Indonesien-Information, Nr. 2/1995 (Umwelt)

 

Reiseziel Indorayon: Die Attraktion am Toba-See


Der Toba-See in Nord-Sumatra ist eines der beliebtesten Reiseziele in Indonesien. Tausende von Touristen kommen jedes Jahr hierher, um die Schönheit der Natur zu genießen und die einzigartige Kultur des Batak-Volkes zu bewundern. Beschaulich und ruhig scheint es hier zuzugehen, nur an wenigen Stellen werden die Toristen an die Hektik erinnert, der sie andernorts in Indonesien begegneten. Der verschlafene Busbahnhof von Prapat wird für kurze Zeit zu einem solchen Ort, wenn gerade ein Reisebus aus der Provinzhauptstadt Medan ankommt, der Hafen, wo die Schiffe zur Insel Samosir ablegen, ist ein anderer, und natürlich die wie Pilze aus dem Boden schießenden Souvenirshops, an denen geschnitzte Holzfiguren, kitschige Ölgemälde, Batik und "Antiquitäten" verkauft werden. Wenn gerade Markttag ist, gehört auch der örtliche Pasar zu den Orten, die kaum ein Tourist ausläßt. Die Videokamera ständig im Anschlag, wühlen sich die Touristen durch die Menge. Mit leichtem Gruselgefühl suchen sie unter anderem nach Hundefleisch, das hier im Angebot sein soll. Dabei spielt im Gegensatz zu Batiktüchern der Preis keine Rolle, denn kaufen wollen die Touristen das Hundefleisch nicht, nur filmen. Schade eigentlich, daß die Batak nicht mehr wie früher auch Menschen verspeisen... Abenteuerurlaub im Neckermann-Zeitalter.

Das angenehme Höhenklima lädt zu Spaziergängen ein und ein Bad im kühlen Naß des Toba-Sees belebt die Geister, bevor abends in irgendeiner Toristenkaschemme das erste Bir Bintang geköpft wird oder man sich am Toddy, dem lokalen Palmwein versucht. Die Traveller tauschen Tips aus, wo man was am billigsten kaufen kann, wie man da und dort am günstigsten hinkommt und wo man in anderen Orten am besten übernachten kann. Die meisten sind sich darüber einig, daß die Provinzhauptstadt Medan, von der aus sie zum Toba-See aufgebrochen sind, ein Dreckloch ist, sie wetteifern um die Länge von Kakerlaken und die Höhe von Müllbergen, die sie dort gesehen haben. Nur etwas mehr als drei Stunden ist diese Millionenstadt mit all ihren Umweltproblemen entfernt - und doch so weit weg. Nein, hier am Toba-See ist die Welt noch in Ordnung, die alte Kultur noch lebendig und die Umwelt intakt.

Wirklich? Wäre da nicht die Sprachbarriere und die wegen der kulturellen Verschiedenheit bedingte Distanz zwischen Einheimischen und Touristen, so könnten die Fremden auch die Meinung der Batak selbst erfragen. Und wären da nicht die Angst vor drohenden Repressalien und die Angst, sich durch ein allzu offenes Wort, das Geschäft mit dem Tourismus zu verderben, so könnten diese wohl einiges erzählen. Denn der Toba-See ist alles andere als ein Stück unberührter Natur. Die kahlen Berghänge beispielsweise, die steil zum Seeufer hin abfallen, waren früher dicht bewaldet. Das Holz für die von den Touristen so geliebten Schnitzarbeiten stammte früher aus diesen Wäldern. Heute sind viele Holzschnitzer dazu gezwungen, dieses Holz aus Holzkonzessionen zu stehlen, denn ihr eigener Wald existiert nicht mehr.

"Die schönen Batak-Häuser auf der Insel Samosir, sie haben Euch gefallen? Ja, solche Häuser gab es früher auch in Bulu Silape, nicht weit von hier. Sie wurden durch einen Erdrutsch zerstört, wegen der Straße, die Indorayon gebaut hat. Seit die Industrie in Porsea existiert, sinkt auch der Wasserspiegel des Sees immer weiter ab. Aber wenigstens ist das Wasser hier noch sauber. Drüben am Fluß Asahan ist das Wasser schon völlig verseucht." Solche oder ähnliche Erzählungen könnten die Touristen zu hören bekommen - wenn sie könnten. Und möglicherweise würden sie interessiert auf das Gespräch eingehen: "Indorayon? Porsea? Asahan? Ich verstehe Bahnhof. Aber sag mal, ist es wahr, daß Ihr früher Menschen gefressen habt? Und kannst Du uns vielleicht sagen, wo man am besten Tickets für den Bus nach Bukittinggi kauft?"

 
Die Industrialisierung bedroht ein Touristenparadies

Porsea, am südöstlichen Ende des Toba-Sees. Hier hat der See seinen einzigen natürlichen Abfluß, den Fluß Asahan. Nur wenige Kilometer von der scheinbaren Touristenidylle um Prapat und Samosir entfernt, hat sich in Porsea ein Industriekomplex niedergelassen, der das gesamte Leben in der Region veränderte: das Asahan-Wasserkraftwerk, das Aluminiumwerk Indoalum und vor allem die Papier- und Zellstoffabrik PT Inti Indorayon Utama.

Begonnen hatte alles 1975 mit dem Bau des Asahan-Staudammes. Das 2-Milliarden-Dollarprojekt wurde mit Mitteln der Asian Development Bank und der JICA, dem japanischen Gegenstück zur deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), finanziert. Der Damm sollte als Ersatz für ein gleichartiges Projekt herhalten, das im japanischen Okinawa wegen zu hoher Umweltrisiken abgelehnt worden war. Noch heute warten die ehemaligen Landbesitzer auf eine gerechte Entschädigung für den Baugrund, den sie hatten abgeben müssen. Die 500 MW Energie, die das Asahan-Kraftwerk liefert, werden in erster Linie für den Betrieb der zur gleichen Zeit gebauten stromfressenden Aluminiumschmelze Indoalum benötigt. Indoalum und die später am selben Ort gebaute Papierfabrik Indorayon verbrauchen zusammen 80 % des in Asahan produzierten Stromes. Die restlichen 20 % decken die Stromversorgung der Haushalte in der Region.

Die enorme Stromproduktion des Wasserkraftwerkes läßt mehr Wasser abfließen als natürlicherweise nachläuft. Künstlich wird nachgeholfen, und so sinkt der Wasserspiegel des Sees langsam. immer weiter ab.

Kaum ein Tourist in Prapat weiß von der Existenz des nahen Mega-Kraftwerkes. Dabei begegnen Touristen dem Kraftwerk auf Schritt und Tritt: Eine Abbildung des Kraftwerkes ziert die 100-Rupiah-Note, die wahrscheinlich am häufigsten benutzte Zahlungseinheit in Indonesien.
 

Die Zellstoffabrik Indorayon

Die Raja Garuda Mas Group, ein 30 Firmen umfassendes Konglomerat, erhielt 1983 trotz Bedenken des damaligen indonesischen Umweltministers Emil Salim, die Lizenz zum Bau des Papier- und Zellstoffwerkes PT Inti Indorayon Utama. Raja Garuda Mas, heute das größte von 12 führenden Konglomeraten im Papier- und Zellstoffbereich, ist in Besitz von Sukanto Tanoto, der in den 70er Jahren durch die Ausbeutung von Wäldern in Aceh, Nordsumatra, reich geworden war. Sukanto Tanoto ist auch Exportdirektor des indonesischen Sperrholzindustrieverbandes.

Mit dem Indorayon-Projekt wurde das Ziel verfolgt, eine Verlagerung des Exports von Rohhölzern hin zum Export von höherwertigen Vor- und Endprodukten zu erreichen. Damit befand es sich in Einklang mit der nationalen Entwicklungsstrategie und erhielt Unterstützung aus höchsten Regierungskreisen. Doch auch über die Landesgrenzen hinweg war das Interesse an Indorayon groß. Die Planung der Fabrikanlagen und die Ausrüstung mit Maschinen wurde von kanadischen, finnischen und norwegischen Firmen vorgenommen. Finanziert wurde das Werk mit Krediten eines internationalen Bankenkonsortiums.

1988 ging Indorayon in den Probebetrieb, ein Jahr später wurde bereits die volle Produktion aufgenommen. 1992 wurde in einer zweiten Ausbaustufe die Produktionskapazität von jährlich 165.000 t Zellstoff auf 220.000 t gesteigert. Darüberhinaus stellt Indorayon seither auch 54.000 t Viskose pro Jahr her, die als Ersatzstoff für Baumwolle in der indonesischen Textilindustrie Abnehmer findet.

Indorayon brüstet sich, weltweit den billigsten Zellstoff zu produzieren. Ein Vertreter der Firma sagte 1990: "Unsere Produktionskosten sind weltweit die niedrigsten und die zur Verfügung stehenden Rohstoffmengen sind groß genug, um unsere Produktion für einen langen Zeitraum sicherzustellen." Tatsächlich kostete eine Tonne Zellstoff bei Indorayon 1990 nur US$ 226, während dafür beispielsweise in Schweden US$ 485 bezahlt werden mußten.
 

Kahlschlag in geschützten Wäldern

Pro Jahr werden bei Indorayon 1 mio t Holz verarbeitet. Lastwagen, ein jeder mit 10-15 t Holz beladen, fahren im 5-Minuten-Takt rund um die Uhr zur Fabrik. Die Rohstoffversorgung stützte sich zunächst auf 25.000 ha Wald im Besitz der Firma selbst. Darüberhinaus konnte sich Indorayon aber eine Konzession über mehr als 150.000 ha in den Regionen Sibatuloting und Harionboho, in unmittelbarer Nähe des Toba-Sees, sichern. 86.000 ha dieser Fläche bestehen aus Kiefernforst. Die in Sumatra nicht heimischen Kiefern waren noch zur Zeit der holländischen Kolonialherrschaft gepflanzt worden, was bereits damals einen empfindlichen Eingriff in die Natur bedeutete. Dennoch ist ein Teil dieser Kiefernforste wichtig für den Wasserhaushalt der Region. Die Asian Development Bank hatte daher in Zusammenhang mit einem Bewässerungsprojekt in den 80er Jahren sogar vorgeschlagen, diese Waldflächen auszuweiten.

Die Vernichtung des Waldbestandes durch Indorayon führt nun zur Austrocknung ehemals ertragreicher Naßreisanbauflächen. Auch sogenannter Schutzwald und Wälder, die nur zum selektiven Einschlag freigegeben sind, werden rücksichtslos kahlgeschlagen. Jeden Tag wird eine Fläche von 40 ha entwaldet. Alleine auf der Touristeninsel Samosir sind 50 LKW im Einsatz, die Tag für Tag 500-750 t Holz abtransportieren.
 

Wiederaufforstung: Eukalyptus-Monokulturen

Die kahlgeschlagenen Flächen sollen mit Eukalyptusbäumen wiederaufgeforstet werden. Eukalyptus wächst schnell, die Stämme können bereits nach ca. 7 Jahren industriell genutzt werden. Doch ökologisch gesehen passen Eukalyptusbäume noch weniger als Kiefern in das vorhandene Artenspektrum Nordsumatras.

Aus Wiederaufforstungsprojekten in Thailand und Indien ist längst bekannt, welch schwerwiegende ökologische Schäden durch Eukalyptus-Monokulturen entstehen können. Nun sind die Folgen auch am Toba-See zu spüren. Eukalyptus macht die Böden hart und unfruchtbar. Der im Vergleich zu den artenreichen Urwäldern geringe Bewuchs der Monokulturen führt zur Austrocknung und veränderte bereits das Mikroklima. Auch die von Touristen vielbesuchte Insel Samosir ist davon betroffen. Früher sprudelten 5 Trinkwasserquellen auf der Insel, zwei davon sind inzwischen versiegt. Ein Wasserfall über dem Touristenort Ambarita ist heute nur noch während der Regenzeit zu bewundern, während er früher das ganze Jahr hindurch Touristen anlockte. Durch die Austrocknug steigt die Gefahr von Waldbränden. Der einzige Trost: Ökologischen Schaden können die Waldbrände kaum mehr anrichten, denn die Eukalyptus-Plantagen sind schon per se eine ökologische Katastrophe.

Die Anwohner rund um den Toba-See wissen von diesen Gefahren. Sie wehrten sich mit allen Mitteln gegen die Anpflanzung von Eukalyptus. Im Februar 1990 wurden 10 Frauen aus dem Dorf Sugapa zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie tausende von frischgepflanzten Eukalyptus-Setzlingen entwurzelt hatten. Erst nachdem 600 Leute eine Petition einreichten, in der sie den Freispruch der Frauen forderten, setzte das Oberste Gericht der Provinz die Strafe zur Bewährung aus.
 

Verletzung von Landrechten

Der Widerstand, den die Batak gegen Indorayon leisteten, war allerdings nicht nur ökologisch begründet, sondern hatte seine Ursache auch in der Mißachtung ihrer Landrechte. Weder machte Indorayon davor halt, alte Friedhöfe in Plantagen umzuwandeln, noch wurden den Bauern faire Entschädigungen für ihr Land bezahlt, das sie an Indorayon abgeben mußten. In Sianjur beispielsweise erstand Indorayon 500 ha Land zur Anlage von Eukalyptuspflanzungen. Den Batak wurden für den Verlust ihrer Anbauflächen Rp. 500 mio (damals etwa DM 500.000) Entschädigung bezahlt - 1 Rupiah pro Quadratmeter! (1 Rp. 0,1 Pfennige) Unter Indonesiens zahlreichen Fällen von Landrechtsstreitigkeiten gibt es keinen zweiten, bei dem derartig geringe Entschädigungen gezahlt wurden.

Auch die Wälder auf der Insel Samosir, die früher im Gemeinbesitz der dort lebenden Batak waren, gehören nun der Firma Indorayon. Den Bewohnern der Insel ist es seither streng verboten, dort Holz zu sammeln. Das bedeutet, daß die Leute nun gezwungen sind, ihr Feuerholz, aber auch das Holz für die von Touristen so geschätzte Schnitzkunst der Batak, aus diesen Wäldern zu "stehlen". Tausende von Touristen kaufen somit - ohne es freilich zu wissen - Diebesgut.
 

Dörfer von Erdrutschen begraben

Die Wälder, die früher die steilen Hänge rings um den Toba-See bedeckten, dienten als natürlicher Schutz gegen Erosion. Durch die Abholzung ging diese Funktion verloren. Doch Indorayon vernichtete nicht nur die Wälder, sondern legte auch neue Straßen zum besseren Abtransport des Holzes an. Die Bewohner warnten vor den Gefahren, die dem Gelände durch Erdarbeiten und die von schweren Lastwagen verursachten Erschütterungen drohten. Vergebens versuchten sie die Zufahrt zu einer besonders gefährlichen Stelle zu blockieren, an der Indorayon Erdreich zum Straßenbau abgraben wollte. Es kam, wie es kommen mußte. Heftige Regenfälle im November 1989 verursachten an genau dieser Stelle einen Erdrutsch, der fünf traditionelle Batak-Häuser im Dorf Bulu Silape - drei der Häuser waren über 100 Jahre alt - und 30 ha Reisfelder unter sich begrub. 13 Menschen kamen dabei ums Leben. Das Forstministerium ordnete daraufhin die Umsiedlung der überlebenden Dorfbewohner an einen weniger gefährdeten Ort an und Indorayon spendete großherzig ein wenig Sperrholz und Wellblech zum Bau neuer Häuser. Bereits ein Jahr zuvor, im Februar 1988, wurden 9 Menschen in Siabu durch einen Erdrutsch getötet.
 

Verschmutzte Gewässer und verpestete Luft

Früher war das Wasser im Asahan-Fluß klar und konnte nach Abkochen von den Anwohnern gefahrlos als Trinkwasser verwendet werden. Seit Indorayon den Betrieb aufnahm, hat das Wasser des Asahan eine schwärzliche Färbung und stinkt. Leute, die darin badeten, klagten über Hautreizungen. Doch nicht nur das Wasser im Fluß selbst, sondern auch die Brunnen in der Umgebung, die von Grundwasser gespeist werden, sind seither verseucht. Die Leute müssen nun weite Wege auf sich nehmen, um sauberes Wasser zu finden. Fischer klagen darüber, daß sie die wenigen Fische, die sie noch fangen, nicht verkaufen können, da die Leute Angst vor Kontaminationen haben. Und nicht nur Anwohner, sondern auch die Beschäftigten im Werk selbst, leiden unter dem fauligen Gestank der Tag und Nacht über der Fabrik liegt.

Papier- und Zellstoffabriken sind weltweit für ihren hohen Verbrauch an Frischwasser und ihre besonders problematischen Abwässer bekannt. Doch die bei Indorayon anzutreffende Kombination aus veralteten Produktionsverfahren, riesigen Produktionsmengen und vernachlässigter Abwasserreinigung hat inzwischen Seltenheitswert.

Produziert wird bei Indorayon nach dem sogenannten Sulfatverfahren, bei dem Holzschnitzel mittels Natronlauge und Natriumsulfid aufgeschlossen werden. In Deutschland ist dieses Verfahren wegen der damit verbundenen Geruchsbelästigung durch freiwerdenden Schwefelwasserstoff, einem übelriechenden und hochgiftigen Gas, nicht mehr üblich, ist aber weltweit das am meisten verbreitete Verfahren. Seine Vorteile liegen auf der Hand, denn zum einen kann mit dem Sulfatverfahren reißfesteres Papier, sogenanntes Kraft-Papier, hergestellt werden, zum anderen können auch besonders harzreiche Nadelhölzer als Rohstoff verwendet werden - ein besonders für Indorayon mit seinen riesigen Kiefernforsten bedeutender Aspekt.

Nachteilig ist jedoch, neben der bereits erwähnten Geruchsbelästigung, daß mit dem Sulfatverfahren ein sehr geringer Weißgrad des Papiers erreicht wird, sodaß höhere Anforderungen an die nachfolgende Bleiche gestellt werden. Diese Anforderungen sind fast nur mit der besonders umweltbedenklichen Chlorbleiche zu erfüllen. Dabei entstehen mehr als 250 verschiedene chemische Substanzen, darunter extrem fischgiftige Organochlorverbindungen und krebserregende Dioxine, die sich allesamt im Abwasser wiederfinden.

Kraft-Papiere werden auch in Deutschland in großen Mengen nachgefragt, um beispielsweise Packpapier, Papiersäcke und Kartons herzustellen. Der "Verzicht" auf das umweltbedenkliche Sulfatverfahren hierzulande bedeutet daher eine Verlagerung der Produktion ins Ausland. Mehr als 80 % der deutschen Papierimporte entfallen auf Sulfatzellstoff. Das Entsetzen über die Umweltverschmutzung durch Indorayon muß daher gekoppelt sein mit dem Überdenken unserer eigenen Konsumgewohnheiten - und den Preisen, die wir dafür zu zahlen bereit sind.

Das hochbelastete Abwasser aus der Papierfabrik Indorayon gefährdet nicht nur die Gesundheit der Menschen und die Fische im Asahan, sondern auch andere Industriebetriebe. Die Turbinen in dem nur 1,5 km flußabwärts gelegenen Wasserkraftwerk leiden ebenso unter dem stark sauren Abwasser wie die Kühlkreisläufe des Aluminiumwerks. Deren Beeinträchtigung ist ein fast schon glücklich zu nennender Umstand, denn nur so kann der notwendige Druck auf Indorayon erzielt werden, es ein wenig ernster mit dem Umweltschutz zu nehmen. Die Klagen der einfachen Leute und die Kritik von Umweltverbänden reichen dazu nicht aus.

Die meiste Zeit seit Inbetriebnahme der Fabrik wurden die Abwässer völlig ungereinigt in den Asahan eingeleitet. Ein Belüftungsteich, der zur Reinigung des Abwassers dienen 3 sollte, ist bereits 1988, also noch während des Probebetriebes, geborsten. 375.000 m giftiger Abwässer überfluteten daraufhin die Umgebung und spülten einige Häuser weg. Von den Aufsichtsbehörden gesetzte Fristen zur Reparatur des Abwasserbeckens wurden bis 1993 immer wieder verschoben. Am 2. März 1994 platzte in der Anlage erneut ein Abwasserrohr. Wieder ergossen sich riesige Mengen Abwassers über die Umgebung, zerstörten eine Brücke und zahlreiche Reisfelder /Jeram, März 1994/. Und in den kurzen Zeiträumen, in denen die Abwasserreinigung prinzipiell funktionsfähig war, versagte meist die künstliche Belüftung der Becken. Doch selbst wenn die Anlage zuverlässig arbeiten würde, wäre diese Abwasserbehandlungstechnik keineswegs ausreichend, um ein Problemabwasser, wie das aus der Papierproduktion, angemessen zu reinigen.

In einer 1990 verbreiteten Anzeigenserie erklärte Indorayon: "Ein anderer von uns benötigter Rohstoff ist Wasser. Aber nur klares, sauberes Wasser erfüllt diesen Zweck. Deshalb geben wir, was wir benötigen, sorgsam im selben unverschmutzten Zustand an seinen Ursprung zurück. Um Verunreinigungen zu verhindern, kommen bei uns nur die modernsten Anlagen nach Stand der Technik zur Anwendung. Unser Werk ist eine Kombination aus den besten Komponenten der weltweit modernsten Papierfabriken." In Wirklichkeit entspricht der Stand der Technik jener in Kanada, Schweden und Finnland von vor 30 Jahren.
 

Explosionen

Am 5. November 1993 geriet Indorayon erneut wegen gefährlicher Umweltverschmutzung in die Schlagzeilen. Der Anlaß war die Explosion eines Chlorgastanks auf dem Firmen~ gelände. Chlorgas wird zur Bleiche von Papier und Zellstoff sowie im Prozeß der Viskoseherstellung verwendet. 18.000 t Chlor werden bei Indorayon jährlich verbraucht.

Kurz nach der Explosion war zu sehen, wie eine weiße Chlorgaswolke über dem Gelände lag und sich langsam in Richtung auf ein nur 50 m entferntes Wohngebiet ausbreitete. In der Fabrik ertönte eine Sirene und die Beschäftigten des Werkes nahmen ebenso rasch die Flucht auf wie die Anwohner der benachbarten Siedlung. Indorayon leistete keinerlei Hilfestellung bei der Evakuierung der Leute, im Gegenteil versuchten Vertreter der Firma, Gasmasken tragend, die Anwohner zu beschwichtigen, es bestehe keinerlei Gefahr. Überhaupt sei Chlorgas völlig ungefährlich... Der Tod von zahlreichen Wasserbüffeln und Schweinen strafte die Firmenvertreter Lügen.

Die Anwohner zeigten sich erzürnt über den Störfall und die verlogenen Beschwichtigungsversuche der Firmenleitung. Spät in der Nacht, nachdem die akute Gefahr verflogen war, versammelten sich ca. 2.000 Menschen zu einer Demonstration vor dem Firmengelände. Sie forderten die Einstellung der Produktion und eine plausible Erklärung über den Störfall des vergangenen Tages. Gegen Morgen waren einige des Wartens auf eine Reaktion überdrüssig und stürmten das Firmengelände. Sie legten Feuer in den Unterkünften der Belegschaft und zerstörten Autos, Motorräder und anderen Firmenbesitz. 125 Gebäude wurden in Schutt und Asche gelegt, der Gesamtschaden betrug US$ 2,4 mio. Vier der Beteiligten wurden später wegen Brandstiftung vor Gericht gestellt.

An den beiden folgenden Tagen sperrten Militäreinheiten das Gebiet weiträumig ab, um Journalisten vom Ort des Geschehens fernzuhalten. Die Anwohner reagierten ihrerseits mit einer Straßenblockade, um Holzlaster an der Einfahrt zur Fabrik zu hindern.

Für nur wenige Tage mußte Indorayon den Betrieb einstellen. Industrieminister Tunky Ariwibowo erteilte die Genehmigung zur Wiederaufnahme der Produktion ab dem 12. November 1993. Allerdings machte er Indorayon zur Auflage, sich einem Öko-Audit - eine Beurteilung sämtlicher umweltrelevanter Aspekte durch unabhängige Sachverständige - zu stellen und beauftragte die Umweltbehörde BAPEDAL, entsprechende Gutachter zu bestellen. /Down To Earth, No. 22, Dec. 1993/
 

Juristische Schritte

Schon im Planungsstadium stieß Indorayon auf lautstarke Kritik von Umweltorganisationen und betroffenen Anwohnern. Auch der ehemalige Umweltminister Emil Salim und Vertreter des Asahan-Wasserkraftwerkes hatten Einwände gegen die Planung der Fabrik geltend gemacht, mußten sich aber mit kleinen Schritten des Entgegenkommens zufriedengeben.

Im Dezember 1988, kurz nachdem das Abwasserbecken geborsten war, verklagte die Umweltorganisation WALHI Indorayon sowie verschiedene an der Genehmigung beteiligte Ministerien und Behörden vor Gericht, da die Fabrik in Betrieb gegangen war, ohne daß eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt worden war. WALHI verlor den Prozeß. Als Begründung hieß es, daß zwar zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Fabrik tatsächlich eine UVP hätte durchgeführt werden müssen, zum Zeitpunkt der behördlichen Genehmigung aber das indonesische UVP-Gesetz (AMDAL) noch nicht inkraftgetreten war. Insofern habe man sich mit einer UVP, die von dem Unternehmen selbst angefertigt worden war zufriedengegeben. WALHI bemängelte, daß diese UVP nicht von unabhängigen Gutachtern durchgeführt wurde und nur die Aktivitäten der Fabrik selbst behandelte, den damit verbundenen Holzeinschlag und die Anlage von Monokulturen aber unberücksichtigt ließ.

Eine Klage der betroffenen Anwohner selbst schlug ebenfalls fehl. Stattdessen wurde den Leuten mit Konsequenzen gedroht, falls sie die Klage aufrechterhalten wollten, zum anderen bot man ihnen eine Anstellung bei Indorayon und Geld an, für den Fall, daß sie die Klage fallen ließen. Auch die Batak-Kirche, die den Leuten Beistand geleistet hatte, wurde von der Regierung unter Druck gesetzt und einer lokalen Nichtregierungsorganisation, die gegen Indorayon aktiv geworden war, wurden vorübergehend sämtliche Aktivitäten untersagt.

Nach dem Vorfall von 1993, als das Platzen eines Abwasserrohrs erhebliche Umweltschäden verursacht hatte, begutachteten Vertreter der Umweltbehörde BAPEDAL und der Genehmigungsbehörde BKPM die Fabrik. Sarwono Kusumaatmadja, der neue Umweltminister, war empört über die Ergebnisse dieser Besichtigung. Er drohte mit der vorübergehenden Schließung des Werkes, für den Fall, daß das Abwasserproblem nicht bald befriedigend gelöst sei. Es passierte jedoch erstmal nichts, bis dann nach der Explosion des Chlorgastanks im Frühjahr 1994 auch Minister Sarwonos Geduld offenbar am Ende war. Er ordnete schließlich an, für einen Zeitraum von sechs Monaten die Produktion von 600 t täglich auf 300 t zu drosseln. In dieser Zeit solle die Abwasserreinigung instandgesetzt und das bereits angekündigte Öko-Audit durchgeführt werden. Zum ersten Mal sollte damit in Indonesien das neue Allheilmittel für Umweltprobleme Öko-Audit Anwendung finden. Den Auftrag erhielt die amerikanische Gutachterfirma Labat-Anderson. /Down To Earth, No. 23, April 1994/. Unklarheit herrschte noch über die Beteiligung von Umweltverbänden und Betroffenen in den Auditing-Prozeß. Denn diese bestanden einerseits darauf, an dem Prozeß zu partizipieren, andererseits gab es Bedenken, sich vereinnahmen zu lassen, ohne etwas bewirken zu können, sodaß es nachher heißen könnte: Seht her, auch die Umweltschützer haben zugestimmt /Down To Earth, No. 24, August 1994/. Ende vergangenen Jahres sollten die Ergebnisse des Öko-Audits vorliegen, sodaß über das weitere Vorgehen hätte entschieden werden können. Doch bislang wurden keine Ergebnisse bekannt gegeben - möglicherweise ein Hinweis darauf, daß alles noch viel schlimmer ist als vermutet.

"Ist ja schlimm. Aber jetzt sag' doch mal, wie war das mit den Menschenfressern?"


Quellen: (soweit nicht anders angegeben)

WALHI/YLBHI - Mistaking Plantations For Indonesia's Tropical Forest, September 1992
Down To Earth - Pulping The Rainforest, July 1991
SKEPHI - Setiakawan, No. 10 u. No. 11, 1993
taz, 6.3.95
 
 
 

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