Indonesien-Information Nr. 2 1996 (Demokratie)

 

Sri-Bintang Pamungkas in zweiter Instanz verurteilt


Das Verwaltungsgericht in Jakarta (PTUN) hat das am 8. Mai 1996 in erster Instanz verhängte Urteil gegen Dr. Sri-Bintang Pamungkas bestätigt. Demnach muß der seines Amtes enthobene frühere Parlamentarier möglicherweise schon in Kürze eine 34monatige Haftstrafe antreten. Das Gericht weist allerdings darauf hin, daß Sri-Bintang Pamungkas binnen 14 Tagen beim Obersten Gerichtshof (Mahkamah Agung) erneut Berufung gegen das Urteil einlegen kann.

Die dem Verurteilten erst Mitte November zugestellte Ausfertigung des Verwaltungsgerichtsurteils, das bereits am 29. August diesen Jahres gefällt wurde, trägt das Datum vom 24. Oktober 1996. Damit bestätigte sich die von Watch Indonesia! am 22. Oktober 1996 unter Berufung auf gut informierte Kreise verbreitete Meldung, daß die Bekanntgabe des Urteils erst nach Abschluß des Staatsbesuches von Bundeskanzler Kohl erfolgen solle. Kohl war vom 26. bis 28. Oktober in Indonesien.

Das in erster Instanz zuständige staatliche Gericht hatte es als erwiesen angesehen, daß der indonesische Oppositionelle und frühere Parlamentsabgeordnete während eines Vortrages am 9. April 1995 an der TU Berlin „beleidigende Äußerungen gegen das Staatsoberhaupt, Präsident Suharto“ gemacht hat. Mit dem Urteil zu 34 Monaten Haft blieb das Gericht nur unwesentlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die 4 Jahre Freiheitsentzug gefordert hatte. Als strafverschärfend wertete das Gericht die Tatsache, daß Sri-Bintang sich nicht geständig gezeigt habe und keine Reue zeigte. Als strafmindernd wurde gewertet, daß Sri-Bintang Pamungkas nicht vorbestraft ist. Der ursprünglich erhobene Vorwurf der Anklagebehörde, Sri-Bintang habe im Rahmen von Protestaktionen gegen Indonesiens Teilnahme an der Hannovermesse an zwei Demonstrationen gegen Präsident Suharto in Deutschland mitgewirkt, war nicht haltbar gewesen.

Die Urteilsverkündung am 8. Mai war von turbulenten Szenen im Gerichtssaal begleitet. Der Student Ignatius Pujianto war so entsetzt über das ungerechte Urteil, daß er seine Emotionen nicht mehr unter Kontrolle hatte. Als das Urteil verlesen wurde, warf er aus dem Zuschauerraum mit einem Schuh nach dem Richter. Wegen dieser Tat muß Ignatius Pujianto nun selbst für einige Monate hinter Gitter. /Republika, 9.5.96/

Trotz seiner Verurteilung befindet sich Sri-Bintang Pamungkas bis zum Abschluß des Berufungsverfahrens noch auf freiem Fuß. Dieses unübliche Entgegenkommen der Justizbehörden ist in erster Linie der Tatsache geschuldet, daß sich weltweit Stimmen der Empörung über den ungerechten Prozeß zu Wort meldeten. Das Europaparlament forderte in einer Resolution vom 19. Juni 1996 die indonesischen Behörden auf, die Anklage gegen Dr. Sri-Bintang Pamungkas fallenzulassen, die Strafe aufzuheben und ihn zu rehabilitieren. Im selben Sinne äußerte sich zum wiederholten Male die Inter-Parliamentary Union (IPU) in einer auf ihrer letzten Tagung in Peking am 21. September 1996 verabschiedeten Resolution.

Auch deutsche Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien hatten seit Aufnahme der Ermittlungen im April letzten Jahres gegenüber der indonesischen Regierung wiederholt ihr Unverständnis gegen die Verfolgung von Dr. Sri-Bintang Pamungkas geäußert. Den Anfang hatte Hannovers OB Herbert Schmalstieg (SPD) gemacht, der Präsident Suharto eine Woche zuvor als Gastgeber der Hannovermesse empfangen hatte. In einem offenen Brief machte Schmalstieg darauf aufmerksam, daß das Recht auf freie Meinungsäußerung in Deutschland Verfassungsrang habe und hierzulande keinerlei Verständnis für die Verfolgung von Dr. Sri-Bintang Pamungkas zu erwarten sei.

Anders als Schmalstieg verweigerte Bundeskanzler Helmut Kohl, der Suharto im Rahmen der Hannovermesse ebenfalls zu Gesprächen empfangen hatte, bis heute jegliche klare Stellungnahme zu dem Prozeß. Bundeskanzler Kohl sieht sich dem alternden Diktator Suharto freundschaftlich verbunden. Im Juni 1996 stattete Kohl dem Präsidenten anläßlich eines Krankenhausaufenthaltes im deutschen Bad Oeynhausen einen privaten Besuch ab. Auch die ersten beiden Tage seiner kürzlichen Indonesienreise widmete der Bundeskanzler einem privaten Besuch Suhartos. Im Vordergrund des anschließenden offiziellen Staatsbesuches standen die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder.

Kohl überlies es zwei mitreisenden Bundestagsabgeordneten, sich im Gespräch mit Sri-Bintang Pamungkas über den Prozeßverlauf zu informieren. Dabei machte Sri-Bintang deutlich, daß der Prozeß grundlegende Regeln der Rechtsstaatlichkeit verletzt hatte. Wie berichtet (s. Indonesien-Information 1/96) waren u.a. Belastungszeugen aus Berlin auf Kosten der Staatsanwaltschaft mehrfach nach Jakarta eingeflogen worden, während das Erscheinen einiger Entlastungszeugen massiv behindert wurde. Im August reichte Sri-Bintang Pamungkas Klage gegen die Verlängerung seiner Ausreisesperre um ein weiteres Jahr ein und setzte damit die Serie der Gegenklagen fort, mit denen er sich gegen die Vielzahl der Manipulationen seines Prozesses zur Wehr zu setzen versucht /Indonesia Times, 22.8.96/.

Sri-Bintang Pamungkas nahm die ihm durch den Strafprozeß zugewachsene Popularität zum Anlaß, sich mit spektakulären Schritten für die Demokratisierung Indonesiens einzusetzen. Am 29. Mai 1996, nur drei Wochen nach seiner erstinstanzlichen Verurteilung gründete er eine eigene politische Partei, PUDI (Partai Uni Demokrasi Indonesia), um ein Zeichen zu setzen gegen die Beschränkung der Parteienlandschaft auf nur drei zugelassene Parteien. In Vorstand und Präsidium von PUDI finden sich eine Reihe bekannter Menschenrechtler aller Altersgruppen wieder, darunter H.J.C. Princen, Julius Usman, Beathor Soerjadi, Saleh Abdullah und andere.

Die Reaktionen auf die Gründung der neuen Partei waren unterschiedlich. Während beispielsweise der Gouverneur von West-Java die Auffassung vertrat, PUDI habe auf Grundlage des geltenden Parteiengesetzes keine Existenzberechtigung, erläuterte der bekannte Anwalt und Menschenrechtler Abdul Hakim Garuda Nusantara, Parteigründungen seien durchaus erlaubt, lediglich zu den Wahlen seien nur drei Parteien zugelassen /Kompas, 1.6.96/.

Streit um die Existenzberechtigung von PUDI. Einige, z.B. der Goeverneurvon West-Java, meinen, es sei gegen das Gesetz, neue Parteien zu gründen. Abdul Hakim erläuterte, Parteigründungen seien erlaubt, lediglich an Wahlen dürfen sie nicht teilnehmen /Kompas, 1.6.96/. Diese Meinung vertritt auch der frühere Innenminister Rudini /Media Indonesia, 3.6.96/.

Sri-Bintang Pamungkas selbst erklärte daraufhin, PUDI beabsichtige nicht, an den kommenden Parlamentswahlen teilzunehmen. Unter dem derzeit gültigen Wahlgesetz hätten Parteien, die nicht der Staatspartei GOLKAR oder den Streitkräften (ABRI) nahestünden, sowieso keine Chance. PUDI sei als Sammelbecken aller Kräfte gedacht, die nach demokratischen Veränderungen streben. PUDI versteht sich als Oppositionspartei. In einem politischen System, in dem bislang schon der Begriff 'Opposition' tabu war, dient die Gründung von PUDI somit vor allem dazu, den Anspruch auf ungehinderte Betätigung in politischen Parteien zu unterstreichen. In ihrem Parteiprogramm erläutert PUDI in sieben Kapiteln die wichtigsten Reformen zu Fragen der Innen-, Wirtschafts-, Finanz-, Sozial-, Erziehungs-, Außen- und Sicherheitspolitik. Die Partei ist sich sehr wohl darüber bewußt ist, noch meilenweit von der Möglichkeit einer Realisierung dieser Ideen entfernt zu sein. Somit liegt der eigentliche Wert dieses Parteiprogramms darin, eine Grundlage für eine nach vorne gewandte Diskussion der indonesischen Politik zu bilden. Es bleibt zu hoffen, daß andere demokratische Kräfte das Angebot wahrnehmen, sich über die Leitlinien der politischen Zukunft Indonesiens zu unterhalten. Das einigende Moment der Opposition war in der Vergangenheit die Ablehnung des Suharto-Regimes. Nun ist es an der Zeit, sich Gedanken über die gemeinsame Zukunft in der Zeit nach Suharto zu machen.

Ähnliche Motive waren für Sri-Bintang Pamungkas ausschlaggebend, als er die Medien mit einem weiteren spektakulären Schritt überraschte. Am 10. Oktober erklärte er sich zum Präsidentschaftskandidaten, um so gegen die sich immer wiederholende Alleinkandidatur Präsident Suhartos zu protestieren. Als Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten stellte Sri-Bintang seinen Parteifreund Julius Usman vor. Sri-Bintang Pamungkas weiß, daß er nicht den Hauch einer Chance hat, tatsächlich zum Präsidenten gewählt zu werden, denn 60 % der stimmberechtigten Wahlmänner und -frauen in der Volksversammlung (MPR) sind vom amtierenden Präsidenten Suharto persönlich ernannt. Nur 40 % der „Volks-“vertreterInnen (in Zukunft 42,5 %) sind vom Volk gewählt. Sri-Bintang Pamungkas verbindet daher mit seiner Kandidatur die Forderung nach einer direkten Wahl des Präsidenten durch das indonesische Volk. /SiaR, 11.10.96/

Zunächst aber wird Sri-Bintang Pamungkas wahrscheinlich „im Namen des Volkes“ für 2 Jahre und 10 Monate hinter Gittern verschwinden. <>
 

 
 

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