Suara Nr. 2/2007 (Wirtschaft)

 

Indonesien, Osttimor und die kommenden Freihandelsabkommen mit der EU

 

von Henri Myrtinnen


Die Europäische Union (EU) ist dabei, sowohl mit Indonesien als auch mit Osttimor Freihandelsabkommen auszuhandeln. Im Falle Indonesiens geschieht dies im Rahmen der EU-ASEAN Verhandlungen, bei Osttimor sind es die EU-AKP Verhandlungen. Blühende Landschaften versprechen sich die Einen vom freieren Handel, Arbeitsplätze und satte Gewinne; von Deindustrialisierung, Neokolonialismus und steigender Armut reden die Anderen. Wer hat Recht? Wie werden sich die momentan in der Verhandelungsphase steckenden Abkommen mit der EU auf Indonesien und Osttimor auswirken? Haben die Befürworter oder die Kritiker recht mit ihren Szenarien?
 

Die WTO ist tot, es lebe WTO-Plus!

Seitdem die Verhandlungen um die derzeitige sogenannte Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) ins Stocken geraten sind, haben die wichtigsten Wirtschaftsländer der Welt angefangen, Dutzende von bilateralen und regionalen Freihandelsabkommen auszuhandeln. Eines dieser Abkommen wird momentan zwischen der EU und der ASEAN vorbereitet. „Dabei gilt für die EU-Kommission, dass das was bei der WTO auf dem Tisch war, nur die Ausgangsposition sein kann,” sagt Joseph Purugganan von Focus on the Global South. „Was die EU Kommission anstrebt ist ein sehr viel weiter gehendes Abkommen, ein sogenanntes WTO-Plus Abkommen.” Das gleiche gilt für das Economic Partnership Agreement, kurz EPA, welches zur Zeit mit Osttimor im Rahmen des Cotonou-Abkommens ausgehandelt wird.
 

EU-ASEAN Abkommen – Gewinner und Verlierer

Laut der Presseerklärung der EU-Kommission vom 23.04.2007 würde das neue Abkommen die Exporte der EU in die ASEAN Staaten um 24,2% wachsen lassen, andersherum würden die Exporte der ASEAN in die EU um 18,5% wachsen. Allein im Bereich der Dienstleistungen prophezeit die EU Kommission den Südostasiaten Zuwächse von 14 Milliarden Euro.

Differenzierter sehen das zwei Studien, die im Auftrag der EU-Kommission 2006 erstellt worden sind. In den Studien wurden vier verschiedene Szenarien mit verschiedenen Liberalisierungsgraden analysiert, und bei praktisch allen Szenarien war das Resultat ähnlich: während bei der Fischerei und der landwirtschaftlichen Produktion Zuwächse in Südostasien zu erwarten wären, würde die verarbeitende Industrie in allen ASEAN Staaten schwere Einbußen erleben. In Indonesien wären die größten Einbußen in den folgenden Bereichen zu erwarten: Maschinenbau, Papierindustrie, Textil- und Lederverarbeitung sowie in der Elektronikindustrie. Parallel dazu würden die europäischen Exporte nach Südostasien wachsen, sowohl im Industriebereich als auch bei den Dienstleistern.

Die Gewinner einer Liberalisierung des Handels im Fischerei- und Agrarbereich wären nicht die Kleinbauern und traditionellen Fischer, sondern die Agrarindustrie und die kommerzielle Großfischerei.

Auch die versprochenen großen Zuwächse im Bereich der Dienstleistungen sollte man mit Vorsicht genießen, meint Professor Robles von der De La Salle Universität in Manila. „Nehmen wir mal an, dass es wirklich zu der versprochenen Verdoppelung der Arbeitskräfte im Dienstleistungsbereich kommen würde. Trotzdem können uns die Studien leider nicht sagen, ob es nun wirklich die abgelegten Arbeiter und Arbeiterinnen aus der Industrie sind, welche dann die im Dienstleistungsbereich entstehenden Jobs bekommen würden oder ob diese marginalisiert würden.” Viel Vorstellungsvermögen braucht man nicht um sich auszumalen, wer das Rennen machen wird, der Singaporeaner mit MBA aus Australien oder der ungelernte Fabrikarbeiter aus Bandung, der gerade auf die Straße gesetzt worden ist.
 

Zweierlei Partnerschaften

Während bei den Verhandlungen zwischen der ASEAN und der EU zwei große Handelsblöcke aufeinander treffen, sieht es bei den EPA-Verhandlungen sehr anders aus. Als Teil des Cotonou-Abkommens zwischen der EU und 78 Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik, kurz AKP-Staaten genannt, drängt die EU darauf, bis Ende diesen Jahres die bestehenden präferenziellen Exportregelungen für die AKP-Staaten durch umfassende EPA-Verträge zu ersetzen. Von wirklicher „Partnerschaft” kann dabei aber kaum die Rede sein.

Das Missverhältnis zwischen den Verhandlungspartnern ist am extremsten im Falle der Pazifik-Staaten, zu denen auch Osttimor gezählt wird. Die Wirtschaftskraft der EU ist ca. um das 1.500fache größer als die der 16 pazifischen Staaten. Viele dieser Staaten  sind   von  Entwicklungshilfe
 
abhängig und politisch in einem labilen Zustand. Wo die EU-Kommission bei den Verhandlungen auf ein veritables Heer von geschulten Ökonomen und Rechtsanwälten zurückgreifen kann, haben die Pazifikstaaten zusammen insgesamt nur einige Dutzend Spezialisten, viele von ihnen von Nichtregierungsorganisationen, da den staatlichen Bürokratien die Kapazitäten fehlen.

Was die EU Kommission will, ist, wie im Falle der Verhandlungen mit der ASEAN, ein WTO-Plus Abkommen. „Nichts,” sagte die EU-Kommisarin Danuta Hübner zum Anfang der Verhandlungen, „darf Tabu sein.” Das Paradoxe ist, dass dadurch den AKP-Staaten, die zu den Ärmsten der Welt gehören, Konzessionen abverlangt werden, die weit darüber hinaus gehen, was ihnen durch einen WTO-Beitritt abverlangt würde. Dabei sind nur drei der 16 pazifischen AKP-Staaten der WTO beigetreten, die anderen gelten als wirtschaftlich noch zu schwach. In den EPA Verhandlungen fordert die EU Kommission zum Beispiel Zugeständnisse im Dienstleistungsbereich, im Patentrecht, bei Investitionen und bei Zollbestimmungen über die bei den WTO-Verhandlungen bisher keine Einigkeit herrscht. Zugeständnisse macht die EU ihren AKP-„Partnern” kaum. Die von der EU-Kommission bei den Verhandlungen angebotenen Einfuhrbestimmungen aus den AKP-Ländern gelten schon seit Jahren.

Neben der nahezu kompletten Öffnung ihrer Märkte für europäische Firmen und Investoren machen sich viele der AKP-Staaten Sorgen um den kommenden Verlust der Zolleinnahmen, welche oft einen beträchtlichen Teil der Staatseinnahmen ausmachen. Laut einer Prognose des Institute of Development Studies der Universität Sussex werden voraussichtlich Dreiviertel der AKP-Staaten 40% ihrer Zolleinnahmen verlieren, bei dem restlichen Viertel sind Verluste von über 60% zu erwarten.

Die beiden Prozesse – die EU-ASEAN Verhandlungen und die EU-AKP EPA-Verhandlungen scheinen somit eher der EU als den wesentlich schwächeren Wirtschaftssystemen Osttimors und Indonesiens zu nützen. Nach Abschluss der Verträge werden die bisherigen Möglichkeiten der beiden Länder, ihre Märkte zu schützen, nicht mehr existieren und sie werden der direkten Konkurrenz aus Europa ausgesetzt sein. Die Risiken sind groß, aber es wird sicherlich auch einige Vorteile geben für Indonesien und Osttimor, die sie aus der neuen Situation ziehen können. Ob diese jedoch die zu erwartenden Nachteile ausgleichen werden, scheint unwahrscheinlich. <>
 
 

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