Suara Nr. 2/2007 (Recht)

 

Der Fußballweltmeisterpott ist zwar verpasst, aber Deutschland bleibt Exportwertmeister

(Teil II)

 

Die Einpflanzung des deutschen Verwaltungsverfahrensgesetzes in indonesische Regierungsstellen

von Pipit Kartawidjaja


In Anlehnung an das deutsche Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) – serviert von der GTZ – hat Kementerian PAN alias Pendayagunaan Aparatur Negara (Ministerium für die Potenzsteigerung oder Zweckmäßigkeit und Arbeitsfähigkeit der staatlichen Apparate) die 13. Fassung des Gesetzentwurfes (RUU alias Rancangan Undang Undang) zur Administrasi Pemerintahan vom 26.07.2006 an das Parlament (DPR alias Dewan Perwakilan Rakyat) weitergeleitet. Das Ministerium drängt das Parlament diesen Gesetzentwurf als Priorität schleunigst zu behandeln. Gemessen an der laufenden Nummer des Entwurfes arbeitet das Ministerium sehr fleißig, denn im April 2005 lag noch die 4. Fassung des Entwurfs vor – und von der 11. Fassung gab es gar die Versionen 11.a und 11.b.

Mit dem Gesetzentwurf zur Administrasi Pemerintahan wird die lang ersehnte indonesische Verwaltungsreform eingeleitet.
 

Zwischen Erotik und Erosion

Die Originalfassung des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) besteht passend zu den starken und überernährten Deutschen aus 103 Paragraphen. Dagegen besteht der 13. Gesetzentwurf (RUU alias Rancangan Undang Undang) über Administrasi Pemerintahan (abgekürzt: RUU AP) wie die schlanken und unterernährten Indonesier nur aus 45 Paragraphen. Davon ist ein Paragraph (§ 43) echt indonesisch. Er regelt die Sanktionen gegenüber höheren Beamten (pejabat) der Administrasi Pemerintahan (Verwaltung von Regierungstätigkeiten; zur Übersetzungsproblematik s. Teil I des Artikels in Suara 1/07), die gegen bestimmte Paragraphen des vorgenannten Gesetzes verstoßen. Dieser Zusatzparagraph ist quasi das Sambal zum aus Deutschland eingeführten Verwaltungsverfahrensgesetz.

Im Deutschen ist der Begriff Verfahren eindeutig. Das VwVfG ist ein Gesetz über das Verfahren der Verwaltung (genauer der Behörde), welches das Vorgehen regelt, wenn die Tätigkeit der Behörde nach außen gerichtet ist und eine Rechtswirkung besitzt. Nach außen gerichtet bedeutet, wenn die Behörde z.B. mit Bürgern verkehrt 1

Die Umwandlung ins Indonesische ist irreführend. Das schmackhafte Verwaltungsverfahrensgesetz wurde zur Henkersmahlzeit, denn RUU Administrasi Pemerintahan bedeutet ja Gesetzentwurf über Regierungstätigkeitsadministration oder Regierungstätigkeitsstelle (s Teil I), die sich sowieso im Erosionszustand befindet. Gemeint ist eigentlich die Verfahrensregelung der Regierungstätigkeitsstelle/-administration /MenPAN: Perlu Dasar Hukum Reformasi Birokrasi, BPKP, http://www.bpkp.go.id/viewnews.php?aksi=view&start=840&id=600, 21.12.2004/

Wegen des fehlenden Wortes Verfahren wurde der Gesetzentwurf vor allem von den NGOs in Indonesien nicht beachtet. Umso verwirrender hat das Ministerium für Potenzsteigerung der staatlichen Apparate (Kementerian PAN) zusätzlich noch ein RUU Pelayanan Publik (Gesetzentwurf über Bürgerservice, der auch schon beim Parlament vorliegt) serviert. Da vom Namen her der Gesetzentwurf über  Bürgerservice erotischer erscheint als der Exot Gesetzentwurf über Administrasi Pemerintahan, der das Bekenntnis der Erosion in der Regierungsverwaltung ausdrückt, richten sich alle Augen auf  en Gesetzentwurf über Bürgerservice – und die großen, bekannten NGOs stürzen sich gierig auf das Mahl (ich weiß nicht wie der Kuchen verteilt wurde, aber aus sicherer Quelle hörte ich, dass sich die Kosten für den Gesetzentwurf über Bürgerservice auf 5 Milliarden Rupiah oder ca. 0,42 Millionen Eros beliefen).

Bis Juni 2006 hat keine NGO den Gesetzentwurf zu RUU Administrasi Pemerintahan beachtet, weil die allgemeine Meinung vorherrschte, es sei schwierig, da die Regierung zu Good Governance verpflichtet werden müsse, was jedoch nur durch externen Druck erreicht werden könne. Diese Meinung vertrat unter anderem Prof. Dr. Sofyan Effendi, ein Experte für staatliche Verwaltung an der Universitas Gajahmada, Yogyakarta /Kompas, 27.12.2003/. Den Druck von außen erhofft man durch den erotischen Gesetzentwurf über Bürgerservice (RUU Pelayanan Publik) schaffen zu können.

Während meiner Vortragsreisen über das Verwaltungsverfahrensgesetz habe ich die NGOs immer wieder absichtlich provoziert, in dem ich sagte, „euer Verhalten ist wie das der FPI (Front Pemuda Islam alias Islamische Jugendfront), die die Redaktion des Playboy in Jakarta stürmte, aber keine nackten Frauen im Magazin fand. RUU Pelayanan Publik (der Gesetzentwurf über Bürgerservice) ist wie Playboy in Jakarta. Dagegen ist RUU Administrasi Pemerintahan als Anlehnung an das deutsche Verwaltungsverfahrensgesetz der wahre Playboy aus New York, in dem nackte Frauen abgebildet sind“.

Die Anspielung auf Playboy ist nicht unberechtigt. Denn RUU Pelayanan Publik (Gesetzentwurf über Bürgerservice) enthält keine Regelung über die nach außen wirkende Tätigkeit der  Regierungsadministration. Diese sollen in den jeweiligen Ministerien/Departements erlassen werden (§ 16 RUU Pelayanan Publik, Entwurf VII vom 17.02.2005). Dagegen sind die Regelungen bzgl. Anhörung, Akteneinsicht, Ermessen usw im RUU Administrasi Pemerintahan in Anlehnung an das deutsche Verwaltungsverfahrensgesetz genau definiert. Aus diesem Grund, so habe ich meinen Landsleuten erzählt, kennen die Deutschen kein Gesetz über Bürgerservice. Denn das Verwaltungsverfahrensgesetz ist nichts anderes als ein Gesetz über Bürgerservice.

Weil Manitu es wollte, hat diese Erkenntnis das Ministerium für Potenzsteigerung der Staatsapparate überrollt. Im Mai 2006 forderte das Ministerium das Parlament auf, es möge RUU Administrasi Pemerintahan als Priorität behandeln /RUU Administrasi Pemerintahan Jadi Prioritas, Kompas 16. Mai 2006/, obwohl die Beratung des Gesetzentwurfs über Bürgerservice vor dem Gesetzentwurf über Administrasi Pemerintahan im Parlament bislang oben ansteht.
 

Versuch, Jack The Ripper zu zähmen

Wichtig ist natürlich für welche Anwendungsbereiche das Gesetz über Administrasi Pemerintahan Gültigkeit bekommen soll. Als Produkt aus dem Land der Denker ist die Funktionsweise des Gesetzes genial, es gibt keinerlei Bedenken gegen oder Einschränkungen für seine Anwendung. Alle Gesetze, die den Bürger betreffen, müssen das Verwaltungsgesetz passieren – das Verwaltungsverfahrengesetz ist sozusagen der Grenzübergang.

„Das Verwaltungsverfahrensgesetz führt zu einer Subjektivierung des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger. Der Einzelne darf nicht zum Objekt staatlichen Geschehens degradiert werden, sondern muss als selbständige Person ernst genommen werden, Daher muss z.B. der Bürger als Beteiligter in die ihn betreffenden Verwaltungsverfahren einbezogen und mit eigenen Verfahrensrechten ausgestattet werden. Das ist durch das Verwaltungsverfahrensgesetz ausdrücklich geregelt. Der Bürger hat das Recht, vor Erlass einer Verwaltungsentscheidung gehört zu werden, was ihm die Möglichkeit gibt, auf die Entscheidungsfindung Einfluss zu nehmen; ferner har er das Recht auf Einsicht in ihn betreffende Verfahrensakte der Behörde, das Recht auf Wahrung seiner persönlichen und geschäftlichen Geheimnisse und das Recht, sich durch einen Dritten vertreten zu lassen oder sich eines Rechtbeistandes zu bedienen. Vor allem aber ergibt sich aus der Subjektstellung des Bürgers die Anerkennung subjektiver Rechte, die die objektive Rechtsbindungen der Verwaltung durch entsprechende  subjektive Berechtigung des Bürgers ergänzen und Grundlage für die gerichtliche Geltendmachung der Einhaltung der Rechtsbindungen sind“ /zitiert nach Prof. Dr. Hartmut Maurer, Verwaltungsrecht in Einführung in das deutsche Recht, dtv 1. November 1990, S. 303-304/.

Zwei wichtige Instrumente werden hier genannt: Anhörung und Akteneinsicht. Diese werden zwar im RUU Administrasi Pemerintahan übernommen, allerdings ist noch unklar, was man in Indonesien unter Akteneinsicht versteht, denn bisher sind Aktenvermerke Sache von Jack the Ripper.

Nehmen wir als Beispiel meinen Fall, als das indonesische Konsulat in West-Berlin 1983 meinen Reisepass entgegen der Regel statt um zwei Jahre nur um 6 Monate verlängerte.
 




Nach deutschem Recht liegt in dem Schreiben ein Verfahrensfehler vor: Ohne Anhörung hat der indonesische Konsul seine Entscheidung getroffen. Dies wäre ein Verstoß gegen das Verwaltungsverfahrensgesetz bzw. Gesetz über Administrasi Pemerintahan – unabhängig davon, ob der Konsul in der Sache Recht hatte oder nicht.

Man kann schon erahnen, welche Folgen das Gesetz über Administrasi Pemerintahan für so umstrittene Gesetze oder Verordnungen wie das Anti-Pornographiegesetz und die Perda (Peraturan Daerah) in Tangerang haben würde. Falls das Gesetz dort seine Anwendung finden sollte, kann man Leute nicht mehr so einfach wie Orang Utans verhaften und aburteilen, wie dies in Tangerang geschehen ist.
 

Ermessen als Schutzengel und Diskresi als Vampir

Neben den beiden genannten gibt es noch weitere wichtige Instrumente, eines davon ist sogar das wichtigste, nämlich das Ermessen (§ 40 VwVfG).

In RUU Administrasi Pemerintahan wird Ermessen mit Diskresi (§ 25 RUU AP Entwurf Nr. 13) übersetzt. Das Wort Ermessen bringt meine Landsleute durcheinander. Ermessen wird als freies Ermessen (Diskresi, übernommen aus dem englischen Begriff discretion) verstanden – wohl zuviel Sambal hinzugefügt. Das freie Ermessen ist den indonesischen Staatsrechtlern nicht fremd – wohl aber das Wort Ermessen ohne Sambal. Daher wird Ermessen nur als freies Ermessen verstanden und damit korrumpiert.

Das Freie Ermessen ist sogar allgemein akzeptabel. Es gilt als Selbstverständlichkeit, wenn höhere Beamte oder die Regierung Diskresi besitzen. „In einem modernen Rechtsstaat wird die Einmischung von der staatlichen Verwaltung benötigt, um das Wohl der Bürger (Masyarakat) zu gewährleisten. Eine Methode zur Gewährleistung des Wohles der Bürger ist das freie Ermessen, das ist die freie Handlung der staatlichen Verwaltung, um die Probleme zu lösen, die noch nicht gesetzlich geregelt sind, aber schnell gelöst werden müssen“, meint z.B. Sadiyo von der Universitas Negeri Malang /Ilmu Pengetahuan Sosial, Juli 2003 Tahun 38, Nomor 2, http://www.malang.ac.id/jurnal/fe/ips/2003a.htm/ 2.

Andere Wissenschaftler schreiben: „Um einen modernen Rechtsstaat (welfare state) zu managen/lenken, erhält die Regierung Diskresi (Spielraum für freies Ermessen) oder Freiheiten, welche die Interpretationsfreiheit, die Erwägungsfreiheit und die Entscheidungsfreiheit mit einschließen“ /s. Dr. SF. Marbun, SH., M. Hum dan Ridwan, SH., M.Hum, Makalah I, 5 April 2005, hal. 23, http://www.gtzsfgg.or.id/csr/agenda_seminarRUU.htm; s. auch Iskatrinah SH, M. Hum, (Dosen Unwiku Purwokerto), Pelaksanaan Fungsi Hukum Administrasi Negara Dalam Mewujudkan Pemerintahan Yang Baik, Litbang Pertahanan, No.10 Tahun 2003, http://buletinlitbang.dephan.go.id/index.asp?vnomor=10&mnorutisi=11/ 3

Gesetzlich ist Diskresi oder freies Ermessen z.B. im Polizeigesetz verankert: „Für die Einhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit hat jeder höhere Polizeibeamte die Befugnis zu freiem Ermessen (Diskresi), nämlich die Befugnis zur Herstellung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit nach seinen eigenen Beurteilung zu handeln“ /Bab Umum Dalam Penjelasan UU RI NOMOR 2 TAHUN 2002 TTG KEPOLISIAN NEGARA RI/

Die Meinungen gehen sogar soweit, dass „höhere Beamte oder die Regierung Befugnis nach freiem Ermessen (Diskresi) im Namen der Allgemeinheit und bei Gefahr im Verzug gegen die Gesetze verstoßen können“ /Fernando Silalahi, in Hukum Online http://cms.sip.co.id/hukumonline/detail.asp?id=15048&cl=Berita/. Oder: „Diskresi ist eben eine Maßnahme, die von den Gesetzen abweicht, um sich gesellschaftlichen Herausforderungen stellen zu können“ /Kementerian Perencanaan Pembangunan Nasional/Badan Perencanaan Pembangunan Nasional, Departemen Kelautan dan Perikanan, Departemen Hukum dan Hak Asasi Manusia Bekerja sama dengan Mitra Pesisir/Coastal Resources Management Project II, Menuju Harmonisasi Sistem Hukum Sebagai Pilar Pengelolaan Wilayah Pesisir Indonesia, Jakarta 2005, s. 416/. Also, freies Ermessen wird freches Ermessen.

Zu meinem Erstaunen zeigte sich ein Universitätsprofessor in Surabaya bei einem meiner Vorträge im August 2005 hartnäckig. Unbeirrt meinte er, dass  mit Ermessen nichts anders als freies Ermessen gemeint sei. Meine Erwiderung, „du Blödmann!, halt deine Klappe, ich deutsch besser verstehe als du“, kam nicht so gut an. Er war der Professor. Es blieb mir also nichts anders übrig, als die ganze Palette von verschiedenen Ermessen vorzuführen, die es in Deutschland gibt: ordnungsgemäßes Ermessen, pflichtgemäßes Ermessen, Entschließungsermessen, Auswahlermessen. Hinzu noch die Begriffe Ermessensüberschreitung bzw. Ermessennichtgebrauch, Ermessenunterschreitung oder Ermessensmangel, Ermessenfehlgebrauch oder Ermessenmissbrauch.

Der Professor war sprachlos. Es war echt geil! Wie beim Hahnenkampf auf Bali: ein Provokateur gegen einen Professor in der Arena – nur wegen dieses verflixten Ermessens.

Umso sprachloser waren meine Landsleute als ich versuchte zu erklären, dass die vorschriftsmäßige Bedeutung des Ermessens ist, dass das Ermessen nur auf der sogenannten Rechtsfolgenseite eingeräumt wird. Was Rechtsfolgenseite ist, möchte ich hier nicht weiter vertiefen.

§ 40 VwVfG bestimmt nicht den Begriff und die Zulässigkeit des Ermessens, sondern setzt diese voraus. Der Paragraph regelt die Ausübung des Ermessens in Fällen, in denen der Behörde hinsichtlich einer von ihr zu treffenden Entscheidung ein Ermessensspielraum eingeräumt ist. Ist der Behörde Ermessen eingeräumt, so muss sie hiervon Gebrauch machen. Übt z.B. die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen überhaupt nicht aus, so liegt eine Ermessensunterschreitung vor.

Kurz gesagt und schnell gefuttert wie Fastfood, dient Ermessen im deutschen Verwaltungsverfahrensgesetz einer besseren Beteiligung des Bürgers, d.h. Ermessen ist im positiven Sinn dem Bürger zugeneigt. Ja, Ermessen heißt Erwägung – sobald das Gesetz die Anwendung des Ermessens einräumt.  Ermessen ist der Geist des deutschen Verwaltungsverfahrensgesetzes.  Ermessen ist ein Schutzengel aus dem Land der Denker.

Man kann Ermessen auch einfach so beschreiben: die Position der Bürger ist schwächer als die des Staates, was auch verständilich ist, da der Staat eine Obhutfunktion besitzt. Um die Positionen ins Gleichgewicht zu bringen, sieht das Verwaltungsverfahrensgesetz u.a. die folgenden Instrumente vor: Beratung/Auskunft, Anhörung, Akteneinsicht und Ermessen. Selbst, ein fehlender Aktenvermerk, um zu dokumentieren, wie die Verwaltung zu einer Entscheidung gekommen ist, bedeutet Ermessensunterschreitung (Ermessensausfall, Ermessensnichtgebrauch). Stellt das Gericht einen Ermessensfehler (darunter Ermessensunterschreitung) fest, so ist die umstrittene Entscheidung rechtswidrig, unter Umständen sogar nichtig (§ 114 Verwaltungsgerichtsordnung).

Man sieht, wie genial die Leute im Land der Denker waren, als sie diese Gesetz bastelten.

Die im RUU Administrasi Pemerintahan vorgesehene Diskresi ist dagegen eine Art Tarnkappenbomber B-2 Spirit der Regierungsadministration, der gegen ein wenig Schmiergeld außer Gefecht gesetzt werden kann, weil Diskresi nichts anders ist und auch nicht anders verstanden wird als freies Ermessen. Sie kann sogar gegen das Gesetz eingesetzt werden. Diskresi erscheint somit als Vampir aus dem Land der Henker.

Um den Schutzengel Ermessen und den Vampir Diskresi zu verdeutlichen, zeigt die nächste Seite einen Vergleich der Diskresi im indonesischen Polizeigesetz mit dem Ermessen im Brandenburgischen Polizeigesetz: während die indonesischen Bulldozer Diskresi als eigene Bewertung gebrauchen dürfen, setzt der Gebrauch des Ermessens durch die Bullen im Land Brandenburg Handlungsalternativen voraus.

Kein Wunder, dass es dem nicht zu beneidenden Verwaltungsklempner, Herrn Rimmele von der GTZ, Kopfzerbrechen bereitet, wie im RUU Administrasi Pemerintahan das Ermessen zur Diskresi wurde. Rimmele arbeitet als Berater im Ministerium für Potenzsteigerung des Staatsapparates an der Einführung des an Deutschland angelehnten Verwaltungsverfahrensgesetzes. In einigen elektronischen Briefwechseln suchten wir gemeinsam nach einem passenden indonesischen Wort für Ermessen. Ich schrieb, es  wird schwierig sein, den Begriff Erwägung (Pertimbangan/Penilaian) einzuführen, denn meine Landsleute sind schon in das Wort Diskresi verliebt. Pech für Rimmele.

Ich habe während meiner Vortragsreisen mehrmals gesagt, es wäre sinnvoller gewesen, ein paar Beamte, Mitarbeiter von NGOs oder unsere Staatsrechtler in die deutsche Verwaltungen einzuschleusen, um hier ein paar Monate Praktikum zu machen, bis sie begriffen haben, was Ermessen wirklich bedeutet. Danach können sie nach einer geeigneten Übersetzung suchen oder den Begriff auf die Erfordernisse im Land der Henker anpassen.

Es bleibt nichts anderes übrig als dem Wort Diskresi in § 25 RUU Administrasi Pemerintahan 13. Entwurf eine Schranke zu setzen. In der Erläuterung zu diesem Paragraph heißt es nun: „Diskresi yang bebas (Freies Ermessen) und Diskresi sewenang-wenang (willkürliches Ermessen) sind im Rechtstaat nicht erlaubt. Ein Verwaltungsakt muss rechtmäßig sein“ 4.

Woalaaaaa…….schwierige Anpassung, denn diskresi ist eindeutig  freies Ermessen, aber zugleich ist diskresi doch not freies und not willkürliches Ermessen oder Vampire is not Schutzengel but Vampire is doch Schutzengel. Aber trotzdem, Dank dem deutschen Ermessen wird die indonesische Diskresi vorschriftsmäßig und ordnungsgemäß gehenkt.
 

Kann das Verwaltungsverfahrensgesetz seine Funktion erfüllen?

Das deutsche Verwaltungsverfahrensgesetz hat hinreichende Vorbedingungen. Das Verwaltungsverfahrensgesetz (übrigens gibt es in Deutschland ja neben dem Verwaltungsverfahrensgesetz noch das Verwaltungsverfahrensgesetz für das Sozialgesetzbuch) wurde in Deutschland im Jahre 1976 eingeführt 5, als die Trennung zwischen Staat und Regierung vollzogen war (z.B durch das Beamtengesetz). Daneben gibt es eine Reihe von anderen Bedingungen wie Verwaltungsvorschriften als Instrument zur Umsetzung des Gesetzes und nicht zu vergessen die Verwaltungsgerichtsordnung.

Diese Vorbedingungen fehlen uns, wenn das Verwaltungsverfahrensgesetz indonesischer Version eingeführt wird. Selbst eine so einfache Vorbedingung der Funktionstüchtigkeit des Gesetzes wie die Verwaltungsvorschrift oder Ausführungs-/Durchführungsbestimmungen kennen meine Landsleute nicht. Als Verwaltungsvorschrift zur Umsetzung eines Gesetzes bedient man sich bei uns einer PP alias Peraturan Pemerintah (Regierungserlass -- und man sieht alles riecht nach „Regierung“), danach folgen Petunjuk Teknis oder Petunjuk Pelaksana alias technische Anweisung zur Umsetzung des Regierungserlasses seitens der Regierungsverwaltung. Während in Deutschland die Verwaltungsvorschriften allen Bürgern zugänglich sind, sodass sie erfahren können, wie die Verwaltung arbeitet, gelten die Petunjuk Pelaksana als Staats- bzw. Regierungsgeheimnis.

Aufgrund des Fehlens dieser Vorbedingungen, fürchte ich, dass die Einführung des Gesetzes ein Fehlschlag wird. Was zur Zeit abläuft ist mehr Einpflanzung des deutschen Verwaltungsverfahrensgesetzes in die Regierungstätigkeitsstellen/Verwaltung.

Aber Herr Eko Prasojo, Absolvent der deutschen Akademie für Verwaltung, der seine Doktorarbeit über die Staatsverwaltung in Deutschland schrieb und inzwischen zum jüngsten Professor an der Universitas Indonesia gekürt wurde, sagte mir, dass nach Verabschiedung des Gesetzes über Administrasi Pemerintahan durch das Parlament (DPR) eine Änderung des indonesischen Beamtengesetzes erfolgen soll. Dies werde eine Umkrempelung der Verwaltung bedeuten – weg von der Regierungs-, hin zu einer staatlichen Verwaltung.

Trotz aller Bedenken, ist die Einführung des deutschen Verwaltungsverfahrensgesetzes meines Erachtens positiv zu beurteilen. Das Land der Denker hat Deutschland leistete damit eine bedeutsame Entwicklungshilfe für Land der Henker.

Dafür sollten eigentlich Leute wie Herr Rimmele von der GTZ und Herr Prof. Dr. Eko Prasojo von der Universitas Indonesia mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden -- anstatt Herr Habibie für die Einführung des deutschen Technowahns. Habibie hat das Bundesverdienstkreuz zwar erhalten, aber durch den Fluch des Bundesverdienstkreuzes wurde er danach gleich mehrfach di-habisi und gekreuzigt. <>
 
 

1 VwVfG § 9 Begriff des Verwaltungsverfahrens: Das Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzes ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein. Vorschriften über die Pflegschaft entsprechend (Verwaltungsverfahrensgesetz, Datum: 25. Mai 1976 Fundstelle: BGBl I 1976, 1253 Textnachweis Geltung ab: 1. 1.1977 Maßgaben aufgrund des EinigVtr vgl. VwVfG Anhang EV (+++ Stand: Neugefasst durch Bek. v. 23. 1.2003 I 102))

2 im Original: „Dalam negara hukum modern perlu adanya campur tangan administrasi negara dalam rangka memenuhi kesejahteraan masyarakat. Salah satu cara untuk mencapai kesejahteraan itu adalah digunakan asas freies ermessen, yaitu kebebasan bertindak asministrasi untuk memecahkan masalah yang aturannya belum ada, sedangkan masalah itu harus diatasi dengan segera“ (Sadiyo, Universitas Negeri Malang, Juli 2003 Tahun 38, Nomor 2, Ilmu Pengetahuan Sosial, http://www.malang.ac.id/jurnal/fe/ips/2003a.htm

3 im Original: „Dalam penyelenggaraan pemerintahan di negara hukum modern (welfare state), pemerintah dilekati dengan diskresi (freies Ermessen) atau kebebasan, yang meliputi kebebasan interpretasi  (interpretatieverijheid), kebebasan mempertimbangkan (beoordelingsverijheid), dan kebebasan mengambil kebijakan (beleidsvrijheid).“
s.auch: „es ist eine Selbstverständlichkeit ist, wenn jeder höhere Beamte (pejabat publik) diskresi besitzt“, Prof. Benyamin Hossein, Staatsrechler-Professor an der Universitas Indonesia /Diskresi Pejabat Sulit Dicari Batasannya, 11.08.2006, http://www.mail-archive.com/akhi@yahoo groups.com/msg00161.html/.
„.. Aus der Sicht des staatlichen Verwaltungsrechts hat jeder höhere Beamte (Pejabat Publik) einen Spielraum für Ausnahmehandlungen oder Diskresi“, Gayus T. Lumbuun, Mitglied der DPR-Kommission für Rechtsangelegenheiten /Proteksi Pejabat Masuk RUU Administrasi Pemerintahan Senin, 12 Juni 2006, 12:42 WIB,
http://www.depdagri.go.id/konten.php?nama=Berita&op=detail_berita&id=241/

4 im Original: „Diskresi yang bebas (Freies Ermessen) dan sewenang-wenang (Willkürliches Ermessen) tidak boleh ada di dalam Negara hukum. Tindakan Administrasi harus berdasarkan kepada hukum” /Penjelasan Pasal 25 RUU Administrasi Pemerintahan Draft XIII 25.07.2006/.

5 Die Vorläufer des Verwaltungsverfahrensgesetzes waren u.a. das preußische Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30.7.1883, die badische Landesherrliche Verordnung das Verfahren in Verwaltungssachen betreffend vom 31.8.1884 oder die Landesverwaltungsordnung für Thüringen vom 10.6.1926 /Klaus Obermayer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, Luchterhand Verlag, 1999, s. 7-9/
 
 

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