Indonesien-Information Nr. 2 2003 (Demokratie)

 

Sonderautonomie für Papua

Chance oder Illusion?

von Siegfried Zöllner


Sonderautonomie für Papua – Chance oder Illusion? – das war das Thema einer Tagung zu Westpapua, die am 4. und 5. Juni 2003 in Berlin stattfand. Veranstalter der Tagung waren die Friedrich-Ebert-Stiftung, Watch Indonesia!, das West-Papua-Netzwerk, die Vereinte Evangelische Mission, das Diakonische Werk, Missio, Misereor, Justitia et Pax und die Missionszentrale der Franziskaner.
 
 

1. Hintergrund


Am 1.Januar 2002 trat in der indonesischen Provinz Papua (Westpapua) ein Gesetz in Kraft, das der Provinz weitgehende Selbstverwaltung gewähren sollte. Damit wollte die indonesische Regierung der Unabhängigkeitsbewegung in Westpapua den Wind aus den Segeln nehmen. Führende Papua wurden an der Formulierung des Gesetzes beteiligt. Allerdings wurden viele Wünsche der Papua nicht berücksichtigt und Paragraphen, die den Papua wichtig waren,  wieder aus der Vorlage gestrichen. So kam ein Gesetz zustande, das nach Meinung der Papua zu wenig Möglichkeiten der Selbstverwaltung und Selbstbestimmung bietet, nach Meinung der Zentralregierung in Jakarta jedoch eigentlich zu weit geht. Die Zentralregierung zögerte, wichtige Ausführungsbestimmungen zu erlassen, so dass das Gesetz auch anderthalb Jahre nach seinem in Kraft Treten noch nicht wirklich angewandt werden kann. Im Januar erließ die Präsidentin sogar eine Instruktion zur Aufteilung der Provinz Papua in drei Provinzen, die nach Meinung aller Juristen gegen das Autonomiegesetz verstößt.
 
 

2. Verlauf der Berliner Tagung


In Berlin sollte von Fachleuten erörtert werden, unter welchen Bedingungen das Autonomiegesetz Chancen zur Konfliktlösung in Westpapua bietet. PD Dr. Hans-Joachim Heintze von der Universität Bochum erläuterte in einem Grundsatzreferat die Möglichkeiten von Autonomielösungen im internationalen Kontext. Anschließend wurde in drei Kurzreferaten das Gesetz und seine bisherige Anwendung evaluiert. Prof. Dr. Harun Alrasid von der Universitas Indonesia in Jakarta stellte fest, dass die indonesische Regierung die Anwendung des Gesetzes offenbar verzögere und verschleppe. Insbesondere widerspreche die Instruktion der Präsidentin Megawati Sukarnoputri zur Aufteilung der Provinz Papua dem Gesetz. Er forderte dazu auf, einen Antrag auf gerichtliche Prüfung an den derzeit dafür zuständigen Obersten Gerichtshof in Jakarta (Mahkamah Agung) zu stellen. Die beiden andern Redner zeigten auf, warum das Gesetz vielen Forderungen der Papua nicht genügend entgegen kommt.

In zwei weiteren Arbeitseinheiten wurde das Gesetz analysiert hinsichtlich der Möglichkeiten in den Bereichen wirtschaftliche Entwicklung, Erziehungs- und Gesundheitswesen und Menschenrechte. Gibt es Veränderungen bzw. Verbesserungen in diesen Bereichen, seit das Gesetz in Kraft ist? Das war die Fragestellung. Fachkundige Kurzreferate zu diesen Bereichen wurden von Prof. Dr. Agus Sumule von der Universitas Papua in Manokwari, von dem Mitglied des Provinzparlamentes in Jayapura, Frau Augustina Iwanggin, und von den Menschenrechtlern Pater Neles Tebay und John Rumbiak gehalten. Der Tenor ihrer Ausführungen war eher skeptisch. Hinsichtlich der Beachtung von Menschenrechten hat sich nichts geändert. Der Krieg in Aceh und die derzeit laufende Militäroperation im Hochland von Papua zeigen, dass in Indonesien das Militär die bestimmende Macht ist. Trotz Kritik von vielen Seiten aus der Zivilgesellschaft Indonesiens ist die Regierung nicht an einer Lösung interessiert, die auf einem friedlichen und demokratischen Dialog basiert, sondern glaubt, die Konflikte mit Gewalt lösen zu können.

Ein Höhepunkt der Tagung war das Gespräch mit Frau Petra Ernstberger MdB (Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, stellvertretendes Mitglied im Menschenrechtsausschuss) und Legationsrat Günter Gruber, dem Leiter der Abteilung Südostasien und Ozeanien im Auswärtigen Amt. Beide Gesprächspartner machten klar, dass die Bundesrepublik Deutschland die Integrität Indonesiens respektiere und eine Unabhängigkeit Acehs oder Papuas für sie zurzeit undenkbar sei. Bei den vielen schweren Krisenherden in der Welt (Afghanistan, Irak, Kongo, Palästina) stehe Papua auf einem hinteren Platz, was die Beachtung durch die Politik betreffe. Doch eine Tagung wie diese, die von so vielen respektablen Organisationen getragen werde, könne dazu beitragen, die Aufmerksamkeit auf Papua zu lenken. Leider konnte die eigentliche Ansprechpartnerin, die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, Claudia Roth, nicht an der Tagung teilnehmen.

Eine besondere Note erhielt die Tagung durch die Anwesenheit einer starken Delegation der indonesischen Botschaft in Berlin und zweier Vertreter der Botschaft in Den Haag.. Der Botschaftsrat Stephanus Yuwono nahm engagiert an den Gesprächsrunden teil. So kam es in Ansätzen zu einem Dialog zwischen Vertretern Papuas und den hiesigen Repräsentanten der indonesischen Regierung. Die Veranstalter hatten sich viel Mühe gegeben, einen kompetenten Sprecher des indonesischen Innenministeriums, das für die Durchführung der Autonomieregelung zuständig ist, als Redner und Gesprächspartner zu gewinnen. Leider musste der vorgesehene Vertreter – Dr. Situmorang – kurzfristig absagen. Ein politisches Signal?

Die Kunde von der bevorstehenden Tagung zum Autonomiegesetz war offenbar auch bis nach New York gedrungen. Am Vortage kündigte sich David L. Phillips vom Council on Foreign Relations an. Er führte ein ausführliches Gespräch mit den Vertretern der Friedrich-Ebert-Stiftung, Watch Indonesia!, West-Papua-Netzwerk und den anwesenden Vertretern Papuas. Das renommierte Beratergremium für die US-Außenpolitik hatte gerade einen Bericht zur Autonomie in Westpapua unter dem Titel Peace and Progress in Papua veröffentlicht, der konkrete Empfehlungen enthält. Die wichtigste Empfehlung: strikte Durchführung des Autonomiegesetzes und Rücknahme der Instruktion der indonesischen Präsidentin zur Aufteilung Papuas in drei Provinzen. Er warb für die Unterstützung der Empfehlungen, nicht nur bei den Veranstaltern der Tagung, sondern auch im Auswärtigen Amt, wo er Legationsrat Günter Gruber traf. Rückenwind für die Berliner Tagung!
 
 

3. Ergebnisse


Die Tagung hat in vier Richtungen Impulse gegeben:

Die Vertreter/innen der deutschen Politik haben wahrgenommen, dass es beachtliche Gruppen in der deutschen Zivilgesellschaft gibt, die die politische Situation in Indonesien im allgemeinen und Papua und auch Aceh im besonderen aufmerksam beobachten, zu Aktionen bereit sind und von der deutschen Regierung Unterstützung hinsichtlich der Menschenrechtssituation erwarten.

Die Vertreter der indonesischen Regierung haben ebenfalls zur Kenntnis genommen, dass zivilgesellschaftliche Gruppen nicht nur in Deutschland die Entwicklung in Indonesien kritisch beobachten. Sie haben am Beispiel der Diskussion um das Autonomiegesetz für Papua wahrgenommen, dass die indonesische Regierung von ausländischen Beobachtern nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten gemessen wird.
 

Die Vertreter Papuas sind angeregt worden, differenzierter über Chancen nachzudenken, die ihnen das Autonomiegesetz eröffnen könnte, wenn es wirklich buchstabengetreu angewandt würde. Sie hatten die Gelegenheit, vor einem engagierten internationalen Forum ihre Sorgen, Vorstellungen und Erwartungen vorzutragen. Sie haben die Chance genutzt, haben auf Menschenrechtsverletzungen hingewiesen und Gerechtigkeit gefordert.

Die deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben viel über Indonesien und insbesondere über Papua erfahren. Sie sind motiviert, auch in Zukunft am Diskurs über Frieden und Gerechtigkeit, Entwicklung und Demokratie in Papua / Indonesien teilzunehmen.

In der Schlusserklärung heißt es unter anderem: „Die Konferenz verstand sich als ein Schritt auf dem Weg zu einem Dialog, der fortgesetzt werden sollte. Alle Seiten luden die internationale Gemeinschaft ein, den konstruktiven Dialog, den Aufbau vertrauensbildender Maßnahmen und die Verwirklichung des Gesetzes zu Sonderautonomie aktiv zu unterstützen.“

Das Schlusswort von Erwin Schweisshelm von der Friedrich-Ebert-Stiftung blickte in die Zukunft: Eine ähnliche Tagung in Jakarta – unter dem Dach der FES – könnte der Anfang eines Dialogs zwischen der indonesischen Regierung und der Bevölkerung der Provinz Papua sein. Ein solcher Dialog wird seit langem von den Papua gewünscht. Er könnte zu mehr Gerechtigkeit, zur Achtung der Menschenrechte und zum Frieden im Lande Papua führen.  <>
 
 

Zurück zur Hauptseite Watch Indonesia! e.V. Back to Mainpage