte, gab die polizeiliche Räumung des besetzten Parteibüros in Semarang Anfang Juni. In Jakarta dagegen wurde die Besetzung von den Behörden überraschend lange geduldet. /Media Indonesia, 10.6.96/

Dennoch blieben die Behörden nicht untätig. Die Presse wurde aufgefordert, sich in der Berichterstattung zurückzuhalten. Megawati sollte in den Medien nicht mehr beim Namen genannt werden. Anstatt über Megawati „Soekarnoputri“ - zu deutsch die Tochter Soekarnos - sollten die Zeitungen über Megawati „Kiemas“ schreiben. Kiemas ist der Zuname von Megawatis Ehemann Taufik /Tempo, 8.6.96/. Des weiteren wurde die Presse angewiesen, über den geplanten Parteitag nicht mit den Worten „Megawatis Entmachtung“ zu berichten.

Obwohl die PDI bis dahin nicht dazu aufgerufen hatte, kam es immer wieder zu kleineren und mittleren Demonstrationen von AnhängerInnen Megawatis, beispielsweise am 12. Juni in Surabaya, wo sich mehr als 1.000 Leute versammelt hatten. Am selben Tag erklärte Megawati, sie wäre in der Lage, Millionen zu mobilisieren, die für sie auf die Straße gingen. Das ganze Land könne zum Stillstand gebracht werden. Alleine ihre Vernunft hindere sie daran, diesen Weg zu begehen. Stattdessen wolle sie lieber mit politischen und juristischen Mitteln kämpfen. Vorausgesetzt, es gäbe freie und faire Wahlen, bekäme die PDI 80-85 % der Stimmen, heißt es in einer von Mega verfaßten Erklärung. Bei der letzten Wahl erreichte die PDI etwa 15 % /Voice of America, 12.6.96/.

Am 20. Juni, dem selben Tag, an dem in Medan der Parteitag eröffnet werden sollte, fand in Jakarta eine Großdemonstration statt, an der mehrere zehntausend Menschen teilnahmen. Die Demo wurde angeführt von einigen prominenten Funktionären der PDI, zu denen sich auch Sri-Bintang Pamungkas von PUDI und andere Prominente gesellten. Im Zentrum der Stadt, unweit des Präsidentenpalastes, sahen sich die DemonstrantInnen mit starken Polizei- und Militäreinheiten konfrontiert. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, bei denen mehrere Dutzend DemonstrantInnen, darunter auch die Schwester Megawatis, Sukmawati Soekarnoputri, drei hohe Parteifunktionäre und zahlreiche Journalisten verletzt wurden. Mindestens 20 erlitten z.T. schwere Kopfverletzungen, 70 Leute wurden verhaftet. Wie schon im April bei Demos in Ujungpandang setzte das Militär wieder Schützenpanzer ein, die mit hoher Geschwindigkeit in die Menge rasten. Ein Demoteilnehmer wurde dabei überrollt /Kabar dari Pijar, 20.6.96/. Mitgliedern der PDI gelang es, zwei Leute gefangenzunehmen, die durch Steinwürfe die Gewalt anheizten. Wie sich später herausstellte, gehörten die beiden dem Jugendverband Pemuda Pancasila an, die als Schlägertruppe der Regierung bekannt ist. Die Provokateure wurden der Polizei überstellt, die aber wenig Interesse an den beiden zeigte /Kabar dari Pijar, 22.6.96/. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation tapol kam ein PDI-Mitglied ums Leben /tapol, 20.6.96/, PRD dagegen spricht von vier Todesopfern.

Ungeachtet aller Proteste fand in Medan schließlich vom 20. bis 25. Juni der illegale Parteitag statt und wählte, wie nicht anders zu erwarten, Soerjadi zum neuen Vorsitzenden. Megawati, die dieses Ergebnis nicht anerkennt, entließ daraufhin 16 Mitglieder des Parteivorstandes, die an dem Kongreß teilgenommen hatten. Gleichzeitig legten Megawati und ihr aus Parteifunktionären und Anwälten bestehendes Team Klage gegen den Innenminister und die Polizeiführung ein, die nach ihrer Rechtsauffassung den Parteitag rechtswidrig genehmigt hatten. Auch der neue Vorsitzende Soerjadi und mit ihm der gesamte in Medan „gewählte“ Vorstand wurden verklagt. Die Regierung schloß ihrerseits die Fraktion um Megawati von den kommenden Parlamentswahlen aus. /AFP, 4.7.96/

Innerhalb der Demokratiebewegung wandten sich allerdings eine Reihe kritischer Stimmen gegen das Feuerwerk von Klagen, das Megawati gegen das Regierungslager entfacht hatte. Viele meinten, anstatt ihre Kräfte in aussichtslosen Gerichtsprozessen zu binden, wäre es besser gewesen, Megawati hätte die Gunst der Stunde genutzt, um tatsächlich die Massen auf die Straße zu bringen, die sie angeblich zu mobilisieren in der Lage gewesen sein will.

Unbeeindruckt von dieser Kritik setzte Megawati weiterhin auf eine Taktik maßvollen Reagierens. Es schien so, als ob sie Angst hatte, die Kontrolle über die Bewegung zu verlieren, wenn eine Massenmobilisierung ihre Eigendynamik entwickelt. Dennoch verhärteten die Fronten zusehends. Ein Streitpunkt von hoher symbolischer Bedeutung war die Kontrolle über die Parteizentrale in Jakarta. Immer lauter beanspruchte Soerjadi das Gebäude, das noch immer von der Anhängerschaft Megawatis besetzt war, für sich und seinen neuen Vorstand. Schließlich erbat Soerjadi gar die Hilfe des Militärs, um ihm den Einzug in die Parteizentrale zu ermöglichen /AFP, 5.7.96/. Als seiner Bitte drei Wochen später entsprochen wurde, war dies der Auslöser für die bislang verheerendste Auseinandersetzung, die Indonesien seit vielen Jahren erlebt hat mit noch unabsehbaren Folgen für die politische Zukunft des Landes.

Die im Frühjahr gegründete unabhängige Wahlbeobachtungskommission KIPP, die sich zum Ziel gesetzt hatte, den gesamten Prozeß der Wahlen von der Erstellung der WählerInnenverzeichnisse bis zur Auszählung der Stimmen auszuwerten und eventuelle Manipulationen zu dokumentieren, forderte nach der vorzeitigen Disqualifikation Megawatis Anfang Juli die Aussetzung der Wahlen auf unbestimmte Zeit. In etwas verklausulierter Form kam diese Forderung dem Aufruf zum Wahlboykott gleich. Der Präsident von KIPP, Goenawan Mohamad, der als ehemaliger Herausgeber der verbotenen Zeitschrift TEMPO bereits im Mai eine derbe Niederlage einstecken mußte, nachdem der Oberste Gerichtshof das Verbot seiner Zeitschrift in letzter Instanz für rechtens erklärt hatte, ließ keinen Zweifel daran, daß er den Glauben an indonesisches Recht und Neue Ordnung verloren hat. Zweifler, die Goenawan Mohamad vorgeworfen hatten, durch das Mittel der „unpolitischen“ Wahlbeobachtung am Ende gar den zu erwartenden Wahlsieg der Staatspartei GOLKAR zu legitimieren, durften beruhigt sein. Nur wenige Monate nach Gründung von KIPP stand das Ergebnis der Wahlbeobachtung bereits fest: Unter Suharto gibt es keine freien und fairen Wahlen. PIJAR Indonesia zog daraus die Konsequenz, noch am selben Tag förmlich zum Wahlboykott aufzurufen. /AFP, 8.7.96; Kabar dari Pijar, 8.7.96/
 

Hexenjagd gegen die PRD

In den Tagen nach der gewaltsamen Räumung der PDI-Zentrale und den darauf folgenden Straßenschlachten wuchs auch in anderen Städten die Spannung. In Surabaya und Bandung kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Oppositionellen und der Polizei. Bombendrohungen in Geschäftshäusern legten vielerorts die Arbeit lahm. An den Börsen rutschten der Wechselkurs der Rupiah und Aktienkurse indonesischer Unternehmen in den Keller. Besonders betroffen von dem Kursverfall waren Firmen, die sich im Besitz der Familie Suharto befinden /Dow Jones Business News, 29.7.96/. Vor den Banken bildeten sich Schlangen wohlhabender MittelständlerInnen, die ihr Erspartes in sicheren Fremdwährungen anlegen wollten.

Am Dienstag, den 30.7., machte Jakartas Militärkommandant Sutiyoso dem Spuk ein Ende. Er erließ einen Schießbefehl, nach dem alle „Unruhestifter“ auf der Stelle mit Erschießung zu rechnen hatten /AFP, 30.7.96/. Mit dieser drakonischen Maßnahme gelang es, die Ordnung und das Vertrauen in die indonesische Wirtschaft wiederherzustellen. Seither herrscht Grabesstille in Jakartas Oppositionskreisen. Die vorher so agile Demokratiebewegung ist seither vor Angst wie gelähmt.

Zur selben Zeit begann die Regierung, die erst kurz zuvor als Partei gegründete Oppositionsgruppe PRD der Urheberschaft für die Unruhen zu beschuldigen. Als Beweis diente das erst wenige Tage alte Manifest der PRD, das nach Auffassung der Regierung eine Neuauflage des Kommunistischen Manifestes ist. Für die Regierung besteht auch kein Zweifel daran, daß die nur einige hundert Mitglieder starke PRD nichts geringeres im Schilde führte als den Sturz des politischen Systems. Mit diesen unhaltbaren Anschuldigungen war der Startschuß zu einer wahren Hexenjagd auf PRD-Mitglieder gegeben, die düstere Erinnerungen an die Jagd auf Kommunisten von 1965 wach werden ließ.

Die Neuauflage des militanten Antikommunismus, dem in den sechziger Jahren hunderttausende IndonesierInnen zum Opfer gefallen waren, mag im Ausland angesichts der veränderten weltpolitischen Lage nur noch mit verständnislosem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen werden. In Indonesien selbst sind die Wunden von damals noch lange nicht verheilt, so daß das Wachrufen dieser Erinnerung noch immer ein äußerst wirksames Mittel ist, um jeden Widerstand gegen das System im Keim zu ersticken.

Auch das berüchtigte Anti-Subversionsgesetz, von dem seit Jahren kein Gebrauch mehr gemacht worden war, wurde wieder ausgepackt. Dieses Gesetz, mit dem einst Präsident Soekarno versucht hatte, verschiedene Sezessionsbewegungen in Griff zu bekommen, erlaubt eine praktisch unbegrenzte Inhaftierung von Verdächtigen ohne förmliche Anklage durch die Staatsanwaltschaft, ohne Prozeß und ohne Rechtsbeistand. Im Falle der Verurteilung wegen Subversion droht als Höchstmaß die Todesstrafe. Von 241 Gefangenen, die an dem blutigen Wochenende festgenommen wurden, sollten 124 wegen Subversion angeklagt werden, wie es zunächst hieß /KdP, 30.7.96/. Während die Anklagen aufgrund des Subversionsparagraphen gegen diese Gefangenen fallengelassen wurde - es wurde stattdessen Anklage auf Grundlage des Strafgesetzes erhoben - droht nun einer Reihe von später Festgenommenen ein Verfahren wegen Subversion.

Eines der ersten Opfer einer im August einsetzenden Verhaftungswelle gegen Mitglieder und Hintermänner der PRD war Muchtar Pakpahan, Generalsekretär der unabhängigen Gewerkschaft SBSI, der erst letztes Jahr aufgrund von internationalem Druck aus der Haft entlassen worden war. Unklar ist, ob Muchtar Pakpahan in seiner Eigenschaft als Gewerkschaftsführer oder als Vorsitzender des demokratischen Bündnisses MARI (Majelis Rakyat Indonesia) verhaftet wurde, und welche konkreten Vorwürfe gegen ihn erhoben werden /Republika, 1.8.96/. Klar dagegen ist, daß gegen ihn wegen Subversion ermittelt wird.

Ein weiterer Hauptbeschuldigter, dem Anklage wegen Subversion droht, ist Budiman Sujatmiko, der Vorsitzende der PRD. Budiman, der gleich zu Beginn der Verhaftungswelle untergetaucht war, wurde in Bekasi im Haus des Jesuitenpater Romo Sandyawan Sumardi festgenommen. Romo, der dem flüchtigen Budiman und anderen Verfolgten Unterschlupf gewährt hatte, geriet daraufhin selbst unter heftigen Beschuß. Einige Militärs sowie das Gros der Medien sah in Romo Sandyawan bereits den eigentlichen Hintermann hinter der „kommunistischen“ PRD. Schnell wurde der Jesuitenpater zum Anhänger der Befreiungskirche hochstilisiert, die mit linkem Gedankengut sympathisiere. Es fehlte nicht viel und aus dem Fall des „kommunistischen Umsturzversuches durch die PRD“ wäre ein „katholisch-chinesischer Komplott“ geworden, der leicht zum Anlaß rassistisch motivierter Pogrome hätte werden können /AFP, 19.8.96/. Zum Glück für Romo Sandyawan und die indonesischen Katholiken gerieten aber kurz darauf auch prominente Moslems, insbesondere Adi Sasono, Sekretär der islamischen Intellektuellenvereinigung ICMI, in Verdacht, der PRD nahezustehen und lenkten somit die Aufmerksamkeit in eine neue Richtung.

Zusammen mit Budiman Sujatmiko sitzen zur Zeit 33 weitere PRD-Mitglieder in Haft, gegen die ein Verfahren wegen Subversionsverdachtes eröffnet werden soll. Unter ihnen befindet sich auch der Gewerkschaftssekretär der PPBI, Wilson, der auf Einladung von Watch Indonesia! im vergangenen Frühjahr zu einer Vortragsreise nach Deutschland gekommen war. Budiman, Wilson und einige andere Führungsleute der PRD verweigerten bislang bei ihren Verhören aus Protest gegen das Anti-Subversionsgesetz jegliche Aussage.

Fast die gesamte Demokratiebewegung ist mittelbar oder unmittelbar von der neuerlichen Verfolgungswelle betroffen. So sind ins Visier der Behörden auch die von Sri-Bintang Pamungkas neugegründete Partei PUDI und die Wahlbeobachtungskommission KIPP geraten, von denen einige Mitglieder zum Verhör geladen wurden. Des weiteren müssen alle diejenigen ein Ermittlungsverfahren über sich ergehen lassen, die für ihre politischen Verdienste von der PRD einen Preis verliehen bekommen hatten. Dazu zählen unter anderem Megawati Soekarnoputri, Sri-Bintang Pamungkas, Goenawan Mohamad, Abdurrahman Wahid, Ali Sadikin, Poncke Princen sowie der Schriftsteller Pramoedya Ananta Toer. Letzterer weigert sich kategorisch, gegenüber den Ermittlern etwas auszusagen. Er habe das „Kapitel abgeschlossen“, sich in irgendeiner Weise mit dem Regime einzulassen, das ihm alles genommen habe: sein Haus, seine Dokumente, seine Bücher und seine bürgerlichen Rechte /KdP, 20.9.96/.

PRD, MARI, SBSI, KIPP, PUDI - die breite Palette in Bedrängnis geratener Organisationen sowie die vielen Namen von Gefangenen und Verfolgten könnten beinahe Vergessen machen, daß am Anfang dieser Entwicklung eine Auseinandersetzung um die PDI stand. Von dieser Partei hat bislang lediglich Aberson Sihaloho ein Verfahren am Hals, weil er in seinen Reden während der Diskussionsforen im besetzten Parteibüro Präsident Suharto beleidigt haben soll /KdP, 27.9.96/.

Die Blockflötenpartei PDI wird von Suharto noch benötigt, um seiner Herrschaft den Schein eines demokratischen Mehrparteiensystems zu geben. Damit erklärt sich, warum Suharto nicht daran interessiert ist, daß der Name der PDI in einer Reihe mit oppositionellen Gruppen und Parteien genannt wird. Die Hetzjagd auf die PRD ist somit auch ein Ablenkungsmanöver, das der PDI Soerjadis den nötigen Freiraum zur Konsolidierung ihres Ansehens verschaffen soll.

Entsprechend dieser Logik wird Suharto alles vermeiden, was Megawati in der Öffentlichkeit das Ansehen einer Märtyrerin verschaffen könnte. Megawati wird nicht offensiv bekämpft, sondern Megawati soll auf Eis gelegt werden. So wurde der erste Prozeßtermin Anfang August, an dem über Megawatis Klage gegen den Parteitag von Medan verhandelt werden sollte, stillschweigend um drei Wochen vertagt. Als Begründung hieß es, der Richter habe Zahnschmerzen und sei für drei Tage krankgeschrieben worden /Kompas, 2.8.96/.

Auch der juristische Streit, den Megawati um das Hausrecht über die Parteizentrale angestrengt hat, konnte ihr nicht allzuviel Publizität verschaffen. Die Zeitungen berichteten eher beiläufig über diesen Prozeß. Derweil eröffnete Megawati ein neues Parteibüro, das aber nach wenigen Tagen vom Militär wieder geschlossen wurde, bevor es zum Anziehungspunkt für Megawatis UnterstützerInnen werden konnte /Voice of America, 9.9.96 u. 27.9.96/.

Große Aufmerksamkeit bekommt dagegen ausgerechnet eine staatliche Institution, nämlich die nationale Menschenrechtskommission KOMNAS HAM, die zur Zeit die wohl schwierigste Aufgabe seit ihrem Bestehen zu lösen hat. Nach dem Rätselraten um die Zahl der Toten und Verletzten des „schwarzen Samstags“ von Jakarta - waren es 40, 47 oder gar, wie Abdurrahman Wahid verlautbarte, über 100 Todesopfer? - legte KOMNAS HAM einen Bericht vor, in dem die Zahlen auf fünf Tote, 74 Vermißte und 149 Verletzte beziffert wurden /Reuter, 31.8.96/. Die Zahlen sprechen für sich. KOMNAS HAM stand einerseits unter starkem Druck seitens der Regierung, so daß die vom Militär genannte Zahl der Todesopfer nur um eines überschritten werden durfte. Andererseits konnte und wollte sich KOMNAS HAM nicht das mühsam erarbeitete Ansehen bei Nichtregierungsorganisationen und Oppositionsgruppen verspielen, weshalb die hohe Zahl von 74 Vermißten genannt wurde. Präsident Suharto reagierte erzürnt und forderte KOMNAS HAM unmißverständlich auf, diese Zahl durch weitere Beweise zu untermauern. Menschenrechtsgruppen wiederum äußerten Kritik daran, daß KOMNAS HAM mit der Feststellung, es gebe 74 Vermißte, den Fall als abgeschlossen ansah. Wohl oder übel mußte KOMNAS HAM nachlegen. Das mit Spannung erwartete Ergebnis wurde am 10. Oktober vorgelegt. In ihrem Abschlußbericht bezifferte die Kommission die Zahl der Toten auf 5, die der Verletzten auf 149 und die der Vermißten auf nunmehr 23. Die deutliche Verminderung der Vermißten kam den Erwartungen der Regierung entgegen, während die vorsichtige Anhebung der Todesopfer als Zugeständnis an die Menschenrechtsgruppen verstanden werden kann. Deutliche Kritik an der Regierung übte die Kommission im Prosateil ihres Berichts. Darin hieß es, eines der Todesopfer sei erschossen, zwei weitere erschlagen worden. Die Kommission stellte weiter fest, daß die Unruhen vom 27. Juli in keiner Weise auf die Urheberschaft der PRD zurückzuführen seien. Dagegen stehe unzweifelhaft fest, daß offizielle Stellen einschließlich des Sicherheitsapparates zu den Gewaltsamkeiten beigetragen haben. Die Stürmung des Parteibüros war „kriminell“, erklärte Kommissionsmitglied Lopa. „Alle Beteiligten müssen dazu vernommen werden, einschließlich Soerjadi“, so Lopa weiter. Es sei unverständlich, daß von den 124 Angeklagten, die sich seit Anfang Oktober vor Gericht verantworten müssen, kein einziger befinde, der zur Fraktion Soerjadis gehörte. /Kompas, 13.10.96/

Die scharfe Kritik der Menschenrechtskommission wirft einmal mehr die Frage auf, wie lange der angeschlagene Präsident Suharto den harten Kurs gegen sein eigenes Volk noch durchhalten kann. Die Brutalität, mit der Suharto die Opposition mundtot macht, ist in Wirklichkeit ein Zeichen der Schwäche. Nach mehr als 30 Jahren an der Macht hat Suharto keine anderen Mittel zur Wahl, als seine Herrschaft durch Militärgewalt, Schießbefehl und Massenverhaftungen abzusichern. In den USA, die Suharto einst mit an die Macht verholfen hatten und sich damit in den Jahren des kalten Krieges einen treuen Partner im Kampf gegen den Kommunismus sowie einen verläßlichen Geschäftspartner sicherten, ruft die neuerliche Hatz auf angebliche Kommunisten nur noch Befremden aus. Auch das Europäische Parlament verabschiedete eine Erklärung, in der sie die Ereignisse seit Ende Juli scharf verurteilte /EP, 19.9.96/. Nur vom Auswärtigen Amt in Bonn war bis heute keinerlei Stellungnahme zu bekommen. Bundeskanzler Kohl, der seinem Männerfreund Suharto bei dessen Krankenhausaufenthalt in Bad Oeynhausen im Juli einen privaten Besuch abgestattet hatte, hielt unbeirrt an seinem Vorhaben fest, Ende Oktober in Begleitung einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation den Diktator mit einem Staatsbesuch zu beehren. Kohl war der erste hochrangige Staatsgast sein, der nach dem „schwarzen Samstag“ Indonesien besuchte. Selbstverständlich wurden im Rahmen des Besuchsprogramms auch die Menschenrechte angesprochen. <>

 
 

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