Suara Nr. 2/2008 (Menschenrechte)

Folter wegen sexueller Orientierung

von King Oey, Arus Pelangi *

 

 
 

Folter ist immer noch ein weit verbreitetes Phänomen in Indonesien; es ist ein Überbleibsel aus der Suharto-Ära. Polizei und Militär lernen während ihrer Ausbildung noch immer selbst, schweren körperlichen Misshandlungen Stand zu halten. Von daher verstehen sie es als normal, dieselbe Behandlung denen angedeihen zu lassen, die sie für ihre Gegner halten. Das können Feinde sein, politische Widersacher oder einfache Kriminelle. Aber eine bestimmte Gruppe sticht hervor: sexuelle Minderheiten wie Transsexuelle, Schwule und Lesben, denn in ihren Fällen läuft die Folter üblicherweise mit sexuellem Missbrauch einher. Der hier beschriebene Fall liegt noch nicht lange zurück. Der Fall ist etwas Besonderes, nicht aufgrund dessen, was passiert ist, sondern weil das Opfer sich entschloss dagegen anzukämpfen und seine Rechte einzufordern.

Am 22. Januar 2007 machten Hartoyo („Toyo“), schwuler Mitarbeiter einer NGO, und sein Partner in Banda Aceh, die schlimmste Erfahrung ihres Lebens. Um ca. 23.30 Uhr Ortszeit stürmte eine Zahl von Leuten Toyos Unterkunft, eine Ein-Zimmer-Wohnung, und begannen, die Einrichtung zu zertrümmern.

Herr Hartoyo und sein Partner wurden dann von den Angreifern nach draußen befohlen, wo sich eine Menge von vielleicht 15 Personen versammelt hatte. Sie waren fortgesetzten Schlägen und Beleidigungen ausgesetzt. Am schlimmsten traf es Herrn Hartoyo, der ihnen als Fremder galt, da er nicht aus Aceh stammt. Es muss an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass Aceh die einzige Provinz ist, in der das Scharia-Recht angewandt wird. Aber, es war nicht die Scharia-Polizei, die ihn misshandelte, sondern gewöhnliche Leute.

Nachdem es den Leuten langweilig geworden war, Toyo und seinen Partner zu schlagen, beschlossen sie, die beiden der örtlichen Polizei zu überstellen. Die Opfer wurden zur Banda Raya Polizeistation gebracht, wo sie von Polizisten noch übler behandelt wurden.

Die Polizei zwang die beiden, sich zu entkleiden und oralen Sex zu vollziehen; sie bespritzten die Opfer aus einem Schlauch mit kaltem Wasser und zwangen Toyos Partner, auf dessen Kopf zu urinieren. Die ganze Zeit über wurden die Opfer geschlagen, mit Flüchen überzogen, beleidigt, und ausgelacht. Es ist bemerkenswert, dass Toyo übler behandelt wurde als sein Partner. Das liegt daran, dass Toyo offen eingestand schwul zu sein, während sein Partner vorgab, immer noch auf Frauen zu stehen.

Am nächsten Tag wurden die beiden Opfer freigelassen, in erster Linie weil es nicht genügend Beweismaterial für eine Anklage gab. Die Polizei dachte, damit sei der Fall zu den Akten gelegt. Aber Folter und sexuelle Misshandlung ist inakzeptabel und schreit nach Gerechtigkeit. Und das ist es, wonach besonders Toyo dürstet.

Aus diesem Grunde beschloss eine Koalition von NGOs, bestehend aus Arus Pelangi, Kapal Perempuan, YLBHI, KontraS und Imparsial, tätig zu werden. Zunächst evakuierten sie Toyo aus Banda Aceh nach Jakarta. Dort begleiteten sie Toyo ins Hauptquartier der Nationalen Polizei. Doch leider fand es die Nationale Polizei lediglich angemessen, ein Disziplinarverfahren gegen die Polizisten auf der Wache in Banda Raya anzustrengen.

Nach Ansicht der NGO-Koalition reicht das nicht aus. Am 8. März 2007 reiste ein Team von YLBHI zusammen mit Toyo zum Polizeibüro der Region von Banda Aceh, um dort Strafanzeige gegen die Polizisten der Wache in Banda Raya zu erstatten. Inzwischen hatte die Koalition auch schon eine nationale und internationale Kampagne gestartet, um die Regierung dazu zu drängen, dem Problem der Folter mit drastischeren Schritten zu begegnen. Eine erste Pressekonferenz zu dem Fall wurde am 27. Februar 2007 gehalten und eine Radiostation machte ein Interview mit Toyo. Amnesty International und die Asian Human Rights Commission (AHRC) starteten Briefaktionen, die auf rege Teilnahme stießen. Die Nationale Polizei gab den Kollegen in Aceh schließlich Anordnung, dem Fall nachzugehen. Toyo wurde in Begleitung von YLBHI zur Anhörung geladen. Er wurde gebeten, seinen Partner ausfindig zu machen, damit er als Zeuge vernommen werden könne. Doch dieser ist unauffindbar und ganz offenbar nicht zu einer Aussage bereit. Mangels seiner Zeugenaussage will die Polizei in Banda Aceh den Fall nicht weiter verfolgen. Dem Vernehmen nach wurden allerdings einige der an den Misshandlungen beteiligten Polizisten disziplinarisch belangt.

Indirekt möchte die Koalition mit dieser Kampagne auch einen Beitrag zur Debatte über die Scharia-Gesetze in Aceh leisten; sie hat in diesem Zusammenhang bereits zahlreiche Opfer von Menschenrechtsverletzungen benannt. Aber die Opposition gegenüber den Exzessen der Scharia in Aceh fiel bisher auf taube Ohren. <>

* aus dem Englischen übersetzt von Alex Flor

Arus Pelangi, Indonesian Federation of Lesbian, Gay, Bisexual & Transgender Communities: http://asia.geocities.com/arus_pelangi/
 
 
 

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